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Gedichte von Ernst Graeser
(1943)

* * *

Wie im Wetter auf Blitz der Donnerschlag folgt –

und der Regen,
so folgt auf den Blitz aus der Wahrheit,
durch Wolken des Irrtums – der Segen,
alle Hinderung sprengend mit Kraft aus der Fülle.
O Blitz aus der Wahrheit, spende der Erde
den heilenden Segen – spend ihn der Dürre.
*
Die heiligsten Namen und Worte des Lebens
verloren durch menschliche Enge und Kleinheit
die Reinheit ihrer Gestalt
und verstaubt stehn sie da und verbogen
vor der Gewohnheit trägem Blick.
Ein Morgensonnenaufgang nur
weckt sie wieder zum Leben –
willst du mit dieser Morgen sein?
*
Durchglühe, Zorn,
die Kraft meiner Seele,
drohe dem Scheusal des Unrechts
und in geballter Faust
sammle den Blitz!
Doch eine eisengegürtete
Brandmauer und Esse
dämme die Lohe,
damit sie nicht werde
bloss sinnlose Wut.
Mein Busen geb’ Raum allen Dreien:
der Liebe, Milde – und heiligem Zorn,
dass in ihrem Verein sich entringe
die herbe Gestalt meines Urteils,
um Recht und Unrecht
in Klarheit zu scheiden.
*
Dem Dichter
Deine Sprache einige in harmonischem Takt
Kopf, Herz, Zunge und Mund –
so gibt das rechte Wort von selber sich kund.
Wenn du sie nicht zügelst mit sicherer Hand,
laufen sie wild wie Rosse durchsLand.
Das Herz nicht zu heiss,
der Kopf nicht aus Eis,
die Zunge nicht los’,
der Mund nicht zu gross –
von dir wollen sie alle gebunden sein.
*
Deine Freiheit
Ist nicht alles im Dunkel des Heute
in Frage gestellt?
Wohl dass im Sturm des Leides, Not, Krankheit und Tod,
die Starre des Geistes,
welche Menschen verhärtet, sich löse.
Willst du in diesem Bersten und Brechen bestehn,
musst du den festestenPunkt
in dir finden,
um den sich dein Gleichgewicht rankt.
Such’ ihn glaubend im Herzen
mit erkennendem Geist,
dass du trotz der Gefahr, die sich türmt,
deine Freiheit beweist.
*
Tod und Auferstehung
Im Menschenreich senkt sich ein Abend herab,
tatfolgenschwer.
Eine Nacht bricht an,
wie es noch keine gab auf der Erde. 
Feuer und Hagel prasselt hernieder
Eis und Feuer in grässlicher Vermählung.
Das Maß der Eigensucht läuft über,
es walten Krankheit, Trennung und Tod
übermächtig auf Erden.
Doch wenn solches geschieht,
erhebt Eure Häupter,
denn all diesem Chaos – Not, Tod und Verfall –
werden auch Adler entsteigen.


Der Mensch
Verwoben mit der Pflanzen Blühen und Sprossen
auf dem dunklen, fruchtbaren Boden der Erde
und dem kristalligen Wesen der Härte des Steins,
verwoben mit dem wilden Getriebe der Tiere,
so lebt der Mensch mit dem Menschen
und allen Geschöpfen
auf Erden sich nährend und wirkend – tatenfroh.
Sie alle durchfluten die Seele in reichem Geschehen,
in welchem er wandelt und ordnet
in Genuss, in Kampf und Opfer im Geiste,
der Erde Antlitz gestaltend.
*
Die Natur und Du
Wie danken Blumen innigen Händen,
wie danken Tiere dem freundlichen Ton,
sie alle spüren den liebenden Blick -
die stumme Welt schaut wartend dich an:
Bist Du der Held, bist Du der Prinz?
als Gärtner, Dichter oder Priester?
*
Es scheinen die Sterne
Es ist Nacht
Es füllt Ruhe den Raum
Alles schweigt.
Ich fühle die Ruhe
Ich fühle das Schweigen
In meinem Herzen
In meinem Kopf
Gott spricht
Christus spricht


Tosender Atem ...

Lass durch den tosenden Atem
des Dämons dir den Blick nicht verdüstern,
und nimm das Zarte, Spriessende wahr,
Dessen Leben heilig der Zukunft erblüht.
Pflege es liebend und stark
und du wirst den Dämon erwürgen.
                                           Ernst.

Durchglühe, Zorn,
die Kraft meiner Seele,
drohe dem Scheusal des Unrechts
und in geballter Faust
sammle den Blitz!
Willst du in diesem Bersten und Brechen bestehn, musst du den festesten
Punkt in dir finden,
um den sich dein Gleichgewicht rankt.
Such’ ihn glaubend im Herzen
mit erkennendem Geist,
dass du trotz der Gefahr, die sich türmt,
deine Freiheit beweist.
       Ernst Heinrich Graeser (1944)
 

Nacht

 

Dunkler, immer dunkler senkt sich
tiefe dichte Nacht herab auf die Erde,
finstere Gewalten wollen heimisch werden auf ihr
und sie gänzlich gewinnen für sich.
 
Wie stark muss doch das Herz der Streiter des Lichts,
der wenigen sein,
die himmlischen Tore offen zu halten zur göttlichen Welt
gegen den Ansturm der Feinde ringsum.
Tosen, Pfauchen, Knirschen und krachen-
der Streit mit Eisen, mit Feuer und mit Gift,
gewirkt von Lug, Neid, Hass und scharfem Verstand
gegen die Treue
berstet und klüftet die Erde,
fegt die Städte, die Leiber der Menschen, die Häuser.
 
Oh Ihr Götter! – die ihr durch Eure Kinder
noch mehr leidet wie sie,
helft Euren Streitern,
sendet in ihre Herzen hehren, lichten, heiligen Mut,
zu brechen des Feindes Gewalt vor den Toren,
Euch zu verbinden Alle, die guten Willens sind
aus diesem blutdampfenden Chaos der Nacht.

Stuttgart, 12. März 1943                Ernst Graeser                    
 
  
Tag

Heut haben mit Donnergeklirr
und Gekrache, Bomben in Schwefeldunst
– Dämonen, die der Mensch rief 

in durchdröhnter Nacht die Strassen
zerrissen!
Und heut morgen - ? strahlt klar
schon wieder der Tag im Lichte
knospenden Frühlings.
O wärst du fähig, auch nur
einen Strahl dieses Glanzes voll zu erleben,
dünkt mich –
du lerntest dem Wüten der Dämonen
zu wehren.


heute, 12. März 43          Ernst Graeser
  





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