Richard Wagners Weg zur Lebensreform
von Udo Bermbach
Udo Bermbach, von Haus aus Politologe und Wagnerforscher, hat ein
Buch zur Geschichte der Lebensreform geschrieben, das manches
Kompendium zum Thema in den verdienten Schatten stellt. Anschaulich
und plastisch, weil er sich konzentriert auf vier Hauptorte und drei
Hauptgestalten dieser Bewegung: die Reformstätten
Darmstadt-Mathildenhöhe, Dresden-Hellerau, Hamburg-Jesteburg und
Monte Verità-Ascona. Dazu die Leitfiguren Karl Wilhelm
Diefenbach, Fidus und Gusto Gräser. Natürlich stehen die
Beziehungen zu den Ideen von Richard Wagner im Vordergrund. Wagners
Ideal einer Neukultur und eines Gesamtkunstwerks hat die
verschiedenen Reformansätze wesentlich mitgeprägt, weit
mehr, als wir bisher wussten. Auch dieses Buch ist nur ein Anfang,
ein sehr fruchtbarer und verheißungsvoller. Mehr wird noch
zutage kommen über den innigen Zusammenhang von Kunst und Leben
in der Umbruchzeit um 1900.
Aus einer Besprechung durch Dieter David Scholz:
"Udo Bermbach belegt in seiner
brillianten Studie (es ist wohl seine letzte Arbeit zu Wagner) durch
den Vergleich von Wagners Spätschriften, den sogenannten
Regenerationsschriften mit dem Gedankengut der Propheten der
Lebensreformbewegung, Karl Wilhelm Diefenbach, Hugo Höppener
alias Fidus und Gusto Gräser, dass dieser Zusammenhang kein
Zufall ist. Es gibt durchaus einen gedanklichen Zusammenhang zwischen
Wagner, Bayreuth und der Lebensreformbewegung, deren Ziele sich
weitgehend mit Wagners Regenerationsideen decken: Einspruch gegen
Vivisektion, Plädoyer für Vegetarismus und
Antialkoholismus, Reflexion über Klima und die schädlichen
Folgen der modernen Industrialisierung auf die menschliche Natur,
Kultur und moderne Lebensformen. Die Bewegung, die sich auf Rousseaus
Motto „Zurück zur Natur“ berief, hatte nicht nur in
Eden, sondern auch, wie Bermbach darstellt, an Orten wie der
Mathildenhöhe Darmstadt, der Dresdner Künstlerkolonie
Hellerau, dem Monte Verità am Lago Maggiore und der
Kunststätte Bossrad südlich von Hamburg ihre geistigen
Zentren und architektonischen Symbole geschaffen, durchaus mit
erkennbaren Wagnerbezug.
Wagners Beiträge
zur gesellschaftlich-politischen Debatte seiner Zeit (seine
politischen, moralischen und lebenspraktische Überzeugungen
unterlagen allerdings beträchtlichen Schwankungen und waren für
ihn keineswegs unumstößlich), in der er Fehlentwicklungen
des modernen Lebens konstatierte, die korrigiert werden müssten,
mündeten ein in den breiten Strom der Lebensreformbewegung,
gefördert von den Bayreuthern nach Wagners Tod, vor allem von
dem fanatischen britischen Wagnerianer Houston Stewart Chamberlain,
der 1908 Wagners Tochter Eva heiratete und damit Zugang zum innersten
Bayreuther Zirkel hatte, aber auch Hans von Wolzogen, der sechzig
Jahre lang (1878-1938) Redakteur der Bayreuther Blätter war und
einer der engsten Vertrauten Cosima Wagners. Sie alle standen der
Lebensreformbewegung nahe, wie Bermbach dokumentiert."
(www.dieterdavidscholz.de)
Udo Bermbach
Richard Wagners Weg zur Lebensreform
Wagner in der Diskussion, Bd. 17
Königshausen und Neumann Verlag, Würzburg 2018
ISBN 9783826064708
Gebunden, 256 Seiten