Die Gräsers

/Sammlung - Erinnerungen - Familiengeschichte

Zusammengestellt und geschrieben: von Dr. Ladislaus Thurzó Nagy, Gatte von Charlotte Kovacs, die Tochter von Josephine Gräser

Aufs Deutsche übersetzt von Nora Kotlan, /Enkelin von Josephine

Gräser/

Der Alltagsmensch von heute hat wenig Zeit nachzudenken! seine Tage rennen ins Unendliche mit Raketengeschwindigkeit. Er hat fast gar keine Zeit, ein Privatmensch zu sein - und wenn Ja, von geringerem Wert als Jene seiner Ahnen.

Eines Tages zeigt das Spiegelchen graue Haare, Falten im Gesicht, - es scheint, die Jahre seien davongelaufen, ohne vielleicht etwas bleibendes geschafft zu haben.

Wenige sind Ausnahme dessen: wenige sind die, wenn sie auf ihre Vergangenheit zurückblicken, mit Genugtuung und Zufriedenheit alles Verflossene und ihr Schaffen betrachten.

Viele der heutigen Alltagsmenschen - und wir müssen zugeben, mit Recht schauen nicht in die Zukunft, - jedoch auch nicht zurück, in die Vergangenheit: sie leben ausschliesslich dem heutigen Tage, der Gegenwart. Jedoch, oft kommen die Ahnen, die längst Verstorbenen einem in Erinnerung, - oft greift man zurück, um bei ihnen um Rat, um Erfahrung zu fragen. Oft denkt man doch an sie, sei es anlässlich eines Besuches am Friedhof, oder wenn man in alten Schriften blättert, - oft kommen Bilder, Photos zum Vorschein, die das Erinnern positiv lenken - oft steigen Stimmfragmente in der Luft, um wie leichte Vögelfeder uns umzuwirbeln, und die Erinnerungen zu erwecken...

Eine solche Fragmentstimme erwachte auch in mir, als ich mich entschloss den Gräsers ein Monument des Andenkens, der Erinnerung zu stellen, - der Gräserschen Familie, deren Wappen mit dem Tod des Vaters der vier Töchter und des Gatten von Josephine Gräser nach unten gedreht wurde... Ich möchte alles aufs Papier werfen, was ich zu hören bekam, was ich im Laufe der vielen Jahre, wo ich Gatte von Charlotte Kovacs bin, über die Gräsersche Familie erfahren habe: von verschiedenen Lebensarten: einmal von tiefen Gefühlen bedrückt — wo das "schwere sächsische Blut" dominierte, - ein andermal von künstlerischer Begabtheit reich, - wieder ein andermal mit soliden Wurzeln in das bürgerliche Leben geklemmt.

Ich muss eingestehen, diese kleine Kronik ist nicht vollkommen - vielleicht ist es sogar blutarm - doch immer trachtet sie aufrichtig zu sein. Ich kann das Loben all deren nicht so bunt und lebhaft bezeichnen wie diese ihr eigenes Leben zu gestalten imstande waren - doch sei mein Bestreben so gewertet, wie es eben gemeint ist: eine Verbeugung vor all den Ahnen der Gräserschen Familie, die diese grosse und wertvolle Familie wertvoll machten, - die zwar nicht meine bluteigenen Ahnen und Angehörige waren und sind, - mit denen ich Jedoch eine enge Verbundenheit empfinde, - die ich hochschätze, weil sie aussergewöhnliche Menschen waren...

Nun, lasst uns erinnern..,.

Budapest, den....Februar 1963. Unterschrieben: Dr. L.Thurzó Nagy

Wie ich bereits im Vorwort erwähnte, schreibe ich diese Zeilen nach Erzählung. Die heute lebenden Gräser Abkömmlinge haben diejenigen, von denen ich schreibe, vom nahen gekannt, - sodass all das was ich schreibe, auch ohne schriftliche Dokumente, dem Erzählen nach authentisch und richtig sein mag.

Nun sind wir im Jahre 1890, in Siebenbürgen - Transsylvanien - Teil der damaligen Österreich-Ungarischen Monarchie.

Zwei junge Leute, von zwei angesehenen Familien haben Ehe geschlossen und so die Grundlage weiterer, zahlreichen Abkömmlinge geschafft, und wohin sich durch Anheiraten, später weitere Familien anschliessen.

Die zwei Familien heissen: die Kofranek - und die Gräsersche Familie.

Die Familie Kofranek ist von tschechischer Herkunft. Sie waren Adelige Vendel Kofranek, den ich oben erwähnte - war Ritter des Franz Josef Ordens. Die Kofraneksche Familie hat sich seit ihrer Ansiedlung in Ungarn - dem hiesigen Boden gut angepasst, und zählt als eine "ungarische gewordene" Familie.

Kofranek Vendel, Senior, heiratete eine Louise Eglich /von schweizerischer Herkunft/ - deren zwei Brüder: János und Dezsó /Johann und Desiderius/ in Huszt /damaliges Ost-Ungarn: heute russisches Gebiet/, - eine grosse Bugholzfabrik besassen, und die schon in Ungarn geboren waren. Sie waren wirklich reiche Leute, /Charlotte, meine Frau, war des öfteren bei ihnen in Gastschaft mit ihren Grosseltern,/

Die Familie Gräser stammt von Siebenbürgen, und sind Siebenbürger Sachsen. Sie bekennen sich als Sachsen, und sind ungarische Staatsbürger.

Nun, die oberwähnte Heirat fand statt zwischen Gustav Kofranek der später seinen Namen auf Kováts magyarisierte,/ um auch so sein Ungartum zu beweisen. Er hatte einen Bruder: Vendel /Kofranek/, Jun. und eine Schwester Louise, die später einen Oberst von tschechischer Herkunft heiratete, und stets in der Tschechei lebte, und auch dort starb,/ - und Charlotte Gräser, /Tochter von Karl Gräser, Sen. - und Charlotte Pelzer, später von allen "Grossika" genannt/, -

Das junge Ehepaar siedelt sich in Teke /Komitat Kolos: Siebenbürgen/, - an , in einem schönen grossen Haus, was die Familie ihnen baute, - /später verlasst man dieses Haus, und wurde hier das Steueramt errichtet noch in Zeiten meines Besuches an Ort und Stelle im Jahre 1942, und später- zurzeit des Besuches meiner Frau dort, in 60-er Jahren./

1901 (1891 ??? Nora Kotlan) geschieht eine Tragödie: die blutjunge Charlotte stirbt im Kinderbett /mit 19 Jahren/, - und so bleibt das kleine Bäby: Charlotte, mit dem jungen Vater allein. - Nach einer kurzen Zeit entschliesst sich Gustav Kofranek /Kovats/ für eine zweite Ehe, und heiratet die bildschöne Josephine Gräser, Schwester der verstorbenen Charlotte.

Das Ehepaar lebt noch einige Jahre in Tekendorf, im schönen grossen Haus, - und sind hier noch zwei weitere Töchterchen geboren: Margarethe /Margit/, - und Jenny. Nach einigen Jahren übersiedelt die Familie nach Miskolc, wo der junge Gustav als Fortingenieur Leiter der dortigen Forstdirektion wird. Hier kommt noch ein viertes Mädel: Louise auf die Welt.

Josephine Mutter betrachtet das kleine Bäby- Charlotte, stets als ihr eigenes Kind, und so wachsen die vier "Kofranek-Kovats“ Töchter auf. Einen grossen Teil der Fürsorge und der Erziehung übernimmt "Grossika" - die Grossmutter, Charlotte Gräser, Gattin von Karl Gräser, Sen. Richter.

Gustav Kofranek- Kováts stirbt sehr jung: mit 51 Jahren, - und die relativ junge Witwe, Josephine, muss jetzt ihre Töchter allein erziehen. Charlotte heiratet früh, doch starb ihr junger Gatte am Schlachtfeld, im ersten Weltkrieg, beim Przemysl.

Josephine Mutter zieht mit ihren drei übrigen Töchtern nach Wien, /also mit Margit, Jenny und Louise/, die in Wien aufwachsen, und dort geschult werden.

Charlotte zeigt als kleines Kind schon ein grosses Talent fürs Klavier, und wird auch Klavierkünstlerin und Professorin der Klavier­kunst, und verbringt den grössten Teil ihres /unseres gemeinsamen/ Lebens in Miskolc, als Professorin der Musikhochschule, und mittlerweise gab sie auch grosse und wertvolle Konzerte.

Nun möchte ich einige Zeilen der Geschichte der Sachsen im allgemeinen, im ungarischen Siebenbürgen widmen: obzwar sie einen Teil der dreifachen Bevölkerung des damaligen Siebenbürgens bildeten /also Sachsen, Ungaren und Rumäner/, - haben sie ihre Integrität stets bewahrt: sie haben sich weder mit den Ungaren - noch mit den Rumänern gleichgestellt: haben ihre Nationalität weitgehendst bewahrt, und haben immer nach dem alten Vaterland geschaut: nach Flandern und Deutschland, von wo sie im 12. Jahrhundert nach Sieben­bürgen gebracht - angesiedelt worden sind. Im Laufe der Jahrhunderte wurden sie seitens der ungarischen Könige mit allerlei Vorrechten überwälzt,- und haben stets ihre strenge Autonomie bewahrt. Die Sachsen hielten sich von den übrigen Nationalitäten stets fern, heirateten unter sich, und es galt als ungewöhnlich, wenn sie einen nicht-Sachsen in ihre Kreise hineinliessen.

Die Sachsen liessen ihre Kinder meistens in ausländischen Schulen unterrichten: sie waren stets ein wertvolles und gebildetes Volk mit reichen künstlerischen Fähigkeiten.

Nun kehre ich wieder im engeren Kreis zur Gräserschen Familie zurück: die allerersten Angaben, die ich auffinden konnte, lauteten, auf einen Gräser, dessen Gattin eine Josephine Wagner war. Sie sind die Urgrosseltern von den im vorherigen erwähnten Gräserschen Töchter: Charlotte, Margit, Jenny und Louise.

Wir wissen nun, dass es den Namen Gräser überall gab: in den Städten Bistritz /Beszterce/, - Brasov /Kronstadt: Brasó/, - Tekendorf /Teke/- Mediasch /Meggyes/, - Nagyszaben /Sibiu/,= Hermannstadt/, - Sighisoara /Segesvár,= Schässburg/, -Szászrégen = Reghin =Szászrégen/ - usw.

Genaue Angaben über die noch anderswo eventuell auffindigen Gräser- Abkömmlinge ist es mir nicht gelungen, zu finden: das eine steht fest, dass viele von den Gräser Ahnen evangelische Kirchenleute waren, und unter ihnen war einer der berühmtesten: Daniel Gräser, ein Bischof der evangelischen Kirche, im 18. Jahrhundert.

Auch Verwandter war Georg Daniel Deutsch: in Hermannstadt /Sibiu - Nagyszeben/ steht eine Statue von ihm, vor dem südlichen Tor des Doms,

Man müsste weiter in alten Schriften von Siebenbürgen Matrikelämtern nachforschen!

Die Gräserschen standen mit vielen anderen Siebenbürger sächsischen Familien in Verwandtschaft. Meine Frau, Charlotte, gelang es vor einiger Jahren in Mediasch /heute: Medias/ einen Vetter zweiter Linie aufzufinden: Karl Lehrer, und besuchte sie auch, und wird eine rege Korrespondenz mit ihnen aufrechterhalten,

Margit knüpfte eine rege Korrespondenz mit einer anderen Cousine an, die in Stuttgart lebte, und Ende der 6o-er Jahre starb: Marie Hermann, /ihre beste Freundin hiess: Ida Wurditsch, 895 Kaufbeuren, Radlerstr.72 und Ira Faustein, Stuttgart, L. Postfach 476.

Diese Maria hatte noch in den 60-er Jahren Verwandte in Siebenbürgen, und besuchte sie zu zwei Anlässen: damals trafen wir uns mit ihr, wie sie durch Budapest reiste, - ausserdem besuchten wir sie in Stuttgart im Jahre 1963: Bemerkung von Nora Kotlan/.

Die Gräserschen waren eine schöne Rasse. Nicht nur schön, sondern auch sehr intelligent. Die Neigung zur Kunst hat man grösstenteils von dieser Seite geerbt, obzwar auch die Kofranek Familie viele solche Eigenschaften in sich hatte.

Mehrere Mitglieder der Gräserschen Familie errangen wirklichen künstlerischen Ruhm, und waren aktive Künstler, dank ihren künstlerischen Begabtheiten.

Die Söhne von Karl Gräser Sen. - Karl Gräser Jun. und Gusto Gräser, wandern in ihren jungen Jahren von Siebenbürgen hinaus, nach allen Teilen Europas, und kommen in Österreich, in der Schweiz, in Italien und in Deutschland mit der damaligen fortschrittlichen Richtung in engste Verbindung, welche Richtung in der Literatur in Tolstoi, in der politischen Ebene in Lenin gipfelte. /Es sei erwähnt, dass die Gräserschen Brüder, Karl und Gusto und auch Ernst - auch mit Lenin eine Zeit lang in Verbindung standen, - so weit waren sie enthusiastisch was die aufgeklärten, demokratischen Ideen anbelangte.

Daniel Gräser: hat seine Universitätsstudien in Heidelberg und Jena absolviert. Er war Professor - evangelischer Pfarrer und schliesslich in Nagyszeben: Bischof.

Seine Gattin ist Josephine Renkert: die in Familiengesprächen stets als eine sehr strenge und sparsame Frau figurierte. Sie hatten vier Kinder: Karl Sen. Josephine, Gustav und Hermann.

Karl Gräser. Sen.: Studierte Jura in Heidelberg, Beherrschte sehr gut die ungarische Sprache. Er liess sich beim Bericht nieder: als Jurist, begann er mit seiner Praxis beim Standesgericht in Mediasch, später kam er zum Gericht in Kronstadt, - schliesslich endete er seine Laufbahn als Präsident des Standesgerichtes, wo er bis zu seinem /frühen/ Lebensende arbeitete.

Als Gattin nahm er die Tochter von Dr. Josef Pelzer: Charlotte, die von allen später stets "Grossika" genannt wurde /sie ist in Balassagyarmat /auch heute Ungarn/ begraben worden.

Er starb jung, in seinem 54. Lebensjahr: wurde neben seine früh verstorbene Tochter, Charlotte im Tekendorf begraben, beim Grab stehen Tannen Wache...

Kinder von Karl Gräser Sen. und Charlotte /Grossika/:

Charlotte /früh gestorben; sie besuchte die Schule in Beszterce /Bistric wo sie bei Hermann Gräser wohnte. Sie spielte gut Klavier, und lernte auch Singen: sie hatte eine schöne Stimme, /Musikalisches Talent erbte wohl die kleine Charlotte vor allem seitens ihrer Mutter: Charlotte/.

Karl Gräser /Jun./ Er ist der älteste von den drei Gräser Söhnen. Fing seine Laufbahn als Offizier an. In Nagyszeben ist er zuerst Kadett, und kommt in die Offiziersschule nach Wienerneustadt. Dient auch in Przemysl. Ist von je her magenschwach, und wird eine lange Zeit in einem Wiener Spital behandelt.

In Wien gelang er in die Gesellschaft von Freidenkenden, und kehrt als ein solcher nach Siebenbürgen zurück.

Auch sein jüngerer Bruder, Gustav wird sich den neuen Gedankenrichtungen anpassen, und bilden erst in ihrer Garnisonstadt eine freidenkende Gesellschaft: ihnen schliesst sich auch Leopold Wölfling, ein geborener Habsburg - ebenfalls Offizier im selben Regiment — an.

Die jungen Leute ziehen bald nach Westen, durch die Alpen, - um in Ascona später ein Leben "zurück zur Natur” zu führen.

1913 war auch meine Frau, Charlotte, zusammen mit ihren damals kleinen Töchterchen: Palma und Edit, in Ascona, als Gast von Karl und Gusto Gräser.

Über die dort erlebte Zeit lässt sich viel erzählen - nun möchte ich nur einige Seltsamkeiten erwähnen: Die Kleidung von Karl und Gusto ist ganz legere, für die Sonne gemeint, - ihre Kost ist eine Rohkost, sie sind halt Vegetarianer. Karl und Gusto haben sich dort eigenhändig ein Haus errichtet, - später erweitert, - und daneben bauten sie auch einen Bassin für Wasserkur, Dusche, usw.

Karl heiratete dort bald Jenny Hoffmann, deren Vater in Ascona eine Naturheilanstalt hatte. Meine Frau, Charlotte, ging während ihres dortigen Aufenthaltes /ein halbes Jahr lang/ oft hinauf, ins Sanatorium, wo ein grosser Saal den Musizierenden diente: ein grosses Steinway Klavier stand in der Mitte, - neben der Wand, ringsherum waren Sessel, und überall, in grossen Vasen waren stets blaue Hortensien. Jenny Hoffmann’s Schwester, - Ida - war auch eine exzentrische Frau, und allerdings eine ausgezeichnete Klavierkünstlerin. Ida gab jede Woche Klavierabende, wohin Lotte /meine Frau/ stets eingeladen war.

Karl und Gusto haben eine Erfindung gehabt: Obstkäse, und dies haben sie in der Schweiz patentizieren lassen. Es gab mit Apfel, Birnen, Orangen und geschälten Mandeln gefüllten Obstkäse, das in schöner Verpackung in Zürcher Delikatessengeschäften zum Verkauf gebracht worden sind, sie waren stets von Touristen bevorzugt.

Ich möchte jetzt eine kleine Anekdote erzählen, die auch gleichzeitig die gelassene, legere Art der Gräserschen schildert…

"Karl und Gattin sind eines Tages von ihrem Heim weggefahren. Da im Hause keine Türen und Fenster - jedenfalls nicht schliessbare - waren, und der Wind sollte im Haus frei hin- und herblasen - hatten sie nichts zu verschliessen. So liessen sie auch die Schränke offen.

Da jedoch Jenny ziemlich viele Schmuckstücke hatte, wurden diese im Garten begraben. Als sie noch einigen Wochen zurückkamen, war alles im Haus unberührt: nichts wurde gestohlen oder weggenommen. Die Schmuckstücke haben sie auch unberührt ausgegraben, jedoch beschädigte die Erdennässe einen Perlenkollier, sodass der Schaden letzten Endes doch beträchtlich war.

Karl und Gusto Gräser waren einige Zeit lang auch mit Lenin in Verbindung, der während seiner Durchreise nach Paris die hiesigen Philosopher oft besuchte: einmal half man ihm auch mit Geld..»

Karl und Gattin haben eines Tages Ascona hinter sich gelassen, und zogen nach Wien. Hier wollte Karl eine eigene Obstkäsefabrik errichten: er hat Raume gemietet, Maschinen gekauft. Das zum Obstkäse notwendige Obst hat er in Pozsony /heute: Bratislava/ vom Batthányi Grund gekauft /Burgenland/. Mit der Gattin des Herzogs von Batthyány war nämlich Jenny gut befremdet: die angeheiratete Herzogin war nämlich von bürgerlicher Herkunft: der Herzog hat sie als junges Mädchen seines Portiers kennengelernt, hat sie ausbilden lassen, und dann, als sie eine gebildete Dame schon war, hat er sie geheiratet. —

Im Schweizer Institut hat Jenny das Mädchen kennengelernt.

Karl und Jenny wohnten stets in Wien bei Josephine Mama: Jenny hat eine Fehlgeburt gehabt, und war stets sehr traurig, dass sie keine mehr Kinder haben konnte... Einmal, als sie eben zu Besuch bei Josephine Mutter waren, brach der Wahnsinn bei ihr aus, und trug man sie von dort ins Irrenhaus... Nach Jahren starb die Arme schliesslich im Budapester Irrenhaus: im Laufe der Jahre bis zu ihrem Tode hat sie Margit und Jenny /die zwei Töchter von Josephine/ öfters besucht Von der Obstfabrik ward nichts: Karl konnte das schwere Los seiner Gattin kaum ertragen: später zog er nach Deutschland, und starb 1919 in Kassel.

Gustav /Gusto/ Gräser:

Das Leben des zweiten Gräser Buben fing auch mit Kalamitäten an.

Er dient als Freiwilliger in Kronstadt /sein Vater, Karl Gräser Sen. war Richter beim Kronstadter Gericht/. - Als es zur militärischen Eidleistung kam - erklärte der junge Mann, er sei nicht gewollt, den Eid abzulegen. Jeder war empört, doch stand Gustav seiner Erklärung fest, und sagte, der Grund sei dass im Text des Eides das Verhalten eines Feindes gegenüber drinsteht, und Gusto behauptetet, er wolle niemanden töten, nicht einmal seinen Feinden.

Er wurde festgenommen, eingesperrt, wie auch noch manchmal in seinem späteren Leben...

Die arme Mutter, Grossika, besuchte das Gefängnis von Kronstadt - die Felsenburg, - täglich mit einem Korb voller Essen.. Der Fall "Gusto Gräser" wirbelte grossen Staub auf: die Kronstadter Zeitungen beschäftigten sich dauernd mit dem Skandal, jede nach eigenem Geschmack und Einstellung. Die Freunde besuchten Grossika und alles wurde in Breite besprochen, - wobei man lange beim Kaffee sass...

Das Militär wollte sich der nunmehr ziemlich unangenehm gewordenen Sache losmachen, - und man hat ein modus vivendi gefunden! Gusto war halt nicht normal. Man hat ihn vom Gefängnis schliesslich freigelassen, und ihn schnell abgerüstet, nicht dass er die Armee weiter beeinflusse...

Mit der Lösung war jeder zufrieden, hauptsächlich Gusto, de5r gleich in die weite grosse Welt "hinausflog" um nie mehr nach Siebenbürgen zurückzukommen. Erste Station seines neuen Lebensweges war: Wien.

Ursprünglich hat man aus ihn einen Arzt machen wollen. Er interessierte sich jedoch eher für die Literatur, und Soziologie. Er ward auch Anhänger von Tolstoi, und suchte stets die Gesellschaft der Freidenkenden auf: es muss zugegeben werden: er war genial, von grosser, umfangreicher Bildung, was später auch in vielen Wegen zum Ausdruck kam.

Er war überhaupt kein Alltagsmensch und lenkte sich der Exzentrizität zu. Dies kam auch in seiner Kleidung zum Ausdruck; seine Kleider hat er selber entworfen, die der Tracht der Apostel ähnelten.

Er hatte sogar einen grossen Wanderstock in der Hand, wenn er auf die Gasse ging. Mit den Haaren als ein Ring um sein Gesicht, barfüssig, in Sandalen, sah er wirklich als von der Bibelzeit her gezaubert.

Als er nach Deutschland kam, lernte er eine wunderschöne Frau kennen: sie war bereits verheiratet, an einen Arzt. Sie verliess ihren Gatten, und schloss sich Gusto an: sie blieben Lebensgefährte für lange Jahre.

Die Gräserschen waren alle schön - edle Gesichter, edle Gestalt - aber Gusto war noch schöner als seine Brüder: er war einfach auffallend. Seinen extravaganten Lebensansichten blieb er stets treu: wollte von keiner traditioneller Hochzeit in der Kirche hören: er war kein Atheist, konnte doch die Oberheit der Kirche nicht ertragen: die Freiheit über alles! - behauptete er. So lebten sie ein schönes, freies Leben zusammen: Gusto und Elisabeth. Sie hatten drei Kinder, drei Töchter, - die alle sehr schön waren, und ausgezeichnet heirateten. Später verliessen Mutter und Töchter Gusto - und schlossen sich eher dem bürgerlichen Leben an.

Gusto lebte mit Elisabeth viele Jahre hindurch Glücklich in Ascona: er baute alles eigenhändig, wie die übrigen, sich dort angesiedelten: Gusto baute sich auch einen Kahn, mit welchem er die Schweizer Seewelt durchquerte. Als dauernde Wohnstätte benützte er auch lange Zeit seinen Kahn. Geld zu dieser Art Leben erhielten die Brüder Karl und Gusto sehr häufig von ihrer Mutter: Grossika spendete ständig Geld für ihre beiden Söhne: für Ernst, den dritten, brauchte sie nicht so häufig Geld zu schicken: der führte, als Kunstmaler, ein mehr geregeltes Leben.

Gustav Kofranek/Kovács/ Schwiegersohn von Grossika - Gatte von Josephine, gab seiner Missbilligung sehr oft Ausdruck - und besonders beim Mittag- und Abendmahl, wo sehr oft heftige Debatten über dieses Thema geführt worden waren..

Die im bürgerlichen Sinn nicht allzugeregelte Lebensweise der drei Gräserschen Geschwister - also dass sie auch als fertige Männer stets Geld von der Mutter annahmen...

Alle drei Gräser-Buben hatten grosses Talent zum Zeichnen - Malen. Gusto hat auch die Malerakademie von Berlin und Wien besucht, - und war auch geschulter Bildhauer. Malte auch einige Bilder: alle von allegorischem, philosophischem Inhalt, Ein Bild seiner frühen Jugendjahre: "Der Liebe Macht" war auch lange Zeit in Hermannstadt ausgestellt /in der neuen Knaben Elementarschule/, - und darüber schrieb Grossika in ihrem Tagebuch voll mit Stolz und Freude, - und berichtet über die allgemeine schöne Kritik des Bildes.

Ausser Malen, beschäftigte sich Gusto mit ausserordentlicher Geschicklichkeit mit kunst-handwerklichen Arbeiten: leider blieb sehr wenig im Familienbesitz, - d.h. eigentlich gar nichts: von einem Rauchtischchen wissen wir, und ist dies auf einem der zahlreichen Photos auch sichtbar. Wohin es jedoch in Wirklichkeit gekommen ist, wissen wir nicht vielleicht blieb es in Ascona. Das Rauchtischchen war aus Schmiedeeisen verfertigt, und schilderte Schlachtszenen.

Gusto war Vegetarianer, - Freidenkender, - Pazifist und Philosoph - Dichter - Kunstmaler, - eine ehrwürdige Wertung seiner Lebensart finden wir im Artikel von Hans Wühr und Hermann Müller, - die beiden schöne Nekrologe über seinen Tod schrieben - und sich stets mit seinem Leben beschäftigten und beschäftigen.

Gusto hat eine intensive Tätigkeit im Bereiche der Literatur, /Verse und Prosa/, - der Philosophie, - der Malerei ausgeübt. Sein pazifistisch Verhalten gefiel jedoch leider der hitlerischen Nazizeit nicht: er wurde des öfteren verhaftet und fast hingerichtet.

Er war /Gusto/ durch und durch Idealist, - ein Feind jeder Tyrannie, aller Gewalt, jedem Zwang. Seine edle Persönlichkeit, seine vornehme Denkungsart passten nicht in jene grausame, lieblose Welt. Er starb endlich in grosser Armut in München, 1958. /Foto über das Zimmer und Ort wo er am Ende seines Lebens lebte und starb, sind in der Asconer Sammlung, nun in der ständiger Gräser-Ausstellung zu sehen./ /Bemerk. von Nora Kotlan, datiert 29. Juni 1931./

Fortsetzung mit dem Text des dr. Thurzó Nagy: "Nach Gustos Tod geschah folgendes, /und dies erfuhren wir von Maria Hermann, Nichte von Gusto - die in Stuttgart lebte/: Nach Gustos Tod fuhr Maria nach München, und besuchte Gustos Hausherr, der die letzten Tage von Gusto sehr verbitterte. Marie wohnte auch der Begrabung bei, /wo jedoch keine seiner Kinder anwesend waren. Erfahren von H.Szeeman - Bemerkung von Nora Kotlan/, -

"Gustos Wohnung bot einen sehr traurigen Anblick. Seine Töchter kümmerten sich um ihn in den letzten Jahren nicht mehr, und er war sehr arm, und lebte von behördlicher Hilfe.

Beim Begräbnis erschienen die Beauftragten der Deutschen Staatsbibliothek und nahmen Gustos allerhand Werke mit sich. Marie fand noch einiges am Aufboden, Verse und Skizzen, die nahm Marie zu sich."/ Einiges wurde bei meiner Tante: Margit aufbewahrt, und nach ihrem Tode sammelte ich alles, und nun übergab ich all das, was wir hatten, an H. Szeemann, um dort an würdigen Stelle, im Museum der Gräsers auszustellen, und für die Nachwelt zu bewahren./ -

"Laut Marie, sollte Klemi /die geborene Baronin Klementine Pongrácz, Gattin von Ernst Gräser, der Maler/, - zu Jedem Weihnachten ein grosses Paket voll Esswaren an Gusto zu schicken, - jedoch erhielt sie nie eine Antwort hierauf. Eine Tochter von Gusto lebt noch neben Basel/ sie wurde seitens H. Szeemann aufgesucht, und ausgefragt, - hierüber muss Szeemann berichten/.-

"Da Gusto die Kirche von sich stets zurückwies, wollte die Kirche ihn nicht einmal begraben: - schliesslich unternahm diese traurige Pflicht ein nach dorthin emmigrierter Pfarrer, und so wurde er doch laut christlicher Ordnung begraben. Seine letzten Begleiter waren nicht die Vertreter von Verbänden oder Behörden, oder vornehme Menschen - sondern viel wertvollere Menschen: Repräsentanten der geistigen Welt, des Geistes, die im edlen Sinne des Wortes als "Edel" gelten.

Nun befindet sich seine sämtliche geistige Nachlassenschaft in der Deutschen Staatsbibliothek" /siehe Archiv Gustav Gräser, Urspring,

7933 Schelklingen, -wie bei Hermann Müller erwähnt./: N.Kotlan

Ernst Gräser

Er war der Jüngste von den Gräser Buben die Gymnasiumstudien bat er in Brasov absolviert, - sein Vater hätte aus ihm gerne einen Architekten gemacht, wegen seinen früh evident gewordenen Zeichnentalentes. Wehe jedoch - die Gräser Buben haben nie die Laufbahn gewählt, die laut Meinung ihrer Eltern für sie richtig gewesen wäre: sie haben die bürgerlichen Bahnen allzu eng gespürt,- und wollten ihrer geistlichen Entfaltung freien Lauf lassen. Schliesslich liessen alle Siebenbürgen hinter sich, und zogen in die weite Welt hinaus.

Ernst, als er die väterlichen Landesgrenzen hinter sich hatte, ging direkt nach München, um ein Student der Münchener Malerakademie zu werden. Von Zeit zu Zeit besuchte er dann seine Eltern im alten Heim - er war auch einmal in Tekendorf, - einmal in Miskolc, bei seiner Mutter /Grossika: geb. Charlotte Pelzer, Frau des Gerichtssenators Karl Gräser. / - Er besuchte auch seine Schwester,

Josephine und Familie. Damals machte er seinen Kupferstich “Nachtmusik" genannt.

Von meiner Frau, Lottchen, machte er 1910 ein Portrait.

1921 richtet er sich in Wimmenden, neben Stuttgart ein, und bewohnte dort ein Atelier.

Noch während der Münchener Studentenjahre lernt er die Tochter des Husarenobersten, von Baron Pongrácz kennen: Klementine, eine sehr begabte Malstudentin. Ausserdem konnte sie schön Violin spielen.

Sie heirateten bald, und zogen nach Stuttgart.

Ernst hat viel gearbeitet, er ward ein bekannter, sehr gesuchter Maler, und ist auch heute der hervorragendste Repräsentant des Bayerischen Impressionismus registriert. Er starb 1942.

Die grosse Glashalle in Stuttgart, wo ausser Ernst Gräser noch andere, wohlbekannte deutsche Künstler ihre Werke ausgestellt hielten, ist kurz vor Ausdruck des zweiten Weltkrieges ganz abgebrannt viele wertvolle Bilder von Ernst Gräser gingen dann zunichte.

Ernst spezialisierte sich später für die Kirchenmalerei, und ward zwischen den zwei Weltkriegen Deutschlands bestbekannter Kirchen- Freskenmaler. Zahlreiche evangelische Kirchen in Deutschland haben Ernst Gräser Altarbilder und Glasmalereien.

Die Kritik huldigte stets hoch die Malkunst von Ernst Gräser, — er war auch Mitglied der Ausstellungsjury der Württemberger Maler.

Seine Lieblingsart war die Kupferstichkunst, und die Themen waren meistens von der Bibel, Er illustrierte auch - in einer sehr interessanten Weise - auch Märchenbücher.

Er gelangte zum Zenith seiner Kunst in den dreissiger Jahren, als man ihn als Professor der Berliner Malerakademie ernannte.

Damals war schon Hitler an der Macht: Ernst war natürlich kein Nazi, und seine Ernennung als Professor wurde nie unterschrieben.

Unsere Familie besitzt nur jene Bilder von Ernst Gräser, welche er in Ungarn malte: zwei Portraits von Grossika /Charlotte Pelzer/, "Lottchen beim Klavier”, - ”Herbstwald /bei Jenny Nagyszaldnczy - und ihrer Tochter, geb. Nagyszaldnczy, verh.: Nora Kotlan/, - ein Portrait von seiner Schwester Josephine, mit Gatten Gustav, - /bei Louise, Schwester von Jenny - beide noch lebende Töchter von Josephine Gräser/, - die "Lago Maggiore", - "Der Turm vom Anas", - ein "Studienkopf" - und einige Kupferstiche.

Er starb am 10. Dezember 1944, in Stuttgart: sehr jung: mit 50 Jahren. Seine Witwe lebte in schweren Verhältnissen, - sie hatte viel Schulden und lebte dann weiter vom Verkauf der Ernst Gräser Gemälden. Sie starb 1960, und hatte angeblich noch viele, unverkaufte Bilder im Besitze, - sie wollte diese den Angehörigen nach Ungarn anfördern, - jedoch gelang dies nicht, - die Verhältnisse waren schon allzukompliziert. Die wertvollen Bilder sind einfach verschwunden, - wahrscheinlich hat von denen viele die Frau weggenommen, die Klementine in ihren letzten Jahren pflegte. +"

Gesammelt und im Ungarischen geschrieben durch Dr. Ladislaus Thurzó Nagy, zweiter Gatte von Charlotte Gräser /geheiratet an Gustav Kofranek auf Kováts magyarisiert/,- Charlotte ist eigentlich das Kind von Charlotte Gräser gewesen und die Mutter /Charlotte/ starb im Kinderbett, im Alter von 19 Jahren, - ein paar Monate nachher heiratete der Gatte Gustaf Kofranek die Schwester von der verstorbenen Charl. also Josephine