Besuch von Max Kruse auf dem Monte Verità 1904
Das Leitungspersonal mit Gästen 1904
Stehend von links: Oedenkoven, Ida, Robert Jentschura mit Freundin, der Bildhauer Max Kruse als Gast.
Vorne sitzend: möglicherweise der Architekt Hofmann-Stier (?).
Henri Oedenkoven und Ida Hofmann Robert Jentschura Max Kruse
Der Berliner Bildhauer Max Kruse (1854-1942) kam 1904 auf den Monte Verità. Er brachte dort seine Geliebte mit ihren Kindern unter: die Schauspielerin und spätere Puppenmacherin Käthe Kruse. Sie wohnte erst im Sanatorium, bezog dann einen freistehenden Vogelfängerturm, das Roccolo. Kruse, der damals in Ascona eine Künstlerkolonie aufbauen wollte, erzählt viele Jahre später aus der Erinnerung:
Der erste Eindruck, den ich von den Monteveritanern erhielt, gehört zu den stärksten meines Lebens. Man glaubte unter Urwaldmenschen zu sein. Sie trugen die Haare so lang, wie sie wachsen wollten, die Männer natürlich auch die Bärte. Ihre Bekleidung war sehr einfach: kurze Hosen, Hemdbluse und für schlechtes Wetter einen Friessack mit einem Loch für den Kopf und zwei für die Arme – natürlich nackte Beine und primitive Sandalen. Ihre Häuser waren aus unbehauenen Steinen, wie sie dort zu finden sind, die Möbel aus knorrigen Ästen zusammengenagelt, aber alles in seiner Art geschmackvoll. Sie hatten das Prinzip, alles, was der Mensch braucht, selbst zu verfertigen. Es war ihr Glaube, durch Pflanzennahrung die Sünde aus der Welt schaffen zu können. Ihr Gemeinschaftsleben beruhte auf dem Grundsatz des dreistündigen Arbeitstages für die Allgemeinheit, dafür erhielt man Nahrung und eine Lufthütte. Sie lebten in Kameradschaftsehe, aber zu meiner Zeit hatten sie alle keine Kinder.
Es herrschte ein ausgesprochen künstlerischer Geist auf Monte Verità. Musik und Tanz im heutigen Sinne wurden damals schon dort gepflegt. So hatte z. B. Laban dort seine Tanzschule, und Mary Wigman war eine seiner ersten Schülerinnen. Auch Dalcroze war oft dort. Überhaupt war es ein Sammelpunkt aller Lebensreformer. So traf ich dort Fürst Krapotkin, Ellen Key, Landauer, Gabriele Reuter. Auch Lenin war in jungen Jahren da. Aber wie alle derartigen Bestrebungen scheiterte auch diese am Geldpunkt. Wovon leben, auch noch so einfach, wenn die übrige Welt einen für verrückt hält?
Max Kruse: Bilder und Erlebnisse aus meinen südländischen Reisen. In: Westermanns Monatshefte, März 1931, 75. Jg., Heft 895, S. 30f.
Robert Jentschura lebte zunächst als Einsiedler auf dem Berg, war befreundet mit Gusto Gräser. Er schloss sich dann Oedenkoven als Mitarbeiter an. Adolf Grohmann, der ihn 1903 kennen lernte, schreibt über ihn:
„Ein der ganzen Ansiedlung und neuerdings dem Sanatorium besonders nützliches Glied ist der Robert – im Dorf Signor Roberto genannt -, ein junger Deutscher, früher Feldmesser. … hat Land gekauft und eine alte Ruine ausgebaut … Gusti hat ihm einen riesigen Apfel und zwei dito Kirschen auf die Hausfront malen müssen.“
Auf dem Titelblatt von Grohmanns MV-Broschüre ist Jentschura neben Ida und Henri zu sehen. Nach Szittya soll er später als Immobilienmakler ein reicher Mann geworden sein. Auf einem Foto aus seiner Gustozeit trägt er auf seinem Poncho noch das Efeublatt, Gräsers damaliges Hauszeichen.
Oedenkoven mit Jentschura, im Hintergrund Max Kruse