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Gräser
wandert durch Siebenbürgen
Frühjahr
bis Herbst 1916 * er will das, was sie zuviel haben, ihnen nehmen. Das Viele, Viele, was den guten Kern des Menschen überwuchert und erstickt: Die Lüge, die Habgier, den Neid, den Hass, das alles sollen sie abwerfen. Mediascher
Wochenblatt. * nicht um sie zur Nachahmung seiner Lebensweise zu bewegen; alles das liegt ihm fern. Und für das "Nachahmen" hatte er harte Worte. Es muß ein Herrliches sein, so stark in sich zu sein, daß man dem Spott und dem Unverstand der Menge Ruhe entgegensetzen kann und sich nicht beirren lassen in seinem Besten, seinem Menschentum. Bistritzer Zeitung * Anonymer Leserbrief * ein menschgewordener Sehnsuchtsruf nach einem verlorenen Paradies unter Gottes blauem Himmel. Emil Neugeboren Das genaue Datum und der Ort seiner Entlassung sind nicht bekannt. Es scheint aber, daß er nicht in Klausenburg, wohin man ihn verfrachtet hatte, frei wurde, denn die Wanderung, die er anschließend antrat, ging nicht von Norden nach Süden sondern umgekehrt. Sie dürfte in Kronstadt begonnen haben, wo er militärbehördlich stationiert war und wo er alte Freunde hatte, die ihm die ersten Schritte in die wiedergewonnene Freiheit erleichtert haben müssen. Denn er ist in der Lage, eine neue Serie seiner Spruchkarten drucken zu lassen, auf deren Rückseite er als "Gusto Gräser in Kronstadt" firmiert. Diese Karten waren das unentbehrliche Mittel, mit dem er seine Anschauungen verbreiten und zugleich seinen Lebensunterhalt erwerben konnte. Wer hat ihm geholfen? Zu denken ist da vor allem an Adolf Meschendörfer, in dessen 'Karpathen' schon 1912 ein geradezu enthusiastischer Aufsatz über Gräser erschienen war, auf den nun, im Dezember 1915, in der 'Kronstädter Zeitung' erneut Bezug genommen wurde. Meschendörfer hat nicht nur seine Sammlung 'Aus Kronstädter Gärten' mit Gedichten von Gräser eingeleitet, er hat auch der Hauptfigur seines Romans 'Die Stadt im Osten' einige biographische Züge seines der Heimat schließlich entfremdeten Landsmannes mitgegeben. In einer, allerdings später entstandenen, Adressensammlung, die sich erhalten hat und die Gräser mit dem Titel "Menschen" versah, findet sich für Kronstadt auch der Name von Heinrich Zillich; bei anderen Orten werden Harald Strasser, Wilhelm und Eberhard von Hannenheim, Oskar Wittstock, O.F.Jickeli, Viktor Orendi-Hommenau, Sepp Hiemesch und Egon Hajek genannt. Vor allem Oskar Kraemer wäre zu nennen gewesen, den er 1916 in seiner Zeitungsredaktion in Hermannstadt aufsuchte und der ihn offenbar tatkräftig bei der Suche nach einem Vortragsraum unterstützte, nachdem der Gräser schon zugesagte Rathaussaal ihm wieder entzogen worden war. Kraemer hat 40 Jahre später berichtet, wie eine Institution nach der andern dem für gefährlich gehaltenen Außenseiter ihre Räume verweigerte, so daß er schließlich nur in einem Privathaus zu Wort kommen konnte. Kurioserweise im Hause eines Bankiers, des hochangesehenen Arz von Straussenburg. Nachdem jedoch einige Herren an seinem Auftreten Anstoß genommen hatten, wurde er anfangs Mai von der Polizei aus Hermannstadt ausgewiesen. In anderen Städten wie Mediasch und Bistritz hatte er mehr Glück, konnte öffentlich auftreten, und die Zeitungen berichteten ausgesprochen freundlich, ja zum Teil tief beeindruckt über ihn, druckten auch eine Reihe seiner Gedichte ab. Einmal mehr ist zu beobachten, daß Gräser sich sehr schnell Sympathien und Vertrauen erwarb, wo er den Menschen Auge in Auge gegenübertrat. Ein Beispiel unter anderen ist Oskar Kraemer, der sich seine Verehrung bis ins hohe Alter bewahrte. "Wir wären damals alle für ihn durchs Feuer gegangen", soll er gesagt haben. Die selbe hohe Achtung spricht aus dem Aufsatz von H.L. (vermutlich Hermann Lani) im 'Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatt'. Eine starke Persönlichkeit und ein echter Dichter habe in einem "zwingend überzeugenden Vortrag" zu den Hörern in Hermannstadt gesprochen. Noch deutlicher ergriff Emil Neugeboren, der Chefredakteur dieser Zeitung, Partei für den aus der Stadt Verstoßenen. Gräser sei weder ein Narr noch ein politischer Revolutionär sondern ein Dichter, in dem das allgemeinmenschliche Verlangen nach Freiheit und Natur sich verkörpere und ausspreche. Seine Erscheinung sei "ein menschgewordener Sehnsuchtsruf nach einem verlorenen Paradies unter Gottes blauem Himmel". Damit hat Neugeboren, quasi stellvertretend für die siebenbürgische Intelligenz, eine Deutung des Phänomens Gräser geboten, die ins Wesentliche vordringt und noch heute als gültig angesehen werden kann. Andere schätzten ihn auch, aber mehr im Verborgenen. Erst als er tot war, sprossten die Erinnerungen. Nun zeigte sich, daß sie ihn nicht nur alle gekannt, daß sie ihn irgendwie bewundert, geachtet und sogar insgeheim geliebt hatten: Hans Wühr, Heinrich Zillich, Rolf Schuller, Fritz Gött, Willi Hochmeister, Ludwig Binder und andere. Manche Siebenbürger, später geboren, entdeckten den seltsamen Landsmann posthum in seinen Gedichten. So der Schriftsteller Dieter Schlesak. Aus dem Rumänien Ceaucescus geflüchtet, mit traumatisch geschärften Ohren für die Schreie der Gefolterten, fand er in dem heroischen Dulder Gusto Gräser ein Inbild für alle Leidenden und Verfolgten, zugleich aber den ebenso zeitlosen wie zeitgemäßen Mahner zu einem auf das Wesentliche gerichteten Leben. "Worauf er unbeirrt hinweisen wollte, war das einfache, genügsame und naturverhaftete Dasein. Er proklamierte nicht die Freiheit in der Folge von Umstürzen und Machtergreifungen, sondern in der Folge eines weitgehenden persönlichen Verzichts auf das in seiner Sicht Entbehrliche und Hinderliche. Gräser selbst demonstrierte ebenso anschaulich wie konsequent die Entbehrlichkeit der Dinge." Heinrich Zillich war es, der als einer der ersten nach Gräsers Tod wieder auf den Landsmann hingewiesen hat; Udo Acker brachte 40 Jahre später im Münchner ‚Haus des deutschen Ostens’ eine große Rückschau auf den Dichterpropheten; Hans Bergel würdigte ihn als „eine der eigenartigsten und bemerkenswertesten Gestalten der deutschen Kulturszene“. Ein anderer Siebenbürger, Hans Wühr, hatte ihm einst den Nachruf geschrieben, hat den „Angelus Transsylvanicus“ zu den Sternen erhoben: "Vale, St. Transsylvane! Ich sehe dich auf der Wanderschaft über den Wolken, im Tragnetz eine Handvoll Sterne ... "
29. 12. 1915 'Kronstädter
Zeitung': Ein
Vortrag Gusto Gräsers Wer
ist Gräser? Vor mehr als drei Jahren räumte
ihm
Dr.O.F.Jickeli (Hermannstadt) in den "Karpathen" unter der Sammlung
"Siebenbürgisch-sächsische Charakterköpfe" einen Platz ein und suchte
diesen eigenartigen Menschen, der den Mut hat, sich außerhalb unserer
Gegenwartskultur zu stellen, um sein eigenes Leben zu leben, unseren
sächsischen Volksgenossen näher zu bringen. "Es
ist schwer, diesen Mann zu definieren, aus dessen kraftvoll sehniger
Gestalt,
aus dessen leuchtenden Augen ein reiches, kampfesfrohes und gütiges
Leben
spricht. Gusto Gräser, der kein anderes Gesetz für seine Handlungen
kennt als
sein Gewissen, seine innere Stimme, nur ein
Gebot: 'Lüge nicht', läßt sich nicht leicht in gesetzte Worte fassen. Das
Packende in seiner Erscheinung liegt nicht darin, daß er 'Naturmensch'
ist,
sondern daß er in einem frohen und kräftigen Leben seine Ideen
verwirklicht. Er
ist kein Prediger in der Wüste, er drängt sich niemandem auf. Er ist
ein
Mensch, mit dem man scherzen und lachen kann. Er will keine Jünger
werben,
sondern mutig seinen Weg
gehen und
seine Hoffnung ist, daß andere vielleicht 'bei den Rhythmen seiner
Schritte
aufhorchen werden und dann ihren Weg leichter finden.' Er
will kein System aufstellen, er läßt die Worte und Gedanken frei seinem
Innern
entströmen, so wie sie dort entstehen. In ihm ist der Protest unserer
Zeit
gegen die Mechanisierung und Schematisierung des Lebens verkörpert. Aus
seinen
Worten und Blicken fließt ein reicher Strom gütiger und reiner
Menschlichkeit.
Sein tapferes Leben ist uns ein Beweis, daß die Menschheit noch Kraft
und Mut
hat, neue Wege zu gehen." - Wer
ist also Gräser? Ein Mensch! Und das heißt
Kämpfer und
Bekenner sein! Einen "Dichter" nannte ihn Johannes Schlaf (Weimar).
"Und ein solcher ist er auch. Und zwar ein wahrlich nicht
unbedeutender,
ein gewiß sehr eigenartiger. Obgleich ich ihn weit mehr und in weit
bedeutsamerem und wichtigerem Betracht einen Menschen
nennen müßte." ... Dr.
Jickelis Aufsatz sollte "ein erster Versuch sein, ihm einen Weg zu den
Herzen der Volksgenossen zu öffnen, damit dieser 'Narr', der verbotener
Weise
'unerreichbare' Ideale verwirklicht, nicht auf kalte, spöttische Blicke
stößt
und zu tauben Ohren spricht, wenn er auf der Suche nach einer Heimat einmal nach
Siebenbürgen kommen sollte, denn sein Auge kann nur lachen und
leuchten, wenn
er Herzlichkeit bei den Menschen findet." Nun
ist der Wegsucher Gräser in seine
Heimat gekommen.
Wird sie ihm Heimatland sein? Wird dem Pochenden aufgetan? * Januar
1916 ? Gräser verweigert den Kriegsdienst.
Zu
Erschießung verurteilt. Dann jedoch Abschiebung in ein Irrenhaus. März
1916 Gräser aus der Haft entlassen. Siebenb.-Deutsche
Tagespost, 18.
3. 1916 21.
März
1916 Vortrag in Kronstad: ‚Heimat
ins
Vaterland’
4.
April 1916 Gegen
behördlichen Widerstand: Vortrag in Hermannstadt Ich
wurde auf Gusto 1912 aufmerksam, als er, in der Tracht der Fischer etwa
vom See
Genezareth, in Charlottenburg das vegetarische Restaurant "Freya" (in
dem gelegentlich auch Else Lasker-Schüler zu sehen war) betrat. Weder
war mir
damals sein Name bekannt, noch ahnte ich, daß ich es in ihm mit einem
Landsmann
zu tun hatte. Erst
als er mich 1916 in der von mir geleiteten Redaktion der "Deutschen
Tagespost" besuchte, war mir nicht mehr unbekannt, daß er, wie ich,
Siebenbürgen seine Heimat nannte. Was bei dieser ersten Begegnung den
stärksten
Eindruck auf mich machte, war seine wunderbar volltönende Stimme, einem
tiefen
Glockenton vergleichbar. Gräser
besuchte mich, weil er in
Hermannstadt einen Vortrag zu halten beabsichtigte und sich dafür meine
Unterstützung sichern wollte. Es ließ sich alles gut an. Der
Bürgermeister
hatte ihm den ansehnlichen Rathaussaal, dessen eine Wand ein Bildnis
des
Kaisers Leopold und eine alte Gesamtansicht von Hermannstadt schmückte,
zugesagt. Die Zusage wurde wenige Tage später jedoch zurückgezogen. Wir
hatten
Krieg, und vielleicht hatte man im Bürgermeisteramt in der Zwischenzeit
erfahren, welchen Schwierigkeiten Graeser vorher in vielen Städten
Deutschlands
zu begegnen gehabt hatte. Er war hier überall ausgewiesen worden,
obwohl
Johannes Schlaf, Richard Dehmel und Gerhart Hauptmann sich
nachdrücklich für
ihn eingesetzt hatten. Die
Stadtverwaltung glaubte überdies besonders vorsichtig sein zu müssen,
bestand
sie doch in einer Stadt mit damals noch überwiegend deutscher
Bevölkerung,
deren Haltung stets besonders argwöhnisch beobachtet wurde.
Nacheinander
versagten sich auch andere Institutionen, die über geeignete
Vortragsräume
verfügten. Es war, wie die Dinge lagen, ein Beweis besonderen Mutes,
daß
schließlich der Direktor eines Bankinstitutes seine Privatwohnung für
einen
Vortrag zur Verfügung stellte, in der sich freilich nur eine weitaus
geringere
Anzahl von Zuhörern (dreißig dürften es gewesen sein) zusammenfinden
konnte.
Oskar Kraemer[1] Eine
Stunde mit Gusto Gräser. Eines
der angesehensten Häuser
Hermannstadts hat Donnerstag in den Abendstunden seine Tür einem
kleinen Kreise
geöffnet, damit er sich um Gusto Gräser
versammle. Ein kleiner, aber kritischer, zum Teil vielleicht
skeptischer Kreis
war es, der da hören kam, was der vielumstrittene Mann zu sagen habe,
und als
die frohgemütliche Plauderstunde vorüber war, da wußten alle dieses:
daß sie
einer starken Persönlichkeit und einem
echten Dichter gegenüber gesessen waren, daß jeder Zuhörer etwas
mitnehmen konnte als Geschenk eines Bessern. Es
läßt sich schwer wiedergeben,
was Gräser sagte. Er sprach von sich und den Menschen. Von seiner
Erkenntnis
menschlicher Irrtümer, von den Wurzeln menschlichen Fehllebens; von deutschen Mängeln und Unsitten;
von
Erwerbsgier und Ausländerei in einfachen und treffenden Worten und
mischte
heiter spottend und ernst mahnend Sprüche und Gedichte von eigenartiger
Form
und wunderbarem Wohlklang in den Fluß seiner Rede, mit tiefer,
volltönender
Stimme und einem zwingend überzeugenden Vortrag. Wir wollen aus der Fülle der schönen, zum Teil noch ungeschriebenen Gedichte, die Gräser bot, eines hier wiedergeben und ihn lieber selbst sprechen lassen, als nutzlos eine Vermittlung des tiefen Eindrucks zu versuchen, den er seinen Hörern hinterließ. Verfolgt
von Neid und Hohn, vom Leutverstande,
zieh ich gelassen meiner Wege hin - ein Narr, ein Fremdling in dem Vaterlande, weil ich des Heimatlandes Bürger bin. Ich wohn und wandle in der Heimat Räumen, behaglich wurzelnd in des Lebens Grund, da baumeln lieblich süß und perlenrund rotgoldne Trauben von den Wetterbäumen. Da tanzen Lilienelf und Wurzelzwerg den Ruhringreigen auf dem Ringruhberg. ... (H.L.
[Hermann Lani?[2]])
Im April 'Mediascher Wochenblatt':
22.
April 'Mediascher
Wochenblatt':
Gusto
Graeser.
Johannes
Schlaf aus Weimar hat im Jahre 1911 in den "Hamburger Nachrichten"
seine Eindrücke, die er gelegentlich eines Zusammenseins mit Gusto
Graeser von
diesem erhielt, zusammengefasst. Er schreibt dort an einer Stelle: "In
verstandesgemässer Rede drückte er sich nicht besonders glücklich aus;
förmlich
gebannt, gebannt von der unmittelbaren Offenbarung einer durchaus
eigenartigen
Wesenseinheit, lauschte ich ihm, sobald er in seine eigentliche
Äusserungsweise, die emotionale, überging und gar in Versen zu sprechen
begann!" Ich
habe bei dieser Unterredung mit ihm etwas Gleiches empfunden. Seine
Persönlichkeit, oder bleiben wir bei dem Wort Wesenseinheit, hat auch
mich so
gepackt, dass mir sein fremdartiges Äusseres ganz nebensächlich
erschien. Und
seine Worte, mit einer tiefdüsteren aber melodisch klangvollen Stimme
gesprochen, und sein herzlich guter, tieftreuer Blick, sein
freundliches
Lächeln beim Kommen und Gehen und die Ruhe seiner Bewegungen liessen
mich
empfinden, dass ein in sich abgeschlossener, guter Mensch vor mir sass.
Und das ist es ja, was er vor allem sein will: gut und wahr und ehrlich sich selbst und andern gegenüber. Er will nichts Neues den Menschen geben; er will das, was sie zuviel haben, ihnen nehmen. Das Viele, Viele, was den guten Kern des Menschen überwuchert und erstickt ...
Etwa
5. Mai Gräser
von der Polizei aus Hermannstadt ausgewiesen. 6.
Mai 1916 Was
er sagte und
was Erscheinung und eine Stimme von vollem, warmem, dunklem und lichtem
Klang
mitgaben, wird den wenigen Zuhörern unvergeßlich bleiben. … Hie und da
sprach
er Verse von starker, ruhiger, höher aufrichtender (nicht mitreißender)
Lebendigkeit und der Heiterkeit des guten und bedeutenden Menschen: Verfolgt
von Neid
und Hohn, vom Leutverstande,
zieh ich gelassen meiner Wege hin – ein Narr, ein Fremdling in dem Vaterlande, weil ich des Heimatlandes Bürger bin. Ich wohn und wandle in der Heimat Räumen, behaglich wurzelnd in des Lebens Grund, da baumeln lieblich süß und perlenrund rotgoldne Trauben von den Wetterbäumen. Da tanzen Lilienelf und Wurzelzwerg den Ruhringreigen auf dem Ringruhberg. … Da spielt in Wäldern voller Duft und Thönen Die Sonn ihr Lied, ihr Wonnelied vom Leid, spielt in das Antlitz ihren treuen Söhnen den heitern Abglanz der Unsterblichkeit. 12.
Mai 'Siebenbürgisch-Deutsches
Tageblatt': Aus
Hermannstadt und Umgebung.
Gusto Gräsers Grußkarten, Sprüche und Gedichte sind in den
Buchhandlungen
Drotleff, Krafft, Meyer und Seraphim zu haben. Was
ist es
mit Gusto Gräser? Der
sächsische Maler und Dichter
Gusto Gräser ist in der vorigen Woche von der Hermannstädter Polizei
ausgewiesen worden. Dies ist ihm unter genau denselben Umständen auch
an
anderen Orten widerfahren, so zum Beispiel in Leipzig. Aus diesem
Grunde wäre es
ungerecht, der Hermannstädter Polizeibehörde ihr Vorgehen besonders zu
verübeln. Sie sah sich für verpflichtet an, einzugreifen, weil
verschiedene
Herren mit überempfindlichem Ordnungssinn an dem Auftreten Gräsers
"Anstoß
genommen" hatten. In Leipzig mag es ähnlich gewesen sein. Aber da sich
in
Leipzig einige Männr Gräsers angenommen und gegen das Vorgehen der
Polizei
Verwahrung erhoben haben, zu denen nicht geringere Leute wie Gerhard Hauptmann, Rich. Dehmel, Friedrich Naumann
und Ferdinand Avenarius
gehörten, so
erscheint die Schlußfolgerung zulässig, daß der "Anstoß" nicht das
einzige Wort ist, das zu Gusto Gräser gesagt werden kann und daß bei
der
Beurteilung dieses vielfach Abgeschobenen der Polizeigesichtspunkt
nicht der
allein maßgebende sein muß. Ich möchte versuchen, die Persönlichkeit
Gräsers
auch einmal von einer anderen Seite her zu beleuchten. Gräser
soll gebettelt haben, auf
der Straße und in Wohnungen Leute belästigt, ja sogar den offenbar auch
schon
festgestellten Höchstpreis für Ansichtskarten überschritten haben -
Grund
genug, um gegen ihn mit dem eigens dafür vorhandenen Paragraphen
einzuschreiten. Aber ich möchte hundert gegen eins wetten, daß er genau
dasselbe hätte tun können,was er getan hat, ohne mit Publikum und
Behörde in
Zusammenstoß zu geraten, wenn er gewöhnliche, bürgerliche Kleidung
trüge, oder
zum mindesten nicht so auffallend ausstaffiert wäre. Somit bringt ihn
also ein
recht äußerlicher Umstand zu Fall. Man
kann vielleicht einwenden,
daß er andererseits auch gerade seiner ungewöhnlichen Tracht einen
großen Teil
seines Erfolges bei dem Straßenpublikum verdanke. Ich bin mir für
meinen Teil
über die Beweggründe dieser Tracht nicht im Klaren. Ist sie ein
notwendiger
Ausdruck seines Wesens oder ein berechnetes Mätzchen, um die
Aufmerksamkeit zu
erregen, oder nur eine stärkere Unterstreichung dessen, daß
er sich von dem Tun und Treiben anderer Menschen unterscheiden will -
ich weiß
es nicht. Es ist mir aber auch viel zu wenig interessant, um darüber
lange
nachzudenken. Das
Wesen der Sache ist, daß
Gräser sich mit bewußter Absicht abseits von den geschlossenen
Verbänden und
Ordnungen stellt, in den wir übrigen leben, und daß er eine Lebensweise
führt,
die in verschiedenen Beziehungen einen Protest gegen moderne
Zivilisation,
Organisation und Kultur bildet. Das Urteil ist sogleich bei der Hand:
wer das
tut, ist ein Narr! Vielleicht kannman Gräser wirklich einen Narren
nennen,
vielleicht ist sein Gehirn wirklich in seinem Bau von dem des
Normalmenschenverschieden.Sonst könnte er gewiß nicht seit etwa 20
Jahren alle
die Unannehmlichkeiten ertragen, die die Folge seiner Lebensführung
sind. Das
Durchschnittshirn hat ja, nach einigem Widerstreben im jugndlichen
Alter,
Neigung, sich den Verhältnissen anzupassen, auch wenn diese in scharfem
Gegensatz
zu der ursprünglich eingeschlagenenRichtung stehen. Aber auch dies ist
mir eine
Nebenfrage.Was ist es also mit Gusto Gräser? Ich sehe in ihm ein
verkörpertes
Symbol für gewisse Stimmungen, von denen niemand unter uns modernen
Zivilisationsmenschen ganz frei ist. In uns allen lebt in
hunderttausend
verschiedenen Gradabstufungen je nach dem Wesen und den
Lebensverhältnissen des
Einzelnen, nach Alter und Zeitumständen, eine Sehnsucht aus der Enge
und
Gebundenheit, in die wir hineingesetzt sind, hinaus zur freien,
belebenden,
Friede bringenden, Ruhe spendenden, erlösenden Natur, von der wir,
unserm
harten Menschenberufe folgend, so weit, ach so weit abgedrängt und
entfernt
werden. Dieses Sehnsuchtsgefühl ist uralt, so alt, wie die menschliche
Natur,
und es ist auch nicht erst jetzt entdeckt worden. In allen
Jahrhunderten hat es
Leute gegeben, die mit weithinschallender Stimme den Ruf erhoben:
"Zurück
zur Natur!" und den Versuch gemacht haben, der Menschheit aus der Qual
und
dem Wirrsal des Kulturlebens den Weg dahin zu weisen. Denken wir an
Rousseau im
18., Leo Tolstoi im 19.Jahrhundert! Neben
diesen Großen gab und gibt
es immer eine Unzahl von Propheten, Predigern, Schwärmern und Narren
der
Rückkehr zur Natur. Ihr Leben und ihre Lehre bleiben für die große
Masse, für
die Gesamtheit der Menschen begreiflicherweise vergeblich und
unfruchtbar. Denn
sie übersehen immer wieder, daß die Kulturentwicklung ebenso etwas
Notwendiges,
Gott- oder Naturgewolltes ist, wie das, was man im engern Sinn die
Natur nennt,
und daß sich ihr Gang ebenso wenig umkehren läßt, wie der Lauf der
Flüsse. Was
man mit einiger Ausicht auf Erfolg anstreben und versuchen kann, ist
nur, die
einander scheinbar ausschließenden Gegensätze von Naturleben und
Kulturleben in irgend einen erträglichen
Ausgleich zu
bringen. Wenn
dies möglich ist, so kann es nur durch solche Menschen geschehen, die
auf dem
Boden des Kulturgemeinschaftslebens stehen und doch im Herzen ein Stück
Natur
tragen. Wer sich außerhalb der gewordenen menschlichen Verhältnisse
stellt, der
kann sie unmöglich meistern; er hat sich vielleicht für seinen Teil aus
ihrer
pressendenEnge gerettet, wofern es ihm gelingt, den unzähligen
Zusammenstößen
mit ihnen auszuweichen, aber seiner Empfindung, seiner Idee kann er
nicht zum
Sieg verhelfen. Ein Damaschke,
der
den Boden von den furchtbaren Fesseln befreien will, die ihm der
moderne
Kapitalismus angelegt hat, der dem entwurzelten Menschen ein Stückchen
Erde
schenken will, auf dem er den verlorenen oder nie besessenen
Zusammenhang mit
dem Mutterschoß der Natur einigermaßen wiederherstellen kann, strebt im
Grunde
genommen demselben Sehnsuchtsziele zu, wie die Naturprediger, tut aber
sicherlich mehr zu dessen Erreichung, als sie alle miteinander, nicht obwohl, sondern weil er in seinem ganzen äußern
Leben und Handeln der
Gesellschaft angepaßt ist, die er umzugestalten mithelfen will. Gräser
will, soviel ich weiß,
nicht Prediger und Prophet des Naturzustandes sein. Er weiß zu gut, daß
eine
größere Gemeinschaft von Leuten, die so leben, wie er, nicht bestehen
könnte.
Noch viel weniger ist er Sozialreformer. Er trägt nur einfach eine
starke und
tiefe Empfindung für die Naturwirdigkeit, in der wir alle leben, in der
Seele,
und da er ohne Zweifel eine nicht gewöhnliche dichterische Begabung
hat, so ringt
diese Empfindung in ihm nach künstlerischem Ausdruck. Er arbeitet,
vielleicht
weniger nach einem bewußten Plan, als einem dunkeln Drange folgend, mit
den
Mitteln der lyrischen Dichtung, indem er die Stimmung, die in ihm
selbst lebt
und ihre Spannkraft ausübt, auf andere zu übertragen sucht und indem er
die
Sehnsucht darnach, was er Heimat nennt, nach einem freien, friedlichen,
einfachen, vernunftgemäßen Leben am Busen der Natur, im trauten Verein
mit den
"Brüdern im stillen Busch, in Luft und Wasser" in seinem ganzen Leben
und Auftreten zu verkörpern trachtet. Wer ihn im grellen Tageslicht in
auffälliger, theatralischer Kleidung durch das Gewühl unserer Gassen
gehen
sieht, oder das manchmal dunkle Wortgepränge seiner Verse liest, wird
nicht
viel Eindruck bekommen. Aber draußen in Feld und Wald, wenn er mit
seiner
wohlklingenden, tiefen Stimme die Verse selbst vorträgt oder seine
eigenartigen
Gedanken ausspricht, da wirkt er ohne Zweifel stimmungsvoll und
künstlerisch,
da ist seine Erscheinung ein menschgewordener Sehnsuchtsruf nach einem
verlorenen Paradies unter Gottes blauem Himmel. Wer
an Poesie in solcher Form
keinen Geschmack findet, oder wer im aufreibenden Joch des Alltags
sentimentale
Anwandlungen, wie ich sie geschildert habe, verlernt hat, der mag sich
von
Gusto Gräser achselzuckend abwenden - es darf ihm nicht verübelt
werden. Aber
soviel darf Gräser verlangen, und soviel muß ihm zugestanden werden,
daß man
ihn nicht als Landstreicher behandle, am allerwenigsten hier, in seiner
siebenbürgischen Heimat. Er ist unbedingt eine geistige Kraft
besonderer
Prägung, die in ihrer eigenartigen Wirksamkeit auch dem
Ordnungsparagraphen
zuliebe nicht einfach unterdrückt werden darf!
-n
[Emil Neugeboren?[3]] 9. Juni 'Bistritzer
Deutsche Zeitung': Einen
gar seltsamen Menschen
beherbergt seit einigen Tagen unsere Stadt. Barhäuptig, in einem zu
unserer
gewohnheitsmässigen Kleidung in krassem Gegensatz stehenden Gewande,
durchschreitet er die Strassen der Stadt und bietet seine Gedichte und
Zeichnungen zum Kaufe an: Gusto
Graeser. Er
ist ein geborener
Siebenbürger, hat einen Teil seiner Jugend im Nösnerlande verlebt und
nennt
sich Dichter und Maler. Es ist schwer, sich über Graeser bei
oberflächlicher
vorübergehender Bekanntschaft ein Urteil zu bilden. Die Psyche eines
solchen
Menschen lässt sich nur nach längerer Bekanntschaft erfassen. Ihm
scheint
jedoch der verschiedenartige Zwang, den unsere jetzige Kultur
notgedrungen
jedem Menschen auferlegt und auferlegen muss, eine lästige Bürde zu
sein, der
er sich durch sein ungebundenes Leben zu entziehen sucht - ohne sich
jedoch
Rechenschaft darüber abzulegen, wie eine derartige Lebensweise
gesellschaftlich
durchzuführen wäre. Vielleicht
erfahren wir im Vortrag, den er Sonnabend abends
im
"Omniasaale" zu halten gedenkt, Näheres hierüber. Seine Bilder und
Sprüche, die uns zur Einsicht vorlagen, sprechen von tiefem Empfinden,
weshalb
wir einige Sprüche hier folgen lassen. Ihr
heimatlichen Matten,
Bin wieder da bei euch! O Heimat, meine Freude, auf dieser Erdenweite kommt dennoch dir nichts gleich. … Nur hier bin ich vertraut Mit Hainen und mit Halden, Mit Wegen und mit Walden, Die ich so oft geschaut. … Wie lange wird es währen, Dass wir beisammen sind? Wie lange werd ich bleiben? Wirst du mich weitertreiben? O Heimat, halt dein Kind! ... [Insgesamt 6 Gedichte abgedruckt] 10.
Juni Vortrag
im Omniasaal von
Bistritz: 'Vom frohen Leben'. 15.
Juni 'Bistritzer
Deutsche Zeitung': "Vom
frohen Leben". Zum Vortrag Gusto
Graesers am 12.Juni 1916 (Korr.)
Vom frohen Leben - nicht
vom düsteren Ertragen und Verzichten, wie dieser, oder von religiöser
Schwärmerei, wie jener vorausssetzte, hat Gusto Graeser gesprochen. Es
war für
viele eine Enttäuschung, aber für den Verstehenden eine erfreuliche.
Und wer
Ohren dafür hatte, und den Willen zu verstehen, der konnte daraus
gewinnen. Nicht
als Moralprediger kommt Graeser zu den
Menschen, nicht
um sie zur Nachahmung seiner Lebensweise zu bewegen; alles das liegt
ihm fern. Und für das "Nachahmen" hatte er harte
Worte. ... Es
war kein abgeschliffener,
auswendig gelernter Vortrag, was Graeser uns bot, es waren lebendige,
blutwarme
Worte, wie sie der Augenblick gab. Gusto Graeser gab uns einen kleinen
Einblick
in seine Jugend, in sein jetziges Leben und führte uns Bilder seiner
Familie,
seines Wohnortes vor. Es war alles schön und eigenartig, und wir sahen
auch
hier das einfache gerade Wesen eines Menschen, der - in Kenntnis der
Welt und
des Lebens - auf äusseren Schein verzichtend, sich ein Leben nach
seinem Willen
geschaffen, das Leben einer starken Persönlichkeit. ... Es
muss ein Herrliches sein, so
stark in sich zu sein, dass man dem Spott und Unverstand der Menge Ruhe
entgegensetzen kann und sich nicht beirren lassen in seinem Besten,
seinem
Menschentum ... 16. Juni 'Bistritzer
Deutsche Zeitung':
Von
einer Besucherin erhielten
wir folgende Zeilen, die, wie es scheint, den Eindruck wiedergeben, den
Gusto
Graeser im allgemeinen auf seine Zuhörer
gemacht hat: Gusto
Graeser ist eine durchwegs
zwiespältige Natur, d.h. sein Reden und sein Leben sind zwiespältig. In
seinem
Vortrag konnte er sich nicht erschöpfen in den Worten: "Kämpft, kämpft,
verinnigt, vertieft euer Leben, macht es menschenwürdig, arbeitet,
arbeitet!" Wie
ist ein Kämpfen möglich in
den paradiesischen Gefilden, die er einem vorführt? Ein derartiges
Leben ist
Flucht vor dem Kampf, Flucht vor der Arbeit. Arbeit und Kampf sind auf
das Wort
"Vorwärts" gestellt, und sein Leben ist ein "Zurück",
zurück bis zu Adam und Eva. ...
23. Juni 'Bistritzer
Deutsche Zeitung'
: An
den Schriftleiter der 'Bistritzer Deutschen Zeitung'. Ohne
Erwiderung darf nicht
bleiben, was über meinen Vortrag geschrieben wurde. Wie konnten Sie als
denkender Mensch das aufnehmen? Einmal
heisst es: "Es ist ein ganz schöner Gedanke, den er verficht, seinen
eigenen individuellen Weg zu gehen, ganz unbekümmert darum, was sagt
dieser,
was jener, wie werde ich dabei abschneiden? Ein solch eigenes Leben
mitten im
Weltenstrudel durchzuleben und bis zum Ende stark und klar zu bleiben,
das ist
Leben, das ist Kampf, das ist Gewinn." Trotz
Schwierigkeiten echt und
eigen bleiben - heisst das nicht kämpfen, ist das nicht mein Leben? Dannn heisst es da von "paradiesischen
Gefilden", die ich vorführe; damit sollen wohl meine Bilder
heimatlichen
Lebens gemeint sein, und mit dem sei kein Kampf vereinbar. Nun,
ich zeigte den Kampfespreis,
ein herzliches Behagen. Und
ein "Zurück" wäre
mein Leben! Ja, wenn ein Aufsichselbstbesinnen, ein Heimkehren zur Art,
zur
Kraft als zu Gesundheit und Freude ein Rückschritt ist. Und
ich liesse meine Kinder nicht
lesen und schreiben lernen und sei überhaupt gegen jede Bildung. Der
Unsinn! Nein,
ihr Verdachten, nein,
Euch tag ich nicht, Euch muss ich nachten - Lacht auch mein Sonnenschein, Euch lacht er nicht, Nur wer vertrauend kommt Findt was dem Innern frommt, Wärmendes Licht. Weiter
kann ich mich, zumal mit
einem oder einer sich gar nicht bekennenden "Kämpferin" in kein
Feuergefecht einlassen. Vielleicht findet sich ein Zuhörer, der einen
anderen
Eindruck wiedergibt, wenn nicht, muss die Aufhellung über mich und mein
Gemeinschaftswollen der Zukunft überlassen bleiben. Wohlauf! Gusto Graeser Nachbemerkung
der Schriftleitung: Neues
hörten wir von ihm nichts.
Und wie kämpft Graeser für diese Ideen?
Heisst es etwa
kämpfen, wenn man sich so absonderlich kleidet, dass einem der Pöbel
nachläuft?
Sind das die Schwierigkeiten, trotz denen er "echt" und
"eigen" bleibt? Es wären selbstgesuchte. Wenn er nicht so auffallend
gekleidet wäre, er würde so unbeachtet seiner Wege wandeln wie wir und
jeder
andere. Oder nennt er die Art, wie er seinen Unterhalt verdient, Kampf,
das
Verkaufen seiner Karten und Bilder von Dorf zu Dorf, von Haus zu Haus? Graeser weicht
damit einem richtigen Kampf geradezu aus. ... _______________ Hat
Gusto Gräser eine Rolle
gespielt bei der Vermittlung von Hesses Kontakt zu Meschendörfers
"Karpathen"? Tatsache ist, daß Hermann Hesse am 27.August 1909 aus
Gaienhofen einen Brief an Adolf Meschendörfer richtete. ...
Meschendörfer
selbst sollte noch 1930 seine Anthologie "Aus Kronstädter Gärten" mit
12 gereimten Spruchstrophen von Gusto Gräser eröffnen. Liest man diese
Texte heute,
so wird man ihnen "Eigenart", aber nicht im dichterischen Sinne
zuerkennen. Schon
1916 hatte der linksgerichtete Publizist Johann Schuster Herineanu (der
gelegentlich auch als "Bücherwurm" signierte) im Temeswarer
"Volkswillen" die an den gesellschaftlichen Tatsachen
vorbeischreibenden Texte Gräsers in ihrer Fragwürdigkeit enthüllt und
auf ihre
politische Ablenkfunktion hingedeutet. Zu
Gusto Gräsers Zeilen: Ach,
was mag der Menschheit fehlen?
Fehlen? Was? Zu viel hat sie: Bücherwürmer, die sie quälen, Schreiberseelen, nicht zu zählen! Ach, sie krankt an Hysterie! (nach anderer Lesart "an Historie!") schrieb
Herineanu einen achtstrophigen Gegentext,
wo er als der Menschheit Quälgeister die "Spekulanten, Gaunerseelen,
Mordbestien, Blutvampyre, Volksausbeuter, Schweinepriester" nennt und
den
Künstler Gräser schließlich zur politischen Tat auffordert: Arbeitshände
Millionen
Kämpfen heut wie Meeressturm, Kämpf auch mit! Das kann sich lohnen! Bist doch selbst ein "Bücherwurm"! Geh nicht einsam durch die Gassen, Freund Poet, das machst du schlecht! Fest mußt du die Gauner fassen, Tausendhändig mit den Massen Kämpfen für das Menschenrecht! Horst Schuller in 'Karpatenrundschau', 31.März 1978
23. Aug. Rumänien erklärt Österreich den Krieg. Besetzung Siebenbürgens durch die Rumänen. 5.
Sept. 1916 Gräser kommt auf den
Monte Verità zurück. Geburt
seiner Tochter Waltraud. * Herzlichen
Dank für Hinweise und Faksimiles an
Konrad
Klein und Albert Klingenspohr
Fussnoten:
[1] Oskar
Kraemer in einem Brief an Martin
Müllerott um 1963. Das Original befindet sich im Archiv der
Siebenbürgischen
Bibliothek auf Schloß Horneck, Gundelsheim. [2] Konrad
Klein vermutet, unter "H.L."könne
sich Hermann Lani (1895-1981) verbergen, ein aus Hermannstadt
stammender
Gebrauchsgraphiker und Buchkünstler, der bis 1914 in München studiert
hatte.
Bei dem 'angesehenen Haus' müsse es sich um jenes der Familie Arz von
Straussenburg handeln, mit der Lani verwandt war. [3] Emil
Neugeboren war damals der
verantwortliche Hauptschriftleiter des Siebenbürgisch-Deutschen
Tageblatts,
nach Klein die (geistig) führende deutschsprachige Tageszeitung
Siebenbürgens. |
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