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Ein Auftritt in Heidelberg
 im März 1913


Am 7. März 1913 hielt Gräser im Theosophischen Verein von Heidelberg einen Vortrag über ‚Das hohe Genießen’. Eine Woche später wurde er im nahen Mannheim wegen unerlaubter Zettelverteilung verhaftet und aus dem Lande geschoben. Sein Auftreten in der Universitätsstadt, wo er wie üblich bekannte Autoren aufgesucht haben wird, dürfte für den Soziologen Max Weber Anlass gewesen sein, seine Ferien erstmals in der Nähe des berüchtigten Monte Verità zu verbringen. Schon am 26. März befindet er sich in Ascona.

Vortragsankündigung in den ‚Heidelberger Neuesten Nachrichten’ vom 4. März 1913

Gusto Gräser. Ein deutscher Heimatkämpfer und Dichter, als solchen feiert man ihn nach den Berichten auswärtiger Blätter, ist nach mehrjähriger Pause wiederum hier eingekehrt, um an einem der nächsten Abende in einem Vortrag zu sprechen. Man muß Gräser als Denker und Dichter verstehen! Er kommt der Menschheit als Wegweiser auf sonniger Bahn entgegen; er will ihr den reinen Idealismus der Natur in schönster Prägnanz zeigen, ihn verkünden, ihn der Menschheit zur größeren Bedeutung zu offenbaren. Volksgesundung, Eigenart des Einzelnen und der Gemeinschaft und daraus eine fruchtbare Entwicklung des Lebens selbst möchte er fördern und herbeiführen. Und dies offenbart sich in seinen Dichtungen sowohl wie in der Eigenart Gräsers selbst. – So schreibt der bekannte Weimarer Schriftsteller Johannes Schlaf über ihn: „Ein neuer Dichter! Und zwar ein wahrlich nicht unbedeutender, ein gewiß sehr eigenartiger. Obgleich ich ihn weit mehr und in weit bedeutsamerem und wichtigerem Betracht einen Menschen nennen müßte. …“ - Wir werden Gelegenheit haben, Gusto Gräser am Freitag im kleinen Harmoniesaal in einem Vortrag zu hören. Das Thema lautet: „Das hohe Genießen als Rettung aus niederen Genüssen“.

Aus: Chronik der Stadt Heidelberg für das Jahr 1913. Heidelberg 1915, S. 207

‚Heidelberger Neueste Nachrichten’ vom 13. März 1913

Einige Jahre vor dem Kriege brachte ich in Mannheim Gedichte von mir herum … Solche gab ich in Mannheim jedem, der sie haben wollte, frei, und ließ mir frei dafür geben, was jeder wollte. Merkt man etwas? Noch nicht? Dann hat man eine schlechte Nase für „Gerechtigkeit“, denn dies war und ist mein Verbrechen und ich darum der unerträglich lästige Ausländer. Bin Sachs von Siebenbürgen. Als „verkappter Bettler“ gebrandmarkt, wurde ich 3 Tage in Haft genommen und dann  aus dem Land geschoben. …

Mein ganzes Gebaren spricht wohl ziemlich deutlich davon, daß ich keine standbefangene Staatsperson, vielleicht aber ein freimütiger Heimatsohn bin, und das fällt einigen der Herrschaften eben auf die Nerven. Es geht aber nun nicht anders, denn ehe sich Mann für Mann aufmacht, sein Leben auf Schritt und Tritt aus fühlendem Denken selber zu führen, kann unsere Gemeinschaft nicht gesunden. Nur aus selbst prüfend wahrem Wandel kann unserem Volk Wohlfahrt gedeihen.

Gusto Gräser an die ‚Volkswacht’, Freiburg. 8. Januar 1920

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