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Gräser wandert durch Siebenbürgen

Frühjahr bis Herbst 1916

*

Er will nichts Neues den Menschen geben;
 er will das, was sie zuviel haben, ihnen nehmen.
Das Viele, Viele, was den guten Kern des Menschen überwuchert und erstickt:
Die Lüge, die Habgier, den Neid, den Hass, das alles sollen sie abwerfen.

Mediascher Wochenblatt.

*

Nicht als Moralprediger kommt Graeser zu den Menschen,
nicht um sie zur Nachahmung seiner Lebensweise zu bewegen;
alles das liegt ihm fern.
Und für das "Nachahmen" hatte er harte Worte. Es muß ein Herrliches sein,
 so stark in sich zu sein, daß man dem Spott und dem Unverstand der Menge
 Ruhe entgegensetzen kann und sich nicht beirren lassen in seinem Besten,
seinem Menschentum.

Bistritzer Zeitung

*

Graeser ist nicht ernst zu nehmen.
Anonymer Leserbrief

*

Er ist unbedingt eine geistige Kraft besonderer Prägung ...
ein menschgewordener Sehnsuchtsruf nach einem verlorenen Paradies
 unter Gottes blauem Himmel.

Emil Neugeboren



Im August 1915 war Gräser aus Deutschland ausgewiesen und nach Österreich abgeschoben worden, wo er dienstpflichtig war. Er verweigerte den Kriegsdienst, wurde inhaftiert und mehrfach vor seine Erschießung gestellt, schließlich, nach Monaten in Gefängnissen und Irrenhäusern, Ende Februar oder Anfang März 1916 als "unzurechnungsfähig" entlassen.
Das genaue Datum und der Ort seiner Entlassung sind nicht bekannt. Es scheint aber, daß er nicht in Klausenburg, wohin man ihn verfrachtet hatte, frei wurde, denn die Wanderung, die er anschließend antrat, ging nicht von Norden nach Süden sondern umgekehrt. Sie dürfte in Kronstadt begonnen haben, wo er militärbehördlich stationiert war und wo er alte Freunde hatte, die ihm die ersten Schritte in die wiedergewonnene Freiheit erleichtert haben müssen. Denn er ist in der Lage, eine neue Serie seiner Spruchkarten drucken zu lassen, auf deren Rückseite er als "Gusto Gräser in Kronstadt" firmiert. Diese Karten waren das unentbehrliche Mittel, mit dem er seine Anschauungen verbreiten und zugleich seinen Lebensunterhalt erwerben konnte.
Wer hat ihm geholfen? Zu denken ist da vor allem an Adolf Meschendörfer, in dessen 'Karpathen' schon 1912 ein geradezu enthusiastischer Aufsatz über Gräser erschienen war, auf den nun, im Dezember 1915, in der 'Kronstädter Zeitung' erneut Bezug genommen wurde. Meschendörfer hat nicht nur seine Sammlung 'Aus Kronstädter Gärten' mit Gedichten von Gräser eingeleitet, er hat auch der Hauptfigur seines Romans 'Die Stadt im Osten' einige biographische Züge seines der Heimat schließlich entfremdeten Landsmannes mitgegeben.
In einer, allerdings später entstandenen, Adressensammlung, die sich erhalten hat und die Gräser mit dem Titel "Menschen" versah, findet sich für Kronstadt auch der Name von Heinrich Zillich; bei anderen Orten werden Harald Strasser, Wilhelm und Eberhard von Hannenheim, Oskar Wittstock, O.F.Jickeli, Viktor Orendi-Hommenau, Sepp Hiemesch und Egon Hajek genannt. Vor allem Oskar Kraemer wäre zu nennen gewesen, den er 1916 in seiner Zeitungsredaktion in Hermannstadt aufsuchte und der ihn offenbar tatkräftig bei der Suche nach einem Vortragsraum unterstützte, nachdem der Gräser schon zugesagte Rathaussaal ihm wieder entzogen worden war. Kraemer hat 40 Jahre später berichtet, wie eine Institution nach der andern dem für gefährlich gehaltenen Außenseiter ihre Räume verweigerte, so daß er schließlich nur in einem Privathaus zu Wort kommen konnte. Kurioserweise im Hause eines Bankiers, des hochangesehenen Arz von Straussenburg. Nachdem jedoch einige Herren an seinem Auftreten Anstoß genommen hatten, wurde er anfangs Mai von der Polizei aus Hermannstadt ausgewiesen.
In anderen Städten wie Mediasch und Bistritz hatte er mehr Glück, konnte öffentlich auftreten, und die Zeitungen berichteten ausgesprochen freundlich, ja zum Teil tief beeindruckt über ihn, druckten auch eine Reihe seiner Gedichte ab. Einmal mehr ist zu beobachten, daß Gräser sich sehr schnell Sympathien und Vertrauen erwarb, wo er den Menschen Auge in Auge gegenübertrat. Ein Beispiel unter anderen ist Oskar Kraemer, der sich seine Verehrung bis ins hohe Alter bewahrte. "Wir wären damals alle für ihn durchs Feuer gegangen", soll er gesagt haben. Die selbe hohe Achtung spricht aus dem Aufsatz von H.L. (vermutlich Hermann Lani) im 'Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatt'. Eine starke Persönlichkeit und ein echter Dichter habe in einem "zwingend überzeugenden Vortrag" zu den Hörern in Hermannstadt gesprochen.
Noch deutlicher ergriff Emil Neugeboren, der Chefredakteur dieser Zeitung, Partei für den aus der Stadt Verstoßenen. Gräser sei weder ein Narr noch ein politischer Revolutionär sondern ein Dichter, in dem das allgemeinmenschliche Verlangen nach Freiheit und Natur sich verkörpere und ausspreche. Seine Erscheinung sei "ein menschgewordener Sehnsuchtsruf nach einem verlorenen Paradies unter Gottes blauem Himmel". Damit hat Neugeboren, quasi stellvertretend für die siebenbürgische Intelligenz, eine Deutung des Phänomens Gräser geboten, die ins Wesentliche vordringt und noch heute als gültig angesehen werden kann.
Andere schätzten ihn auch, aber mehr im Verborgenen. Erst als er tot war, sprossten die Erinnerungen. Nun zeigte sich, daß sie ihn nicht nur alle gekannt, daß sie ihn irgendwie bewundert, geachtet und sogar insgeheim geliebt hatten: Hans Wühr, Heinrich Zillich, Rolf Schuller, Fritz Gött, Willi Hochmeister, Ludwig Binder und andere. Manche Siebenbürger, später geboren, entdeckten den seltsamen Landsmann posthum in seinen Gedichten. So der Schriftsteller Dieter Schlesak. Aus dem Rumänien Ceaucescus geflüchtet, mit traumatisch geschärften Ohren für die Schreie der Gefolterten, fand er in dem heroischen Dulder Gusto Gräser ein Inbild für alle Leidenden und Verfolgten, zugleich aber den ebenso zeitlosen wie zeitgemäßen Mahner zu einem auf das Wesentliche gerichteten Leben.
"Worauf er unbeirrt hinweisen wollte, war das einfache, genügsame und naturverhaftete Dasein. Er proklamierte nicht die Freiheit in der Folge von Umstürzen und Machtergreifungen, sondern in der Folge eines weitgehenden persönlichen Verzichts auf das in seiner Sicht Entbehrliche und Hinderliche. Gräser selbst demonstrierte ebenso anschaulich wie konsequent die Entbehrlichkeit der Dinge."
Heinrich Zillich war es, der als einer der ersten nach Gräsers Tod wieder auf den Landsmann hingewiesen hat; Udo Acker brachte 40 Jahre später im Münchner ‚Haus des deutschen Ostens’ eine große Rückschau auf den Dichterpropheten; Hans Bergel würdigte ihn als „eine der eigenartigsten und bemerkenswertesten Gestalten der deutschen Kulturszene“.
Ein anderer Siebenbürger, Hans Wühr, hatte ihm einst den Nachruf geschrieben, hat den „Angelus Transsylvanicus“ zu den Sternen erhoben: "Vale, St. Transsylvane! Ich sehe dich auf der Wanderschaft über den Wolken, im Tragnetz eine Handvoll Sterne ... "


Zeittafel

29. 12. 1915   'Kronstädter Zeitung':

Ein Vortrag Gusto Gräsers

Wer ist Gräser? Vor mehr als drei Jahren räumte ihm Dr.O.F.Jickeli (Hermannstadt) in den "Karpathen" unter der Sammlung "Siebenbürgisch-sächsische Charakterköpfe" einen Platz ein und suchte diesen eigenartigen Menschen, der den Mut hat, sich außerhalb unserer Gegenwartskultur zu stellen, um sein eigenes Leben zu leben, unseren sächsischen Volksgenossen näher zu bringen.

"Es ist schwer, diesen Mann zu definieren, aus dessen kraftvoll sehniger Gestalt, aus dessen leuchtenden Augen ein reiches, kampfesfrohes und gütiges Leben spricht. Gusto Gräser, der kein anderes Gesetz für seine Handlungen kennt als sein Gewissen, seine innere Stimme, nur ein Gebot: 'Lüge nicht', läßt sich nicht leicht in gesetzte Worte fassen.

Das Packende in seiner Erscheinung liegt nicht darin, daß er 'Naturmensch' ist, sondern daß er in einem frohen und kräftigen Leben seine Ideen verwirklicht. Er ist kein Prediger in der Wüste, er drängt sich niemandem auf. Er ist ein Mensch, mit dem man scherzen und lachen kann. Er will keine Jünger werben, sondern mutig seinen Weg gehen und seine Hoffnung ist, daß andere vielleicht 'bei den Rhythmen seiner Schritte aufhorchen werden und dann ihren Weg leichter finden.'

Er will kein System aufstellen, er läßt die Worte und Gedanken frei seinem Innern entströmen, so wie sie dort entstehen. In ihm ist der Protest unserer Zeit gegen die Mechanisierung und Schematisierung des Lebens verkörpert. Aus seinen Worten und Blicken fließt ein reicher Strom gütiger und reiner Menschlichkeit. Sein tapferes Leben ist uns ein Beweis, daß die Menschheit noch Kraft und Mut hat, neue Wege zu gehen." -

Wer ist also Gräser? Ein Mensch! Und das heißt Kämpfer und Bekenner sein! Einen "Dichter" nannte ihn Johannes Schlaf (Weimar). "Und ein solcher ist er auch. Und zwar ein wahrlich nicht unbedeutender, ein gewiß sehr eigenartiger. Obgleich ich ihn weit mehr und in weit bedeutsamerem und wichtigerem Betracht einen Menschen nennen müßte." ...

Dr. Jickelis Aufsatz sollte "ein erster Versuch sein, ihm einen Weg zu den Herzen der Volksgenossen zu öffnen, damit dieser 'Narr', der verbotener Weise 'unerreichbare' Ideale verwirklicht, nicht auf kalte, spöttische Blicke stößt und zu tauben Ohren spricht, wenn er auf der Suche nach einer Heimat einmal nach Siebenbürgen kommen sollte, denn sein Auge kann nur lachen und leuchten, wenn er Herzlichkeit bei den Menschen findet."

Nun ist der Wegsucher Gräser in seine Heimat gekommen. Wird sie ihm Heimatland sein? Wird dem Pochenden aufgetan?

*

Januar 1916 ? Gräser verweigert den Kriegsdienst. Zu Erschießung verurteilt. Dann jedoch Abschiebung in ein Irrenhaus.


Gedichttitel von Gusto Gräser

März 1916  Gräser aus der Haft entlassen.

 Siebenb.-Deutsche Tagespost, 18. 3. 1916

21. März 1916   Vortrag in Kronstad: ‚Heimat ins Vaterland’


4. April 1916  Gegen behördlichen Widerstand: Vortrag in Hermannstadt

Ich wurde auf Gusto 1912 aufmerksam, als er, in der Tracht der Fischer etwa vom See Genezareth, in Charlottenburg das vegetarische Restaurant "Freya" (in dem gelegentlich auch Else Lasker-Schüler zu sehen war) betrat. Weder war mir damals sein Name bekannt, noch ahnte ich, daß ich es in ihm mit einem Landsmann zu tun hatte.

Erst als er mich 1916 in der von mir geleiteten Redaktion der "Deutschen Tagespost" besuchte, war mir nicht mehr unbekannt, daß er, wie ich, Siebenbürgen seine Heimat nannte. Was bei dieser ersten Begegnung den stärksten Eindruck auf mich machte, war seine wunderbar volltönende Stimme, einem tiefen Glockenton vergleichbar.

Gräser besuchte mich, weil er in Hermannstadt einen Vortrag zu halten beabsichtigte und sich dafür meine Unterstützung sichern wollte. Es ließ sich alles gut an. Der Bürgermeister hatte ihm den ansehnlichen Rathaussaal, dessen eine Wand ein Bildnis des Kaisers Leopold und eine alte Gesamtansicht von Hermannstadt schmückte, zugesagt. Die Zusage wurde wenige Tage später jedoch zurückgezogen. Wir hatten Krieg, und vielleicht hatte man im Bürgermeisteramt in der Zwischenzeit erfahren, welchen Schwierigkeiten Graeser vorher in vielen Städten Deutschlands zu begegnen gehabt hatte. Er war hier überall ausgewiesen worden, obwohl Johannes Schlaf, Richard Dehmel und Gerhart Hauptmann sich nachdrücklich für ihn eingesetzt hatten.

Die Stadtverwaltung glaubte überdies besonders vorsichtig sein zu müssen, bestand sie doch in einer Stadt mit damals noch überwiegend deutscher Bevölkerung, deren Haltung stets besonders argwöhnisch beobachtet wurde. Nacheinander versagten sich auch andere Institutionen, die über geeignete Vortragsräume verfügten. Es war, wie die Dinge lagen, ein Beweis besonderen Mutes, daß schließlich der Direktor eines Bankinstitutes seine Privatwohnung für einen Vortrag zur Verfügung stellte, in der sich freilich nur eine weitaus geringere Anzahl von Zuhörern (dreißig dürften es gewesen sein) zusammenfinden konnte.                                                  Oskar Kraemer[1]

 6. April   'Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt':

Eine Stunde mit Gusto Gräser.

Eines der angesehensten Häuser Hermannstadts hat Donnerstag in den Abendstunden seine Tür einem kleinen Kreise geöffnet, damit er sich um Gusto Gräser versammle. Ein kleiner, aber kritischer, zum Teil vielleicht skeptischer Kreis war es, der da hören kam, was der vielumstrittene Mann zu sagen habe, und als die frohgemütliche Plauderstunde vorüber war, da wußten alle dieses: daß sie einer starken Persönlichkeit und einem echten Dichter gegenüber gesessen waren, daß jeder Zuhörer etwas mitnehmen konnte als Geschenk eines Bessern.

Es läßt sich schwer wiedergeben, was Gräser sagte. Er sprach von sich und den Menschen. Von seiner Erkenntnis menschlicher Irrtümer, von den Wurzeln menschlichen Fehllebens; von deutschen Mängeln und Unsitten; von Erwerbsgier und Ausländerei in einfachen und treffenden Worten und mischte heiter spottend und ernst mahnend Sprüche und Gedichte von eigenartiger Form und wunderbarem Wohlklang in den Fluß seiner Rede, mit tiefer, volltönender Stimme und einem zwingend überzeugenden Vortrag.

Wir wollen aus der Fülle der schönen, zum Teil noch ungeschriebenen Gedichte, die Gräser bot, eines hier wiedergeben und ihn lieber selbst sprechen lassen, als nutzlos eine Vermittlung des tiefen Eindrucks zu versuchen, den er seinen Hörern hinterließ.


Verfolgt von Neid und Hohn, vom Leutverstande,
zieh ich gelassen meiner Wege hin -
ein Narr, ein Fremdling in dem Vaterlande,
weil ich des Heimatlandes Bürger bin.
Ich wohn und wandle in der Heimat Räumen,
behaglich wurzelnd in des Lebens Grund,
da baumeln lieblich süß und perlenrund
rotgoldne Trauben von den Wetterbäumen.
Da tanzen Lilienelf und Wurzelzwerg
den Ruhringreigen auf dem Ringruhberg. ...

 (H.L. [Hermann Lani?[2]])


Im April   'Mediascher Wochenblatt':


22. April   'Mediascher Wochenblatt':

Gusto Graeser.

Johannes Schlaf aus Weimar hat im Jahre 1911 in den "Hamburger Nachrichten" seine Eindrücke, die er gelegentlich eines Zusammenseins mit Gusto Graeser von diesem erhielt, zusammengefasst. Er schreibt dort an einer Stelle:

"In verstandesgemässer Rede drückte er sich nicht besonders glücklich aus; förmlich gebannt, gebannt von der unmittelbaren Offenbarung einer durchaus eigenartigen Wesenseinheit, lauschte ich ihm, sobald er in seine eigentliche Äusserungsweise, die emotionale, überging und gar in Versen zu sprechen begann!"

Ich habe bei dieser Unterredung mit ihm etwas Gleiches empfunden. Seine Persönlichkeit, oder bleiben wir bei dem Wort Wesenseinheit, hat auch mich so gepackt, dass mir sein fremdartiges Äusseres ganz nebensächlich erschien. Und seine Worte, mit einer tiefdüsteren aber melodisch klangvollen Stimme gesprochen, und sein herzlich guter, tieftreuer Blick, sein freundliches Lächeln beim Kommen und Gehen und die Ruhe seiner Bewegungen liessen mich empfinden, dass ein in sich abgeschlossener, guter Mensch vor mir sass.

Und das ist es ja, was er vor allem sein will: gut und wahr und ehrlich sich selbst und andern gegenüber. Er will nichts Neues den Menschen geben; er will das, was sie zuviel haben, ihnen nehmen. Das Viele, Viele, was den guten Kern des Menschen überwuchert und erstickt ...


Etwa 5. Mai   Gräser von der Polizei aus Hermannstadt ausgewiesen.

  6. Mai 1916

Was er sagte und was Erscheinung und eine Stimme von vollem, warmem, dunklem und lichtem Klang mitgaben, wird den wenigen Zuhörern unvergeßlich bleiben. … Hie und da sprach er Verse von starker, ruhiger, höher aufrichtender (nicht mitreißender) Lebendigkeit und der Heiterkeit des guten und bedeutenden Menschen:

Verfolgt von Neid und Hohn, vom Leutverstande,
zieh ich gelassen meiner Wege hin –
ein Narr, ein Fremdling in dem Vaterlande,
weil ich des Heimatlandes Bürger bin.
Ich wohn und wandle in der Heimat Räumen,
behaglich wurzelnd in des Lebens Grund,
da baumeln lieblich süß und perlenrund
rotgoldne Trauben von den Wetterbäumen.
Da tanzen Lilienelf und Wurzelzwerg
den Ruhringreigen auf dem Ringruhberg. …
Da spielt in Wäldern voller Duft und Thönen
Die Sonn ihr Lied, ihr Wonnelied vom Leid,
spielt in das Antlitz ihren treuen Söhnen
den heitern Abglanz der Unsterblichkeit.
 

12. Mai   'Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt':

Aus Hermannstadt und Umgebung. Gusto Gräsers Grußkarten, Sprüche und Gedichte sind in den Buchhandlungen Drotleff, Krafft, Meyer und Seraphim zu haben.

 13. Mai  'Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt':

Was ist es mit Gusto Gräser?

Der sächsische Maler und Dichter Gusto Gräser ist in der vorigen Woche von der Hermannstädter Polizei ausgewiesen worden. Dies ist ihm unter genau denselben Umständen auch an anderen Orten widerfahren, so zum Beispiel in Leipzig. Aus diesem Grunde wäre es ungerecht, der Hermannstädter Polizeibehörde ihr Vorgehen besonders zu verübeln. Sie sah sich für verpflichtet an, einzugreifen, weil verschiedene Herren mit überempfindlichem Ordnungssinn an dem Auftreten Gräsers "Anstoß genommen" hatten. In Leipzig mag es ähnlich gewesen sein. Aber da sich in Leipzig einige Männr Gräsers angenommen und gegen das Vorgehen der Polizei Verwahrung erhoben haben, zu denen nicht geringere Leute wie Gerhard Hauptmann, Rich. Dehmel, Friedrich Naumann und Ferdinand Avenarius gehörten, so erscheint die Schlußfolgerung zulässig, daß der "Anstoß" nicht das einzige Wort ist, das zu Gusto Gräser gesagt werden kann und daß bei der Beurteilung dieses vielfach Abgeschobenen der Polizeigesichtspunkt nicht der allein maßgebende sein muß. Ich möchte versuchen, die Persönlichkeit Gräsers auch einmal von einer anderen Seite her zu beleuchten.

Gräser soll gebettelt haben, auf der Straße und in Wohnungen Leute belästigt, ja sogar den offenbar auch schon festgestellten Höchstpreis für Ansichtskarten überschritten haben - Grund genug, um gegen ihn mit dem eigens dafür vorhandenen Paragraphen einzuschreiten. Aber ich möchte hundert gegen eins wetten, daß er genau dasselbe hätte tun können,was er getan hat, ohne mit Publikum und Behörde in Zusammenstoß zu geraten, wenn er gewöhnliche, bürgerliche Kleidung trüge, oder zum mindesten nicht so auffallend ausstaffiert wäre. Somit bringt ihn also ein recht äußerlicher Umstand zu Fall.

Man kann vielleicht einwenden, daß er andererseits auch gerade seiner ungewöhnlichen Tracht einen großen Teil seines Erfolges bei dem Straßenpublikum verdanke. Ich bin mir für meinen Teil über die Beweggründe dieser Tracht nicht im Klaren. Ist sie ein notwendiger Ausdruck seines Wesens oder ein berechnetes Mätzchen, um die Aufmerksamkeit zu erregen, oder nur eine stärkere Unterstreichung dessen, daß er sich von dem Tun und Treiben anderer Menschen unterscheiden will - ich weiß es nicht. Es ist mir aber auch viel zu wenig interessant, um darüber lange nachzudenken.

 Das Wesen der Sache ist, daß Gräser sich mit bewußter Absicht abseits von den geschlossenen Verbänden und Ordnungen stellt, in den wir übrigen leben, und daß er eine Lebensweise führt, die in verschiedenen Beziehungen einen Protest gegen moderne Zivilisation, Organisation und Kultur bildet. Das Urteil ist sogleich bei der Hand: wer das tut, ist ein Narr! Vielleicht kannman Gräser wirklich einen Narren nennen, vielleicht ist sein Gehirn wirklich in seinem Bau von dem des Normalmenschenverschieden.Sonst könnte er gewiß nicht seit etwa 20 Jahren alle die Unannehmlichkeiten ertragen, die die Folge seiner Lebensführung sind. Das Durchschnittshirn hat ja, nach einigem Widerstreben im jugndlichen Alter, Neigung, sich den Verhältnissen anzupassen, auch wenn diese in scharfem Gegensatz zu der ursprünglich eingeschlagenenRichtung stehen. Aber auch dies ist mir eine Nebenfrage.Was ist es also mit Gusto Gräser? Ich sehe in ihm ein verkörpertes Symbol für gewisse Stimmungen, von denen niemand unter uns modernen Zivilisationsmenschen ganz frei ist. In uns allen lebt in hunderttausend verschiedenen Gradabstufungen je nach dem Wesen und den Lebensverhältnissen des Einzelnen, nach Alter und Zeitumständen, eine Sehnsucht aus der Enge und Gebundenheit, in die wir hineingesetzt sind, hinaus zur freien, belebenden, Friede bringenden, Ruhe spendenden, erlösenden Natur, von der wir, unserm harten Menschenberufe folgend, so weit, ach so weit abgedrängt und entfernt werden. Dieses Sehnsuchtsgefühl ist uralt, so alt, wie die menschliche Natur, und es ist auch nicht erst jetzt entdeckt worden. In allen Jahrhunderten hat es Leute gegeben, die mit weithinschallender Stimme den Ruf erhoben: "Zurück zur Natur!" und den Versuch gemacht haben, der Menschheit aus der Qual und dem Wirrsal des Kulturlebens den Weg dahin zu weisen. Denken wir an Rousseau im 18., Leo Tolstoi im 19.Jahrhundert!

Neben diesen Großen gab und gibt es immer eine Unzahl von Propheten, Predigern, Schwärmern und Narren der Rückkehr zur Natur. Ihr Leben und ihre Lehre bleiben für die große Masse, für die Gesamtheit der Menschen begreiflicherweise vergeblich und unfruchtbar. Denn sie übersehen immer wieder, daß die Kulturentwicklung ebenso etwas Notwendiges, Gott- oder Naturgewolltes ist, wie das, was man im engern Sinn die Natur nennt, und daß sich ihr Gang ebenso wenig umkehren läßt, wie der Lauf der Flüsse. Was man mit einiger Ausicht auf Erfolg anstreben und versuchen kann, ist nur, die einander scheinbar ausschließenden Gegensätze von Naturleben und Kulturleben in irgend einen erträglichen Ausgleich zu bringen. Wenn dies möglich ist, so kann es nur durch solche Menschen geschehen, die auf dem Boden des Kulturgemeinschaftslebens stehen und doch im Herzen ein Stück Natur tragen. Wer sich außerhalb der gewordenen menschlichen Verhältnisse stellt, der kann sie unmöglich meistern; er hat sich vielleicht für seinen Teil aus ihrer pressendenEnge gerettet, wofern es ihm gelingt, den unzähligen Zusammenstößen mit ihnen auszuweichen, aber seiner Empfindung, seiner Idee kann er nicht zum Sieg verhelfen. Ein Damaschke, der den Boden von den furchtbaren Fesseln befreien will, die ihm der moderne Kapitalismus angelegt hat, der dem entwurzelten Menschen ein Stückchen Erde schenken will, auf dem er den verlorenen oder nie besessenen Zusammenhang mit dem Mutterschoß der Natur einigermaßen wiederherstellen kann, strebt im Grunde genommen demselben Sehnsuchtsziele zu, wie die Naturprediger, tut aber sicherlich mehr zu dessen Erreichung, als sie alle miteinander, nicht obwohl, sondern weil er in seinem ganzen äußern Leben und Handeln der Gesellschaft angepaßt ist, die er umzugestalten mithelfen will.

Gräser will, soviel ich weiß, nicht Prediger und Prophet des Naturzustandes sein. Er weiß zu gut, daß eine größere Gemeinschaft von Leuten, die so leben, wie er, nicht bestehen könnte. Noch viel weniger ist er Sozialreformer. Er trägt nur einfach eine starke und tiefe Empfindung für die Naturwirdigkeit, in der wir alle leben, in der Seele, und da er ohne Zweifel eine nicht gewöhnliche dichterische Begabung hat, so ringt diese Empfindung in ihm nach künstlerischem Ausdruck. Er arbeitet, vielleicht weniger nach einem bewußten Plan, als einem dunkeln Drange folgend, mit den Mitteln der lyrischen Dichtung, indem er die Stimmung, die in ihm selbst lebt und ihre Spannkraft ausübt, auf andere zu übertragen sucht und indem er die Sehnsucht darnach, was er Heimat nennt, nach einem freien, friedlichen, einfachen, vernunftgemäßen Leben am Busen der Natur, im trauten Verein mit den "Brüdern im stillen Busch, in Luft und Wasser" in seinem ganzen Leben und Auftreten zu verkörpern trachtet. Wer ihn im grellen Tageslicht in auffälliger, theatralischer Kleidung durch das Gewühl unserer Gassen gehen sieht, oder das manchmal dunkle Wortgepränge seiner Verse liest, wird nicht viel Eindruck bekommen. Aber draußen in Feld und Wald, wenn er mit seiner wohlklingenden, tiefen Stimme die Verse selbst vorträgt oder seine eigenartigen Gedanken ausspricht, da wirkt er ohne Zweifel stimmungsvoll und künstlerisch, da ist seine Erscheinung ein menschgewordener Sehnsuchtsruf nach einem verlorenen Paradies unter Gottes blauem Himmel.

Wer an Poesie in solcher Form keinen Geschmack findet, oder wer im aufreibenden Joch des Alltags sentimentale Anwandlungen, wie ich sie geschildert habe, verlernt hat, der mag sich von Gusto Gräser achselzuckend abwenden - es darf ihm nicht verübelt werden. Aber soviel darf Gräser verlangen, und soviel muß ihm zugestanden werden, daß man ihn nicht als Landstreicher behandle, am allerwenigsten hier, in seiner siebenbürgischen Heimat. Er ist unbedingt eine geistige Kraft besonderer Prägung, die in ihrer eigenartigen Wirksamkeit auch dem Ordnungsparagraphen zuliebe nicht einfach unterdrückt werden darf!                                                                             -n [Emil Neugeboren?[3]]

9. Juni   'Bistritzer Deutsche Zeitung':

Einen gar seltsamen Menschen beherbergt seit einigen Tagen unsere Stadt. Barhäuptig, in einem zu unserer gewohnheitsmässigen Kleidung in krassem Gegensatz stehenden Gewande, durchschreitet er die Strassen der Stadt und bietet seine Gedichte und Zeichnungen zum Kaufe an: Gusto Graeser.

Er ist ein geborener Siebenbürger, hat einen Teil seiner Jugend im Nösnerlande verlebt und nennt sich Dichter und Maler. Es ist schwer, sich über Graeser bei oberflächlicher vorübergehender Bekanntschaft ein Urteil zu bilden. Die Psyche eines solchen Menschen lässt sich nur nach längerer Bekanntschaft erfassen. Ihm scheint jedoch der verschiedenartige Zwang, den unsere jetzige Kultur notgedrungen jedem Menschen auferlegt und auferlegen muss, eine lästige Bürde zu sein, der er sich durch sein ungebundenes Leben zu entziehen sucht - ohne sich jedoch Rechenschaft darüber abzulegen, wie eine derartige Lebensweise gesellschaftlich durchzuführen wäre.

Vielleicht erfahren wir im Vortrag, den er Sonnabend abends im "Omniasaale" zu halten gedenkt, Näheres hierüber. Seine Bilder und Sprüche, die uns zur Einsicht vorlagen, sprechen von tiefem Empfinden, weshalb wir einige Sprüche hier folgen lassen.

Ihr heimatlichen Matten,
Bin wieder da bei euch!
O Heimat, meine Freude,
auf dieser Erdenweite
kommt dennoch dir nichts gleich. …
Nur hier bin ich vertraut
Mit Hainen und mit Halden,
Mit Wegen und mit Walden,
Die ich so oft geschaut. 
Wie lange wird es währen,
Dass wir beisammen sind?
Wie lange werd ich bleiben?
Wirst du mich weitertreiben?
O Heimat, halt dein Kind! ...       

[Insgesamt 6 Gedichte abgedruckt]

10. Juni   Vortrag im Omniasaal von Bistritz: 'Vom frohen Leben'.


Siebenb.-Deutsches Tageblatt, 21. Juni 1916

15. Juni   'Bistritzer Deutsche Zeitung':

"Vom frohen Leben". Zum Vortrag Gusto Graesers am 12.Juni 1916

(Korr.) Vom frohen Leben - nicht vom düsteren Ertragen und Verzichten, wie dieser, oder von religiöser Schwärmerei, wie jener vorausssetzte, hat Gusto Graeser gesprochen. Es war für viele eine Enttäuschung, aber für den Verstehenden eine erfreuliche. Und wer Ohren dafür hatte, und den Willen zu verstehen, der konnte daraus gewinnen.

Nicht als Moralprediger kommt Graeser zu den Menschen, nicht um sie zur Nachahmung seiner Lebensweise zu bewegen; alles das liegt ihm fern. Und für das "Nachahmen" hatte er harte Worte. ...

Es war kein abgeschliffener, auswendig gelernter Vortrag, was Graeser uns bot, es waren lebendige, blutwarme Worte, wie sie der Augenblick gab. Gusto Graeser gab uns einen kleinen Einblick in seine Jugend, in sein jetziges Leben und führte uns Bilder seiner Familie, seines Wohnortes vor. Es war alles schön und eigenartig, und wir sahen auch hier das einfache gerade Wesen eines Menschen, der - in Kenntnis der Welt und des Lebens - auf äusseren Schein verzichtend, sich ein Leben nach seinem Willen geschaffen, das Leben einer starken Persönlichkeit. ...

Es muss ein Herrliches sein, so stark in sich zu sein, dass man dem Spott und Unverstand der Menge Ruhe entgegensetzen kann und sich nicht beirren lassen in seinem Besten, seinem Menschentum ...

16. Juni  'Bistritzer Deutsche Zeitung':

Von einer Besucherin erhielten wir folgende Zeilen, die, wie es scheint, den Eindruck wiedergeben, den Gusto Graeser im allgemeinen auf seine Zuhörer gemacht hat:

Gusto Graeser ist eine durchwegs zwiespältige Natur, d.h. sein Reden und sein Leben sind zwiespältig. In seinem Vortrag konnte er sich nicht erschöpfen in den Worten: "Kämpft, kämpft, verinnigt, vertieft euer Leben, macht es menschenwürdig, arbeitet, arbeitet!"

Wie ist ein Kämpfen möglich in den paradiesischen Gefilden, die er einem vorführt? Ein derartiges Leben ist Flucht vor dem Kampf, Flucht vor der Arbeit. Arbeit und Kampf sind auf das Wort "Vorwärts" gestellt, und sein Leben ist ein "Zurück", zurück bis zu Adam und Eva. ...

23. Juni   'Bistritzer Deutsche Zeitung' :

An den Schriftleiter der 'Bistritzer Deutschen Zeitung'.

Ohne Erwiderung darf nicht bleiben, was über meinen Vortrag geschrieben wurde. Wie konnten Sie als denkender Mensch das aufnehmen?

Einmal heisst es: "Es ist ein ganz schöner Gedanke, den er verficht, seinen eigenen individuellen Weg zu gehen, ganz unbekümmert darum, was sagt dieser, was jener, wie werde ich dabei abschneiden? Ein solch eigenes Leben mitten im Weltenstrudel durchzuleben und bis zum Ende stark und klar zu bleiben, das ist Leben, das ist Kampf, das ist Gewinn."

Trotz Schwierigkeiten echt und eigen bleiben - heisst das nicht kämpfen, ist das nicht mein Leben?

Dannn  heisst es da von "paradiesischen Gefilden", die ich vorführe; damit sollen wohl meine Bilder heimatlichen Lebens gemeint sein, und mit dem sei kein Kampf vereinbar.

Nun, ich zeigte den Kampfespreis, ein herzliches Behagen.

Und ein "Zurück" wäre mein Leben! Ja, wenn ein Aufsichselbstbesinnen, ein Heimkehren zur Art, zur Kraft als zu Gesundheit und Freude ein Rückschritt ist.

Und ich liesse meine Kinder nicht lesen und schreiben lernen und sei überhaupt gegen jede Bildung. Der Unsinn!

Nein, ihr Verdachten, nein,
Euch tag ich nicht,
Euch muss ich nachten -
Lacht auch mein Sonnenschein,
Euch lacht er nicht,
Nur wer vertrauend kommt
Findt was dem Innern frommt,
Wärmendes Licht.

Weiter kann ich mich, zumal mit einem oder einer sich gar nicht bekennenden "Kämpferin" in kein Feuergefecht einlassen. Vielleicht findet sich ein Zuhörer, der einen anderen Eindruck wiedergibt, wenn nicht, muss die Aufhellung über mich und mein Gemeinschaftswollen der Zukunft überlassen bleiben. Wohlauf!                Gusto Graeser

Nachbemerkung der Schriftleitung:

Neues hörten wir von ihm nichts. Und wie kämpft Graeser für diese Ideen? Heisst es etwa kämpfen, wenn man sich so absonderlich kleidet, dass einem der Pöbel nachläuft? Sind das die Schwierigkeiten, trotz denen er "echt" und "eigen" bleibt? Es wären selbstgesuchte. Wenn er nicht so auffallend gekleidet wäre, er würde so unbeachtet seiner Wege wandeln wie wir und jeder andere. Oder nennt er die Art, wie er seinen Unterhalt verdient, Kampf, das Verkaufen seiner Karten und Bilder von Dorf zu Dorf, von Haus zu Haus? Graeser weicht damit einem richtigen Kampf geradezu aus. ...

_______________

Hat Gusto Gräser eine Rolle gespielt bei der Vermittlung von Hesses Kontakt zu Meschendörfers "Karpathen"? Tatsache ist, daß Hermann Hesse am 27.August 1909 aus Gaienhofen einen Brief an Adolf Meschendörfer richtete. ... Meschendörfer selbst sollte noch 1930 seine Anthologie "Aus Kronstädter Gärten" mit 12 gereimten Spruchstrophen von Gusto Gräser eröffnen. Liest man diese Texte heute, so wird man ihnen "Eigenart", aber nicht im dichterischen Sinne zuerkennen.

Schon 1916 hatte der linksgerichtete Publizist Johann Schuster Herineanu (der gelegentlich auch als "Bücherwurm" signierte) im Temeswarer "Volkswillen" die an den gesellschaftlichen Tatsachen vorbeischreibenden Texte Gräsers in ihrer Fragwürdigkeit enthüllt und auf ihre politische Ablenkfunktion hingedeutet. Zu Gusto Gräsers Zeilen:

Ach, was mag der Menschheit fehlen?
Fehlen? Was? Zu viel hat sie:
Bücherwürmer, die sie quälen,
Schreiberseelen, nicht zu zählen!
Ach, sie krankt an Hysterie!
(nach anderer Lesart "an Historie!")

schrieb Herineanu einen achtstrophigen Gegentext, wo er als der Menschheit Quälgeister die "Spekulanten, Gaunerseelen, Mordbestien, Blutvampyre, Volksausbeuter, Schweinepriester" nennt und den Künstler Gräser schließlich zur politischen Tat auffordert:

Arbeitshände Millionen
Kämpfen heut wie Meeressturm,
Kämpf auch mit! Das kann sich lohnen!
Bist doch selbst ein "Bücherwurm"!
Geh nicht einsam durch die Gassen,
Freund Poet, das machst du schlecht!
Fest mußt du die Gauner fassen,
Tausendhändig mit den Massen
Kämpfen für das Menschenrecht!

Horst Schuller in 'Karpatenrundschau', 31.März 1978


23. Aug.   Rumänien erklärt Österreich den Krieg. Besetzung Siebenbürgens durch die Rumänen.


5. Sept. 1916   Gräser kommt auf den Monte Verità zurück. Geburt seiner Tochter Waltraud. 

*

Herzlichen Dank für Hinweise und Faksimiles an
Konrad Klein und Albert Klingenspohr

 

Quellen und Literatur zu  Gusto Gräser in Siebenbürgen

Acker, Udo

Von Schwabing zum Berg der Wahrheit. Gusto Gräser – der grüne Prophet aus Siebenbürgen. In: Neue Kronstädter Zeitung, 26. 9. 2008. Und in: Siebenbürgische Zeitung, 15. Oktober 2008, S. 5.

Acker, Udo

Vom Anders-Sein eines Außenseiters. Zum 50. Todestag des grünen Propheten aus Siebenbürgen: Gusto Gräser. In: Siebenbürgische Zeitung, 31. 10. 2008, S. 4.

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"Auf Grund eines Aufrufes vom 14. September 1840, unterfertigt von D. und S. Gräser, zwei Senatoren in Mediasch und J. Fabini, Pfarrer in Waldhütten, fand die Gründung des Vereins für siebenbürgische Landeskunde am 8. Oktober in Mediasch statt und die dort festgestellten Statuten erhielten am 11. Mai 1841 die Bestätigung der Regierung."

Brandsch am 8. 2. 2000: "Das D. könnte für Daniel Georg Gräser, den späteren Bürgermeister (1848-1850), stehen und das S. für seinen Bruder Samuel Gräser, den Urgroßvater von Gusto Gräser."

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Fussnoten:

[1]   Oskar Kraemer in einem Brief an Martin Müllerott um 1963. Das Original befindet sich im Archiv der Siebenbürgischen Bibliothek auf Schloß Horneck, Gundelsheim.

[2]   Konrad Klein vermutet, unter "H.L."könne sich Hermann Lani (1895-1981) verbergen, ein aus Hermannstadt stammender Gebrauchsgraphiker und Buchkünstler, der bis 1914 in München studiert hatte. Bei dem 'angesehenen Haus' müsse es sich um jenes der Familie Arz von Straussenburg handeln, mit der Lani verwandt war.

[3]   Emil Neugeboren war damals der verantwortliche Hauptschriftleiter des Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatts, nach Klein die (geistig) führende deutschsprachige Tageszeitung Siebenbürgens.

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