Aus den Tagebüchern von Hugo Hertwig

im DLA Marbach

Tagebuch Göttingen, 5. Febr. 14

Fuhrmann schrieb mir ja: im Kinde schliefe gleichsam alles wirklich - - der Geist bemächtigte sich dieser Wesen erst......Bergson élan vital ...

Tb 1920 Lindenhof/Notizen

Die buddhistische Weltanschauung entspricht ganz ihren Bildern und Buddhas - keine Askese - sondern ein Abstandnehmen, fahren lassen - ungeheuer milde und schön - mehr als Resignation, tiefer - da das wirkliche Leben dadurch gar nicht gestört wird - sie hat nicht das geringste mit der Masse zu tun - sie ist ganz besonders individuell ...

Auch das ist heute meine Erkenntnis: unbesiegbar wird das Volk sein - ohne Krieg - das die beste Religion hat - nur auf Grund einer Religion kann ein Staat aufgebaut werden -

... ich betrete einen Boden, den ich noch gar nicht kannte - vor mir liegt ein Paradies ..

Dass Wir auch Frau Elisabeth eine Mutter Gottes nennen können ist sicher - im Sinne einer ganz lebendigen Religion, aber ich glaube dennoch nicht, daß ich zu ihren geistigen Söhnen gehöre wie Sie schreibt. ...

Was ist heute E.Fs und meine intensive Beschäftigung mit den Ritualen anderes als die Wiederherstellung, Wiedererweckung unserer eigenen elementaren Kräfte, wie wollen wir wohl anders zu der Natur selbst wieder kommen, als durch eine innere Existenz. ...

Unglaublich wie sich das ganze Leben auf den Empfang der Sonne richtet. Obelisk - oben Licht. ...

Für mich ist heute schon ein ganz neuer Prozess da und der spielt sich nur zwischen E. F. und mir ab - mir kommt es vor, daß alles was ich von ihm lese aus meinem Leben stammt, das ich immer eigentlich nur ganz flüchtig ausgedrückt, aufgeschrieben habe - aber merkwürdig genug auch vor der Zeit als uns Botho zusammenführte ...

und ich weiß es ganz genau, daß gerade das unsere Beziehung ist - daß das mein Leben ist -so wie Fleisch und Blut. Ich weiß noch nicht was daraus werden wird aber es steht mir bevor wie das größte Ereignis meines Lebens und es ist wie eine Erfüllung aus meiner frühesten Kinderzeit - und es ist das deutlichste Zeichen wie nah sich Menschen stehn und sich befruchten - lebendig - die sich nie gesehen haben. und über Kreuz - wie die Sterne - werden die Beziehungen sichtbar werden. ...

Durch die Saat unserer Gedanken und Gefühle unserer Handlungen in den lebendigsten Augenblicken entsteht das Korn der neuen Götter, das über einer Erde wogt - wir verlangen daß alle Frauen (alte?) sich dem Gotte opfern und nicht die Saat für sich verbrauchen. ...

Eine lebhafte Ähnlichkeit haben die Verhältnisse in Hagen, die sich aus dem Hohenhof des toten Herrn Osthaus, der Frau Osthaus kristallisieren und die zurückgehen auf den lebendigen Geist Botho Graefs, mit denen der römischen Gegenreformation unter dem Einfluss der Frauen Vittoria Colonna, Julia Gonzaga, Margarete von Navarra usw. Auch in Hagen ist es der Einfluss von Elisabeth Fuhrmann, die das Leben von Ernst Fuhrmann schuf (und deren gegenseitiges Verhältnis beiläufig von niemandem verstanden wird), der die Dinge gestaltet -auch dort handelt es sich darum, das Leben zu vergeistigen, den alten Mythen wieder einen neuen belebenden Ausdruck zu geben - aber wie immer - wenn Frauen den Ausschlag geben u. nicht etwa Amazonen sind - wird jede Handlung, jede Tat unterdrückt - das zeigte sich am deutlichsten in den entscheidenden Augenblicken, als ich etwa mit E. F. im Begriff war die Herrschaft über Europa zu ergreifen - zuerst in den Tagen der Revolution in Schwerin -Fuhrmann war nicht im Stande seine Familie aufzugeben - (damals war er noch in Altona), später in Hagen, als der Widerstand Osthaus bereits gebrochen war - kam ich mit Doris v. M und ein paar neuen Kräften nach Hagen - noch einmal wurde der Versuch gemacht von Hagen aus die Welt zu stürmen - E.F. zögerte, wollte warten bis der Geist selbst reif geworden (wichtig, aber dann ist die Existenz von Menschen bedeutungslos) im Grunde widerstrebte natürlich Elisabeth, alle mitgebrachten Freunde und Freundinnen wurden erst bei ihr aufgenommen, als ihre revolutionären Kräfte erlahmt waren und sie sich in der Tat bereits Frau Elisabeth unterworfen hatten ... ein Aufenthalt für die Umgestaltung der Gesellschaft, Europas und schließlich der ganzen Erde - für mich ist es eine Frage, ob die Erde dadurch wächst, dass wir vor jeder Handlung zurückschrecken und abwarten bis wir reif und ausgesät werden. Durch die Saat unserer Gedanken ... siehe oben!

In der männlichen Potenz und der "Wildnis" muss der Gedanke wiederkehren, der ihn von Jugend an beseelt hat, sämtliche Frauen der Welt zu unterwerfen, um dadurch eine ungeheure männliche Potenz zu schaffen - eine internationale Befruchtung, um dadurch eine phänomenale Geburt zu erzeugen, das Tollste, was sich wohl eine männliche Phantasie ausdenken kann, die praktisch auf alle Frauen verzichtet, um gleichsam ... durch einen Harem der ganzen Welt ... einen neuen männlichen Typ zu erzeugen ... er wird des Verbrechens an der göttlichen Majestät angeklagt - der Ethik, der Moral - weil er den Menschen im allgemeinen als überflüssiges Fleisch erklärt, mit dem man machen dürfe was man wolle -wenn man nur etwas besseres wisse. ...

Wer sät den Samen dieser Menschen, dieser Köpfe,

die wieder Körner wurden: Reis.

Wer reift die Früchte, die Gräser, die Blumen und die Tiere

einer neuen Welt

der großen Hoffnung alter Zeit -

Wann wächst aus diesen Köpfen

endlich das unsterbliche Geschlecht

und wer von allen eingegangnen Köpfen

behält für immer Recht.

Tb 18. 8. 22: Vogeler, Maria Reps ...

S. 3 Es ist nicht sehr leicht die grossen menschlichen Komplexe zu übersehen, die an unserem eigenen Leben beteiligt sind, die es erst erklären - ich denke z. B. an den Lindenhof der hat z. B. seine Wurzeln in Itzehoe (Mia Volquardsen, Maria Reps), Schwerin (Harjes, Vogeler, Barbusch), Düsseldorf (Odal, Grete Pass, Friedel, Tank (Tautz?)) Eweimar, Jena (Käthe Auerbach, Jolams, Röll, Hermann, Molzan, Doris v. Holl, Käthe ... Hagen (E. F., Elisabeth, Frau Osthaus, Rohlfs, Renger Patsch, Schulze-Sölde) noch von Göttingen her (Honus ... es wird eben jede Entwicklung, jedes Erlebnis charakterisiert durch einen Menschen - das fixiert sich ... zum/im Lindenhof: Max Schulze-ölde, Jolans, Hermann, Käte ... Maria - ausserdem passierten den Hof: Resa... Paul Guttfeld. Röser - (Göhring) durch diese Menschen bahnt sich wieder etwas neues an ... Berlin: Titus Tautz ...

S. 4: ... Berlin: Titus Tautz ...

Ackerbeetkultur - Vegetarier - Ernährungsreform ... Max Schulze-Sölde ... ziemliche Selbstüberschätzung ... deshalb sagt F. auch mit Recht, ihn hätten sein ganzes Leben lang nur 3 Menschen interessiert: Botho Graef, Jedrich, Hertwig ... damals überschaute ich aber noch nicht seine schlechte Menschenkenntnis u. seinen grenzenlosen Egoismus. ...

dieser Proteus will in Gemeinschaften, Siedelungen heute vorbereitet werden - auch der Proteus Vogeler ist ein Anlauf dazu ... Aber einer unter uns muss die Heimat erlösen ... die göttliche Berufung ... der Arme, über den sie alle lachten, weil er so töricht war zu glauben ...

Das geistige Russland von heute. Franz Jung. ...

Tb 1923 Tschuangtse.

30. 11. 25 Dr. Gustav Jäger. Mein System.

Tb 13. 12. 2. 27 - 29. 6. 28

17. 4. 28 Jih-King ... in Laotse verliebt ... Tolstoi

Tb 12. 7. 28 - 15. 9. 28

Osthaus

Tb 15. 1. 30 Quecksilber-Amalgam herausbrechen ...

S. 45: 8. 4. 30 Schulze-Sölde war hier. Er erwartet augenblicklich ... Für die religiöse Woche in Hildburghausen ...

Teil V: Ostern, 20. 4. 30

16. 6. 30 Pfingsten

Tb 10. 9. 30 - 3. 3. 31

Umschlag innen: Guido von List. (Büchertitel)

Karte von K. O. Paetel, Berlin-Charlottenburg, Kantstr. 48, vom 6. 11. 30 an Hertwig und Artikel: "Energie aus Sonne". ... Dr. Bruno Lange vom Kaiser-Wilhelm-Institut in BerlinDahlem, zu, dem es gelungen ist, Sonnenenergie mit Hilfe einer Photozelle in Elektrizität umzuwandeln.

Texte aus Bhagavadgita, Swami Vivekananda, Schmidtbonn, Ramakrishna (1944)

Eingelegt: Die Versammlung bei Otto Strasser am vergangenen Sonnabend war so flau ... ich prophezeite ihnen baldige Auflösung u. traf danach noch K. O. Paetel, der einige 20 Jahre alt ist, nicht schlecht aussieht, die politische Lage erkennt aber ebenfalls keine Mittel hat ...

7. 9. 30 ... die "geradezu verblüffende Ähnlichkeit und Verwandtschaft zwischen Marxismus und Nationalsozialismus ... " Die Nazis antworteten sofort mit der Erklärung, daß sie den rechtmäßig erworbenen Besitz an Boden als erbliches Eigentum anerkennen, daß sie auf dem Boden des Privateigentums stehen und dass ihr Kampf hauptsächlich gegen die jüdische Grundstücksspekulationsgesellschaft richte - mit einem solchen Kampf erreicht man natürlich nicht viel - es ist klar, daß die N.S.D.A.P. die Grundsätze, mit denen sie gegründet wurde, längst aufgab, um regierungsfähig zu werden, sie ist heute eine Partei zum Schutze des Kapitals. ... der neue Staat, der absolute, baut sich auf der Enteignung des alten Besitzes auf und wächst langsam heran. ...

5. 10. 30 Vorgestern tauchten plötzlich Schulze-Sölde und Röth bei mir auf und holten mich in einem furchtbaren Auto zur Widerstandstagung von Ernst Niekisch nach Burg Lauenstein. Niekisch tat so, als ob er mich nicht kenne, obwohl ihm anzusehen war, daß er sich für mich interessierte und natürlich auch ganz gut meine Arbeit ' Der absolute Staat' im Gedächtnis hatte. Es waren vielleicht 80 Menschen gekommen ... Niekisch wirkte auf mich furchtbar komisch, er hatte die Allüren eines kleinen Geheimrats, befleissigte sich offensichtlich der Zurückhaltung. ... So sprachen also nacheinander Leute wie ... Dr. Strünckmann, ein Alter, der aussieht wie ein Waldschrat oder kleiner Rübezahl. Schulze-Sölde hält von dem Traktätchen Styl und Geschreibe Strünckmanns besonders viel. Erich Röth ist eine unglückliche Erscheinung, ehrgeizig und arbeitsam, aber mit schlechten Instinkten versehen, was die Beurteilung von Literatur und Menschen angeht. Er schwankt und irrt, greift wahllos nach jeder Gelegenheit, die sich seinem Organ 'Die Kommenden' zu bieten scheint. So klammert er sich im Augenblick gemeinsam mit Schulze-Sölde an Dr. Strünckmann, der sie beide für die Pfennige, die er in die Kommenden steckt, ordentlich zappeln lässt. Der Kapitalismus hat es immer furchtbar leicht zu siegen. ... Auch Niekisch griff im Verlauf der Tagung rasch nach Strünckmann, der sich die grösste Mühe gab, alle Leute, die er auf der Tagung zu fassen kriegen konnte, für seine Pläne zusammenzusuchen. ... Niekisch hielt noch am Sonnabend ein längeres Referat, in dem er dem untergehenden System Rom-Washington das aufgehende Potsdam-Moskau gegenüberstellte. ... N. beherrscht die wohlbeleibte satte Phrase, die ihm selbst so ähnlich sieht, seine Rede ist sein Bäuchlein. Er machte auf mich den Eindruck eines der 7 Schwaben - eines kleinen pfiffigen Bäuerleins. ...

Die Widerstandsbewegung, die völlig unbedeutend ist ... sucht heute gemeinsame Sache mit dem von Hitler abgesplitterten Dr. Strasser zu machen, den ich ja noch in Berlin kennenlernen werde.

8. 10. 30 Die Kommenden drucken den "absoluten Staat" als Broschüre ... Rafalowich-Ostweg im Stromverlag ist recht pessimistisch gestimmt ... sodass für den Kommunismus in Deutschland nichts mehr zu hoffen sei. ... daß ich die Hand auflege ...

10. 10. 30 ... Ich entwickelte ihm meine Gedanken für den nordischen Sozialismus ...

7. 11. 30    ... in Jena ... Mit der Politik bin ich fertig, jetzt werde ich mich ganz den

Körperdingen und der uralten Biologie widmen. Es geht darum, die Zusammenhänge zwischen Natur und Körper wiederzufinden.

Im Tag sah ich ein schönes Bild der Paluzza, die gerade in Berlin spanische Impressionen tanzt. Sie ist die mutigste Frau, die auf mich den Eindruck einer Tänzerin macht. Am furchtbarsten und abstossendsten finde ich immer wieder den albernen Laban, aber ich kann auch die anderen nicht ausstehen, Wigman etc. ...

6. 12. 30 ... K. O. Paetel wohnt jetzt ein paar Häuser entfernt von mir - er weiss nicht recht, was er anfangen soll. ... Zuerst handelt es sich darum, eine gute Formulierung für die Partei zu finden, die Rechts und Links die Möglichkeit der Einigung bietet - vielleicht:

Nationalkommunistische Partei N. K. P.

10. 12. 30 Max Schulze-Sölde entschuldigt sich bei mir wegen des Nachwortes zu meinem Aufsatz in den "Kommenden", er habe es doch so gut gemeint. Die A. D. G. könnte der erste praktische Versuch werden... Nationalkommunistische Partei. Die Leute um Schulze- Sölde, Röth etc. müssen sich aber überlegen, daß sie vor den Massen nur mit einem positiven Programm und einer positiven Führerschaft Erfolg haben werden. ... Es ist ein biologisches Gesetz, daß nicht Österreicher den deutschen Norden regieren können ... Die Politik kann nur so sein: Russland, Deutschland, Italien garantieren das Gleichgewicht Europas, das Bündnis dieser Drei auf nationalkommunistischer Grundlage ist das einzig denkbare.

30. 12. 30 ... Nur die Abschaffung der kapitalist. Weltordnung kann uns retten - einerseits, und das ist der Kommunismus - hinzu muss aber anderseits die ideelle Durchdringung des komm. Gedankens kommen und dieses Problem kann nur der Norden lösen - der wieder ein Weltreich schafft, wie es einst vor Jahrtausenden im Norden bestanden und gehalten hat, was am besten China beweist, das noch viel später die Struktur dieses alten Reiches übernahm und Jahrhunderte damit Erfolge hatte. Das Gleichgewicht zwischen Materie und Idee muss hergestellt werden - nicht nur das Gleichgewicht Europas sondern das der ganzen Erde.

Dieses Gleichgewicht hat einmal bestanden, dafür ist das Taoland Deutschland der beste Beweis.

Mein Freund Ministerialrat Hanno Konofath ist inzwischen zum Leiter des Kultur- und Rassenamtes der N.S.D.A.P. aufgestiegen ... und ausgerechnet dieser Mann lehnt E. F. ab -über Herrn Wirth, der sich scheinbar offen zur N.S.D.A.P. bekennt, äusserte er sich mir gegenüber abfällig, wollte aber auf jeden Fall mein Urteil hören. Eva und Eberhard Osthaus meldeten sich, nachdem sie das erste mal unsere hiesige Wohnung nicht fanden.

9. 12. 30 Im Laden des Angriffs hängen Bilder von Hitler, die furchtbar dumm und ungebildet aussehen, noch trauriger sind die von Goebbels etc.

31. 12. 30 Der Glauben, der aus dem Laub des Waldes kommt, führt uns den natürlichen Weg - in die Natur zurück. Heute, wo alle Kirchen und Religionen abgegriffen sind, muss der Mensch sich seinen Glauben selber schaffen. Die Sprache führt ihn an die Wurzeln der Menschheitsgeschichte. ...

Wenn Fuhrmann früher hörte ... daß wieder eine Frau seines Bekanntenkreises ein Kind bekam, dann sagte er regelmässig wie Haarmann in Göttingen: "schreiben Sie's man dazu", er meint: zu meinen Lasten.

Von meiner Natur fasst Rafalowich-Ostweg viel - für sich. Ostweg altert sichtlich und setzt Fett an - auch er ist der Überzeugung, daß die anständigen Parteimitglieder heute alle längst in der Opposition gelandet sind. ... Hof Osthaus ...

2. 1. 31 ... Frau Osthaus ... sie schlief ähnlich wie Maria Ebert auf der Erde etc. ... Dr. Otto Strasser u. Karl O. Paetel ...

5. 1. 31 Lü Bu We

Texte aus Bhagavadgita, Swami Vivekananda, Schmidtbonn, Ramakrishna (1944)

Tb 4. 8. 34 - 11. 1. 35

Heil Hitler ... Dollfußattentäter ... Hinrichtung ... Kampf zwischen "Industrie und Natur" ... daß wir uns durch Ackerbeetkultur selbst ernähren könnten. ...

19. 8. 34 Rich. Ungewitter ... das Industriekapital regiert ... Göring ... Barlach und Nolde haben sich durch Unterschrift zu Hitler bekannt ... Ich möchte mir nicht wie heute Hitler von Millionen Unwissenden zujubeln lassen, ich möchte wirklich ohne Kompromisse erkennen -Re erkennen. ... Letzten Endes wird der Tausch kommen ... Der Erlöser eines Volkes wird nur aus dem Walde kommen - er wird der Mensch sein, der noch die stärkste Beziehung zur Natur hat. ... Leider interessiert man sich aber bei uns am meisten für die Aufrüstung u. Militarisierung unseres Volkes ...

6. 1. 35    ... daß Max' Freundin, Frau Leidig in Oranienburg ihr kleines... Haus vermieten

muss. ... Er (Max) ist älter u. bescheidener geworden. ...Er träumt schon davon, daß die Frauen siedeln ... über das Ganze seine religiöse Hand hält - u. oft ein weises Wort sagt ...

Tb 29. 1. 35 - 23. 7. 35 ... dass auch Ostweg ...

Tb 16. 8. 35 - 24. 5. 36

16. 8. 35 Heute sind wir hier mit meinem Buch fertig geworden, das im Verlag für Kulturpolitik erscheinen soll, ich habe an den 310 Seiten rund einen Monat gearbeitet. Leider will der Verlag nicht meinen Titel wählen: "Die Pflanze gestaltet Dein Schicksal" sondern: "Gesund durch Heilpflanzen", was dem Buch. das tatsächlich Stellung nimmt, nicht entspricht. ...

17. 8. 35 Die wesentlichen Kämpfe, die momentan stattfinden, sind die religiösen u. die Ausschaltung der Juden. Es ist interessant, daß Russland seit einiger Zeit die Parole herausgegeben hat, sich mit der 2. Internationale zu einigen u. alle Gegner des Faschismus zu sammeln - also Juden, Katholiken u. Evangelische. Man sieht immer deutlicher, daß die große Streitfrage der Welt heisst: Materialismus oder Idealismus - Kommunismus oder Faschismus. ...

Bisher ist es D. noch nicht gelungen, sich etwa bei England oder ... anzuschliessen. D. steht (noch immer) allein und erreicht bei seinen Nachbarn nur etwas durch Konzessionen. Im Innern scheinen die Machtkämpfe verschiedenster Kreise heftig im Gang zu sein - aber ich nehme an, daß Hitler die Armee auf seiner Seite hat. Aufgelehnt haben sich bisher nur Zentrumskreise, Stahlhelm und alte Deutschnationale, ausserdem kirchliche Kreise. Das sind (aber alles) Angehörige der alten Welt, zu denen man sich niemals bekennen kann. Ich kann mir nicht denken, daß der Kommunismus von solchen Kreisen auch nur propagandistisch etwas erwarten kann. - selbst wenn er Männern wie Piek u. Dimitroff die Führung übergibt, um den kommunistischen Widerstand in Deutschland zu organisieren. Der Faschismus hat den Vorteil, eine rein militärische Organisation zu sein.

Ich bin sehr gespannt, ob ich mit meinem Buch etwas Erfolg haben werde, ob man verstehen wird, was ich meine - oder ob mich medizinische Kreise (zu) unterdrücken (versuchen) werden. Ich habe in der Arbeit genau aufgezeigt, daß überall auf der Welt nur organische Ordnungen durchgeführt werden können. ...

31. 8. 35    ... Solange ich in Berlin bin, ist mein ständiger Wunsch: hinaus in den Wald, wo

ich wandern kann und der Sonne gegenüberstehen. Aber ich musste wohl mal nach Berlin kommen, um das Problem unserer Zeit gründlich verstehen zu lernen: die Technik - oder besser der gigantische Kampf zwischen Natur und Technik. Das ist mein Erlebnis der Zeit. Im Krieg begann es mit aller Furchtbarkeit. ... Ich möchte nur mehr den stillen unscheinbaren Weg der Pflanze gehen, mit der man noch Menschen helfen kann. Ich sehe gerade heute, wo alle Welt den Weg der Technik geht, auf die Natur. ... Wenn schon Ehrgeiz in diesem Leben sein muss, dann ist mein Ehrgeiz: der letzte natürlich empfindende Mensch zu sein. ...

16. 1. 36 ... trotz allem bin ich Optimist, glaube an einen göttlichen Willen im Naturgeschehen und selbst im Menschgeschehen und an den Sieg des Guten und der Wahrheit. ... Allerdings glaube ich nicht mehr, daß uns Menschen politische Glaubensbekenntnisse helfen können, der Glaube muss schon tiefer gehen und kosmisch verwurzelt sein. Nur innerliche und religiöse Menschen, die genug Ruhe besitzen, werden den Völkern gerecht werden können. Sie werden großmütig und verzeihend sein, ohne ein Brett vor dem Kopf zu tragen. ...

11. 3. 36 ... Es wäre ja auch seltsam, wenn der Nationalsozialismus, der sich aus dem Sozialismus entwickelte - wenn er auch nur der nationalen Frage gerecht wurde - sich nicht geistig mit dem Marxismus auseinandersetzen würde. Eine Diskussion mit dem Materialismus kann dem Idealismus nur nützen, und er hat auch nichts zu befürchten.

Dieser Tage bemühte sich auch Franz hier in Schlachtensee unterzukommen. ...

2. 11. 35 Franz Jung zog nach Schlachtensee, ich besorgte ihm ein nettes kleines Zimmer ... Das bedeutet praktisch: Intensivkultur kleiner Flächen, wenig Tiere, qualitative Pflanzen, Obstwälder etc. - Ich bin sicher, daß die Pflanze die kommende Menschheit erlösen wird. ... Wegener ...

17. 11. 35 Die Anthroposophen sind jetzt in Deutschland verboten - man nennt sie Querköpfe - Flüchtlinge des öffentlichen Lebens - welche die Uniformierung des politischen und religiösen Lebens stören - als ob das nicht alle Sekten täten ... die Katholiken - man hält immer nur Massenerscheinungen für gut und notwendig - die wagt man nicht zu verbieten ...

Je mehr die Massenbewegungen wachsen, desto mehr interessiere auch ich mich für die Einzelgänger - die letzten Wilden - Vertreter der Wildnis - oder besser: Bekenner der Wildnis. Dazu rechne ich mich - für uns müssten ebenfalls Naturschutzparks erfunden werden. Leider gibt es für uns, sobald wir bekannt werden, nur Naturschutzparks = Konzentrationslager. Trotzdem ist es notwendig, daß wir unsere Aufgabe im Interesse der kommenden Geschlechter tun. Überall auf der Erde müssen wir für die sterbende Wildnis werben, von der so viele Qualitäten abhängen. ...

19. 11. 35 ...Unser Leben ist so unnatürlich geworden, daß wir buchstäblich alles falsch machen. Wir behandeln den Wald und den Acker falsch, düngen ihn verkehrt, entziehen ihm die geraubten Stoffe, wohnen massenweise in viel zu kleinen Städen, ohne Licht, Luft, ernähren uns verkehrt, verbiegen den Wachstumsprozess unserer Kinder, verkehren mit Menschen, die uns nichts angehen, die nicht mit uns tauschen können, bauen auf viel zu kleinem Raum eine riesige Industrie auf, produzieren nicht notwendige Nahrung sondern unnötiges Kriegsmaterial, angeblich weil es die anderen auch so machen, die Eingeborenen schlagen wir tot, um mehr Raum zu bekommen und die Massen versklaven wir mit unserer Industrie. Nie fragen wir nach dem Willen der Natur, wir berauben sie nur. In diesem großen Wirrwarr leben wir und sind den Folgen rettungslos ausgeliefert. Wie Hohn und Spott klingen dazu die Kirchenglocken. Mein Gott, es gibt kaum noch Tiere, Pflanzen, Menschen, die gesund wären, aber wir treiben den Irrsinn immer weiter. Wie schwer ist es für uns Wenige und meistens völlig Einsame in diesem Durcheinander noch einen eigenen Weg einzuschlagen, und doch hängt davon unser Glück ab. Glück, was bedeutet das anderes als fruchtbar werden auf dem eigenen Weg, den wir zu Gunsten aller ganz allein gehen müssen. Aber auch wir Einzelgänger und letzte Indianer werden angefallen. Selbst bei uns vermutet man noch Wertsachen, obwohl alles an uns und in uns ungeniessbar ist. Man verdirbt sich an uns den Magen. Noch nie habe ich so deutlich wie heute im Massenblödsinn begriffen, daß man - und gerade im Interesse aller - ganz allein gehen muss. Ungeheuer wichtig sind unsere Arbeiten für die kommende Zeit - die Arbeiten derer, die nicht mitliefen - die nein sagten zu allem - aber nicht aus Parteieinstellung oder bösem Willen, sondern aus bester Überzeugung, aus der Notwendigkeit des Neinsagenmüssens heraus.

Schade daß der Jung immer wieder säuft - er könnte jetzt so gut arbeiten - aber er säuft. Er findet den Weg nicht durch den Alkohol. Warum schreibt der nicht über den Alkohol? ...

Jung, der hier sein Zimmer wegen Krankheiten ... wieder aufgab, vorhin bei mir mit Vorschlägen, die er schon früher in der Gegner-Zeit äusserte: eine biologische Korrespondenz einzurichten ... Die Arbeit Jungs zeigt deutlich, wie weit auch das Genie von der Technik abhängig ist.

29. 7. 36 Der Monat Juli ist bald vorbei - es waren einsame Tage - aber sie waren notwendig, um mich mit mir auseinander- und zusammenzusetzen - u. mich innerlich von allem äusseren Unsinn wieder einmal völlig zu befreien - seltsam, daß mir dazu Dr. Bohn [?] ganz von sich aus, den "Freiheitssucher" von Mackay brachte, der mich dann wieder an Stirner erinnerte, den ich als Schüler las u.der mein Leben neben Heine am stärksten bestimmte. Ich sah die goldene Freiheit wieder, die ich schon auf der Schule liebte - und sie diente mir auch jetzt wieder (aus Liebe), um mich vor aller Parteinahme zu behüten und mich nur zu der eigenen Beschwingung anzufeuern. Ich kann mich alleine organisieren - und dabei darf ich an nichts hängen bleiben, an keinem speziellen Beruf, bestimmter Tätigkeit etc.- immer weiter geht der Weg - wohin er führt, frage nicht. Ich lebte ja schon früher so, daß ich meiner Wege ging -ob nun auf der Strasse oder sonst wo - immer in der Erwartung, daß sich mein Leben gestalte.

Ich lief nie irgendeiner fremden Erscheinung nach und wenn ich es einmal tat, dann fühlte ich mich sofort unglücklich. Ich musste stets meinen Weg gehen und warten, was zu ihm gehörte.

Heute kam auf diesem Wege z. B. der alte Gräser zu mir, Max' Freund, den ich noch nicht persönlich kannte. Er zeigte mir kleine dunkle Bilder (Natur u. Familienleben), die er gezeichnet hatte - u. stellte mit viel Liebe gemalte Buchstaben vor mir auf, deren Sinn er (malerisch) zu erfassen versucht hatte. Gräser ist ein guter Kerl mit (wirklich) menschlichem Empfinden. Leider erregt sein Aussehen viel Aufsehen ( - langes Haar) mit langem Haar, Sandalen, zerrissenem (r) Anzug, er sieht wie ein alter gutmütiger u. abgelebter Indianer aus (viel Aufsehen). Alle Leute bleiben stehen - ich bat ihn, mir die Wirkung auf sich zu beschreiben. Er meinte, die meisten Menschen hätten vor solchen unwesentlichen Dingen Angst. Er hätte sich schon als Knabe ganz bewusst zu einem äusserlich "abnormen" Leben gezwungen, um sich hart und stark zu machen u. gewissermassen durch einen selbst geschaffenen Druck von aussen - Kräfte in sich wachzurufen.

5. 8. 36 Der ganze Juli ist verregnet ... In Berlin beschäftigt man sich nur noch (mit) der Olympiade, die mich nicht viel angeht - zumal man am meisten das Gebrüll hört. ...

Tb 11. 7. 37 - 21. 10. 37

Tb 4. 11. 37 - 6. 6. 38 ... mit Rilke beschäftigt

Tb 19. 11. 38 - 19. 1. 1940

19. 11. 38 ... wohnte nach vielen Jahren einmal wieder am Weisssen Hirsch. ...

25.    12. 38 ... Das Ideal im alten Sinn ist doch die Familie, die in der Einsamkeit lebt und sich durch eigene Arbeit ernährt - aber in einem friedlichen und freien Lande. Ich werde mich jedenfalls nie der geistigen Knechtschaft ergeben. Unter ihr wird wohl jeder geistige Mensch am meisten leiden.

26.    1. 39 In der Politik geht der Kampf zwischen den autoritären und den demokratischen Staaten weiter. (Es ist sicher, daß sich der organisch-biologische Gedanke durchsetzen wird.) Heute diskutiert man nicht mehr bei uns im Lande, wohl aber im internationalen Rahmen. Die fremden Staaten geben ihre Meldungen und Ansichten im Radio auf Wellenlängen und in deutscher Sprache durch, die jeder hören und verstehen kann. So wird das Volk von aussen über das aufgeklärt, was man ihm im Reich verschweigen möchte. Ich finde aber nicht, daß die Demokraten, trotz ihrer grösseren Freiheitsliebe, Recht haben - sie verstehen noch nicht biologisch zu denken.

3. 5. 39 ... Nichts ist erwünschter als eine konkrete (seelische?) Arbeit. Allerdings darf solch eine Arbeit kein kommunistisches Vorzeichen tragen. Sie muss äusserlich faschistisch aussehen, innerlich aber rein materialistisch sein. ...

Ich sehe heute, daß es der nordischen Bewegung mit ihrem Glauben und biologischen Ansichten nicht gelingt, sich durchzusetzen. ... Das nordische Denken steht mit seiner natürlichen, vom Boden her orientierten Weltanschauung im direkten Gegensatz zu der allgemein praktisch geförderten technischen Entwicklung. ... So sehen wir, daß das Christentum trotz aller Verfolgung Zug um Zug an Boden gewinnt. ... Immerhin: die wirkliche Revolution auf der Erde, die ihren Ausgangspunkt in der Natur selbst findet, wird mich nicht vergessen sondern auf mich zurückgreifen.

11. 10. 39 ... Meiner Auffassung nach werden sich aber im Weltmassstab Faschismus und Communismus, die beiden Seiten der sozialistischen Entwicklung, durchsetzen, da sie wie Idealismus und Materialismus zusammen gehören. ... Schon heute fehlt die Fachzeitschrift, die für die Synthese zwischen Faschismus und Kommunismus wirbt ... Aber ich sehe auch,

wie richtig es war, mich persönlich aus den politischen Meinungskämpfen herauszuhalten. Dann hätte ich vielleicht einseitig Partei ergreifen müssen, und das ist für den geistigen Menschen immer falsch.


Kommentar: Die Tagebücher zeigen die enge geistige Verbindung zwischen Hugo Hertwig, Max Schulze-Sölde, Ernst Fuhrmann, Harro Schulze-Boysen, Irma Leidig, Gusto Gräser, Franz Jung, Karl Otto Paetel, Erich Röth, Titus Tautz und anderen. Nicht zufällig fällt die Neubegründung des ,Gegner' (1931) zeitlich zusammen mit der Gründung der Landkommune Grünhorst. Die bisher nur lose verbundenen Einzelgänger schließen sich angesichts des Aufkommens des NS näher zusammen, formulieren ihr Denken, gehen aktiv an die Öffentlichkeit. Hertwig hatte, wie Max Schulze-Sölde, zunächst in den ,Kommenden' von Erich Röth geschrieben, die sich an die Jugendbewegung richteten. Der ,Gegner' ist zu verstehen als eine Abspaltung von den ,Kommenden', die sich an eine größere Öffentlichkeit wendet. Erst recht nach 1933. Der gefährdete Raphael Rafalowitz, der in Berlin illegale Flugblätter druckte, sucht mit seiner Familie in Grünhorst eine Zuflucht. Die Berliner Intellektuellen finden in der Landkommune ein verwirklichtes Modell ihrer Anschauungen und zugleich einen Rückzugsort. Der Austausch zwischen der Siedlung und dem nur 30 km entfernten Berlin ist intensiv. In diesem Beziehungsfeld bilden sich die Anfänge eines „grünen", antiautoritären Denkens heraus: ökopazifistisch, kommunitär, freireligiös. Der Wald wird diesen Menschen zum Symbol. Die deutsche und europäische Begrenzung wird gesprengt, der Blick in den geistigen Osten öffnet sich. Darin gleicht der Grünhorst-Kreis seinem Vorgänger Monte Verita. Aus lebensreformerischer und linksliberaler Überzeugung wächst Widerstand.