LebensberichtEin höchst wahrscheinlich von Diefenbach inspirierter Lebensabriß, den er am 30. Dezember 1897 auf dem Himmelhof bei Wien niederschreiben ließ |
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Ende
Juni 1897 kehrt Diefenbach aus Ägypten nach Wien zurück, um
wenigstens einen Teil seiner verpfändeten Bilder zu retten.
Zugleich möchte er einen neuen Anfang wagen. Mit einer großen
Ausstellung seiner Bilder will er eine Tournee durch Europa
unternehmen. In den Städten seines Auftretens sollen, wie schon
in Wien, sogenannte "Ehrenvereinigungen" zu seiner
Unterstützung und zur Propagierung seiner Ideen gebildet werden:
Fördervereine und Gemeindezellen in einem. Eine Zeitschrift mit
dem Namen 'Humanitas' soll sie verbinden. Zur Förderung dieses
Vorhabens läßt Diefenbach im Herbst 97 seine Biographie
niederschreiben. Der hochpathetische, von verehrender Ergriffenheit
zeugende Stil dieser Darstellung verweist auf seinen Schüler
Paul von Spaun als wahrscheinlichen Verfasser. Möglicherweise
diente er auch nur als Schreiber dem diktierenden Diefenbach. (Die
Zwischentitel wurden vom Herausgeber eingefügt.)
Karl Wilhelm Diefenbach, geboren am 21. Februar 1851 in Hadamar im ehemaligen Herzogthume Nassau. Sein Vater Leonhard Diefenbach war Zeichenlehrer an dem herzoglichen Gymnasium Hadamar und schuf als Maler außerdem namentlich auf dem Gebiete der Architekturmalerei bedeutende, jedoch wenig beachtete und wenig belohnte Kunstwerke, sodaß er bei verkrüppeltem, schwächlichem Körper sein ganzes Leben in drückendster, beengendster Armuth verbringen mußte und sich sowie seine sechs Kinder nur durch die außergewöhnlich hohen Charaktereigenschaften seiner Frau (geb. Therese Wolfermann) zu erhalten vermochte. Unter
dem Drucke eines solchen Schicksales, gegen welches anzukämpfen
die schwächlich-passive Natur nicht einmal zu denken wagte,
wurde es durch einen im Januar 1868 den Vater befallenden
Schlaganfall unmöglich gemacht, daß sein Sohn, der bis
dahin das Gymnasium seiner Vaterstadt bis zur Obersekunda besucht
hatte, zur Verwirklichung seines seine ganze Jugendzeit erfüllenden
sehnsüchtigen Wunsches der Ausbildung in der Malerei und
Bildhauerei die Akademie in München zu besuchen, gelangen
konnte. Erwerbsarbeit als Schreiber und Photograph Auf die drängende Bitte des an seiner Genesung zweifelnden Vaters bewarb sich Karl - um möglichst bald seiner elterlichen Familie materielle Stütze bieten zu können - um die Stelle eines Zeichners auf einem Bureau der nassauischen Eisenbahn. Diese Stellung, in welcher er jedoch nur als Schreiber verwendet wurde, verließ er nach einem Dreivierteljahr in seinem damals schon klar und bestimmt vortretenden unbeugsamen Drange nach freiem künstlerischem Schaffen und Leben, trotz der ihm in Aussicht gestellten Beförderung zu einer höheren, seinem künstlerischen Werthe mehr entsprechenden und besser bezahlten Stellung. "Der Noth gehorchend, nicht dem eignen Triebe", vor allem aber um die qualvolle Sorge des Vaters nach möglichst rascher Erwerbsfähigkeit zu beseitigen, ging er zur Erlernung der Photographie nach Frankfurt am Main. In
gewissenloser Weise nur zum Ausflicken kleiner Photogramme
ausgebeutet, verließ er nach halbjährigem, mit großen,
für seine armen Eltern nur unter drückendsten Entbehrungen
aufzubringenden Kosten verbundenem Aufenthalt, in welchem er kaum die
Grundbegriffe und Handgriffe der photographischen Chemie kennengelernt
hatte, seine vertragsmäßig festgesetzte
Lehrzeit. Unter unsagbarem Drucke auf seine sich in Adlerregionen
sehnende Künstlerphantasie brachte er zwei Jahre als Gehilfe in
photographischen Geschäften zu, gezwungen, die Bildnisse der
"gebildeten Gesellschaft" ebenso wie von Dienstmädchen
und Soldaten nach deren verdorbenem Geschmacke anzufertigen und zu
"idealisieren". Im dritten Jahr durch den [Münchner]
Hofphotographen Albert "engagiert", kam er wohl an den
während seines ganzen Lebens so heiß verlangten Ort seines
Künstlersehnens, mußte aber umso schmerzlicher die Fesseln
eines fabrikmäßigen Arbeitens um geringen Tageslohn
ertragen, während der berühmte Hofphotograph hundertfachen
Geldgewinn und Auszeichnungen aus seinem Werke zog. Studium der Malerei in München Nach
einem halben Jahre sprengte er die Fesseln dieser Sklaverei, um den
Traum seiner Jugend: die künstlerische Ausbildung auf der
Münchner Akademie zu verwirklichen. Mit rastlosem Fleiße
und übermenschlich zu nennender Anstrengung und unter
unglaublichsten Entbehrungen selbst der äußersten
Lebensbedürfnisse erwarb er in seinen "Erholungs"-Stunden
das Geld zur Bestreitung seines Aufenthaltes in München sowie
zur Fortsetzung der seinen Eltern aus seinem seitherigen "Verdienste"
unter größten Einschränkungen seiner eigenen
Bedürfnisse aus seinem liebevollen Herzen zugewandten
Unterstützung. Ein kleines Stipendium seines ehemaligen
Landesfürsten erleichterte ihm einigermaßen diese
übermenschliche Aufgabe. Mit dem Feuereifer seiner
kunstbegeisterten Seele und seiner eisernen, alle andern als
unüberwindlich scheinenden Hindernisse überwindenden
Energie lebte er sich unter der Leitung des ehrwürdigen
Professors Streihuber, eines Studiengenossen seines Vaters, in die
klassische Schönheitswelt des alten Hellas ein und auf Grund
dieser Idealauffassung in die natürliche Schönheit des
nackten menschlichen Körpers als dem höchsten
Schönheitsgebilde der Erde. Erkrankung, Verkrüppelung und dauerndes Leiden Doch nach kaum drei Monaten eines solchen Lebens und Strebens erlag er den übermäßigen Anstrengungen und Entbehrungen. Er verfiel einem schweren Typhus, welcher ihn über ein halbes Jahr in das Münchner Krankenhaus fesselte, ihn hart an den Rand des Todes und - nachdem zum Staunen der behandelnden Ärzte seine lebensstarke Seele diese Gefahr überstanden hatte - an die Grenze geistiger Umnachtung durch Übergang der Krankheit auf sein überreiztes Gehirn brachte. Bezeichnend für sein ganzes Wesen und sein späteres von den meisten seiner Zeitgenossen ungewürdigtes und mißkanntes Verhalten und öffentliches Auftreten ist der Inhalt seines langen Fieber-Deliriums: Ausführung künstlerischer Werke für die Kinderwelt und Bethätigung seiner kindlichen Liebe zur Erleichterung und Verschönerung des Lebensabends seiner Eltern. Die in heilloser Verblendung heute noch übliche und staatlich geschützte Medizin-behandlung der Krankheiten - Folgen der naturwidrigen Lebensweise der Menschheit durch Unterdrückung des von dem Medizinwahne fälschlich für Krankheits-erscheinungen gehaltenen Heilbestrebens der Natur - drängte die durch Gifte an der natürlichen Ausscheidung gehinderten Krankheitsstoffe auf den, neben dem Gehirn, am meisten angestrengten Körperteil, den rechten Arm. Eine ungeheure Venenentzündung und eine während derselben vorgenommene und mißglückte chirurgische Operation vernichteten sämtliche Oberarms- und den rechtsseitigen Brustmuskel und töteten die Ernährungswege, auf welchen dieselben sich bei naturgemäßer Behandlung einer solchen Erkrankung wieder hätten erholen und zu ihrer früheren Kraft erheben können. Unter namenlosen Qualen mußte er den aus sechs, durch fingerlange Drainageröhren offengehaltenen Wunden vereiternden Oberarm, dessen leiseste Bewegung unerträgliche Schmerzen verursachte, über ein Jahr in einer Binde tragen, während sein übriger zum Skelett abgemagerter Körper dank seiner von den Ärzten angestaunten Widerstandsfähigkeit und der liebevollen Pflege seiner Mutter erstaunlich rasch sich wieder erholte. Aber
größer noch als die körperlichen Schmerzen war der
Lebensschmerz, durch die Verkrüppelung seines rechten Armes ein
so ungeheures, in seiner Lage kaum zu überwindendes Hindernis
gegen die Bethätigung seines künstlerischen
Schaffensdranges entstanden zu sehen. Die dermals schon versuchte
Einübung der durch die allgemeine Vernunftwidrigkeit der heute
noch üblichen Erziehung ungeübt gebliebenen linken Hand
mußte er der für seinen wunden Arm sowie für sein
angegriffenes Gehirn daraus entstehenden Schmerzen halber nach
kurzem, heftigem Betreiben wieder aufgeben. Nach anderthalbjähriger
Unterbrechung seines kaum und so heißerrungenen akademischen
Studiums kehrte er im Sommer 1874 nach München zurück. Leiden und Tod der Eltern Die Freude an dem am Rande des Grabes neu erlangten Wiederaufleben wurde außer durch den dauernden Verlust der Armmuskel durch das täglich sich drückender gestaltende Schicksal seiner armen, durch die Todesangst um ihn ergrauten Eltern getrübt. Bezeichnend für sein ganzes späteres, in den Augen seiner Zeitgenossen ihm zum Vorwurf gerechnetes Verhalten ist, daß er sein nach solcher Unterbrechung kaum wieder aufgenommenes akademisches Studium abermals unterbrach, um durch Ausführung der massenhaft ihm zufließenden Aufträge (Illustrationen zu Volksbüchern, Aquarellkopien nach modernen Gemälden) das Geld zu verdienen zur Ermöglichung seines Liebesplanes, seine Eltern und Geschwister aus seiner Heimat Nassau zu sich nach München nehmen zu können! Mitten in dieser von seinem engern Bekanntenkreise theils als "Versündigung an seinem Berufe" gethadelten, theils als unerhörte aufopfernde Kindesliebe angestaunte Titanenarbeit erhielt er die ihm bis zur äußersten Gefahr verheimlichte Nachricht, daß er sofort nach Hause kommen müsse, wenn er seine Mutter noch einmal lebend sehen wolle. Im Winter, alle seine so mühsam errungenen Verhältnisse in München plötzlich verlassend und abbrechend, machte er diese Reise - über Stuttgart, um dort Verbindungen mit Verlagsbuchhändlern für seine Jugendschriften sowie sonstige Aufträge zu erlangen - und traf seine Mutter, kaum wieder erkennbar, dem Tode rettungslos verfallen an. Abermals
war es der unheilvolle Medizinwahn, der an einem so edelmenschlichen
Wesen, wie die Mutter Diefenbachs war, sein entsetzliches
Vernichtungswerk verübte. Die hohe Seelenfreude über die
werkthätige Sohnesliebe in Verbindung mit dem energischen
Eingreifen eines jungen, die falsche Diagnose des behandelnden Arztes
erkennenden Studenten der Gießener Universität überwand
zwar für den Augenblick die drohende Todesgefahr, doch war das
Zerstörungswerk des massenhaft verabreichten Medizingiftes an
den edelsten Organen schon so weit vorgeschritten, daß der
unsagbar leidenden edlen Frau durch die Riesen-Liebesthat ihres
Sohnes wohl eine Erleichterung und unaussprechliche Herzensfreude
bereitet wurde, aber der Vergiftungstod nicht mehr verhindert werden
konnte. Im
Mai 1875 siedelte Diefenbach mit seinen Eltern und Geschwistern unter
unsagbaren Schwierigkeiten und kolossalen, unter solchen Umständen
von ihm zu verdienenden (!) Kosten nach München über. Die
Qualen der hoffnungslos und namenlos leidenden Mutter zu lindern,
begannn der damals Vierundzwanzigjährige neben anderen
Erwerbsarbeiten und der persönlichen Pflge seiner Mutter die
ebenso innigste Gemüthstiefe als sprudelnde Lebenslust und
strotzende Lebenskraft verkörpernden Gestalten zu seiner
"Kindermusik" (seines später unter dem Titel "Per
aspera ad astra" erschienenen Prachtwerkes). Sechs Wochen nach
der Übersiedlung nach München erlag seine Mutter ihrem
Leiden, und nach weiteren acht Wochen folgte sein Vater, der den
Verlust einer solchen Lebensgefährtin, welcher er allein seine
Erhaltung verdankte, nicht zu überleben vermochte, im Tode nach. Als Prinzenmaler auf Schloß Hohenburg Diefenbach
war damals zu seinem ehemaligen Landesfürsten, dem Herzog von
Nassau, berufen worden, um nach kleinen Photogrammen den vor einem
halben Jahr verstorbenen jugendlichen Prinzen ein lebensgroßes
Bildnis zu schaffen, eine Aufgabe, welche außer dem
Lebensschmerze um seine an der Schwelle eines ihnen durch seine Liebe
und sein hohes Opfer seiner Kunststudien bereiteten schönen
Lebensabends so grausam verlornen Eltern erschwert wurde durch die
völlige Unkenntnis und das natürliche Widerstreben gegen
die Hofetikette und Hofintrigue. Abermals bezeichnend für sein
Wesen ist der Endausspruch des Herzogs wider ihn: "Ihr Verhalten
Ihrer Familie gegenüber ist zwar sehr lobenswerth, aber Sie
versündigen sich dadurch an Ihrem Berufe" und die ohne
weitere Überlegung dem innersten Gefühle entströmende,
ihn in fürstliche Ungnade stürzende Gegenäußerung:
"Hoheit, mein Beruf ist in erster Linie M e n s c h zu sein!"
Wandlung zum Reformer Nach Erledigung dieses Auftrages brach die unter der schonungsvollen Pflege seiner hinsterbenden Eltern durch die höhere Macht der Kindesliebe gewaltsam zurückgedrängte Revolution seines innersten Wesens gegen alle ihm in Staat, Kirche, Schule, Gesellschaft und Familie überkommenen Verhältnisse, welche ihn im besten Falle unbefriedigt ließen, wenn nicht anekelten oder aufs äußerste empörten, endlich aus. Sein kritischer Geist rang nach K l a r h e i t bis zum Grunde aller Dinge, sein Charakter verlangte W a h r h e i t unter allen Umständen, sein Herz und seine Seele verlangten innigste Übereinstimmung des wirklichen Lebens mit den höchsten Menschheitsidealen, welche er als heuchlerische Phrasen in vieler Munde, doch nirgends im Leben bethätigt fand. Äffische Modekleidung und das als schändlicher und verbrecherischer Bestialismus erkannte Verzehren unschuldig gemordeter Thiere - dem Kannibalismus gleichend an geistiger und moralischer Verwerflichkeit - warf er von sich, die Lossagung von der als heuchlerisch und gottwidrig empfundenen Kirche und allen Früchten eines solchen Erziehungsgeistes folgte nach. In kurzer Zeit war der in allen Kreisen durch seine, ihm unbewußte, geistige Überlegenheit zum Mittelpunkt Gewordene als "anmaßend", "beleidigend", "von Größenwahn erfüllt", als "revolutionär", "gottlos" und "unsittlich" verschrien, geächtet, und, da im 19. Jahrhundert Kreuz, Rad und Scheiterhaufen gegen solche unbequeme und verhaßte "Neuerer" nicht mehr möglich sind, auf "höfliche", raffinierte und deshalb umso qualvollere Art mißhandelt. Sein
Austritt aus der den göttlich-ewigen Naturgesetzen sowie auch
dem von ihm empfundenen Wesen Jesu aufs Schreiendste widersprechenden
"christlichen" Kirche und seine Bekämpfung jeglicher
den Geist und die Seele der Menschheit knechtenden Priesterthumes und
der auf gleicher, naturwidriger Grundlage errichteten staatlichen und
wirthschaftlichen Verhältnisse beraubten ihn jeden Haltepunktes
innerhalb der Gesellschaft, und selbst seine nächsten Freunde,
die ihn seither seines glühenden und sprühenden Geistes
halber aufsuchten und bewunderten, wandten sich schaudernd oder feige
von ihm ab, als er die nach langem heftigem Gärungskampfe
erlangte Klarheit seines Geistes und seiner Seele als Maßstab
anwandte zur Beurtheilung der ihn umgebenden Gesellschaft und zur
Grundlage seines Handelns sowie der Gestaltung seines jetzt erst zum
Bewußtsein erwachten individuellen Lebens machte.
Konflikte an der Akademie
Unter
solchen Kämpfen des "Menschen" Diefenbach konnte sich
der "Maler" in ihm trotz seinem eigenen heißen Sehnen
nach künstlerischen Studien und künstlerischem Schaffen nur
sehr langsam und unvollkommen, in grellem Gegensatze zu seinem
innersten Wesen, entwickeln. Von sieben Jahren, während welcher
er an der Münchener Akademie eingeschrieben war, brachte er kaum
sieben Monate in derselben zu, und auch diese kurze Zeit war außer
durch das ungeheure Hindernis seines für immer verkrüppelten
Armes der Entwicklung höchst ungünstig durch die
Gegenüberstellung der weitaus größten Mehrzahl der
übrigen Akademie-Besucher wie selbst einiger
Akademie-Professoren gegen sein eigenartiges, sich in keine Schablone
pressen lassendes Wesen. Die Hölle seiner Ehe Die endlosen Kämpfe mit jedem ihm im Leben Begegnenden, die unsagbar bittere Seelenerregung über die ihn als "Ketzer" behandelnden und verlassenden Geschwister, die unausgesetzte Überanstrengung und gänzliche Pflegelosigkeit seiner nach so schwerer Krankheit geschwächten Kräfte, die Verkrüppelung seines Armes und die trotzdem mit übermenschlicher Anstrengung der äußersten Kräfte vollführte Riesenthat der Zusichnahme seiner Eltern und Geschwister und zu alledem der unausgesetzte Zwang zur Erwerbung seines Lebensunterhaltes hatten seinen seit jener schweren Krankheit ruhe- und pflegebedürftigen Körper völlig gebrochen. Völlig unfähig zu jeder Thätigkeit und dadurch in seiner schlimmer als nur isolierten, von jeder Seite angegriffenen Stellung der Verzweiflung und dem Wahnsinn zugetrieben, mußte er sich als letzte Zufluchtsstätte abermals in das Münchener Allgemeine Krankenhaus bringen lassen, wo die in heißem Fieber-Delirium zu höchstem Schrecken empfundene und schreiend zurückgewiesene Bespritzung mit "Weihwasser" sowie seine Theilnamslosigkeit an den morgens, mittags und abends zur Qual jedes Kranken heruntergeleierten Gebetslitaneien ihn sofort als "schlechten Katholiken" und "gottlosen Ketzer" erscheinen ließen und ihn auch selbst von seiten der ihr Leben der hingebenden Pflege oft ekelerregender Kranker aufopfernden barmherzigen Schwestern durch fanatische Behandlung in Thun und Lassen in Verbindung mit fanatischer Belästigung der Geistlichkeit, durch eine Beichte sich vor dem nahe bevorstehenden Tode mit Gott zu versöhnen, sowie den rücksichtslos erneuten Vorwürfen seiner Geschwister gegen ihn an die äußerste Grenze des Wahnsinnes und des völligen Schwindens seiner Sinne trieben. In solchem
Zustande verfiel er dem seine Hilflosigkeit und
Pflegebedürftigkeit ausbeutenden heuchlerischen Anerbieten einer
verehrungsvollen und liebevollen Pflege von seiten eines,
bezeichnenderweise in einer Klosterschule zur Unterrichtung
"adeliger" Kinder abgerichteten, weiblichen Wesens, das mit
wurmhafter Unfähigkeit zum Begreifen seiner großen
genialen Natur höchste Meisterschaft in raffinierter Intrigue,
Heuchelei und Lüge, dabei, wenn diese teuflischen Mittel im
Kampf mit der arglosen, geraden Künstlernatur die unvermeidliche
Katastrophe herbeiführten, solchen Jähzorn und Bosheit
verband, daß der abgeschnitten von aller Welt auf solche Pflege
angewiesene, zu Boden geschmetterte Riese ein namenloses Martyrium
erdulden mußte, umsomehr als "seine Frau" später
von Seite fanatischer Geistlicher, ferner von Seite um ihr durch die
Verbreitung von Diefenbachs Lebenslehren gefährdetes Ansehen und
Einkommen besorgter Mediziner, sowie von Polizei- und hohen
Regierungsbeamten Münchens, sowie endlich von dem Geiste der
ganzen Gesellschaft als Werkzeug zur Unterdrückung und
meuchlerischen Vernichtung des unangenehmen Predigers "über
die Quellen des menschlichen Elends" benutzt wurde.
Der Kampf mit den Autoritäten
Unzählige
Gerichtsverhandlungen, die alle mit der glänzendsten
Freisprechung des sich oft von der Krankentragbahre aus mit
staunenerregender Geistesschärfe selbst vertheidigenden
Künstler-Philosophen endigten; polizei- und
staatsanwaltschaftliche Strafanträge; widerrechtliche Beraubung
seiner Kinder trotz gegentheiligen Gerichtsurtheiles; der von ihm
eingeleitete Prozeß zur Trennung seiner für seine armen
Kinder noch mehr als für ihn verhängnisvollen entsetzlichen
"Ehe"; mit allen Mitteln betriebene Bemühung vonseiten
"seiner Frau" und der Staatsanwaltschaft - beide
bezeichnenderweise auf Betreiben und mit Unterstützung
hervorragender medizinischer Autoritäten - zur Verbringung des
"Narren" in ein Irrenhaus, endlich, nachdem die Klarheit
seines Geistes und die Größe seines Charakters alle diese
teuflischen Ränke überwunden hatte, die Verabreichung
vergifteten Brotes durch "seine Frau", welche Unthat das
elende Weib kurz vor ihrem Tode unter Angabe der ihr von hoher Seite
zugekommenen Verleitung zu derselben Diefenbach beichtete, sowie die
Folgen aller dieser Unterdrückungsbestrebungen bilden ein
gewaltiges Kapitel der großen Menschheits-Tragödie während
der nächsten 20 Jahre im Leben Diefenbachs, gegen welche er
sich, nur zeitweise umgeben von schwärmerisch-zerfahrenen
"Anhängern", welche seine Kräfte mehr
zersplitterten und aufrieben als unterstützten und sein
Schicksal mehr verschlimmerten, als seine Feinde dies je vermocht
hätten, unter dem namenlosen Schmerze, seine Kinder in
jahrelanger Entreißung seinem Geiste, seiner Seele und seinem
Herzen entfremdet zu sehen, nur mit übermenschlicher Anstrengung
der innersten, oft zusammenbrechenden Kräfte bis heute aufrecht
zu erhalten vermochte. Zukunftsblicke vom Himmelhof Der Name "Diefenbach" ist ein gewaltiges öffentliches Fragezeichen unserer Zeit geworden, und seine Lebensgeschichte wird dereinst - wie Ferdinand Avenarius von Diefenbachs Buch 'Mein Verhältnis zum österreichischen Kunstverein, ein Beitrag zur Geschichte der zeitgenössischen Kunstpflege' sagt - : als "eines der wichtigsten Dokumente zur Kulturgeschichte des Künstlerthums unserer Zeit ... ja, zur Kulturgeschichte unserer Zeit überhaupt betrachtet werden". Und das Künstlerthum Diefenbachs, wo blieb es in diesem titanenhaften Ringen des Einzelnen gegen die Millionenübermacht? - So paradox es dem oberflächlichen Denken erscheine: das K ü n s t l e r t h u m allein trieb und befähigte den "Menschen" Diefenbach zu diesem von Stumpfsinn und Brutalität entweder verlachten oder mit schmutzigsten Waffen entgegneten Riesenkampfe. Die Kunst betrachtet Diefenbach im Geiste eines Shelley, Schiller und Richard Wagner, um nur einige der nächsten Geistesverwandten zu nennen, als das wesentlichste Veredelungsmittel vom "Thiermenschen", und zwar vom rohesten "Raubthiermenschen", der sich vom Kadaver unschuldig gemordeter Thiere - über deren Verwesungs-Geruch und -Geschmack er seine Sinne durch raffinierte Kochkunst täuscht - ernährt und sich auf Kosten seines Nebenmenschen, Unzählige brutal zu Boden drückend, ein Luxusleben verschafft, - zum "Gottmenschen"! Bei solcher Auffassung der Kunst war es dem "lebendig Begrabenen" seither nicht möglich, Werke, welche diesen erhabenen Standpunkt zum Ausdruck bringen, zu schaffen. Ein solcher Künstler kann überhaupt nicht einzelne "Bilder malen", kann nicht schlechtweg "Maler" genannt werden. Nur in großen Gemälde-Zyklen, die wieder untereinander im innigsten Zusammenhange stehen, kann er die von seinem Genius erreichte menschheitliche Frucht seines gewaltigen Lebens künstlerisch zum Ausdruck und zur segenspendenden Offenbarung für die Menschheit bringen. Und an der Ausführung einer solchen Riesenaufgabe arbeitet gegenwärtig der kürzlich von zweijährigem "Erholungsaufenthalt" aus Ägypten nach Wien zurückgekehrte, noch immer namenlos leidende und von härtester Noth gedrückte reformatorische Künstler-Philosoph mit zwei begeisterten Jüngern und seinen - seinem Geiste und seinem Herzen sich seit dem Tode ihrer Mutter wieder zuwendenden - Kindern in seiner jetzigen einsamen Wohn- und Werkstätte, einer der höchsten bewohnten Stätten der Umgebung Wiens: "Himmelhof" bei Ober St. Veit. Eine 'Ehrenvereinigung zur Rettung Karl Wilhelm Diefenbachs' hat sich aus den Kreisen bedeutender Künstler und Kunstfreunde Wiens und Deutschlands gebildet, um öffentlich den unserer Zeit und unserem Vaterlande zur Schande gereichenden Vorurtheilen und Verleumdungen gegen diesen gewaltigen Bahnbrecher einer höheren Kulturepoche der Menschheit entgegenzutreten und die von seinen Jüngern zu leitenden Ausstellungen seiner Gemälde, in Wien beginnend, in allen größeren Städten Österreich-Ungarns, Deutschlands und sodann der übrigen Länder Europas vorzubereiten und schützend zu überwachen, während welcher Diefenbach sich zur Erholung von seinem erlittenen Martyrium sowie zur Ausführung seines höchsten Lebensplanes: der Gründung eines internationalen Erziehungshauses armer verwahrloster Kinder in seinem Geiste aus dem finanziellen Erträgnis der Ausstellungen und Verkäufe seiner Gemälde, in die Einsamkeit eines südlich gelegenen Ortes für den Rest seines Lebens zurückzuziehen beabsichtigt. |