Ein Bekenner
 

Ein Bekenner wahren Menschentums. Letzter Tage beherbergte ich einen originellen. Gast. Der Maler und Schriftsteller Gusto Gräser, von der Tolstoianerkolonie in Ascona (Tessin), sprach bei Mitgliedern der freigeistigen Vereinigung Olten vor. Als sei ein Philosoph aus dem griechischen Zeitalter heraufgestiegen, so erschien uns die männlich schöne Gestalt mit den edlen, kampfharten Gesichtszügen. Vor einigen Wochen wurde im Feuilleton des „Bunddie interessante Persönlichkeit Gräsers gewürdigt und einige seiner Gedichte besprochen. In diesen Gedichten ist eine herzerquickende, naturfrische Lebensphilosophie ausgeprägt. „Zurück zur Natur“ will er ausrufen wie einst Rousseau und Tolstoi:

In die Wildnis sinnt mein Sehnen,

Wo froh-rohes Leben quillt,

Wo die Wälder weit sich dehnen,

Wo der Falkenschrei erschrillt,

Ha, mein Blut ist heiß entbrannt Für das gottvoll-wilde Land ! . . .

. . . Freude braucht o Brüder Die betrübte Welt,

Und wir müssen kämpfen,

Dass sie sich erhellt;

Lebenswaffen schwingen Mit beherzter Hand,

In die Herzen dringen,

Dass sie Heimat bringen In das Land! . . .

Wegen der Verteilung solcher Gedichte hat die „Blochergarde“ in Basel Gusto Gräser vier Tage in Arrest gesteckt. — Wegen seiner Weigerung, in seiner österr. Heimat eine Uniform anzuziehen und zum Kriegsdienst einzurücken, wurde Gräser ins Gefängnis geworfen, kam nachher in ein Spital und von dort nach der Schweiz. Aber auch da ist der Mann ein von der Polizei viel gehetztes Wild.

Trotz alledem, beschämt sollten unsere zivilisierten Menschenmörder zu ihm aufblicken, der als ein revolutionärer Tatmensch den heutigen Sitten und der heuchlerischen Moral trotzt und nach einem wahren Menschentum, einem Lebensideal strebt. Sehr wahr bekennt Gräser:

Wo Männer fehlen, wuchern Knecht und Herren Das Bild des Menschen in den Kot zu zerren;

Wo Mannheit waltet, wacker, freigemut,

Da blüht der Mensch, da ist er treu und gut!“

 

Es leben also doch noch ideale Menschen im 20. Jahrhundert, dafür ist Gusto Gräsers Persönlichkeit wieder ein lebendiger Beweis.

W Ad. J.

 
Der Schweizerische Freidenker, 3. Jg., 15. September 1917, Nr. 14, S. 58

 


 
Freude braucht, o Brüder,

die betrübte Welt,
und wir müssen kämpfen,
dass sie sich erhellt;
Lebenswaffen schwingen
mit beherzter Hand,
in die Herzen dringen,
dass sie Heimat bringen
in das öde Land!