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Marionilde Dias Brepohl de Magalhães


 

DEUTSCHLAND, FERNES MUTTERLAND: PANGERMANISTISCHE UTOPIE IM SÜDEN BRASILIENS

Dissertation zur Erlangung des Doktors der Geschichte

Universidade Estadual de Campinas
1993

 BIBLIOTECA

INSTITUTO DE FILOSOFIA E CIENCIAS HUMANAS

UNIVERSIDADE ESTADUAL DE CAMPINAS




An Francisco, Maitê und Daniel, in Liebe

Anerkennungen

Die abgeschlossenen Überlegungen dieser der Universidade Estadual de Campinas vorgestellten Doktorarbeit forderten von Seiten der Verfasserin eine mühsame Analyse, die genauso die politische Geschichte Deutschlands wie die von Brasilien berücksichtigen sollte. Und wie die Haupthändler der hier untersuchten Ereignisse auch ich musste von einem Land zum anderen; und dies brachte mir eine grosse Annäherung mit meinem Forschungsobjekt.

Dieser Weg wäre nicht möglich, wenn ich nicht die Hilfe von Freunden, Kollegen und Institutionen rechnen könnte. Denen möchte ich hier in dieser Version auf Deutsch meiner Arbeit meinen Dank ausdrücken.

Zuerst den Professoren Dr. Edgar S. de Decca und Dr. Klaus Tenfelde, bzw. Berater und Mit-Berater meiner Doktorarbeit. Beide reizten mich an, die Forschungen in Deutschland und auch die Untersuchungen in den Archiven der deutschen Einwanderung in Brasilien zu unternehmen, ausserdem besprachen sie mit mir die theoretischen Punkte, die diese Analyse orientierten.

Bei meinem Aufenthalt in München hatte ich die Ehre Professor Dr. Martin Broszat, vom Institut für Zeitgeschichte, kennenzulernen. Mit ihm teilte ich einige meiner Gedanken in Bereich der Historiographie sachgemäss dieser Thematik. Von dieser Begegnung, leider durch seinen plötzlichen Tod unterbrochen, blieb mir das Bild eines Intellektuellen, dessen persönliche Unbescholtenheit und akademische Gelehrsamkeit uns junge Historiker herausfordert, seinen Weg zu machen.

Mein ehrlicher Dank an Professor Dr. Christian Meier, von der Universität München, dem ich meine Ratlosigkeit angesichts der neuen und alten Nationalgefühle äusserte.

Ich möchte auch noch gern Dr. Klaus Richter, vom Staatsarchiv Hamburg erwähnen, Dr. René Gertz, von der Universidade Federal do Rio Grande do Sul, Rosalind Arndt-Schug, Forscherin der Geschichte der deutschen Einwanderung in Brasilien, die Angestellten des Instituts Hans Staden und Tereza Böbel, vom Arquivo Histórico de Joinville, welche mir in verschiedenen Stufen der empirischen Forschung halfen.

Christiano und Angelika German waren meine Familie, als ich in Deutschland wohnte, und Ellen Drünert, meine deutsche Schwester in Brasilien.

Milda Gevert Brepohl und Ingrid Enke leisteten eine entscheidende und unerlässliche Hilfe bei der Version dieser Arbeit in deutscher Sprache. Sie sind die tatsächlichen Verantwortliche für die eventuellen Errungenschaften zugehörig dem Abenteuer des Umformens von den in meiner Muttersprache formulierten Ideen in anderer Sprache, hauptsächlich wenn es sich um die deutsche Sprache und Sozialwissenschaften handelte.

Endlich äusserte ich meine Dankbarkeit dem Deutsche Akademische Austauschdienst - DAAD, der in Zusammenarbeit mit dem Comissão de Aperfeigoamento de Pessoal do Ensino Superior - CAPES, mein Studium in Deutschland im Jahr 1988 finanziell unterstützte.

INHALT

EINFÜHRUNG

I.    DIE EINWANDERER DEUTSCHER HERKUNFT IM SÜDEN BRASILIENS

Neue Immigranten aus einem neuen Land

Die Einwanderung zur Zeit der Republik

Allgemeine Betrachtungen

II.  BILDER AUS DEN DEUTSCHEINWANDERERN IN DER BRASILIANISCHEN LITERATUR

Der Deutsche als Verkörperung des Deutschtums

Der Deutsche als eine Rasse

Der Deutscheinwanderer und der Zweite Weltkrieg: aus dem Traum zum Alpdruck

HI. ALTE UND NEUE NATIONALISTEN: HEIMAT UND VATERLAND

Das Publikum von oben gesehen

Das Deutschtum und das Auslandsdeutschtum

Das Deutschtum in der Öffentlichkeit: der Krieg 1917

Allgemeine Betrachtungen

IV. DAS DEUTSCHTUM UND DER NATIONALSOZIALISMUS

Die Erfahrung der Niederlage

Die Feier des Sieges

Ein Volk, ein Reich?...

Allgemeine Betrachtungen

V. PIETISMUS, PATRIOTISMUS UND NATIONALSOZIALISMUS

Die Evangelische Kirche deutscher Herkunft in Brasilien

Friedrich Wilhelm Brepohl

QUELLEN UND LITERATUR


EINFÜHRUNG

Eine der beunruhigendsten Neuigkeiten der derzeitigen politischen Geschichte ist zweifellos das Wiederaufleben der Konflikte wegen der Nationalitäten, In diversen Ländern verfolgen zahlreiche Völkerschaften, die sich selbst als Minderheiten darstellen, im Namen ihrer völkischen Kultur oder ihrer Religion. Projekte, die für ihre politische Emanzipation und die Gründung neuer Nationen - eben der ihren - kämpfen. Im Neu-Beleben des Wir-Gefühls gibt es durch ihre Übergeordneten viel Unterdrückung; dennoch gibt es ihrer Meinung nach die Möglichkeit, einen neuen sozialen Pakt gründen zu können, der - nach ihren Vorstellungen - frei von politischer Macht derer sein sollte, die eines Tages ihr Land annektieren würden.

Wie bereits im 19. Jahrhundert lehnen diese Konflikte, die die Stabilität der offiziellen Machtstellungen direkt angreifen, die Gesetze und Forderungen der zweckmässigen Bestimmungen zugunsten der Gewalttätigkeit und Sabotage ab; Taktiken, die unter anderen, die verwirrenden Experimente des Neonazismus auszeichneten.

Es sind dies die Neu-Romantiker, die mit denselben Waffen, die schon in der Vergangenheit jenen dienten, die die modernen Staaten aufbauten, Reden und Vorsätze aufstellen, die sich planmässig nach alten Prinzipien der nationalen Vereinigung ausrichten. Aber - im Gegensatz zu ihren Urhebern, die sich fest an die Vergangenheit hielten - muss man doch sagen, dass dieser zeitgenössische Mythos auszulegen ist als ein Beruhigungsmittel, das dazu dient, die Angst vor der Zukunft zu nehmen.

Ganz gleich ob zu dieser oder jener Jahrhundertwende, die utopischen Energiequellen, aus denen sich diese politischen

Bewegungen nähren, sind die gleichen: der Nationalismus, ein festgemauertes Gefühl, vielgestaltig und unabänderlich auf einem allgemeinen Nenner. Ein Gefühl, das, - nach Aussage von Snyder - indem es zum privilegierten Substrakt der Politik wird, mobilisierende Kräfte entwickelt, die sowohl zur Verteidigung der Friedensideen, Verbrüderlichung und Gleichheit beitragen, wie auch zur Absonderung von Andersdenkenden, Vorherrschaft und Krieg.

In der derzeitigen Zivilisation der Technik, der Homogenisierung der Kultur durch die Mittel der Massenkommunikation, der Internationalisierung der Produktions- und Konsum-Normen und durch den scheinbaren Triumph einer intimen Gesellschaft, zirkulieren, durch die Winkelzüge öffentlicher Stellen, Mitglieder dieser neuen Kaste, um Missklänge der Modernisierer-Utopien anzustimmen, - sie selbst, wie eine der vielen Facetten der Modernität.

Diese allgemeine Bestürzung machte mich aufmerksam auf ein Phänomen, das mit neuzeitlichen Ereignissen sehr verwandt ist: den Pangermanismus, so wie er sich im Süden Brasiliens abzeichnete; eine Bewegung, die sich am Nationalismus inspirierte und in dem sich viele Träume der Separatisten betreffs der Vereinigung widerspiegelten: eine Bewegung, die tief in der deutschen Romantik verwurzelt ist, jedoch auch mit Pragmatik an die imperialistischen Vorhaben der Ausdehnung der Absatzmärkte und der Landaufteilung verknüpft ist; eine Bewegung die zurückgriff auf juristische und kulturelle Prinzipien, aber die den Hass und die Gewalttätigkeit gegen seine Widersacher nicht ausliess; und die, ähnlich seiner Urheber in Europa, zum Entstehen eines der einzigartigsten Kapitel der deutschen Geschichte beitrug: dem Nazismus.

Wie konnten sich nun die Eingewanderten immer stärker zu treuen Bürgern der deutschen Nation entwickeln, einem Land, das über 10.000 Km entfernt lag und dessen Regierende ihnen wenig oder nichts für ihre täglichen Notwendigkeiten garantierten? Warum sollten sie eine scheinbar uninteressierte Liebe nähren für' Führungskräfte, die sie selbst meist nicht mal wählen konnten?

Es waren die Mittel der Massenkommunikation, die zu dieser Zeit der Technologie zur Verfügung standen und die es ermöglichten, die Entfernung zwischen dem Vaterland diesseits und jenseits des Ozeans zu reduzieren. Schriften und Flugblätter in deutscher Sprache, mit den verschiedensten Themen für die verschiedensten Ansprüche verbreiteten sich immer stärker und sandten - mehr oder weniger deutlich - eine Botschaft aus, die man unter einem Motto zusammenfassen kann: "Vergiss nie, dass du ein Deutscher bist!"

Indem man die Erst-Eingewanderten mit der Beschuldigung des Vergessens quälte, garantierten die Pangermanisten nicht nur die Festigung einer imaginären Vorstellung der deutschen Nation über die Grenzen hinaus; vielmehr förderten sie auch die Idee der sozialen Vereinigung zwischen den Bewohnern der Kolonien, die zum Teil sehr verstreut und isoliert lagen, begrenzt in ihrer kleinen Welt, mit ihren eigenen heldenhaften Geschichten, ihrem beengten Blickfeld über öffentliche Wirkungskreise, ihrer schwerfälligen intellektuellen Denkungsweise, aber auch - wie Walter Benjamin in Bezug auf den Provinzdeutschen bestätigt - "mit lebhafter Innigkeit und edler Selbstgefälligkeit".

Unter diesen Bedingungen war grosse Überredungskunst nicht erforderlich: aus ihrem Zustand der Isolierung fanden sie leicht zur Disposition irrationaler Träume; von ihrem pietistischen Erbe zur Wahrnehmung der Lektüre, nicht als Behauptung, die angeklagt

würde, sondern als Offenbarung anzusehen; vom Nicht- Vorhandensein der Veränderungen, rezeptives Betrachten der verführerischen Propaganda; von Bauern, kleinen Landbesitzern und Handwerkern begannen sie, sich in erster Linie als Deutsche in Brasilien anzusehen.

Aber wenn der Alldeutscher Verband, verantwortlich für die meisten Initiativen, die die Ausbreitung der deutschen nationalistischen Gesinnung zum Ziel hatten, ihnen die finanzielle Unterstützung und die politische Ausdrucksweise lieferte, so provozierten die Diskriminierungen der deutschen Immigranten und ihrer Nachkommen aufgrund des Mythos der "deutschen Gefahr" in ihnen die Überzeugung, dass sie eben effektiv Ausländer in Brasilien waren; Diskriminierungen, die immer gegenwärtig waren, wenn auch in gedämpfter Form, von Anfang des Einwandererprozesses an, einfach durch die Tatsache, dass diese Deutschen die protestantische Religion verkündeten, eine fremde Sprache benutzten oder eben nur Handwerker waren.

Mit dem Aufkommen der nationalistischen Idee bei der brasilianischen Elite, die durch die republikanische Bewegung entstand, und besonders mit Ausbruch des ersten Weltkrieges offenbarte sich das anti-germanische Denken sehr aggressiv; in den Kriegsjahren zerstörte man "im Namen der Vaterlandsverteidigung" Geschäfte, deutsche Vereine und Klubs, zerbrach die Bilder ihrer Nationalhelden, zerriss ihre Fahnen und verbot den Druck ihrer Zeitungen. In den meist verbreiteten Zeitschriften beglaubigte und stimulierte man diese Vergeltungsmassnahmen: die Deutschbrasilianer wurden als Spione verurteilt, als Verräter und Feinde aller anderen Völker, die eine gerechte Strafe verdienten: "Es lebe Brasilien, nieder mit Deutschland?". So grölte das Volk auf den Strassen.

Seit dieser Erfahrung schlossen sich die Einwanderer und ihre Nachkommen zusammen in dem gleichen Gefühl der Niederlage ihrer deutschen Landsleute: sie zogen sich in ihre Vergangenheit zurück' und bestätigten ihren Pangermanismus in der Mission, ihn zu vertreten. Sie halten sich für missverstanden und verachtet und prangern den Charakter der Gleichschaltung mit den von ihnen als Luso-Brasilianern bezeichneten in den offiziellen Berichten an. Ihre Sprache vereinheitlichend fühlen sie mehr denn je die Notwendigkeit, ihre innere Einstellung und ihre Ausdrucksweise nach aussen hin zu bestätigen. Und je mehr sie sich ihrer Vergangenheit bewusst werden, desto mehr distanzieren sie sich von Brasilien und sehnen sich nach einer Rückkehr ins Vaterland; bis - nach Auslegung der Pangermanisten - sie der deutschen Nation näher kommen würden, was für sie einen endgültigen Sieg bedeute.

Diese Ereignisse stellen das Objekt dieser Forschungsarbeit dar; der Pangermanismus in Süden Brasiliens von seinen ersten Schritten der Entstehung bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges, entnommen aus der Literatur, die von Journalisten, Politikern und Schriftstellern geschrieben wurde, die sich auf diese Lehre festgelegt hatten. Diese Unterlagen werden von uns jedoch nicht angesehen als reine historiografische Quelle, sondern ein auf sich beruhendes Ereignis, ausschlaggebend für den hier zu behandelnden historischen Prozess. Ich verstehe darunter, so wie Jürgen Habermas, dass die Wandlungen, die die Öffentlichkeit in den letzten zwei Jahrhunderten durchmachten, in festem Zusammenhang stehen mit der Kommerzialisierung und der Ausbreitung der "Massenmedien", welche sich an eine Verbrauchergesellschaft wenden, die immer gieriger das

geschriebene Wort aufnimmt und dadurch zur Bildung ihrer Meinung über Politik, Gesellschaft und Kultur gesteuert wird. Aus diesem Grund halte ich Abstand zu den Auslegungen, die das für die Masse Gedruckte als reines Phänomen der politischen und ideologischen Entwicklung verstehen. Man muss den besonderen Gehalt dieser schriftlichen Unterlagen erforschen, oder die Kultur als soziale Erfahrung sehen und in Anbetracht dessen den verschiedenen Solidaritäten innerhalb der Kultur, der Politik, und der Persönlichkeit eines jeden Aufmerksamkeit schenken, Solidaritäten, die aus dem kommunikativen Handel hervorgehen und durch die Sprache vermittelt werden.

Und zu diesen oben erwähnten Dingen füge ich meine Überlegungen denen von Hannah Arendt und Theodor Adorno bei, Schriftsteller, die sich sehr gründlich damit beschäftigten, die Massenkultur 2u enthüllen und eine ihrer wichtigsten Entfaltungen: das Phänomen des totalitären Staates, in dem die aufgeklärten Utopien mundtot gemacht werden durch die Verführungskunst der Worte.

Im 1. Teil meiner Arbeit, die in drei Kapitel unterteilt ist, versuche ich, das Erscheinen der pangermanischen Kultur im Süden Brasiliens und seine Interferenzen im journalistischen Diskurs der Deutschbrasilianer zu erklären.

Die Zeitungen und literarischen Texte, die für diese Analyse ausgewählt wurden, unterliegen den Publikumskriterien, das heisst, sie waren die vom Konsumenten "Leser" meist gelesenen. Es erscheint mir auch als wichtig, die von diesem Gedruckten ausgeübten Funktionen zu erwähnen, die diese zu den verschiedenen Zeitabschnitten, in denen sie verbreitet wurden, hatten.

Ich möchte ausserdem das von den intellektuellen Brasilianern angefertigte Image über die deutschen Einwanderer hervorheben, wenn ich mich hierbei auch auf Autoren sehr hochgestellter Gedanken in Brasilien beschränken muss. Dieses Kapitel bezweckt, die Darlegungen des Mythos der deutschen Gefahr zu analysieren, angesichts der begrifflichen Verarbeitungen, die nach dem Aufbau der nationalen Identität verlangten - einem wichtigen Teil zur Bestätigung einer allumfassenden Politik, die im Auge hatte, den Staat als Zentrum für Auseinandersetzungen von Privatinteressen anzusehen.

In diesem Vorgang muss man erkennen, dass die verschiedenartigen Kulturen und politischen Überzeugungen, die aus diversen Einwanderergruppen stammen, ausgelegt wurden als "die anderen" dieser Gesellschaft, von ihnen selbst als Luso-brasilianisch benannt, einer homogenen Bezeichnung mit der man beabsichtigte, das ganze Kulturgebiet zu umfassen, einem wichtigen Dokument der offiziellen Politik, die vorhatte, sich zu legitimieren.

Im 2. Teil meiner Arbeit beschäftige ich mich mit der Einmischung der nationalsozialistischen Bewegung in den Pangermanismus Südbrasiliens. In diesem Zusammenhang versuche ich, nicht nur die Rolle der Presse als Instrument der politischen Propaganda einzuschätzen, sondern auch die daraus entstandene religiöse oder weltliche Literatur. Ich analysiere ausserdem die Strategien, die die Nazisten zur Ausbreitung ihrer Lehre einsetzen und in welchem Umfang diese von der Leserschaft aufgenommen wurden. Um meine Erkenntnisse zu gewinnen, habe ich nicht nur die Zeitungen und andere Veröffentlichungen in Brasilien untersucht, sondern auch die direkt von der nationalsozialistischen Partei kommenden, welche sozusagen als Sprachrohr der Anführer des Regimes agierten. Diese Dokumentation integriert die gesamte

Korrespondenz und die offiziellen Veröffentlichungen der NSDAP für das Ausland, Abteilung Lateinamerika, einem Kontinent, der das Interesse des nationalsozialistischen Militärs verdiente, einerseits wegen der hier ansässigen deutschstämmigen Bevölkerung, andererseits wegen der vermeintlichen Treue derselben zu ihrem Herkunftsland.

Zum Schluss analysiere ich die feststehenden Bindungen zwischen der religiösen Ausdrucksform (der Protestantismus), dem Pangermanismus und dem Nazismus, von einem methodologischen Verhalten an, was sich von den vorhergehenden Kapiteln unterscheidet. Ich lasse mich dabei leiten von den Schriftstücken eines einzigen Autors, einem protestantischen Pastor, der auf einzigartige Weise diverse Ereignisse der deutschen Geschichte miterlebte und der 1925 nach Brasilien auswanderte, wo er als Journalist, Prediger, Schriftsteller und freiwilliger Vertreter nationaler Interessen für seine immigrierten Landsleute tätig war.

Zusammen mit ihm versuche ich, die Wechselseitigkeit zwischen der weltlichen und der religiösen Ausdrucksweise festzustellen, die Konflikte zwischen den Nazisten und den Pangermanisten, den Prozess der Verweltlichung des Pietismus und der Sakralisation der weltlichen Werte. Aber vor allem - im Gegensatz zu den vorangegangenen Analysen, in denen man die Beziehung zwischen der Presse, der Vorbilder und der öffentlichen Meinung zu beweisen suchte - ist mir hierbei wichtig, die vielfältigen Ausgangspunkte zu erforschen, die den Einzelnen an die Gesellschaft fesseln, in die er sich einfügt, die Gründe seiner Handlungen, die Beziehungen seiner inneren Gedanken zu seinem ausgesprochenen Wort, seiner kulturellen Mentalität, die sich im Moment eines Konfliktausbruchs in eine politische Gesinnung verwandelt - ein überaus wichtiger Faktor, um diejenigen zu verstehen, die sich zu totalitären Bewegungen und Ausdrucksformen hinreissen liessen.


DIE EINWANDERER DEUTSCHER HERKUNFT IM SÜDEN

BRASILIENS

Wir riefen Arbeitskräfte und Menschen kamen.

Max Frisch

Während des ganzen 19. Jahrhunderts verliessen ca. 57 Millionen Europäer ihre Länder und Hessen sich in Amerika nieder, um dort zu bleiben und einen neuen Überlebensraum zu schaffen. Bauern und Handwerker, Arbeiter und Intellektuelle, die durch politische oder religiöse Gründe diskriminiert wurden, kamen in die "Neue Welt", um ein neues Leben zu beginnen und somit ein neues Kapitel in der sozialen Geschichte einzuleiten.

Diese Initiativen wurden durch eine intensive Propaganda begünstigt, die durch das Interesse der Elite der aufnahmebereiten Regionen veranlasst wurde, um neue Bevölkerungsgruppen für einen Aufschwung in der Agrarproduktion, für eine planmässige Besetzung des Landes und als Nachschub von qualifizierten Arbeitskräften in den aufkommenden Industrien zu gewinnen.

Die ersten Masseneinwanderungen nach Brasilien hatten in der grossen Mehrheit die Lohnarbeit in den grossen Hauptstädten als Ziel, wo die Industrialisierung langsam aufkam, oder in den Kaffeepflanzungen, als Ersatz für die Sklavenarbeit.

Im Süden haben die Einwanderer unabhängig von der zentralen Ökonomie Bewirtschaftungen betrieben, indem sie sich fast ausschliesslich der Landwirtschaft auf kleinem Raum gewidmet haben. Diese neuen Siedlungen sollten die leeren Grenzgebiete bevölkern, um sie dem Land zu erhalten und um den Markt im Inland' mit Nahrungsmitteln zu versehen.

Dadurch wurde die Einwanderungspolitik in Zusammenhang mit der Niederlassung von Kolonisten auf kleinen Besitzen oftmals mit der Kolonisierung verwechselt, da es sich nicht um eine selbständige Bewegung handelte, sondern von offiziellen Mächten bestimmt, sei es von der zentralen oder von der regionalen Regierung (ROCHE, 1969). Die Einwanderer erhielten normalerweise durchschnittlich 25 Hektar Land, in praktisch unbewohnten Gegenden, um sich der Landwirtschaft zu widmen, ohne dass sie von Sklaven Gebrauch machen konnten.

Was deutschsprachige Einwanderer anbelangt, steht Brasilien an 2. Stelle in Amerika, als Land, das diese Einwanderer aufgenommen hat. An 1. Stelle stehen die Vereinigten Staaten, wie es aus der nachstehenden Tabelle zu entnehmen ist:


TABELLE 1 - Empfangsländer der deutschsprachigen Einwanderer

Zeit-

Aus-

abschnitl

Wanderung

 

Deutschland

1820-29

28.0

1830-39

172.3

1840-49

469.3

1850-59

1.075.0

1860-69

832.9

1870-79

622.8

1880-89

1.342.5

1890-99

529.8

1900-09

279.7

Total

5.352.3

 

Canada Argentinien

26.7

--

25.7

1.3

1.3

3.8

3.9

14.2

12.9

8.7

18.6

19.3

89.1

47.3

 

USA

Ein­

wanderung

Brasilien

7.0

7.0

152.5

12.0

343.6

--

951.7

18.0

787.5

13.7

718.2

17.0

1.453.0

21.6

505.2

12.5

341.5

17.5

5.260.2

119.3

 


>1820-1910 (auf 1.000 Einwohner)[1]


 













QUELLE: MARSCHALCK, 1973, S. 50

Obwohl Brasilien mit dem Ziel der deutschsprachigen Einwanderer in Amerika an 2. Stelle steht, haben diese sich in der Zeit der grossen transkontinentalen Immigrationen nicht inmitten anderer Einwanderungsgruppen hervorgehoben. Obwohl dieses die 1. Gruppe der in Massen nach Brasilien eingewanderten ist, macht sie nur 9% der ganzen Einwanderer aus zum Beispiel waren in Curitiba nur 13,3% deutscher Herkunft, während zwischen 1886 und 1939 die Polen 49% der Einwanderer ausmachten. (BIDEAU u. NADALIN,
1988). In Porto
Alegre waren es im Jahre 1920 nur 12% der ganzen Bevölkerung. Und in Rio Grande do Sul, dem Staat, der die meisten Einwanderer deutscher Herkunft bekam, machen sie in den 30er Jahren nur 19,3 % der Bevölkerung aus (GERTZ, S.20).

Indessen, wenn der numerische Anteil, verglichen mit anderen Einwanderungsgruppen, klein ist, heben sie sich andererseits hervor durch die demographische Konzentration in bestimmten Gebieten, summiert zu der hohen Fruchtbarkeitsrate (im Durchschnitt 8 bis 9 Kinder bei Frauen, die zwischen 15 und 19 Jahren heiraten, und 7 Kinder bei denen, die zwischen 20 und 24 Jahren heiraten (BIDEAU u. NADALIN, 1988, S.1049). Dieses Wachstum bestimmte die Vergrösserung der Kolonien, sowie auch Übersiedlungen in nahe oder weiter entfernte Regionen von Rio Grande do Sul, Santa Catarina und Paranä.1

Während der kaiserlichen Regierung die Einwanderung deutscher und italienischer Herkunft anregte, um unter anderem den kleinen Landbesitz zu stimulieren, und da diese Länder keine imperialistischen Kolonien in Amerika besassen, bedeutete das dann auch kein Risiko für die portugiesische Oberherrschaft, aber die herrschenden Klassen des Landes waren dagegen. Sie sahen in der Einwanderungspolitik die Ankündigung der Abschaffung des [2]


Sklaventum und in der Landaufteilung eine Bedrohung ihrer eigenen Gebietsausbeute in grosser Skala. Seitens der preussischen Regierung konnte man auch keine günstige Haltung gegenüber der Auswanderungen nach Brasilien beobachten. Ihr Interesse beschränkte sich ausschliesslich auf den Handel von Rohstoffen, da auch die brasilianischen Grenzen noch nicht festgelegt waren, was ein schwerwiegendes Risiko für eine stabile Kolonisierungspolitik bedeutete. Die Nachrichten über die Behandlung der freien Arbeiter, die in der europäischen Presse durch Schriftsteller wie Davatz [3] verbreitet wurden und die Aufrechterhaltung des Sklaventums waren massgebende Gründe, um die Einwanderungen zu verhindern. Auch der katholische Glaube, als offizielle Religion, beschränkte die Rechte der Einwanderer anderer Konfessionen, indem sie rechtmässiges Heiraten und so auch die Regelung von Erbschaften verhinderte. Das waren, unter anderem, die Gründe, die 1859 zur Herausgabe des "Dekrets von Heydt" geführt haben, das den Immigrationsagenten verbat, preussische Bürger nach Brasilien anzuwerben (BRUNN, 1971).

Zu Bismarcks Zeiten hat sich die offizielle Haltung kaum geändert. Für den Kanzler gehörte Brasilien unter Nordamerikas Einfluss, zu dem er weiterhin, für eine bessere Durchführung der geschäftlichen Verbindungen, gute diplomatische Beziehungen pflegen wollte. Ausserdem fand er, dass Deutsche, die ihr Land verliessen, richtige Verräter wären. Seiner Ansicht nach:

Ein Deutscher, der sein Vaterland abstreift wie einen alten Rock, 1st für mich kein Deutscher mehr, Ich habe kein landsmannschaftliches Interesse mehr für ihn. (apud BRUNN, 1971, S.127)

Trotz der offiziellen Einschränkungen sind etliche Gruppen deutscher Abstammung nach Brasilien eingewandert, sei es durch Initiative der brasilianischen Regierung, die bis 1830 ca. 6.000 Deutsche nach São Leopoldo in Rio Grande do Sul brachte und auch kleinere Ansiedlungen in anderen Staaten gründete, sowie auch durch Privatinitiativen (BRUNN, S.4).

Um die Opposition, die die brasilianische Elite auf die kaiserliche Regierung ausübte, zu umgehen, wurde 1824 eine Zusatzverordnung eingeführt, die den Provinzen die Initiativen gab, die Einwanderungen selbständig zu fördern. In den darauffolgenden Jahrzehnten verfügen Santa Catarina und Rio Grande do Sul über eine Gesetzgebung, die das Kommen ausländischer Arbeiter offiziell begünstigt. Ab 1882 wurde ausser den Provinzregierungen auch den Bürgermeisterschaften das Rechte zur autonomen Kolonisierung ihrer Ländereien gegeben (DREHER, 1984, S.34).

Der Staat Rio Grande do Sul hat die offizielle deutsche Einwanderung am meisten gefördert, an 1. Stelle wegen des Erfolges der ersten Erfahrungen und an 2. Stelle, weil es den Interessen der Viehzüchter entsprach, die in der Mehrheit im Süden der Provinz waren. Da die Abnehmer ihrer Produkte sich im Norden des Landes befanden, gewährte ihnen die Besetzung dieses dazwischenliegenden Gebietes eine bessere Infrastruktur für den Transport ihrer Produkte; der Wald wurde abgeholzt und Wege wurden durch die Einwanderer geschaffen, die dann auch selbst zu Abnehmern ihrer Produkte wurden. Ausserdem sicherte diese totale Besetzung des Landes die einigen Grenzen. Dadurch gründete die Regierung von Rio Grande do

Sul zwischen 1849 und 1918-22 Kolonien mit deutschsprachiger Bevölkerung.

In Santa Catarina war die offizielle Initiative viel weniger ausgeprägt. Es hat sich nur die Kolonie São Pedro de Alcantara hervorgehoben, die 1829 noch durch die zentrale Regierung gegründet wurde, und Brusque, die 1961 9.000 Kolonisten in dieses Gebiet brachte. Die wichtigsten Kolonien dieses Staates sind der privaten Initiative zu verdanken, wie die des Hermann Blumenau's, der 1848 eine Agrarkolonie gründete, die seinen Namen erhielt, und später auf seine Bitte offizialisiert wurde und die Unterstützung von deutschen Privatunternehmen erhielt.

Zu dieser Zeit, politisch wie auch ökonomisch gesehen, kam die wichtigste Unterstützung für Santa Catarina aus Hamburg. Dort beginnt, im Gegensatz zur offiziellen preussischen Politik, die Privatinitiative ihre Aktivität, um Kolonisten in Brasilien anzusiedeln, die nicht einmal durch die deutsche Vereinigung unterbrochen wird. Es handelt sich um d i e "Kolonisationsgesellschaft von Hamburg", der sich dafür eingesetzt hat, von 1850 bis 1888 17.408 Kolonisten nach Joinville und Umgebung zu bringen. Ab 1887 schloss sich dieser Verein an Bankiers und Industrielle aus dem Rheinland und Berlin an, unter der Führung von Carl Fabri, einem enthusiastischen Nationalisten, der die utopische Vorstellung hatte, in Santa Catarina eine teuto-brasilianische Republik zu gründen und somit die deutsche Anwesenheit in Latein-Amerika zu garantieren. Seiner Meinung nach hätten die Einwanderer dieser Herkunft dafür schon eine autonome Gruppe in der sie aufnehmenden Gesellschaft gebildet und besassen, laut Fabri, eine höhere Kultur als die bereits Ansässigen. Er hoffte, dass sie sich natürlicherweise den Interessen des Deutschen Reiches

anschlossen und dadurch einen Abnehmermarkt grossen Ausmasses schufen.

Der Norddeutsche Lloyd aus Bremen, als grösste transatlantische Schifffahrtsgesellschaft in Deutschland, war seinerseits verantwortlich für die Einwanderung von 47.000 Menschen' im Jahre 1890. Es handelte sich um ein grosses Geschäft, das durch Propaganda und durch verschiedene Einwirkungen öffentlicher Stellen angespornt wurde. Daraus entstand der Zusammenschluss von der Kolonisationsgesellschaft von Hamburg mit dem Norddeutschen Lloyd und der Südamerikanischen Dampfschifffahrtgesellschaft, was die "Hanseatische Kolonisationsgesellschaft'’ hervorbrachte, und die dann nicht nur für den Transport der Immigranten verantwortlich waren, sondern auch für den Kauf der Ländereien und für die Organisation der Kolonien in Santa Catarina (RICHTER, 1986).

Dieses sind die ausdrucksvollsten Beispiele der Initiativen, die die deutsche Einwanderung nach Brasilien angespornt haben. Sie gehören zu den Massnahmen, die durch öffentliche und private Initiativen in Amerika und in Europa begonnen wurden, die die Bevölkerung in eine "teure Ware verwandelte; eines Geschäftes, das Banken, Transportgesellschaften und Makler mit verwickelte und zu gleicher Zeit das Problem der überflüssigen Arbeitskraft in Europa und der fehlenden Arbeitskraft in Amerika löste.

Dennoch geschah die Auswanderung nicht immer aus zwingenden Gründen. Viele Europäer verliessen ihr Herkunftsland auf der Suche nach neuen und besseren Lebensbedingungen und in der Hoffnung, ihr Kapital zu vergrössern, oder aber - im Falle vieler deutscher Immigranten- war die Abwanderung eine Strategie der Auflehnung gegen die Proletarisierung. Dirk Hörder, (1988, S.391- 425), weist daraufhin, dass etliche Facharbeiter Deutschland verliessen, in Amerika autonome Fortbestehungsformen in Handwerksbetrieben neu zu schaffen. Nach Ansicht des Autors handelt es sich hierbei nicht um Völkerwanderungen zwischen verschiedenen Ländern, sondern zwischen Arbeitsmärkten, welche seit jener Zeit als internationaler Austausch einfach notwendig sind.

Die Schlussfolgerungen von Hörder werden durch die empirischen Forschungen über die ersten Einwanderer von São Leopoldo bestätigt. Obwohl sie nach dorthin auswanderten, um sich ausschliesslich landwirtschaftlichen Tätigkeiten zu widmen, ist zu beobachten, dass ca. 60% von ihnen nebenher auch noch anderen Beschäftigungen nachgingen. Diese wurden ganz offen angeben in der Absicht, ihren eigentlichen Beruf zu erwähnen. Die von ihnen entwickelten Arbeitstechniken wurden vom Vater an den Sohn weitergegeben - ein Überbleibsel aus der deutschen Kultur des Mittelalters, und die ihnen ein zusätzliches Einkommen brachten und gleichzeitig einen besseren Status verlieh als den Ungelernten. Diese Spezialisierungen, wie zum Beispiel Tischler, Metzger, Weber, Müller usw. erleichterte ihnen garantiert den Anschluss an das Stadtleben, während viele andere wegen der Landzersplitterung durch Erbschafts- Aufteilungen wieder ausgewandert sind (WEIMER, 1979).

In den Dokumenten über die ersten Einwanderer in Brasilien steht, dass diese Gruppen in ihrer grossen Mehrheit aus heimatlichen Landgebieten kamen, die schon zu stark besiedelt waren. Sie sahen in Amerika die Möglichkeit der Verwirklichung ihrer Träume von der "Neuen Welt", in der es keine Könige, Feudalherren und Knechtschaft gab. sondern jede Menge Land und Arbeitsmöglichkeiten:

Aqut näo podemosflcar Aqui não podemos volver Pois os Hassten e os notaries

Nos tiram a malar parte [4]

Vamos parttr agora Para o belo pais America Coda qual amt me sua trouxa So as diDldas deLxamos aqui [5] [6]

Adeus pdtrta mal agrndecida Vamos para uma outra terra Vamos para o Bras/I

Partimos com a mulher e aßlharada Emtgramos para a terra promettda All se encontra ouro coma areia Logo, logo, estaremos no Brasil 3

Diese Lieder verdeutlichen die Haltung der Immigranten ihrem Herkunftsland gegenüber und ihre Erwartungen, die sie dem neuen Ziel entgegenbringen. Diese Erwartungen entstanden durch die Propaganda der Kolonisationsbetriebe oder durch Nachrichten von Verwandten und Freunden, die schon ausgewandert waren. Im Gegensatz zu der Literatur, die sich dem Leben der ersten Auswanderer widmet, zeigen diese Lieder, dass die Vaterlandsliebe und die Gewissenhaftigkeit, die deutsche Rasse fortzusetzen, kein Bestandteil mehr dieser sozialen Gruppen waren, was sie jedoch nicht

hinderte, dass sie Traditionelles aus der Vergangenheit holten, was dem Nationalismus ihrer Nachkommen eine Ehrung erweisen würde.[7]

In der grossen Mehrheit waren es Bauern, die selten dem staatlichen Leben verbunden waren. Obwohl sie den König und seine Sinnbilder vergötterten, war ihr patriotisches Gefühl nur an die Erde und den Ort, wo sie mit ihren Familien und Nachbarn wohnten, gebunden und nicht an ein weites Land, das man eine Nation nennen konnte.

Wenn sie sich in andere Regionen begeben, holen sie ihre ursprünglichen Traditionen wieder hervor, die sich mit denen der Empfangsgesellschaft vermischen, wie Goethe es in dem nachfolgenden Vers symbolisiert:

Ficar. Ir, ir.ßcar

Seja tgual para o homem capaz

Onde produzlmos algo ütil

Este 6 o lugar que methor nos siwa. [8]

Ab 1848 kommen zu den Auswanderern, die ihre Länder aus ökonomischen Gründen verlassen, die Verbannten und die, die freiwillig wegen politischen Gründen auswandern. Es sind die sogenannten ”1848er. Kinder", die "Märztage-Männer", oder volkstümlicher noch, die "Brummer". Ausser ihren Frustrationen über den Misserfolg im Zusammenhang mit der Entwicklung jener politischen Bewegung, unterscheiden sich diese liberalen, romantischen Nationalisten oder Sozialisten von den Pionieren durch ihre beruflichen Tätigkeiten: sie sind in der grossen Mehrheit

Handwerker, Intellektuelle oder in einer kleineren Skala auch Angestellte. Die Tatsache, dass sie in offiziellen Statistiken als Bauern erscheinen, wird den Bedingungen zugeschrieben, die den Auswanderern gestellt wurden - es sollten vorwiegend Landwirtschaftsarbeiter sein. Um die Auswanderungsrechte zu' erhalten, schrieben sie sich als Bauern ein, und sobald sie angekommen waren, siedelten sie in die nächstliegenden Städte um. Wenn das nicht möglich war, betrieben sie neben der Landwirtschaft auch noch irgendein kleines Handwerk, was dann langsam für das Erschein von den ersten kleinen und mittleren städtischen Siedlungen in diesen Regionen verantwortlich war.

Aus den Dokumenten, die ich über die ersten Einwanderer der Kolonie "Dona Francisca" fanden, welche von der Hanseatischen Kolonisationsgesellschaft organisiert wurde, lässt sich die Existenz von mindestens 40 Berufen, die dem städtischen Milieu entsprechen, feststellen. Tischler, Schneider, Schuster, Mechaniker, Schlachter, Bierbrauer, Müller, Bäcker, Klempner, Buchdrücker, unter anderen, sind die Berufe, die mehr als die Hälfte der Einwanderer dieser Kolonie zwischen 1852 und 1864 ausüben.[9] In diesen Dokumenten stellt man auch fest, dass diese Facharbeiter nicht länger als ein bis zwei Jahre in dieser Gegend blieben und dann nach Curitiba, Porto Alegre oder São Paulo umsiedelten.

Weimer hat das Verhältnis zwischen dem Beruf der Immigranten und der Gesellschaft des Landes in São Leopoldo ausführlicher studiert. Er stellte fest, dass zwischen 1845 und 1899 sich 46% dem landwirtschaftlichen Milieu widmeten, während 53,9% im städtischen

Bereich waren, wo die beruflichen Qualifikationen zu dieser Zeit spezialisierter waren und durch das relative Wachstum des Abnehmermarktes begünstigt. Obwohl der Autor seinen Artikel mit As profissões dos imigrantes alemães no Rio Grande do Sul (Berufe der deutschen Einwanderer in Rio Grande do Sul) bezeichnet, bezieht er selbst in diesen auch Menschen aus Holland, der Schweiz, Schweden, Dänemark, Österreich, Serbien, Mähren und Russland mit ein; eine wichtige Bemerkung. um die homogenisierenden Analysen, die über diese Bevölkerung gemacht wurden, zu bestreiten (WEIMER, 1979, S. 307-19).

Die Beziehung von den "Brummern" zu den ersten Einwanderern war auch nicht einfach. Sie wurden als Intellektuelle Stadtmenschen gesehen, deren Sprache beinahe so unverständlich wie die portugiesische Sprache war. Langsam unterschieden sie sich auch durch ihre Kaufkraft und bald auch dadurch, dass sie sich leichter in das öffentliche Leben einfügten. Durch diese Unterschiede wurden sie bald zu Vertretern dieser Gruppe, wie zum Beispiel Männer wie Karl von Koseritz in Porto Alegre und Ottokar Dörffel in Joinville. Ersterer war Journalist, Verleger, staatlicher Abgeordneter und Verwalter der Interessen der deutschen Bauern, was ihr Grundvermögen anbetraf. Der andere war Gründer der Zeitung "Kolonie", der erste Zeitung in deutscher Sprache, und er war auch der erste Bürgermeister der Stadt.

Diese beiden Abschnitte der Einwanderung stellen die erste Phase der Besetzung mit europäischer Bevölkerung, die deutsch sprachen, im Süden dar, die trotzdem untereinander bedeutende interne Unterschiede aufweisen, die erst im Laufe der Zeit durch den sozialen Umgang gemildert wurden. Die generische Bezeichnung "Deutsche" oder "Landwirte" muss durch eine sorgfältigere empirische Nachforschung klargestellt werden, die nicht versuchen sollte, in der

Vergangenheit ein Bild zu entwerfen, dass nur in Äusserungen der Verteidiger oder Kritiker ihrer kulturellen Organisation ab Beginn des 20. Jahrhunderts einen Sinn hätte. [10]

Im Gegensatz zu den geläufigen Behauptungen der traditionellen Historiographie hielten sich dieses Eiwanderungsgruppen der erste' Phase nicht abseits der Politik. Im Gegenteil: sie nahmen an der Politik teil, sowie es zu ihrer Zeit und in ihrem Milieu möglich war. Sie gründeten Vereine zur gegenseitigen Hilfe und zur Beschützung ihrer Dörfer wie zum Beispiel die Schützenvereine. Mit eigenen Mitteln gründeten sie Schulen und Kirchen, sowie auch Freizeiteinrichtungen wie Verkaufsstände, Kneipen und Bierstuben (AMADO, 1978). Ausserdem organisierten sie einen Gemeindeart, der über interne Konflikte entscheiden und sie den Autoritäten der Provinz übermitteln sollte. Sie blieben relativ isoliert von der Gesellschaft ihres Einwandererlandes, wegen der Unkenntnis der neuen Sprache und auch wegen der geographischen Lage ihrer Ansiedlungen. Wenn sie in grössere Zentren abwanderten, integrierten sie in die soziale Schicht, die ihrer eigenen entsprach und traten unter grösseren oder kleineren Schwierigkeiten den kulturellen Diskriminierungen entgegen. Wie auch die Immigranten anderer ethnischer Gruppen hielten sie eine gewisse Verbindung zum Herkunftsland aufrecht durch Briefwechsel mit Freunden und Verwandten, aber sie träumten nicht von einer Rückkehr, weil sie im speziellen Fall der preussischen Regierung und der Junker, die die Oberhand hatten, als Verräter, Deserteure und Verächter der

Lohnabhängigen angesehen worden waren. Sie mussten sich an Amerika oder an ihre Kolonie, an den Kaiser oder den Bürgermeister, ans Klima und an die Arbeit anpassen; letzten Endes an ihre neue Heimat, soweit man diese nicht mit dem Begriff von Nation und Regierung in Verbindung bringen würde; und ihrer Meinung nach' passten sie sich gut an.


Neue Immigranten aus einem neuen Land

Ab 1870 kommen andere Arbeiter nach Brasilien und mit ihnen ihre Erfahrungen aus ihrem Heimatland. Bezüglich der deutschen Einwanderer sind es nicht nur ehemalige Bauern aus kleinen Dörfern oder städtische Angestellte, die aus der Proletarisierung flüchten; sie waren inzwischen vielmehr "Bürger des Reiches", das ein vereintes Deutschland war; und obwohl dieses zu der Zeit weiter Arbeitskräfte hinauswirft, haben die Auswanderer doch immer noch ein starkes Zugehörigkeitsgefühl, gefördert in Grundschulen oder die Literatur, die einen immer grösseren und anhänglicheren Leserkreis erobert.

Statistiken beweisen uns, dass im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die Zahl der Immigranten viel ausgeprägter ist als in den vorhergegangenen Jahrzehnten. Dieser neue Impuls ist zurückzuführen auf die ökonomische und politische Entwicklung beider Länder. Die starke Industrialisierung in Deutschland, der relative Erfolg der Einwanderer-Propaganda, teils durch die Presse, teils durch die eigenen Ansiedler, oder deren Schriftwechsel mit der alten Heimat, ziehen weitere Einwanderergruppen in diese Gegend an. Hinzu kommen die hohe, ungesteuerte Wachstumsrate und die Vielseitigkeit der Betätigungsmöglichkeiten, die sich aus dem regional beobachteten wirtschaftlichen Wachstum ergaben. Zu derselben Zeit kamen nach Curitiba und in seine angrenzenden Gemeinden eine Vielzahl von Rückwanderern, die sich diesen Pionieren zugestellten.

Die Landkarte Nr. 1 und das Schaubild Nr. 1 veranschaulichen uns das Anwachsen der Siedlungsgebiete besser.


Landkarte 1 - Die Haupt-Siedlungszentren Deutschsprachiger im 19. Jahrhundert in Brasilien

-


Schaubild 1- Die Haupt-Siedlungszentren Deutschsprachiger im
19. Jahrhundert in Südbrasilien
[11]

São Leopoldo (RS)

1824

Rio Negro (PR) und

Mafra (SC)

1829

Montenegro (RS)

1840

Feliz

1845

Mundo Novo (RS)

1847

São Sebastiäo do

1848

Cai (RS!

Santa Cruz (RS)

1849

Blumenau (SC)

1850

Dona Francisca (SC)

1851

Santo Angelo (RS)

1857

São Lourenço (RS)

1857

Nova Petröpolis (RS)

1859

Monte Alverne (RS)

1860

Pomerode (SC)

1860

Teutonia (RS)

1860

Brusque (SC)

1861

Indaial (RS)

1863

Candelárla (RS)

1863

Santa Emilia (RS)

1865

Nova Berllm (RS)

1868

Nova Teutönia (RS)

1868

Timbö (SC)

1868

Russia (RS)

1870

São Bento do Sul (SC)

1871

 


                            Siedlungen                  Gegründet                    Unternehmer Herkunft

Kaiserliche und

provinzielle

Hunsrück. Sachsen.

Regierungen

Württemberg

Provinz. Regierung

Verschiedene

Gebiete aus São Paulo

Prov. Regierung

São Leopoldo

Prov. Regierung

São Leopoldo

Prov. Regierung

São Leopoldo

Prov. Regierung

Rheinland, Pommern. Schlesien

Prov. Regierung

Rheinland,

Pommern,

Sachsen, Schlesien, Holstein,

Privat (Brasilien)

Hannover,

Braunschweig,

Schweiz. Preussen,

Oldenbourg

Privat (Hamburg)

Hannover. Schlesw.- Holstein. Preusse. Oldenbourg,

Schweiz

Prov. Regierung

Rheinland, Sachsen. Pommern

Prov. Regierung

Pommern und Rheinland

Prov. Regierung

Pommern, Boheme. Sachsen

Prov. Regierung

Santa Cruz

Wiedereinwanderung

Blumenau

Prov. Regierung

São Leopoldo und Santa Cruz

Wieder­

Oldenbourg, Baden,

einwanderung

Braunschweig

Wieder­

einwanderung

Blumenau

Wieder­

Santo Angelo und

einwanderung

Santa Cruz

Wieder­

Teutonia und Santa

einwanderung

Cruz

Wieder­

Teutonia, Santa

einwanderung

Cruz. usw.

Wieder­

Westphalen.

einwanderung

Blumenau, u. a.

Wieder­

einwanderung

Blumenau

Wieder­

Verschiedene

einwanderung

Gebiete

Privat (Hamburg)

Schweiz, Schlesw.- Holstein, Preusse, Hannover, Oldenbourg


 



 

Estrela (RS)

1872

Wieder­

einwanderung

Teutonia usw.

Po$o das Antas (RS)

1875

Wieder­

einwanderung

Teutonia usw.

Sena Branca (RS)

1875

Wieder­

einwanderung

Santo Angelo und Santa Cruz

Nova Patria (PR) * [12]

1877

Privat

Wolga (Russland)

Campestre (RS)

1885

Wieder­

einwanderung

Teutonia u. a.

Botucarai (RS)

1890

Bundes-Regierung

Santo Angelo und Santa Cruz

Serra Ijui (RS)

1890

Staats-Regierung

Santo Angelo,

Santa Cruz u.a.

Canoas (SC)

1890

Wieder­

einwanderung

São Leopoldo und Teutonia

Barra do Colorado (RS)

1897

Staats-Regierung

Verschiedene Gebiete

Boi Preto (RS)

1897

Staats-Regierung

Verschiedene

Gebiete

Hansa-Humboldt

(SC)

1899

Staats-Regierung

Verschiedene

Gebiete

Hansa (SC)

1899

Wieder­

einwanderung

Blumenau

 


 

Quelle: DREHER. 1984. WILLEMS, 1980. FUGMANN. 1929. GERTZ. 1987. FOUQUET.

1974. SEYFFERTH, 1988

Mit diesen neuen Zuwanderern kamen auch Anhänger der verschiedenen protestantischen Glaubensbekenntnisse, die zu der Zeit Sorgen um ihre Gläubigen in der Diaspora hatten. Wenn bis dahin die protestantischen Missionen sich besonders ihrem ausgewanderten Deutschen innerhalb des Kontinents und in Nordamerika zugewendet hatten, so wurde um 1870 auch Brasilien ihrer Aufmerksamkeit, motiviert zum grössten Teil durch den Pietismus-Lehre ihre Ernsthaftigkeit in der Evangelisationsaufgabe. Ihrer Ansicht nach waren die Deutsch-Amerikaner schon in die Gesellschaft der neuen Aufnahmegebiete integriert, und entsprechend der Industrialisierung dieses Landes wurde ihre traditionelle religiöse Ausübung schon schwächer. Die religiösen Absichten waren übereinstimmend mit denen der protestantischen Nationalisten - oder nationalistischen Protestanten - wie, zum Beispiel, Carl Fabri, nach dessen Ansicht die germanischen Einwanderer in Latein-Amerika als "Kulturdünger" anzusehen waren, oder aber als potentielle Vermittler eines Imperialismus, der die Eroberung von Gebieten erübrigte, wenn er statt dessen treue Anhänger und Untertanen seiner Interessen fand (PRIEN, 1989).

Die Ersteinwanderer und die ’’Brummer", die diese Neuzuwanderer empfingen, harmonisierten anfangs nicht miteinander, die sich selbst als "Reichsdeutsche" bezeichneten. Sie hielten sie für zu gebildet, übertrieben an ihrer heimatlichen Gegend hängend und als Verteidiger eines Landes, dessen Geschichte sie direkt nichts mehr anging. Ausserdem sprachen sie hochdeutsch, was ihren Landsleuten hierzulande nur schwer verständlich war, denn bis 1870 sprachen die Bewohner der diversen kleinen Länder, die zusammen Deutschland bildeten, nur ihre regionalen Dialekte.

Für diese Reichsdeutschen waren die Deutschbrasilianer Ignoranten, Trinker, total assimiliert und - nach Aussagen der Pastoren mit akademischer Ausbildung, die in Brasilien ihr Amt ausübten - sich sehr wenig um ihre religiösen Pflichten kümmernd. Im Gegensatz zu den ersten Pastoren, die direkt in ihren Gemeinden gewählt worden waren, sahen ihre Nachfolger sich als Autoritäten an, die nur der deutschen Kirche gegenüber verpflichtet waren, was zahlreiche Ablehnungen der Siedler zur Folge hatte. Die Pastoren andererseits sahen die Siedler als undiszipliniert an, wenig fromm und lediglich die religiösen Formalitäten erfüllend. Die Siedler aber verstanden die Pastoren als Tadler ihrer Festlichkeiten und sogar ihrer täglichen Gewohnheiten.

Ausser diesem Widerstand der Volksschicht bekamen die neuen Pastoren die Opposition der Atheisten und Liberalen zu spüren, die im Dasein der Pastoren einen deutsch-imperialistischen Einfluss sahen und die Bestärkung in einer Religiosität, die sie in Abrede stellten. (SEYFERTH, 1981, S. 51).

Aber die Nachricht über ein vereintes Deutschland hat doch viele Begeisterte zur Folge, besonders bei den Liberalen, die 1848 wegen des zerstückelten Vaterlandes weggingen (KUDER, 1937). Diese versöhnen sich nun sentimental mit ihrem Vaterland, oder lassen sich, zum Teil, davon überzeugen, dass man möglicherweise politische oder ökonomische Vorteile von dort erwarten könne. Und in der Tat hatte das seine Berechtigung, denn zur Jahrhundertwende wurden bereits 45% Waren von Deutschland nach Rio Grande do Sul ausgeführt, während an 2. Stelle England mit nur 17% stand. Rio Grande do Sul hingegen exportierte 19% seiner Produkte nach Deutschland, während der interne Markt noch der grössere Abnehmer war (BRUNN. 1971, S. 151).

Wir können diese Tendenz nicht als unumschränkt verallgemeinern, so wie wir nicht alle Reichsdeutschen als leidenschaftliche Nationalisten bezeichnen können. Man muss hervorheben, dass der preussische Staat Bismarcks das Ergebnis einer Revolution "von oben" war, was einen Abbruch der Beziehung zu' dieser Gesellschaft hervorrief und sie * in ihrem Militärbereich - in zwei deutlich getrennte Gruppen teilte: Reichsfeinde und Reichsfreunde (WEHLER, 1970, S. 122). Von diesen ist natürlich die erste Gruppe am Auswandern interessiert und im Gegenteil nicht daran, die gleichen Gefühle wie die zweite Gruppe zu bewahren.

Die Dokumentation, in der die Existenz der sozial­demokratischen Bewegung und anderer linksgerichteter Tendenzen erwähnt wird, war in den Archiven Brasiliens sehr gering und wurde nicht erhalten, weil möglicherweise die ersten Gelehrten, die sich mit der Einwanderung befasst haben, in ihrer Mehrheit schon festgelegt waren auf eine feierliche und stolze Geschichte jener Kontingente. Rene Gertz, (1985, S. 75-84), identifiziert indessen eine der ersten Organisationen mit diesen Tendenzen des Jahres 1892, die sich aus Arbeitern deutscher Abstammung in Porto Alegre bildeten: aber man muss in Erwägung ziehen, dass das Fehlen politischer Bewegungen dieser Art damit Zusammenhängen kann, dass diese sich aus ethnischen und sprachlichen Prinzipien heraus eben nicht bildeten. Wenn diese Bewegungen sich in grössere Zentren verlegen und sich typisch städtischen Aktivitäten zuwenden, verbinden sie sich eher über-ethnischen Gruppen, denn sie müssen sich den gegebenen Bedingungen anpassen zugunsten ihrer wirtschaftlichen oder politischen Interessen, oder eben denen ihrer Klasse (HOERDER, 1988). Aber in kleinen oder mittleren Städten, in denen die deutschstämmigen Gruppen den weitaus grösseren Teil der

Bevölkerung ausmachten, erhielt sich die ethnische und kulturelle Identität, grösstenteils begünstigt durch das Bestehen ihres Vereinswesens, durch die Bedingungen ihrer religiösen Minderheit und durch die Schwierigkeit, die Landessprache zu beherrschen.

Die Ausübung der Vereine bekommt in den 80er/90er Jahren ' einen beachtenswerten Impuls und sie breiten sich in den folgenden Jahren immer weiter aus. Als Mikronationen empfinden sie die Gleiche Notwendigkeit der Bestätigung des Zugehörigkeitsgefühls und der zahlreichen Formen der Solidarität - Charakteristiken, die zum Teil den wirtschaftlichen Aufstieg vieler Immigranten erklären.

In Curitiba, zum Beispiel, werden zwischen 1856 und 1926 ungefähr 50 Vereine gegründet, einige sind nur von kurzer, andere von langer Dauer. Man schliesst sich zusammen, um zum Beispiel eine Gruppe zu bilden, die die Funktion der freiwilligen Feuerwehr ausübt, oder um Institutionen zu bilden, die mit dem Gesundheitswesen zu tun haben, wie unter anderen, die Gründung des "Deutschen Krankenhauses"; um Interessenten an Garten- oder Parkgestaltungen zusammenzuführen; zur Anlage und Pflege des deutschen Friedhofs; ausserdem leistet man zahlreiche Zuschüsse in Schulen und Kirchen, was einen intensiven sozialen Austausch bedeutet. Musikanhänger schliessen sich zusammen, Sport* oder Theater-Interessenten, oder man findet sich einfach zur gemeinsamen Freizeitgestaltung.

Das am meisten hervorzuhebende Beispiel dieser Vereine in Curitiba ist der "Handwerker-Unterstützungsverein", 1884 gegründet, der 1934 schon 3.000 Mitglieder zählte und zu dieser Zeit schon einer der grössten dieser Art im Lande war. Inspiriert durch die Thesen der Sozialdemokratie, richtete er seine Aufgaben zugunsten des Gemeinwesens aus, das sich mit dem Gesundheitswesen, der Erziehung und Freizeitgestaltung befasste, auf der Suche danach, auf eine bestimmte Art die diesbezüglichen Richtlinien des brasilianischen Staates zu ergänzen mit denen, die sich im Herkunftsland entwickelten. Wären diese erst einmal festgelegt, würde sich das Ansehen seiner Existenz nicht nur durch seine Arbeiter und Handwerker erhöhen, sondern auch auf anderen Gebieten, soweit sie die Weltanschauung derer integrieren würden, die "am Beherrschen der deutschen Sprache festhielten". Diese und andere Institutionen verstanden sich also als affektive Vertretungen eines intervenierenden Staates und taten alles für ihre "Untergebenen", kümmert sich unter anderen um ihre Sicherheit, ihre Erziehung und Ausbildung, ihre Gesundheit und Arbeitsplätze. So verhält sich auch der "Deutsche Klub" in Curitiba, 1869 gegründet, nicht nur zum Zweck der erholsamen Freizeitgestaltung, sondern übernimmt ab 1880 auch Wohltätigkeitsaufgaben. In seinen Statuten ist eine Finanzhilfe bis zu 12 Monaten vorgesehen für diejenigen Mitglieder, die krank oder arbeitslos würden. Diese Unterstützungen waren jedoch vom disziplinierten Benehmen der Bedürftigen abhängig, was folgendermassen in den Satzungen festgelegt war:

(...) diese Unterstützung wird nicht an Mitglieder ausgezahlt, die ihre Beiträge seit 4 oder mehr Monaten nicht entrichtet haben, oder an Kranke, deren Zustand durch Streitigkeiten oder Trunksucht entstanden ist (...) (apud NADALIN, 1972, s. 9).

Aber auch wenn es nur die Freizeitgestaltung betrifft, sind die Voraussetzungen in diesen Vereinen dieselben wie oben erwähnt. So heisst es zum Beispiel in den Statuten desselben Klubs weiter:

(...) Der Klub "Germania" erfüllt den Zweck, seinen Mitgliedern erholsame Freizeltstunden in erfreulicher und sittlicher Gesellschaft zu bieten, wie zum Beispiel durch gemeinsamen Gesang, durch Lesestunden u.a. Vergnügungen, die diejenigen bereichern, die wahrhaft danach suchen (idem, 1972, s.9)

Der Germania-Verein, wie auch andere Gesangs-, Theater- oder Sportvereine in Curitiba und auch in anderen Städten, setzten also ''Moral" voraus, angeregt durch das in den Vereinen sich entwickelte Gefühl der harmonischen Einigkeit zwischen seinen Mitgliedern, die sich als ein Teil desselben Organismus empfanden:

Man singt und macht überall Musik. In den Kirchen singen die Gläubigen, in Ihren Körperschaften die Studenten, beim Marschieren die Soldaten, auf ihren Wanderschaften die Handwerker. 10

Ausser dieser Art Vereinen gab es aber auch korporative, die - wie die deutschen Zünfte - die verschiedenen Berufssparten zusammenfassten, um deren Interessen vor der Gesellschaft zu vertreten, während sie gleichzeitig die Legalität des allgemeinen Verbrauchers eben dieser Sparte in der Öffentlichkeit garantierten.

Kleine Zirkel, Körperschaften, Freizeitzentren, in denen die Teilnehmer sich treffen und gesehen werden wollen, Erhaltung der Sprache und Tradition der Vorfahren - das alles entsteht in dieser Zeit, charakterisiert durch die aus der Heimat mitgebrachten Erfahrungen, die - auf örtlicher Ebene - ganz einfach übersetzt und neu herausgegeben werden können, ungefähr im Sinne von "Einigkeit macht stark".11 Trotz der Einmischung der Pastoren der deutsch­lutherischen Kirche sind doch in dieser Zeit alle Initiativen auf die Urheberschaft der eigenen Einwanderer-Gemeinden zurückzuführen. Erst etwas später werden sie von ausländischen Institutionen unterstützt, deren Ausübungen nach dem Ausruf der Republik grössere Relevanz erhalten. Und zusammen mit ihnen entdecken und erkämpfen die brasilianische Regierung, wie auch Deutschland, den [13] [14]

Süden Brasiliens - und zwar beide unter derselben sozial-politischen Vorstellung des Nationalismus.

Die Einwanderung zur Zeit der Republik

Mit dem Ausrufen der Republik und dem Ende der Sklaverei stellt die Emigration aus Europa eins der Hauptthemen der Debatten um die Arbeitskraft-Nachfrage in der Landwirtschaft dar, die erst die Voraussetzung der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse Brasiliens garantiert. Daraus entstehen eine Menge Initiativen, alle mit dem Versuch, Immigranten verschiedenster Herkunft in die wichtigsten Wirtschaftszentren des Landes anzulocken. Auf Grund der daraus entstehenden Bevölkerungsdichte, im Zusammenhang mit der schon beginnenden städtebaulichen Gestaltung, ergeben sich Probleme der Versorgung - eine neue politische Aufgabe, die durch die Immigration überwunden werden muss. Zur Arbeit in der Landwirtschaft kommt die Verteilung von Länderleien landwirtschaftliche Produktion von Nahrungsmitteln im Innern des Landes, oder besonders auch in der Nähe grosser Farmen, die sich auf Monokulturen spezialisiert haben. Damit konnte man die Kosten der Reproduktion verringern, andererseits - falls nötig - das Kontingent der Arbeitskraft jener produktiven Zentren erhöhen (STOLCKE & HALL, 1983. S. 80-120).

Es ergibt sich aus diesem Kontext, dass das Kolonisations- System in den Südstaaten Brasiliens von den Intellektuellen und Politikern der jungen Republik neu bewertet wird; obwohl es sich weiterhin am vorhergegangenen System ausrichtet in Bezug auf die Gründung von Siedlungen mit kleinem Landbesitz, der sich - sozusagen als Zusatz - in die Nationalökonomie integrieren muss, sei

es zur Zusatzversorgung von Verbrauchsgütern in dynamischen Zentren, oder sei es als potentieller Lieferant von Arbeitskräften durch interregionale Zuwanderung.

Es fiel, wie im Kaiserreich, den Gouverneuren die Aufgabe zu, diese Siedlungszentren in ihren Territorien zu gründen, wobei diese eine einzige einschneidende staatliche Einmischung erdulden mussten, darin, dass ein rigoroses Verbot bestand, das die Zusammenballung ethnischer Gruppen in derselben Gegend untersagte, hingegen gemischte Siedlungen vorschlug, vorzugsweise aus Ausländern und Einheimischen bestehend. Diese Massnahme erklärt sich unter anderen durch die Vorstellung der Ausbreitung der "deutschen Gefahr", deren Anhänger in der ethnischen Konzentration ein Risiko sehen wollten durch die Einmischung in kulturelle, politische und territoriale Aspekte.

Die warnenden Hinweise auf dieses Risiko hatten jedoch keinen Rückfluss der Einwanderung aus Deutschland zur Folge. Wenn der Immigrationsrhythmus sich verlangsamte, so kam das eher durch ökonomischen Zufall, von denen die jeweiligen Regierungen abhängig waren, als vielmehr durch die Wirksamkeit anti-germanistischer Reden; in Rio Grande do Sul sind zu der Zeit die Abholzungen der Waldgebiete der Hauptgrund der finanziellen Reduzierung des Staatshaushalts für die Einfuhr von Arbeitskräften. In Santa Catarina werden zwar einige neue Siedlungen gegründet, aber - aus ähnlichen Gründen wie den oben erwähnten - vergeben die offiziellen Stellen Klein-Landbesitz lieber an Nachkommen der Ersteinwanderer, infolge ihres beträchtlichen Wachstums. Im Gegensatz dazu macht Paraná grosse Anstrengungen zur Besiedlung seines Gebietes, anfangs die transkontinentale Immigrationspolitik anwendend.

Im 20. Jahrhundert lassen sich in diesem Staat die meisten europäischen und asiatischen Einwanderer nieder, mit Ausnahme von Italienern, Spaniern und Portugiesen. Es kommen ukrainische, russische, japanische, polnische und deutsche Arbeiter, besonders eben Osteuropäer, die aus wirtschaftlichen, politischen oder religiösen' Gründen aus ihren Ländern auswandern. Zu ihnen gesellen sich diejenigen anderer älterer Siedlungsgebiete, die wegen der Landaufteilung aus Erbschaftsgründen ihre Gebiete verlassen und sich im Norden der Südstaaten neu ansiedeln wollen.

Die Einwanderer aus Deutschland haben allein in Paraná von der Jahrhundertwende bis zum Jahr 1953 dreizehn Landwirtschaftssiedlungen in verschiedenen Gegenden dieses Staates geschaffen, wie aus der Landkarte 2 ersichtlich wird.

-

30

Landkarte 2 - Die Haupt-Siedlungszentren Deutschsprachiger im Paraná

 

 

Wenn man diese Entwicklung von Siedlungszentren genau betrachtet, kann man feststellen, dass diese Land-Besetzung fast eine Herausforderung für die jeweilige Landesregierung darstellt, die sich nur in eine weitere Wirtschaftsplanung abändert, wenn der Verwaltungsapparat andere Verpflichtungen eingehen muss, die in seinen Kostenanschlägen aber mit der demographischen Besiedlungen einhergehen; sobald der Eintritt, versucht man, durch eine Reihe von Reden sein Verhalten zu rechtfertigen, unter anderen, das der Bevorzugung nationaler Arbeitskräfte. Auf Grund dieser Feststellung beurteilen wir die Interpretation von Wilson Martins als unkorrekt, dessen Worten nach dieser Neuorientierung sich auf patriotische Absichten der Gouverneure zugunsten ihrer Landsleute bezog. Wir zitieren hier das gleiche Beispiel von Martins, das nach den Worten von Caetano Munhoz da Rocha, aus Paraná, in seiner Rede aus dem Jahr 1922 eine nationalistische und fremdenfeindliche Haltung erkennen lässt. Der Staatspräsident erklärt sich gegen die Einwanderung, wenn sie aus öffentlichen Kassen bestritten worden muss.

(...) da es ihm weder gerecht noch vertretbar erscheine, dafür Geldmittel zur Verfügung zu stellen, die in den Schul- und Strassenbau gesteckt werden könnten, zum Wohl der Nation und der wahren Bevölkerung dieses Landes, nämlich den Wegbereitern des Landesinnern (apud MARTINS, 1989, S. 91).

Bald jedoch werden - zur Zeit derselben Konjunktur und der ihr folgenden - andere Politiker und Intellektuelle aus Paraná eine enorme Propaganda starten, um europäische Immigranten anzuwerben, die entweder direkt aus dem Ausland kommen, oder aus anderen brasilianischen Gebieten, wie Söhne von Ausländern, die nur wenig der nationalistischen Gesinnung unterliegen. Dieser zweite Gedankengang lässt sich damit begründen, dass dies weniger kostspielig ist als die Ansiedlung direkt aus Europa kommender Arbeitskräfte. So besorgt - durch eine patriotische, in dem Augenblick günstige Rhetorik - die jeweilige Landesregierung ihre notwendige Arbeitskraft, ohne die gleiche Menge an Geldmitteln einsetzen zu müssen wie die Nachbarstaaten, was zur Erhöhung seiner Einnahmen beiträgt, die sich aus der neuen wirtschaftlichen Entwicklung ergeben.

Nicht einmal der erste Weltkrieg konnte die Politiker der Südstaaten beeinflussen, die für die europäische, und ganz spezifisch für die deutsche Einwanderung waren. Anhand der Tabelle Nr. 2 lässt sich ein starkes Anwachsen der Immigration aus diesem Herkunftsland - im Vergleich zu vorhergegangenen Jahren – feststellen.


Tabelle Nr. 2 -Einwanderer deutscher Herkunft in Brasilien -

Einwanderungsjahr

1900-09

1910-19

1920-29

1930-39

TOTAL

Zahl der Immigranten

13.848

25.902

75.839

27.629

143.218


1900-39


 

 


Quelle: GERTZ, 1987, a 15

Diese Angaben zeigen, dass auch im 20. Jahrhundert die Gruppe von Immigranten deutscher Herkunft den 4. Platz belegt, nach den Italienern, Portugiesen und Spaniern.

In der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, als der Mythos von der deutschen Gefahr mit grosser Intensität durch die Presse, die Intellektuellen und den Nationalismus der Politiker geschürt wird, begnügen sich die drei südlichen Landesregierungen damit, Kampagnen zu starten, um für die portugiesische Sprache zu plädieren und die Einschränkung bekanntzugeben, dass Einwanderer nicht in öffentliche Dienste treten dürfen; Massnahmen, die sich nach Kriegsende wieder lockern. Die grösste Diskriminierung bis 1930 kommt von der bürgerlichen Gesellschaft, die in den Immigranten nur den Ausländer sieht. Diese Einstellung würde zu einem Klima der Ablehnung dieser Schicht gegenüber beitragen, was zu drastischeren Massnahmen seitens der offiziellen Stellen erst während der neuen Staatsform führen würde. Aber bis dahin nimmt die Zahl der Deutschstämmigen und Neueinwanderer noch zu, und diese gemessen eine relative Autonomie in ihren politischen Ausübungen. Ihre Zuwachsrate schwankt, wie die der anderen Länder auch, was jedoch auf die wechselhafte Regionalökonomie zurückzuführen ist.

Eine präzise Zahlenangabe der deutschen in Südbrasilien und den anderen Staaten zu nennen, ist eine sehr schwierige Aufgabe, denn die zur Verfügung stehenden Angaben wurden meist von intellektuellen gemacht, die von dem romantischen Begriff des Nationalismus und von der Idee "Grossdeutschland’' eingenommen waren, was sie dazu führte, nicht zu unterscheiden zwischen denjenigen, die schon Enkel und Urenkel deutscher Einwanderer waren und völlig assimiliert, und denen, die sich selbst hierzulande als "Deutsche" ansahen, oder, die effektiv noch aus Deutschland stammten.

Als eine Veranschaulichung erwähnen wir die Forschungsergebnisse des Geographen Reinhard Maak, der sich sehr eingehend mit der deutsch-stämmigen Bevölkerung in Paraná, dem jüngsten Kolonisationsstaat, beschäftigt hat; er stellte unter anderen fest, dass von den 126.000 deutscher Abstammung allein 40.000 ihre Muttersprache schon nicht mehr beherrschten (MAACK, 1939, S. 8 -28). Im Gegensatz dazu erwähnt der Pangermanist Ghese (1931), dass sich in demselben Gebiet zu der Zeit allein im Süden 1.200.000 Deutsche befunden hätten, die alle in den Interessen und Weltanschauung ihres Herkunftslandes übereinstimmten.

Trotz dieser Ungenauigkeiten können wir in Übereinstimmung der Nachweisquellen die von Gertz angegebenen Zahlen akzeptieren, deren Berechnung für das Jahr 1935 aus der Tabelle Nr. 2 hervorgehen.

Tabelle Nr. 2 - Regionale Aufteilung der deutschen Einwanderer
und ihrer Nachkommen in Brasilien - 1935

Staat

Zahl der Immigranten und Nachkommen

Rio Grande do Sul

600.000

Santa Catarina

220.000

São Paulo

90.000

Paraná

70.000

Rio de Janeiro

25.000

Espírito Santo

15.000

TOTAL

1.020.000

Quelle: GERTZ. 1987. S. 14

 


 

Bezüglich der Südstaaten stellen diese Zahlen 19,62% der gesamten Bevölkerung von Rio Grande do Sul dar, 22% von Santa Catarina und 6,9% von Paraná.

Die Ursprungsgebiete der Immigranten des 20. Jahrhunderts sind ebenfalls schwer feststellbar, denn sie kamen aus sehr viel verschiedenen Gebieten als ihre Vorgänger, so wie auch die Gründe der Auswanderung andere waren, was erst nach genaueren monografischen Studien kommentiert werden kann. Es waren jedenfalls nicht wenige Deutsche, die aus den ehemaligen afrikanischen Kolonien kamen, weil sie durch die Vorherrschaft der Alliierten nach dem ersten Weltkrieg vertrieben wurden (WILLEMS, S. 65). Wieder andere kamen aus Russland, aus dem Wolgagebiet, verbannt oder vor der Revolution geflüchtet, ein ähnlicher Prozess wie für diejenigen, die wegen religiöser Verfolgung diese Länder infolge des Pan-Slawismus des 19. Jahrhunderts verlassen mussten (FUGAMNN & BREPOHL, 1927 und BREPOHL, 1929). Die "Hanseatische Kolonisationsgesellschaft", früher "Kolonisationsgesellschaft von Hamburg", setzt ihre Aktivitäten im ersten Drittel dieses Jahrhunderts fort und erreicht im Jahr 1924 eine Zusage durch die brasilianische Regierung, 600.000 Hektar Land des Staates Santa Catarina zur Kolonisierung zu bekommen, woraus die Kolonie "Ibirama" entstand (RICHTER, 1986). Jedoch, und unabhängig von den staatlichen Interventionen, waren die beiden Weltkriege' ausschlaggebend für viele Ausweisungen dieser Deutschstämmigen aus allen Teilen Deutschlands.

Die Neu-Einwanderer, von den schon lange hier lebenden "Neudeutsche" oder "Deutschländer" genannt, und eben die Nachkommen deutscher Einwanderer, der Pioniere, welche sich als "Reichsdeutsche" oder "Brummer" bezeichnen, befinden sich in einer grossen Umbruchperiode, die sich durch die schnelle sozio- ökonomische Struktur der Südstaaten erklären lässt; wegen der Landzerstückelung und weiterer Abwanderungen in die Städte, oder andererseits dem sozialen Aufstieg einiger Deutscher entstehen eine Reihe von Stadtzentren kleinerer oder mittlerer Bedeutung. Ausser Curitiba und Porto Alegre entwickeln sich Blumenau, Joinville, Ponta Grossa, São Leopoldo und Novo Hamburgo zu Produktionsstätten von Manufakturen; sie bleiben also nicht nur Zwischenhändler landwirtschaftlicher Erzeugnisse.[15]

In dieser Zeit gewinnen auch die Vereins-Ausübung und die Erweiterung der deutschen Presse im Lande an Bedeutung. Gesangs-,

Sport- und Freizeitvereine, Religionszentren und Unterstützungs- Vereine, auch technische Beratungsstellen organisieren sich sehr systematischen in fast allen Gemeinden der Südstaaten, wo sich Einwanderer und Menschen deutscher Abstammung befinden. Schulen und Kirchen werden gegründet um die religiöse Identität und die Muttersprache, wie alles Germanische überhaupt, zu erhalten. Die Tages- oder Wochenzeitungen breiten sich zahlenmässig aus und ihr Inhalt wird abwechslungsreicher. Nachrichten im Zusammenhang über Ereignisse in Brasilien und Deutschland, religiöse Orientierung oder solche für das Leben in der Familie, Richtlinien für Jugendliche oder Anregungen für die Freizeit, technische Hinweise, sowie Titel oder Besprechungen didaktischer Bücher ziehen immer mehr interessierte Leser an. Ausser diesen Zeitungen und didaktischen Werken, die die Privatschulen in ihren Grundstufenprogrammen orientieren sollen, sind informative Mitteilungen der Vereine und deren Hinweise auf diverse festliche Gedenkakte zu erwähnen, wie auch Geschichtsbücher und Literatur, die sich durch das Leben der Immigranten inspirierte; dies alles brachten die Druckereien in Umlauf (BREPOHL DE MAGALHÃES, 1989, s.77-112).

Man kann einen neuen Charakter in fast allen Gesellschaftsformen und im öffentlichen Auftreten feststellen; anders als zur vorangegangenen republikanischen Epoche verfügt man über einen anderen allgemeinen Nenner, ausser dem Gebrauch der deutschen Sprache: es handelt sich um die Verteidigung und Verständlichmachung der notwendigen Erhaltung der ethnischen Identität. Gleich ob religiöse oder säkulare Schriften, alle waren sich darin einig- ihre verschiedenen Proportionen und Objektive vorbehaltend-, dass der Zusammenhalt dieser Gruppen als ethnisches Prinzip nicht nur als kultureller, sondern auch als politischer Faktor anzusehen sei.[16]

Diese Durchführungen dürften sich- als eine Art Verteidigungsstrategie jener Schichten- durch die Erfahrung mit dem ersten Weltkrieg verstärkt haben, nämlich aufgrund der Repressalien ' durch die Tatsachen, dass ihr Herkunftsland sich im Krieg mit Brasilien befanden. Es spielt auch eine wichtige Rolle in der Verstärkung ihrer Kontakte zur Gesellschaft des Einwanderungslandes - Resultate des aufblühenden Städtebaus, was sogar latente Differenzen zwischen den Immigranten und den Brasilianern hervorrief. Aber grundlegend ist in dieser Analyse das Verständnis für den grossen Einfluss der Mitglieder der verschiedenen deutschen Vereine hierzulande, die an der Auswanderung und den im Ausland lebenden Deutschen interessiert waren, wie zum Beispiel dem "Alldeutscher Verband", dem wichtigsten der Vereine, der "Deutschen Kolonialgesellschaft", dem "Evangelischen Hauptverein für Ansiedler und Auswanderer" und der "Hanseatischen Kolonisationsgesellschaft". Diese sind die Hauptantriebskräfte der deutschen Kolonisierungsbewegung, Ergebnis der Entwicklung eines Spät-Imperialismus, dessen Anschauung über das Erhalten der Identität als eine wichtige Strategie der Expansion seiner wirtschaftlichen Vorherrschaft betrachtet wurde.

Laut Mercedes Kothe, interessierten sich jene Organisationen dafür,

(...) den Einwandererstrom in die Südstaaten zu lenken, in ein Gebiet, in dem der Immigrant auch Konsument deutscher Erzeugnisse würde, und nicht ein Konkurrent - wie es bei den Einwanderern in die USA der Fall war (...) die Einwanderer in Gebieten anzusiedeln, wo sie Gebräuche und Gewohnheiten erhalten und auch noch deutsche Produkte verbrauchen würden: das wird die Regierungsaufgabe sein im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts: oder in der sogenannten Caprivi-Ära, eine Periode, in der Deutschland sich den Absatzmarkt seiner Produkte sichern musste. (1990. S. 7)

Angeregt durch diese Ideologie üben diese Gesellschaften starken Einfluss auf andere aus, sei es in Form von Unterrichtsstätten, oder durch die Kirche, durch Sport- und Erholungszentren, in Deutschland wie auch in Brasilien. Um eine Idee der Bedeutung derselben zu bekommen, erwähnen wir folgendes: 1910 sind auf einem Kongress über Kolonialpolitik allein 106 deutsche Vereine vertreten, gefördert durch den "Verein für das Deutschtum im Ausland - VDA".

Der Alldeutsche Verband und der Schulverein finanzieren den Bau von Schulen und Kirchen, sowie den Druck von Zeitungen, in denen sie ihre Theorien von "Grossdeutschland” weitergeben können, wobei die Hauptthemen Endogamie, Rassen-Vorrang und die wirtschaftliche Entwicklung ihres Landes sind. Einige dieser Idealisten des deutschen Nationalismus, die meist aus der Mittelschicht stammen, übersiedeln nach Brasilien, um dort neue Betriebe aufzuziehen, denn sie rechneten - ihrer Interpretation nach - mit der Treue ihrer Landsleute im Ausland. Oft verbündeten sie sich mit wohlhabenderen Schichten der Deutschbrasilianer und schlossen mit ihnen Handelsverträge ab, die unter anderen die Mithilfe zu Veröffentlichungen in deutscher Sprache und die Zusammenarbeit mit [17] den deutschen Vereinen, die schon seit dem 19. Jahrhundert bestanden, vorsahen.

Diese ganzen Tätigkeiten erweckten die Aufmerksamkeit der brasilianischen Intellektuellen, die darin die Bestätigung ihres Verdachts der deutschen Gefahr sahen und deren Strategie zu erkennen glaubten, sich in absehbarer Zeit in Südbrasilien Land anzueignen. Als das nationalistische Gefühl in Brasilien eins der wichtigsten Leitmotive der Elite wird - besonders vor dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges - ergreift diese Kampagne der Nationalisierung diese oben erwähnten Schichten ganz stark in Bezug auf ihre kulturellen und politischen Tätigkeiten.

Aber, wie wir schon bestätigten, wird der Zuwandererstrom der deutschen Immigranten auch durch diese Landeskonjunktur nicht unterbrochen, 1930 wird das Einwanderungs-Verbot infolge der allgemeinen Wirtschaftskrise erlassen, und nicht aus irgendeinem politischen Grund; als 1934 das Quotensystem eingeführt wird, erlaubt die legale Massnahme die Aufnahme von nur 2% jeder ethnischen Gruppe, die in den letzten 50 Jahren einwanderte; das benachteiligte jedoch nur asiatische und afrikanische Immigranten - was gar kein unerwünschtes Resultat war -, denn die jährlich aus Europa kommenden Immigranten überschritten nur sehr selten diesen vorgeschriebenen Prozentsatz.

Nicht einmal die Vorschriften der Tätigkeiten für Ausländer, die ihnen 1937 zum Beispiel Stellen in öffentlichen Dienstleistungsbetrieben untersagten, und die den Arbeitern des landwirtschaftlichen Sektors Vorrang gaben (80% jeder Gruppe), beeinflusste den Eintritt dieser Menschen ins Land negativ. Man nahm an, dass sich letzten Endes Ausländer, die arm ins Land kamen, sowieso nur selten für Dienstleistungsbetriebe interessieren würden; und die Tatsache, dass sie sich bei der Einwanderung als Landwirte eingetragen hatten, verbat es ihnen ja nicht, später auch andere Aktivitäten auszuüben.

Obwohl der herrschende Nationalismus schwerwiegend war und die anti-germanistischen Reden akzeptiert wurden, konnte man doch nicht ableugnen, dass die Immigranten weiss, diszipliniert und arbeitsam waren, Charakteristiken, die absolut mit der eugenischen Politik dieser Epoche harmonisierten (LENHARO, 1986). Der Regierung blieb also nur übrig, die Immigranten zu "verbrasilianern", was durch die Grundschulausbildung geschehen würde, deren Lehrplan nicht nur den ständigen Gebrauch der portugiesischen Sprache vorsah, sondern auch zum Kult der staatsbürgerlichen Werte der Nation anhielt, der sie von nun an dienen sollten.

Die bedeutsame Sympathieerklärung der Deutsch-Brasilianer zur pan-germanistischen Kultur dieser Epoche, wie auch ihr Enthusiasmus für den National-Sozialismus, lassen sich zum Teil als eine Form der Resistenz gegen die Politik, brasilianische Staatsbürger zu werden, erklären; sie lässt sich zwar gleichschalten mit diesem historischen Moment, erschöpft sich hier aber nicht. Es ist erforderlich, einen diachronischen Ausschnitt zu machen, durch den verständlich wird, wie der Mythos der irrationalen Einheit, das Bildnis des Befreiers und das Bewusstsein der auserwählten Rasse sich zur gleichen Zeit auch bei den Deutschbrasilianern einstellt, was die Form der Resistenz gegen die Assimilation ans Brasilianische noch vergrössert und - innerhalb der Möglichkeiten - eine Art von Bürgerrecht anstrebt, das doch sehr viel anders ist als in der Vorstellung der hiesigen Verfechter des Estado Novo (Neuen Staates). Obwohl die Deutschbrasilianer radikal gegen die anarchistischen und sozialistischen Bewegungen dieser Epoche in Brasilien waren,

strebten sie doch - genau wie die Brasilianer - die Teilnahme in öffentlichen Wirkungskreisen an. Sie unterschieden sich jedoch von ihnen darin, dass sie kein Projekt für die gesamte Nation besassen; sie sahen sich selbst als eine Körperschaft innerhalb der anderen, welche, zwar unterschiedlich, so doch dasselbe Recht zu existieren, zu denken und zu handeln haben müsse, und zwar im Einklang mit ihren herkömmlichen Werten. Sie fanden zur Zeit dieser Forderungen den Moment passend für einen geschlossenen Einsatz und versuchten, sich aus der politischen Isolierung zu befreien, die für sie seit dem ersten Weltkrieg bestand. Sie beanstandeten die Tatsache, auf politischer Ebene ignoriert zu. werden, während sie andererseits als disziplinierte und ordentliche Arbeiter anerkannt waren. In den Grenzen ihrer Landesvertretungen glaubten sie an die Möglichkeit einer Rückwanderung, oder einer Annektion der hier von ihnen bewohnten und bearbeiteten Gebiete an Deutschland, an eine definitive Heimkehr in ihr Vaterland. Wegen diesem Traum entstand die Auflösung ihrer zahlreichen Vereinstätigkeiten, sowie ihrer Kultur denn aufgrund der durchgeführten Gegenpropaganda durch die Nationalisten Brasiliens wurden ihre Ausübungen und Reden drastisch unterbunden. Nach Beendigung des zweiten Weltkrieges kamen etliche Kriegsteilnehmer und Flüchtlinge aus dem Ausland, um sich jenen Deutschbrasilianer anzuschliessen, die sich bis zum Ende der 50er Jahre in anderen, bis dahin unbesiedelten Landstrichen, niederliessen und das Kontingent der Industriearbeiter vergrössern halfen. Aber von da ab verhielten sie sich schweigsam betreffs der Teilnahmen an besonders wichtigen politischen Ereignissen, die die Handlungen verschiedener Länder in der Mitte dieses Jahrhunderts beeinflussten.

Allgemeine Betrachtungen

In diesem Kapitel durchstreifen wir die Einwanderungspolitik, die als Resultat den Zustrom von tausenden deutschsprachiger Menschen nach Brasilien zur Folge hatte, bedingt durch die zum Teil utopische Vorstellung der Arbeitergesellschaft, welche die Formulierung von Begriffen wie "Neue Welt", "Landüberfluss" und "Reichtum durch Mut, Disziplin und Unterwürfigkeit" anregte.

Wir haben gesehen, dass diese neuen Bewohner Amerikas eben dorthin gingen mit der Entschlossenheit, der Proletarisierung und dem Verlust ihrer einigenden Kultur zu widerstehen; es waren grösstenteils Bauern, Handwerker und Intellektuelle, die vor einem ökonomisch und politisch autoritären System flüchteten, und die in ihren Siedlungsgebieten Überlebens und kulturelle Ausdrucks-Formen neu schufen, die in ihrem Gedächtnis fest verankert waren, und die zu den Erfahrungen in ihrer neuen Welt hinzukamen. Verstreut auf verschiedene Orte eines Gebietes, das viel grösser als ihr Herkunftsland war, das aber für die Hiesigen nur ein bedeutungsloses Grenzgebiet darstellte, war es für die Eiwanderer doch nicht unmöglich, dieses Landstück als das ihre zu betrachten, und es nach ihren eigenen Wertvorstellungen, Gewohnheiten und Anforderungen des materiellen Daseins zu strukturieren. Sie organisierten sich politisch, soweit es zu dieser Zeit möglich war, das heisst unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten war ja jede Siedlergruppe - je nach ihren Erfahrungen - von der anderen verschieden.

Diese Feststellungen brachten uns dazu, mit einigen Autoren, die sich mit der traditionellen akademischen Biographie befassten, nicht übereinzustimmen. Diese Autoren sind hier durch das klassische Werk von Emilio Willems, (1980) vertreten, der bestätigte, dass die deutschen Immigranten eine homogene Gruppe waren, die sich von den anderen unterschied, weil sie sich von der restlichen Gesellschaft absonderte und isoliert lebte. Aber eben diese Isolierung, die Erhaltung ihrer Traditionen und das angebliche Desinteresse am nationalen Leben des Einwandererlandes galten auch für irgendwelche andere untergeordnete Schichten, wie vor allen Dingen für die naturalisierten Ausländer, die kein legales Recht hatten, am politischen Leben teilzunehmen. Ihre Resistenz gegen die Assimilation ist, während dieser ganzen Einwanderungszeit, absolut nicht total und nicht in jedem Fall wahr; es ist wahrscheinlicher, dass sie sich vielmehr ihren neuen Arbeitsformen anpassen mussten, die nicht immer denen ihres Herkunftslandes ähnlich waren, die sie aber den von den Fabriken angebotenen vorzogen. Die transkontinentale Abwanderung erlaubte ihnen die Erhaltung einer viel weniger "ausländischen" Soziabilität, als zum Beispiel die Migration aus einem kleinen deutschen Dorf in Grossstädte wie Hamburg oder Berlin, wo die sozialen Einrichtungen sie zu viel rigoroseren Änderungen in ihrem täglichen Leben veranlassen würde.

Die Endogamie, die unter anderen von Nadalin (1977) stark hervorgehoben wurde, war im 19. Jahrhundert nur von Bedeutung, wo in ihren Kolonien Menschen derselben Herkunft lebten und ihr Wirkungskreis nicht den Radius von 5-10 km überschritt, wie es ja in der traditionellen Gesellschaft üblich war. Im 20. Jahrhundert aber beginnt diese Isolierung sich zu lösen, unterstützt durch erwähnenswerte Reden des Alldeutscher Verbandes, obwohl tatsächlich weiterhin viele Siedlungen noch dieselbe Struktur aufrecht erhalten wie in der vorgegangenen Epoche.

Wir stellen ausserdem fest, dass der homogene Charakter, der diese Segmente prägt (ROCHE, 1969; OBERACKER, 1968), nur akzeptierbar ist, wenn man ihn anachronistisch betrachtet, durch die Brille des Nationalismus, der die Jahrhundertwende und die darauffolgenden Jahrzehnte charakterisierte, noch in der Annahme, dass dieses Nationalgefühl alle gleichermassen und mit derselben Absicht ansprechen würde, was eventuell zum besseren Verständnis beiträgt, dass die Immigranten seit ehe und je Pangermanisten waren - und blieben. Diese Auslegung trübt das Verständnis ihrer internen Konflikte, in denen die Äusserungen von Sozialisten, Anarchisten, Liberalen und Nationalisten alle reduziert sind auf ein neurotisches Symptom des Widerstands gegen die Anpassung an das Einwanderungsland. Obwohl die Immigranten ihrer eigenen Meinung nach, unter sich absolut verschiede waren, wurden sie von den brasilianischen Politikern und Intellektuellen, sowie auch in einen guten Teil der deutschen Literatur als "Gleiche" behandelt. Als diese Literatur sich festigte, wurden sie treue Leser derselben; und ob sie nun an deren Inhalte glaubten oder nicht, oder durch ein Medium verführt worden waren, dass für heutige Verhältnisse recht schwach, aber zu jener Zeit sehr wirksam war, das können wir heute nicht mit Gewissheit sagen. Sicher ist, dass sie viele Veröffentlichungen gelesen haben von den wenigen Autoren, die zu der Zeit schrieben, aber doch jenes Mal mehr schrieben. Und trotz ihres Verhältnisses und der Anerkennung dieser nationalen Ideen verwandelten sich dieselben in einen unbestreitbaren Beweis, dass ein ausländischer Nationalismus, der sich in der Literatur der Pioniere, im Deutschtum und im Nazismus herauskristallisierte, die politische Vereinigung des

Auffanglandes bedrohte. Und gegen diesen Nationalismus stellte sich ein anderer, der ihnen mit einem einzigen Befehl entgegentrat: nämlich dem der Integration in die Kultur, die Politik und die Wirtschaft Brasiliens.


 

II Bilder aus den Deutscheinwanderern in der brasilianischen Literatur

Am Anfang dieses Jahrhunderts, 1902, erscheint Graga Aranhas berühmtester Roman, der Canaä er nennt sich, einer der ersten modernen literarischen Werke in Brasilien.

Der Roman handelt von der Erfahrung zweier Deutscheinwanderer, die nach Brasilien kamen, um die "Versprochene Erde" zu finden; sie sind zu einer Kolonie in Porto Cachoeiro in dem Staate Espirito Santo gefahren.

Das Bühnenbild der Erzählung bietet uns eine Schätzung der brasilianischen Geschichte des 19. Jahrhunderts an; die europäische Einwanderung, das Ende der Sklaverei, die Konstruktion der brasilianischen Nation, die Sorge um die wirtschaftliche Entwicklung.

Allerdings, ist Aranha nicht mit dem Alltag der Bauern beschäftigt, weder mit ihren Kämpfen um zu überleben oder ihre ersten Fortschritte. Es handelt sich um einen Vorstellungsroman (romance de ideias), mit typischen Fragestellungen für seine Epoche; es ist der Mensch, der sehr bewusst ist ein Individuum zu sein, der sich fragt, ob der Weg des menschlichen Fortschrittes von der Vernunft oder von der Leidenschaft, bei der Freiheit oder von der Unterdrückung geführt wird. (ARANHA, S. 50-1)

Diese Überlegungen wurden von einem Schriftsteller hervorgebracht, der, der deutschen gelehrten Kultur zugetan war, weil er seine haupt-philosophischen Referenzen im ihr gefunden hat, wie die Orientierung seines Meisters Tobias Barreto, aus der "Recifense Schule" i

Die Repräsentation der deutschen Kultur wurde ihm nicht schwer noch wegen eines anderen Grundes: als Richter, lebte er acht Jahre in Porto Cachoeiro, eine kleine Stadt, wohin viele Deutscheinwanderer gekommen sind; deswegen konnte er sich in ihren Alltagsleben, Sitten und Volkskunde hineinfinden.

Die beiden Deutschen, die in dem Roman die Protagonisten sind, kommen nicht aus den niedrigen Schichten, wie die anderen Emigranten, und sie gehören auch nicht zu ihrer Kultur. Aranha stellt sie als Intellektuelle dar, und als Intellektuelle, halten sie die Realität fest, um auch an ihre Vergangenheit nachzudenken.

Milkau kommt aus Heidelberg, Sohn eines Schriftstellers und er selbst hat Literatur studiert. Idealist und beschaulich, wanderte er aus seiner Heimat aus, weil er sich sehr von der europäischen dekadentischen Zivilisation enttäuscht fühlte. Er kam nach Brasilien um eine neue Welt zu suchen, sein Canäa, wie er es nannte. Er glaubte, dass in Brasilien, unter den einfachen Leuten, er innerlichen Frieden und Harmonie finden würde. Nach seiner Meinung, kann eine mestitzische Gesellschaft viel zu der Kultur beitragen. Es ist zu bemerken, zum Beispiel, die Rede zwischen Milkau und den luso-brasilianischem Richter Paulo Maciel, der sich sehr skeptisch über die Zukunft Brasiliens äussert; Seines Erachtens, ist dieses Volk unfähig eine einzige Kultur auszubauen; Es sind Erben vieler Völker - [18]Rassen, deswegen haben sie keine Wir-Identität, und das soll bedeuten, keinen gemeinsamen Willen; wegen ihrer intellektuellen Schwäche, wurden sie eine unförmliche Menge; ..."Das ist eine Nation, die vorbereitet ist, von autoritären Regierungen beherrscht zu werden", behauptet der Richter.

Milkau, der Deutsche, antwortet:

No Brasil, ßque certo, a cultura se Jam regularmente sobre este mesmo fundo de populagão mestiga, porquejã houve o toque dluino da fuSão criadora. Nada mais pode embaragar o seu üöo (...) E no futuro remoto, a epoca dos mulatos passarä (...) (idem, S. 203)^

Milkau stellt auch den Deutschen dar, der wegen seines Idealismus eine saubere und organisierte Siedlung aufbaut, im Gegensatz des brasilianischen Volkes, der von seinen Instinkten beherrscht wird. Ein Beispiel dafür ist die Beschreibung einer Mulattin:

No batente da porta sentnva-se uma mulata moga. Toda ela era a própria indol&ncta. Os cabelos näo penteadosjaziam pontas como chtfres, a camisa suja cata 'a toda no colo desencamado e os peitos de muxiba pendiam moies sobre o ventre. (ARANHA, J902, S.32)3.

Aber die deutschen Bauern, gehorsame und hartnäckige, trotzdem wurden sie verarmt bei der Arbeit geistlich; [19] [20]

Via-se estampado o pensamento üntco de cumprir o deuer prdttco, de camtnhar para a Jrente no conjunto harmontoso de um sd corpo. (S.39) [21]

Bilder und Vorstellungen wie diese Beispiele haben vielen Lesern von Aranha geführt, ihm als einen Verehrer des deutschen Einwanderungsprozesses zu identifizieren. Es gibt aber in dem Roman eine andere Figur, die uns besser seine politische Stellung beweist:[22] es handelt sich um den zweiten Protagonisten, der sogenannte Lentz, der sich in eine andere Art von Deutschen verkörpert: er ist stolz auf seine Rasse und will das mestitzische Volk beherrschen, durch den Aufbau eines weissen Reiches in Brasilien. Nach seiner Meinung,

Hri que se aceltar a lei da Vida, onde o mais forte atrai o malsjraco; o senhor arrasta o escravo, o homem, a mulher. Tudo 4 subordinagäo e gouemo. (S.63)&

Sohn eines preussischen Generals, ein Mann von Status und Reichtum, Lentz wanderte aus seinem Heimatland aus, denn er verzichtete auf die Ehe; er wurde von seiner Geliebten enttäuscht, weil sie seinen Namen verlangte, um die christliche Sittenlehre zu

berücksichtigen, und aus ihm einen Sklaven zu machen, laut seiner eigenen Worte (S. 58). In Porto Cachoeiro, hatte er vor, ein Handelsmann zu werden, aber Milkau hat ihn überzeugt, eine aus der Regierung zugestandene Scholle mit ihm zu teilen.

Lentz, wie Milkau, liebte seine Heimat und sah sie als ein Vorbild der zivilisierten Gesellschaft; wie Milkau, unterschied er die anderen Einwanderer durch seine gelehrte Mentalität; er war nicht ein typischer Arbeiter, "der seine Freiheit im Namen des Materialismus" opfert (S. 39). Die Beiden glaubten an der Entwicklungstheorie, sowie an der Überlegenheit der weissen Rasse. Allerdings, unterschieden sie sich voneinander über den Weg und Weise um diesen Zweck zu schaffen: Laut Milkau, konnte die zivilisierte Stufe nur durch Solidarität und Liebe unter der Menschheit geschaffen werden, und der Fortschritt ist eine Voraussetzung der Freiheit:

Quando a humanidade partiu do silencio das ßorestas para o tumulto das ctdades, veto descrevendo uma longa pardbola da maior escravldäo ä maior liberdade. Todo o alvo humano e o aumento da solidariedade. d a ligagäo do homem ao homem, diminuldas as causas da separagdo. (S. 54) 7

Laut Lentz, nur wenn die Stärkeren den Schwachen beherrschen, schaffen die Männer die Zivilisation, und da ist das Schicksal der Deutschen in Brasilien. Nach seiner Meinung, wird die Kultur des Mulatten immer niedrig sein, weil die Neger in ihrem Blute die Bestialität tragen; so äussert sich Lentz; [23]

m de toda a sua vida two 4 a ligagäo vulgar e mesqutnha entre os homens, o que ele busca no mundo 4 realizar as expressöes, as Inspiragöes da arte, as nobres, Indomdueis energies, os sonhos e as visöes do poeta, para conduzlr como cheje, como pastor, o rebanho. Que importam a solidaddade e o amor? Vlver a vlda na igualdade 4 apodrecer num charco (...) (S. 54) &

Dieser Gegensatz zwischen Milkau und Lentz * Liebe und Macht - äussert sich durch die ganze Erzählung; Canaä stellt einen mikro- Kosmos dar, wo die Einwanderer leben und über ihre alte und neue Welt sich unterhalten. Milkau und Lentz symbolisieren den zivilisierten Mensch, der den Wilden besucht, eine kindliche und naive Gemeinschaft, die keinen modernen Mechanismus kennlernte. Gegen dieses romantische Vorbild, sagte Milkau aus:

Realmente e um belo quadro esse que vemos, e o espetäculo de um trabalho Uvre e individual nos embriaga de prazer, mas nojundo asststlmos a um co me go de civiltzagäo; 4 o homem que alnda näo venceu grande parte dasjorgas da natureza e estd ao lado dela numa postum humilde e servil. (S.66) 9

Eine andere Darstellung könnte in diese Erzählung formuliert werden; als einen Vorstellungsroman, wäre es nicht unvernünftig zu [24] [25] vermuten, dass Milkau und Lentz eine einzige Persönlichkeit repräsentieren, wie ein Geist in zwei Körper geteilt. Wenn man diese Folgerung akzeptiert, dann kann man ein Vorbild des Deutschen Geistes in der brasilianische Kultur Anden. Einerseits, ist es der romantische und idealistische Deutsche; andererseits benimmt er sich wie ein Krieger, und seine Rationalität, welche nötig ist, kann seine Empfindlichkeit unterdrücken. Sein Geist und seine Kultur wurden deshalb sehr stark von seiner Urgeschichte imprägniert; Philosophie und Kunst - die Liebe, gegenüber Krieg und Beherrschung - der Macht, sind unter den Deutschen unbeugsam verbunden.

Allerdings, gehöhrten Milkau und Lentz in Brasilien zu der Arbeiterklasse. Sie waren Bauern, und trotz ihrer Ausbildung, mussten sie lästig arbeiten. Unter dieser Bedingung, knüpften sie Kontakte mit der einheimischen Bevölkerung, indem die Hauptkennzeichen des "Deutschen" im Widerspruch zu den Charakter des Mulatten gezeigt werden - die Faulheit des Mulatten im Gegensatz zu der Arbeitsamkeit des Deutschen; der kleine und schwächliche Statur des "Cearenses" zeigt sich noch deutlicher gegen die Kraft und Grösse der Germanen (S. 73); die Naivität solcher einfache Leute erlaubte es nicht, die Mitteilsamkeit der hoch europäischen Kultur, die jene beiden Einwanderer besassen. Dazu noch empören sich die protestantischen, asketischen und ungeschlechtlichen Deutschen über die Sinnlichkeit und die Gaunerei der Brasilianer.

So haben wir ambivalente Gefühle und Einstellungen gegenüber die "Deutschen" zu beobachten, sei es ein einfacher Arbeiter oder ein Intellektueller; stark, diszipliniert, Glied einer überlegenen Rasse, würde in der brasilianischen Elite, die sich auf begieriger Weise den Fortschritt wünschten, bewundert, ebenso aber auch verursachte er auch ein Art Abneigung, weil er seine eigene Empfindsamkeit, im Namen einer wissenschaftlichen Vernunft erstickte.

Ausserdem war dieser Deutsche isoliert, der Anblick einer Kultur, die sich Mestize dachte, in ihren Werten und Gewohnheiten; war er, letzthin, der ewige Fremde, denn man in den imaginären Grenzen eine Reihe Verweigerungen, anlegte; und als man ihm ansah, "Brasilianer zu sein" wurde für viele, geworden, eine weniger unbestimmter Begriff, als einfach dasselbe Gebiet zu teilen und einer Zahl Gesetzten und Regeln untertan zu sein.

In diesem Kapitel habe ich vor, die Vorstellungen und Bilder welche über den Deutscheinwanderer gemacht worden sind, anzuerkennen, die sowohl in der brasilianischen Literatur wie in den Sozialwissenschaften hervorgebracht worden sind, um verschiedene Ansichten der Integration der Deutscheinwanderer in der brasilianischen gebildeten Kultur zu untersuchen. Es interessiert mich auch nachzufragen, in welchem Massstab diese unbeugsamen Vorstellungen und Auseinandersetzungen zur Verarbeitung (bewusst oder unbewusst) einer Reihe von Strategien, beitrug, die sich der politischen Mentalität des autoritären Charakters Brasiliens näherten.

 

Der Deutsche als Verkörperung des Deutschtums

O nosso contingente tem que ser brastleiro. O dia em que nds Jormos tntetramente brasüetros e sd brasüetros, a humanidade estarä rtca de mais uma raga, rlca duma nova combinagäo de qualidades humanas (...) avango mesrno que enquanto o brasileiro näo se abrasileirar, e um seLvagem. 10

Mario de Andrade, 1922

Das Bild des Deutscheinwanderers wurde praktisch bearbeitet zur Zeit des Kaiserreiches. Was sich auf die politischen Debatten bezieht, war sie in der Zahl der Betrachtungen zu Gunsten und gegen den Ersatz der Sklaven-Arbeitskraft durch die der freien und europäischen Arbeitskraft.

Es ist auch gewiss, dass es eine bestimmte Befremdung in Hinsicht auf den nicht katholischen Europäer, sich bemerkbar machte, zur Verteidigung der kulturellen Werte, welche die ersten Kolonisten mit sich brachten. Diese Sorgen waren mit einem nativistischen Gefühl einer patriotischen Eingebung, verbunden, der in den höheren Schichten der Gesellschaft, entstand. Aus dieser entstammen eine Reihe Schriftsteller die, als sie nach Coimbra und Paris zurückkehren, arbeiten sie Themen, aus welche ganz die romantischen Modelle ihrer Meister, nachahmten: eine sentimentale und idealistische Beschreibung der Vergangenheit, die Erhebung der in freier Übersetzung: Unsere Bevölkerung muss brasilianisch sein. An dem Tag da wir vollständig Brasilianer sein werden, und nur brasilianisch, wird die Menschheit mit noch einer Rasse bereichert, reicher mit einer neuen Verbindung menschlicher Eigenschaften (...) ich behaupte, dass derweil der Brasilianer sich nicht verbrasilianert, ist er ein Wilder Natur, die Suche nach einem mystischen und heldensinnigen Ursprung der Heimat. Die Heimat wurde übrigens vom Bild des Indianers dargestellt, was eine einfache Neuauflage der Bon Sauvage laut Jean Jacques Rousseau repräsentierte.

Die Literatur hatte ihren Mäzen, es war der eigene Kaiser, der die Bildung einer nationalen Kultur durch Kunst und die Geschichte anspornte, 11 eine Initiative, das nicht aus politischen Gründen, sondern aus persönlichem Wunsch geschah, in dem er den "Körper" seiner Heimat kennenlernen wollte, dessen Oberhaupt er war.

Diese brasilianische Literatur, typisch dieser Epoche, hatte ein beschränktes Publikum, das heisst, die zu den hohen Schichten gehörende Jungend und die ausgebildeten Beamten des Hofes, welche an den literarischen Dilettantismus gewohnt wurden; derweil sie die aus Europa, von den Dichtem mitgebrachten romantischen Ideen, kennenlernte, wurden sie von einer Art "Selbständigkeitsgefühl" beeinflusst. Dieser von der offiziellen Politik geförderte Nativismus trug für den europäischen Einwanderungs-prozess bei. denn laut der Meinungen vieler Politiker, würden "diese arbeitsamen und ehrbaren Männer den Reichtum und den Fortschritt Brasiliens, durchführen”.

Es ist hervorzuheben, dass die literarischen und geschichtlichen Schriften damals von mundartlichem Charakter imprägniert waren, sowie auch die Politik und die Kultur es waren. Deshalb als später die Veröffentlichungen vom ganzen Land handelten, beschränkten sie sich darauf, die Nation, ihre Symbole und ihre Sprache zu feiern.

Aber nur um die Jahrhundertwende, wird der Deutsche [26] Einwanderer im kulturellen Bühnenbild Brasiliens vorgestellt, wo der schon vorhergenannte Roman Aranhas ein sehr wichtiges Beispiel dafür ist. Seitdem Canaä erschien, fing die brasilianische Literatur an, in vielfältigen Formen den deutschen Einwanderer in seiner Bedeutung, sei es den aus Europa oder den aus Vereinigten Staaten als leitendes Vorbild zu beschreiben, zu denen sich die Sinnbilder der Gesellschaft fügten; Gewissenhaftigkeit, Disziplin, Rationalität, der Deutsche im Gegenteil zum Lateiner, sind Beispiele für die ersten Eindrücke, die in der Literatur sich äussern.

So charakterisiert sich der Roman Mario de Andrades, welche in 1927 herausgegeben wurde,[27] und sich Amar, Verbo Intransitivo nennt (Zu Lieben, ein intransitives Verb). In seiner Erzählung sind die Unterschiede zwischen den Deutschen und den Brasilianern, deutlicher betonnt.

Die Auswanderin "Fräulein Elza" ist die Protagonistin des Romanes, und als "Fräulein" wird sie immer genannt. Sie ist eine 35-jährige Frau, die als Haushälterin in einem portugiesisch- brasilianischen Hause eingestellt wurde, deren Familie die aufsteigende Bourgeoisie aus São Paulo vertritt.

Bei der Beschreibung der ersten Kontakte zwischen diese deutsche Immigrantin und den anderen Roman-Figuren, stellt Andrade sie als eine ausgebildete und formelle Frau vor, dessen Genügsamkeit ihr jede Empfindung zu äussern, verbietet.

Sie wurde in zwei "Ichs" geteilt; in den "Traum- Mensch" (o homem do sonho), der sich romantisch und idealistisch charakterisiert, aber in sich selbst verborgen, und den "Lebens-

Mensch" (o homem da vida), der sich sehr praktisch und sachlich benimmt, welcher sich in jeglicher Situation äussern darf. Diese Persönlichkeit scheint uns, denselben deutschen Geist zu verkörpern, welchen Aranha, als er Milkau und Lentz beschreibt, zuspricht.

Als "Fräulein" zu Souza Campos kommt, bringt sie Bilder von Richard Wagner und Bismarck mit, und noch eine "grosse Anzahl Bücher".

Bei ihrem Antritt, beginnt sie sofort ihre Arbeit, ohne Fragen zu stellen oder zu zweifeln, stellte auch keine Frage über Bewegungen oder Regungen, womit sie nicht zu tun hatte.

Elza war unfähig zu jeder Spitzfindigkeit, sie lachte nicht noch weinte sie; ihr Rhythmus war ruhig und taktmässig; sie übte langweilig ihre Tätigkeit aus und hatte einen einzigen Zweck: Geld zu sparen um nach Deutschland zurückzufahren.

"Fräulein", eine arianische Frau, ist die Hauptfigur des Romanes. Trotzdem, im Gegenteil zu den romantischen weiblichen Protagonisten, ist sie nicht hübsch und zerbrechlich. Als Expressionist, beschreibt sie der Schriftsteller als ein sauber, gesund und wahrscheinlich fruchtbarer Typ; ausserdem benimmt sie sich wie eine Soldatin; aber wenn sie allein ist, träumt sie von Liebe, von Heimweh, von der Natur und davon sich, ein Heim aufzubauen.

Das Fräulein hatte eine heimliche Pflicht bei Souza Costas Familie zu erfüllen, was nur der Familienchef kannte. Sie war verantwortlich für die ersten sexuellen Erfahrungen des ältesten Sohnes Carlos Costa.

Am Anfang treibt sie diese Tätigkeit als ob sie eine irgendwelche Aufgabe wäre, wie zum Beispiel, Klavier spielen oder die deutsche Sprache zu lehren. Aber nach und nach beginnt sie sich in Carlos zu verlieben.

In diesem Moment, beschreibt sie der Erzähler als ein

zerrissenes Wesen, laut den Worten Andrades:

Estava muito pouco Fräulein neste momento. Porque Fräulein, a Elza que princlplou este Idillo era uma mulher felta, que näo estava dlsposta a softer. E a Fräulein deste mlnuto £ uma mulher desfetta, uma Fräulein que sqfre. E- porque sojre estä al£m de Fräulein, alem de alemä: 6 um pequenino ser humano.(I927, s. 119) ^

Und was die Freude am Sex anbetrifft, bis dahin unbekannt, verwandelt sie in einem grotesken Wesen, sozusagen, eine Karikatur der Elza. Laut Andrade:

Os olhos dela pouco a pouco se fecharam, cega duma vez l...)Das partes profu.nd.as do serüie vtnham apelos vagos e decretos Jracionados. Se misturavam animalidades e invengöes geniais. E o orgasmo. Adquiria enßm uma alma vegetal. E asstm perdida, assim vibrando, as narinas se alastraram, os läbios se partiram, contraqöes, rugas, esgar, numa expresSão dolorosa de gozo, ficou Jeia. (S. 120)[28] [29]

Aber als das Idyll aufhörte, unterdrückte das Fräulein ihre heimlichen Gefühle, und ihr "öffentliches "ich” triumphiert". Sie verzichtete auf die Mischung. Es ist nicht Wagner (der Traum- Mensch), sondern Bismarck (der Lebens-Mensch), der sie aus dieser Wohnung heraus führt. Sie ging weg, um irgendwo anderen Liebeslehren zu geben.

Das Vorbild des Deutscheinwanderers als Verkörperung des Deutschtums, als ein Individuum, der identisch wie irgendeiner aus ihrem Volke, stark, kriegerisch, gefühllos, ein echter Sohn Odhins wird in vielen anderen Romanen und Erzählungen imprägniert werden, sei es in der Literatur, sei es in den Zeitungen oder selbst in den populären Chroniken.

Im Rahme der Sozialwissenschaften ist es aber, dass die Deutscheinwanderung systematischer behandelt wird. Ich beziehe mich besonders auf die Erscheinung des kritischen Geistes, der zum Ende des Kaiserreiches und zu Anfang der Republik entwickelt wurde.

In dieser Konjunktur ist es wichtig den Schriftsteller Sylvio Romero zu erwähnen. Er war der Erste, welcher die Deutsche Einwanderung, als ein wissenschaftlicher Themenkreis behandelte.

Sylvio Romero war ein Intellektueller, der sich am stärksten den nationalistischen Ideen verpflichtete. Deshalb strebte er danach, den Versuch einer selbständigen Identität für die brasilianische Gesellschaft zu erreichen, die weder im Allgemeinen einer europäischen noch portugiesischen Kultur begründet sein sollte.

Er beginnt seine literarische Betätigung als Kritiker in der 70. Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, und sorgt sich seitdem mit der analytischen Funktion der Literatur. Er verwirft die romantischen Vorbilder und schlug es vor, die Bearbeitung des Studiums der brasilianischen Kultur nach modernen Methoden zu machen, infolgedessen orientierte er sich nach der Entwicklungstheorie von Haeckel und Büchner.

Romero gehörte, wie auch Graga Aranha, zu der "Recifense- Schule" [30]; allerdings, laut Antonio Candido, (1988, S. 31u.w.), waren seine Kenntnisse über die deutschen Denker nicht so gründlich tief wie die seines Meisters Tobias Barreto. Es handelte sich um Lektüre und Auslegungen, welche durch die Franzosen vermittelt wurden, mit welchen er wirklich enge Kontakte anknüpfte. Diese Bemerkung ist wichtig um das Verständnis seiner Annäherung zu Gobineau zu fördern, sowie auch die leeren Stellen in seinen Gedanken und derjenigen von ihm bewunderte deutsche' Wissenschaftler; vor allem, es ermöglicht uns seine Identifikation mit dem Mythos der "Deutschen Gefahr" zu verstehen, wie dieser Mythos von den Franzosen bearbeitet wurde. Deswegen, war Romero einer der wichtigsten Verbreiter dieser Ideen in Brasilien.

Als ein in der Völkerkunde interessierter Schriftsteller und ein Literaturwissenschaftler verstand und analysierte er die brasilianische Kultur als einen Wiederschein des rassischen Mischungsprozesses; diese Kultur entstand aus der Verschmelzung dreier Rassen, das heisst, die Weisse, die Schwarze und die Rote. Diese durch Verschmelzung entstandene Rasse, deren Geist noch aufzudecken wäre, würde für die soziale Kohäsion verantwortlich sein, die das Land bedurfte, um seine historische Besonderheit zu bilden. Deshalb konnte sich Brasilien in Zukunft als ein Land mit seiner Eigenart gegen der Welt gegenüber äussern.

Diese Überlegungen, die von Gilberto Freyre in den 30. Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts tiefer ausgearbeitet wurden, [31] lehnte sie nicht ab, aber verminderte die rassistischen Tendenzen des europäischen Geistes, welche ein Vorbild für die brasilianischen Intellektuellen war.

Gleichdenkend mit denen seines Zeitgeistes, gab Romero wohl die Niedrigkeit des Negers und Indianer zu, aber er glaubte auch dass; durch häufigere Mischungen und mit der weiterlaufenden europäischen Einwanderung eine Zunahme der Bevölkerung entstehen würde und die Eigenart der Weissen sich gegen die Anderen durchsetzen würde.[32]

Wenn jedoch, die Utopie des Vergleichens der brasilianische Rasse (O branqueamento da raça brasileira) ein Erfordernis zu einem bestimmten Fortschritt des Ethos zu bilden ist, und das Verbleichen durch die europäische Einwanderung erreicht würde, warum stellte sich Romero gegen die Deutschen, solch ein unbestreitbar arianisches Volk? Es handelt sich um nach dem unordentlichen Charakter der deutschen Ansiedlung in Brasilien zu fragen, sowie die Unentschiedenheit ihrer Rolle in der brasilianischen Gesellschaft. Von den Deutschen sollte man nur ihren biologischen Charakter wie auch ihre Leistungsfähigkeit in der Arbeit gebrauchen; aber nicht in der Politik weder noch in der kulturellen Bildung Brasiliens durften sie teilnehmen. Denn sie gehörten nicht der brasilianischen Vergangenheit an (noch ihrer Geschichte), deshalb würden sie auch nicht zu der Zukunft gehören, weil sie Träger einer fremden Kultur waren.

Sie sollten also als ein biologischer dazwischenliegender Grundstoff dienen, um das brasilianische Volk zu formen.

Lassen wir uns durch Romero aufklären; in einer seiner Veröffentlichungen, welche von der Deutscheinwanderung handelten,[33] analysiert er, eine von ihm selbst aufgezeichnete völkerkundige Landkarte, auf der wurde das brasilianische Gebiet in vier völkischen Gegenden geteilt. Die nordische und westliche Mittelzone ist eine Wildnis und laut dem Verfasser, kaum bewohnt; deswegen sind sie auf dem Risiko des nord-amerikanischen Ausdehnungsdranges.

Die südliche Zone, die von Rio de Janeiro bis zu dem Rio Grande do Sul sich hinzieht, steht unter den Einfluss der Italiener und der Deutschen, die für ein bedeutendes demographisches Wachstum, verantwortlich wird. Zuletzt die vierte Zone, die Ost-Nord und Ost-Süd Brasiliens umfasst geht (von Maranhão bis zum Staates Espirito Santo), hier wurden die Portugiesen die Mehrheit der Bevölkerung, und deren Hauptproblem ihrer Tendenz zur Mischung ist.

Was die deutsche Bevölkerungskonzentration in Santa Catarina, Paraná und Rio Grande do Sul anbetrifft, repräsentiert sie, laut des Verfassers, ein doppeltes Risiko; erstens, die rasche wirtschaftliche Entwicklung, die intensiver als in den anderen Gebieten ist, dank der Arbeitsamkeit dieser Bewohner. Diese Entwicklung bedroht die Hegemonie derer die von portugiesischer Abstammung sind, und gleicht bald ihrer herkömmlichen Kultur. Zweitens, bezieht sich auf die Möglichkeit eines Verlustes der sprachlichen Einheit, da die deutsche Sprache doch häufig unter die Einwanderer benutzt wird.

Tatsächlich erreichte in der Jahrhundertwende dieses Gebiet, im Vergleich zu den anderen, einen bedeutenden Fortschritt, denn die Verteidigung des kleineren Besitzes ermöglichte die Erschaffung eines Inneren-Marktes und folglicherweise die Entstehung einer ausdruckvollen Mittelklasse.

Ausserdem bewahrten viele Einwanderer die deutsche Sprache, als ihre Umgangssprache, sei es wegen der Unkenntnisse der portugiesischen Sprache, oder aus psychologischen Gründen. Solche Faktoren trugen dazu, nach Romeros Meinung, um die politische Rivalität anzukurbeln.

Um diese Probleme aufzuheben, müsste die deutsche Bevölkerung sich im ganzen brasilianischen Gebiet verteilen.

Nach seiner Meinung ist die Politik streng mit der Biologie verwandt. Wenn ihre Methode in den Sozialwissenschaften gebraucht werden, scheint es mir, dass tüchtige Programme und Werbungen den Willen der Menge in Richtung der leitenden Mischung durchführen könnten. (1904. S. 313)

Anderes gesagt, schlug der Verfasser die Verbreitung der Arianischen Vertreter in anderen Gebieten vor, damit sie selbst durch das Heiraten Mischehen eine neue Bevölkerung produzieren könnten. Gleichzeitig sollte die Regierung Werbungen planen, um das Bedürfnis andere portugiesische Einwanderer zu fördern wegen der Hegemonie der nationalen Sprache.

Die Ideen Romeros über die Deutscheinwanderer werden deutlicher in der Veröffentlichung O Germanismo no Sul do Brasil (Das Deutschtum in Süd-Brasilien), der in einer Zeitung von Rio de Janeiro, erscheint. In dieser formulierte er eine Analyse über die deutsche Geschichte, die bis ins Altertum zurückgeht, um die fast genetische Tendenz dieses Volkes zu dem Ausdehnungsdrang zu prüfen; solche Kennzeichen werden als eine Tugend angesehen, wie man aus seinen Betrachtungen über das Zeitalter Bismarcks bemerken kann;

Was für ein Volk ist dieses Volk. Schau die Herrlichkeit, die Kühnheit seiner Ziele, die Unerschrockenheit wen es spricht; da hört die Regierung auf die Intellektuellen und nimmt ihre Ratschläge an. {1906. S. 17).

Trotz dieser Lobreden, fürchtet Romero davor, dass die völkischen und sprachlichen Prinzipien, auf welche die Deutschen sich gründen, um ihre Nationalität zu bestimmen, gilt auch für die deutschen Ansiedlungen in Brasilien; denn wenn das Boden-Prinzip (jus soils) nicht berücksichtigt wird, wird Süden Brasiliens sicher ein von den Deutschen als ein Eroberungs-Zweck gesehen, was vorläufig noch nicht geschehen ist, dank der politischen Kraft des Panamerikanismus, von den Vereinigten Staaten ausgeführt.

Gemäss den Nachrichten aus den französischen Zeitungen, den Gliedern des Alldeutschenverbandes und selbst der deutschbrasilianischen Presse, beweist man das Risiko, einen neuen unabhängigen Staat in Süden Brasiliens zu gründen, unmittelbar mit Deutschland verbunden, deren Regierung ihm den militärischen Schutz gäbe.

Andererseits, kritisierte Romero die Einwanderer, weil sie kein Interesse für die Öffentlichkeit in Brasilien hatten (das heisst, seiner Meinung nach, für die politischen parteiliche Streite), weil sie nicht die nationale Sprache kannten und auch weil sie die Regierung nicht berücksichtigten.[34] Er widersetzte sich auch den süd-brasilianischen Politikern, denn wegen der Wahlen und ihrer populistischen Haltung unterdrückten sie nicht diesen Unternehmungsgeist.

Und laut einer seiner Anhänger Romario Martins, selbst das Wahlrecht sollte den Deutscheinwanderer verboten werden, bis dass sie ihre Liebe zu der neuen Heimat bewiesen hätten. Laut Martins, während dem das sich nicht ereignete, würden sie nur zu arbeiten berechtigt sein (MARTINS, 1900, s. 67).

In dieser Richtung, wurde unfraglich, das Verbot des Gebrauchens anderer Sprachen, ausser der "nationalen" Sprache, das Verkaufen grösser Besitze an Ausländer und die obligatorische Lehre der portugiesischen Sprache in den privaten-Schulen. Es würde sich noch nötig zeigen, einer demographischen Politik anzuregen, die eine Zwangsmischung durchführte.

Intellektuelle wie Sylvio Romero und Romario Martins beeinflussten nicht, trotz ihrer Anstrengungen, die offizielle Politik in Brasilien. Das geschah nicht, weil ihre Gegner stärker waren, aber wegen des öffentlich-betriebswirtschaftlichen Charakters dieser Konjunktur. Ausser ihrer Verachtung gegenüber der Intellektuellen, wie Romero damals schon beklagte, die relative Unabhängigkeit der provinziellen Regierungen ermöglichte es nicht, dass ein umfassender und geplanter nationale Massstab ergriffen werden konnte. Deshalb wurden ihre Verlegungen über die Nationalität und die Kultur nur unter anderen Intellektuellen in Betracht gezogen. Solche Ideen sollten mindestens zwanzig Jahre warten bis sie berücksichtigt werden konnten; es wurde nötig, dass gebildete Männer sich einer Regierung näherten; eine Regierung, die besorgt war, Brasilien zu lieben, es zu schätzen, sich um seine Zukunft zu bemühen und einen Neuen Staat (Estado Novo) [35] zu gründen; dazu aber mussten solche Ideen alles Fremde verabscheuen.

Der Deutsche als eine Rasse

In einer kurzen Episode des Romans Um lugar ao sol (Ein Platz unter der Sonne) [36], von Erico Verissimo, einer der populärsten Schriftsteller Brasiliens seit der 30. Jahrzehnte, ein junger Mann hat ein zufälliges Liebesverhältnis mit einer deutschen Frau, die sich Annelise nennt, deren Beruf oder soziale Stellung unbekannt ist.

Von den zwei anderen Roman-Figuren, die auch Deutsche sind, wurde ihre Vergangenheit wie auch Einzelheiten ihres gegenwärtigen Alltags nicht geäussert.

Der junger Vasco ist arbeitslos; er wandert unterwegs umher, durch die beweglichen und lärmenden Strassen von Porto Alegre, als er aus Versehen Annelise trifft, eine deutsche Frau, die

(...) uma mulher que "parecia de mnrmore, de gelo, de g£sso, de qualquer coisa, menos da matärta de que ile fora/eito". (1966. (1936j, S. 667) [37]

Ohne ein Wort Portugiesisch zu können, zieht sich Annelise Vasco mit Gesten, Seitenblick und Umarmung an. Sie gehen in Kaffees, zum Strand, ins Kino, irgendwo, ohne ein Wort zu tauschen.

Nach einigen Tage, lädt sie ihn zu ihr ein, ein typisches deutsches Haus, das trotz seiner Grösse, fast unbewohnt scheint; vielleicht blieb Annelise immer allein.

Im Zimmer der Geliebten, während Vasco auf sie wartet,

Vasco apanhou distraidamente uma revista (...) eram prospetos das oltmpiadas de Berllm. Folheou a revtsta. Vistas de Colönia, de Francofort de cldades das margens do Reno (...) Tudo aqullo pertencia a um mundo sonhado mas nunca visto. Annelise pertencia a esse mundo: a sua figura esbelta, os seus cabelos louros eram produto daquela patsagemfria, daquela terra onde ca(a neve no inuemo. Vasco sentiu-se estrangeiro. (S. 714) 23

Diese Erfahrung eines zweiundzwanzig jährigen Jungen, der gerade in die Hauptstadt gekommen ist, provozierte eine komische Erinnerung, in der sich erotische Sensationen, Schuld, Liebe und Hass vermischten, ausserdem noch die Schande, weil er im Vergleich zu der Geliebten einer unterlegenen Schicht gehörte.

Nach dieser Begegnung, fühlte sich Vasco ein Verräter seines Volkes, seines Clans, des Geistes seiner Gruppe (S. 714). Trotzdem war er verliebt, und konnte es nicht verhindern, sie wieder zu treffen. Wahrscheinlich wäre er immer bei ihr geblieben, wenn diese deutsche Frau, trotzdem sie ihn während des angenehmen Abendeuers "Mein Wilder" nannte, zurück nach Deutschland gefahren wäre dank ihrer Enttäuschung gegen dieses Land.

Leben ohne Vergangenheit, Unmittelbarkeit mit den Menschen, weil sie nicht die gleiche Sprache kannten, Annelises freiwillig Exil, die Schuld und Leidenschaft Vascos, das sind die Szenen eines [38]

Romans, der wie für einen Kinematographischen Leitfaden geschrieben wurde, in einer von Verissimos zugetaner Ausdrucksweise, seit er ein Kind war. Und als ein Kind, das einen verbotenen Film anschaut, so spricht der Verfasser von Leuten, die nachts über düstere und verdächtige Plätze laufen, wo Frauen, wenn überhaupt welche da sind, nötigerweise vergängliche Wünsche erwecken.

Gleichdarauf, nimmt die Erzählung eine andere Richtung ein, welche das langweilige Leben der ernsten und konventionellen Leute betrifft.

Um lugar ao Sol umfasst eine Reihe von literarischen Werken, die in Brasilien als regionalistische-Romane bekannt wurden. Wie Gracilianos Ramos, Jorge Amado und Lins do Rego, interessiert sich auch Verissimo für die Beschreibung der universellen Themen, die mit den innigsten Ansichten seiner Roman-Figuren, sowie mit deren subjektiven Erfahrungen ihrer Umwelt, in welcher sie eingefügt sind, zu behandeln.

Verissimo entfernt sich auch anderen Verfassern wie Mario de Andrade und Graga Aranha, nicht nur wegen seiner regionalistischen Einstellung, sondern auch seiner Ansicht dem Deutscheinwanderer gegenüber; als "Gaucho", [39] hat er es früh gelernt, sie als Mitbürger neben andere Einwanderer, zu verstehen. Er war es gewohnt, sie in ihrer kulturellen, politischen und sozialen Verschiedenheit anzuerkennen, wie er in anderen Romanen, zum Beispiel, die Figuren seines berühmtesten Werkes O tempo e o vento schildert. Ausserdem konnte er als "Gaucho" leichter den Unterschied zwischen die Deutschbrasilianer und die in Rio Grande do Sul wohnenden Deutschen erkennen.

Allerdings, schreibt er dieses Buch im Jahre 1935.

Infolgedessen scheint es uns unmöglich, dass Annelise nur zufällig eine deutsche Frau war, und Vasco, ein Mestize aus der unterlegenen Schicht, Freund von Rebellen, Anarchisten und Revolutionäre. Es wäre auch nicht unwägbar zu vermuten, dass dieser kleine Auszug des Romans Um Lugar ao Sol die Bestrebung hätte, das freiwillige' Exil mancher Deutschbrasilianer, welche von dem National­sozialismus verführt würden, oder der Schock der beiden Kulturen, die trotz ihres vertrauten Umganges weit über ein Jahrhundert, begonnen sie sich starrsinnig abzusondern als ob sie vollkommen fremd wären. Oder könnte es ein Auszug dieser Utopie das Verbleichens spiegeln, dessen Vertreter keine Bewunderung in Verissimo hervorrief; der Wunsch weiss zu sein, das Minderwertigkeitsgefühl, die Leidenschaft und der Hass zu der werdenden vorbildlichen Zivilisation des deutschen Volkes, sind wahrscheinlich Darstellungen die, die Bestürzung des Verfassers gegen das kulturelle Bühnenbild seiner Epoche offenbart. Und wenn diese Darstellung in den Überlegungen des Verfassers vorhanden waren, kommen wir auf den eugenischen Gedanke von Oliveira Vianna, der Sozialwissenschaftler, der die Ideen Romeros in der zwischen-Periode der beiden Kriege, das heisst, die dreissiger Jahre, vertritt.

Die Einwanderer nach Viannas Weltanschauung

Wenn man die Autoren, die von der Entwicklungstheorie in Brasilien inspiriert wurde, analysiert, welche sich über den wirtschaftlich, kulturellen Rückstand Brasiliens sorgten, wird man

keine wesentliche Erneuerung in den Werken Oliveira Viannas finden.[40] Wie Sylvio Romero, Nina Rodrigues, João Batista de Lacerda, Romario Martins, unter anderen, verteidigte er das Bedürfnis des Verbleichens der brasilianische Rasse und die Unmöglichkeit des demokratischen Systems in der brasilianischen Politik, solange das Nichtvorhandensein einer durchaus bewussten nationalen Identität dieses Volkes aufzuweisen wäre. Gleichwie die anderen Schriftsteller, lehnt Vianna die romantischen Vorbilder ab, seiner Meinung nach, bedeutet das nur eine eigeschränkte Erhebung der Heimat und der Natur.

Vianna selbst bekennt es, dass er sich der soziologischen und volkskundlichen Methoden sowie der Geschichtswissenschaft bedient, um die Last der Vergangenheit über die gegenwärtige Gesellschaft zu identifizieren, gemäss der Übereinstimmung der "Recifenser-Schule".

Aber trotz seiner Identifikation mit den Intellektuellen, die für um wissenschaftlichen Gedanken kämpfte, deren Publikum sich unter ihren Mitspielern als Teilhaber einschränkte, sprach jedoch Vianna von einem anderen und einzigartigen politischen Standpunkt, denn er wurde, unter anderen, von den offiziellen Mächten aufgefordert, die kulturelle Politik und die politische Kultur anzudeuten. Es ist nämlich die Konjunktur, welche seine Ideen bekannt macht, welche für die Veränderung solcher Debatten verantwortlich war. Sie besteht nicht mehr aus der reinen Rücksicht des gelehrten Wissens, wie in der gebildeten literarischen Aussprache, aber aus der Politisierung der kulturellen und geschichtlichen Thematik; denn die Hersteller der kollektiven Gedächtnisse wurden streng mit den institutionalisierten Mächten verbunden, um die echte Ausübung der Herrschaft zu gewährleisten. (DE DECCA, S. 72, u. w.).

Welche Ereignisse spielten eine wichtige Rolle für diese Umwandlung? Zuerst ist die nationalistische Ideologie zu erwähnen, die seit des 19. Jahrhunderts in Brasilien als eine der Hauptleitmotive' der hohen Kultur erklärt wird, und die während des ersten Weltkrieges einen entscheidenden Antrieb erlebt.

Mit der diplomatischen und militärischen Anordnung dieses Landes zu Gunsten der Alliierten ergab es sich, dass der Panamerikanismus und die darauffolgende Bestrebung um die selbstständigen nationalen Werte zu zentrale Themen der politischen Debatten auszubilden. Die Bewegung zu Gunsten der Alliierten, die Gründung der Liga da Defesa Nacional - LDN (Verband zum Schutz der Nationalität) und die Bestätigung der vereinheitlichen Sinnbilder der Heimat sind bedeutende Beispiele dafür.

Es ist aber auch wesentlich wichtig zu berücksichtigen, was unzählbare Geschichtswissenschaftler der 70. und 80. Jahrzehnte in ihren Monographien und Thesen veröffentlichten. Dies ist ein Abschnitt indem die Arbeiterklasse in den Hauptstädten des Landes eine zahlreiche Ausdruckskraft gewinnt. Diese Arbeiter kommen aus den brasilianischen wie auch aus europäischen ländlichen Gebieten um in der Industrie und in den Handel-Sektoren sich anzustellen. Es handelt sich hier zufälligerweise um ein Teil der Bevölkerung, dass arme Emigranten umfasst, welche nicht stillschweigend den zunehmenden Gebrauch der Maschinen, in der Umstellung des Arbeitsprozesses, die Steigerung der Arbeitszeit, die niedrigen Löhne und die zunehmende Disziplin und Oberaufsicht ihres Alltags akzeptieren würden.

Die Streikbewegungen von 1907, 1913 und 1917, die Konflikte zwischen Arbeitern und Werkführern, gegen die neue Arbeitseinteilung, die schlechte Behandlung und die Arbeit der Minderjährigen sind die Tagesordnung der öffentlichen Meinung (DE DECCA, 1983, S. 47). Unter diesen Arbeitern, die über ihrer "neuen Welt" bestürzt sind, wurde es der Elite deutlich wahrnehmbar, dass unter ihnen die Anwesenheit der europäischen Eiwanderer sich bemerkbar machte, von nun an als "Ausländer”, "eingewanderte Bevölkerung", "Deutsche", "Italiener", "Fremde”, usw. genannt.

Maria Stella Bresciani, (1975, S. 284-300) schilderte genau die Bestrebungen der Elite, um diese gegen die wirtschaftliche Ausbeutung gerichtete populäre Demonstrationen entgegenzutreten.

Als Auswirkung dieser Konflikte erwies sich eine Reihe vielfältiger Strategien und Massstäbe der sozial-Kontrolle, dessen Leitung der öffentlichen-Betriebswirtschaft angeordnet wurde, schon seit Ende des 19. Jahrhunderts. Solche Massstäbe und Regeln wurden nicht nur der repressiven polizeilichen Überwachung eingeschränkt, sondern auch in der Empfehlung einer Erziehungspolitik, welche den zivilisierten Charakter des Staates widerspiegeln sollte. Laut Bresciani, die vorgefasste Meinung, die Bürger juristisch gleichzumachen, einer der wichtigsten Prämisse des Liberalismus, hatte die Erziehung der Bevölkerung, als Imperativ. Diese sollte nicht nur die Arbeiter beruflich ausbilden, sondern auch in ihnen ihre bürgerlichen Pflichten einprägen.

Was hauptsächlich die deutschen Einwanderer betrifft, ist zu bemerken, dass zufällig der grösste Teil dieses Kontingents nicht in den Hauptstädten angesiedelt war [41]; ausserdem laut der offiziellen Reden waren sie nicht in widersprüchlichen Bewegungen gegen der Bourgeoisie Ordnung engagiert - eine Verantwortung, die den Italienern zugesagt wurde.

Trotzdem wurde die Resistenz gegen die Assimilation der deutschen Einwanderer intensiver, was als ein Risiko gegen die' erwünschte Gleichartigkeit des Volkes angesehen wurde. Ausser diesen Begründungen, muss man es berücksichtigen, dass die meisten Deutschbrasilianer den evangelischen Glauben bekannten, ein Zustand, der sie als Ausländer weit über den Gesichtspunkt der Nationalität setzte.

Trotzdem die Katholische Kirche, ihren offiziellen Charakter seit der Republik verlor, verblieb sie noch eine einflussreiche politisch- kulturelle Institution. Zwar ist es Gewiss, dass die zugeschriebenen friedlichen Beziehungen noch als Kompromiss zwischen Protestanten und Katholiken vom Klerus bewährt wurde, im Namen der gegenseitigen Toleranz. Aber gegen Ende des 20. Jahrhunderts erweckte die Ankunft der Leiter und Anhänger der Philo-pietisten, Fundamentalisten und auch Charismatische Bewegungsleader, welche aus Europa und aus den Vereinigten Staaten kamen, die Aufmerksamkeit der Kirche, die der Kirche als eine so ernsthafte Gefahr bedeutet wie der Sozialismus und die heimliche Gesellschaft.[42]

Im Namen dieser Gefahr, organisierte sich der katholische Klerus, gegen solche Sekten zu kämpfen, nicht nur im Nennen des "wahren Glaubens", sowie auch zur Ehre der Heimat, deren Geist durch Erbschaft als katholisch verstanden wurde.

Wir zitieren beispielsweise eine Stellungnahme des Bruders

Celestino de Padalovi während des katholischen Kongresses, im Jahre 1902:

Von Storchon und Muncer kamen die Wiedertäufer, welche von Beruf Kommunisten und zornige' Anarchisten sind. Durch Zwingli kamen die Sakramentarien, welche die Erbsünde, die Taufe, das katholische Zölibat, usw. verneinten (...) Die Calvinisten, die den gefährlich freien Willen der Mensch bekämpften, und die Gott für einen Despot, einen Tyrannen, einen Mörder seiner Kreaturen hielten. Die Anglikaner des Heinrich der VIII. ein lächerliches Gemisch des lutherischen Protestantismus und der bischöflichen Hierarchie. Dazu kamen die Presbyterianer. (...). die energisch nicht nur gegen die katholische Kirche protestierten, sondern auch und viel mehr gegen die 39 Artikel des Anglikanismus. welche sie wütend abschlugen und verabscheuten. Dazu die Quäker, die haarsträubend die Presbyterianer und den Anglikaner verwerfen und zurückstossen. Dann kommen noch die schmähsüchtigen Methodisten, die aus Wesley ursprünglichen Methodisten, die Reformierten, die Calvinistischen-Methodisten. die wiedergetauften Christen. Mormonen, die Herrenhüter, die französischen Protestanten, die deutschen Reformatoren. 28

Die Bestrebungen der Katholische Kirche sich der evangelischen verbreitenden Bewegung zu widersetzen, um die religiöse Gleichartigkeit und Einigkeit unter dem brasilianischen Volke zu erhalten, trug während des Säkularisation Prozesses bei, um das patriotische und nationalistische Assoziationswesens anzuregen. Die Agão Nacionalista (Nationalistische Aktion), der Partido Nacionalista Regenerador (Erneuernde Nationalistische Partei) und die Legião Cruzeiro do Sul (Kreuz des Südens Legion), welche in den 20. Jahrzehnten entstanden, sind Beispiele solche Vereine, die in dieser Zeit sich an der Agão Integralista Brasileira (Die Brasilianische Integtralistische Aktion) eingliederten. [43] [44] (SEITENFUSS, 1985, S. 70; OLIVEIRA, 1990, S. 167).

Versucht man die 20. Jahrzehnte im Allgemeinen zu erfassen, so lässt sich die kulturelle Identität und die nationale Frage der politischen Debatte finden; zu dieser Zeit entstand auch die moderne intellektuelle Bewegung, welche Semana de Arte Moderna genannt wurde, deren Hauptziele eine kritische Stellung gegen die Pflege der romantischen Literatur und Kunst der Vergangenheit und die mimetische Haltung in Verhältnis zu den literarischen und künstlerischen europäischen Vorbildern anzunehmen, war, unter der Behauptung einer ästhetischen und thematischen Erneuerung, welche fähig wäre, die technische. Zivilisation und industrielle Welt widerscheinen zu lassen. Ausserdem sollte diese neue Weltanschauung mit dem Versuch echter nationale Werte und Bildung verbunden sein.

Im Gegensatz dieser ideologischen Prämisse, nach Meinung der Intellektuellen, die Einwandererbewegungen, das Risiko der Entnationalisierung, die Streike, die lange Ausdauer zu der Assimilation, wirkte.

Laut Adalberto Marson, (1979), zur Gegenwirkung zu diesen Tendenzen, entstand einer Art von Nationalismus, der streng von einem verteidigenden Charakter imprägniert war, und dessen Ziel die anhaftende Widrigkeit einer von aussen abhängigen Volkswirtschaft entgegentreten zu müssen; dazu wurde vorgeschlagen, eine stärkere Interferenz des Staates zu führen, um die technologische Entwicklung und die des Volks-Erziehungs-Prozess durchzuführen.[45]

Allerdings, neben solch eine pragmatische, politische Empfehlung, entstand eine andere Art nationalistischen Begriffes, welcher von der Mittelklasse, von anderen Intellektuellen und Journalisten formuliert wurde. Es handelte sich um einen in irrationalen vereinigten Mythen inspirierenden Nationalismus, dessen Voraussetzung die soziale und kulturelle Kohäsion war. Laut ihrer Ankündiger, sollte man sich der gegen-revolutionären Erfahrungsbewegung Europas nähern, welche es die Konflikte zwischen Kapital und Arbeit zu vermindern erreichte. Dazu bediente man sich vor allem der Staatsapparate, die einen vormundschaftlichen Charakter über die Gesellschaft übernahm.

Es ergibt sich daher eine symbolische Ebene, dessen Grundlage der Mythos der Nation war, und diese als universelle Interessenträgerin angesehen wurde; von da an, sollte alle anderen Interessen sich ihr unterstellen. In diesem Sinne, wurde die Nation nicht mehr als der Guardian des Bürgerrechtes angesehen, sondern als Schiedsrichter des kollektiven Willens.

In diesem politischen und kulturellen Zusammenhang findet man die Ansatzstelle Oliveira Vianna Gedankens; wie man schon behauptete, unterscheiden sich seine Ideen über die brasilianische Gesellschaft nicht viel als die der anderen Intellektuellen, die ihm voranging. Etwas Neues was an seinem Gedanken zu erwähnen ist, besteht aus Überlegungen über zwei von ihm bewunderten Wissenschaftler: Gustave Le Bon und Francis Gaiton.

Trotzdem die Werke dieser beiden Wissenschaftler seit dem 19. Jahrhundert in Brasilien bekannt waren, ist es Vianna wer sich ihnen in tiefer und aufmerksamerer Betrachtung zuneigt.

Seine Begeisterung war selbstverständlich nicht zufällig; Gustave Le Bon, zum Beispiel, befreite ihn von manchen unbequemen Ansichten des Liberalismus, wie zum Beispiel das Prinzip der Gleichheit der Bürger gegen den Staat. Gustave Le Bon, stets auf das Risiko der revolutionären Bewegung bedacht, erschuf die mannigfaltigsten und bildsamsten Kriterien um die Unterlegenheits­ordnung der Menschheit einzustufen: die rassistischen, zwischen Männer und Frauen, zwischen Gesunde und Kranker, zwischen Sozialisten oder Naturvölker und Gehorsame und moralisierte; vor allem, zwischen der Elite und die Menschen, die zur Menge gehörten, indem, seines Erachtens, sie ihre Rationalität verlieren (HOBSBAWM, 1988a). Nach Le Bons Meinung, die Tätigkeiten der Menge wurde immer zerstörender und gewaltsamer; allerdings, wurde die Heftigkeit solcher Irrationalität durch den kollektiven Charakter (das heisst, durch die rassistische Eigenart) unterworfen (LE BON, 1920, s. 37).

Die Interpretation der sozial-Psychologie Le Bons erlaubte Vianna, die Verknüpfung zwischen "soziale Unruhe" und "rassischen Ursprung" festzusetzen, wodurch eine seiner Schlussfolgerungen über die Streike im 10. Jahrzehnte, welche von den Anarchisten durchgeführt wurden, war;

Diese höchste Aufgabe zu regieren ist eine Pflicht, und ein Recht der Arianer (...) diese besitzen die Apparate der Disziplin und der Erziehung, um diese unförmlichen unterlegenen Mestizen zu kontrollieren. Diese Elite hält ihr. dank ihres juristischen und sozialen Verständnisses. unter den moralisierten arianischen Regeln fest, um sie nach und nach an die Mentalität der weissen Rasse heranzuziehen (...) (VIANNA. (1954) [1918], 1° Vol, S. 65).

Von Francis Galton leiht Vianna sich die eugenische Lehre, eine von Galton erschaffene und entwickelte Ausdruckweise. Sowohl der Meister wie der Nachfolger gehörten zu dem amerikanischen

Kontinent, und konnten besser die Vorteile der Scheidung der Rassen durch die Farbe einschätzen, ein Begriff, der zuerst von europäischen Theoretikern des Imperialismus angewendet wurde. In Amerika, auf ähnlicher Weise, wurde das Kriterium der Farbe für die Bestimmung der Klassen-Schichtung nützlich, sowohl um das Sklaventum sowie auch die Ausrottung des Indianers zu legitimieren.

Das Urteil des Supreme Court erlaubte, in den Vereinigten Staaten, im Jahre 1896, das Angebot der Güter und der öffentlichen Dienstleistungen der Behörden mit einem diskriminierenden Kriterium, trotz der verhüllenden Rhetorik separated but equal. Ausserdem hatte die Institutionalisierung der Poll Taxes als Folgerung, die praktische Ausschliessung des Negers in dem Wahlprozess. Und die exogamische Heirat wurde streng verurteilt, nicht nur aus psychologischen Gründen, sondern auch wegen von den Weissen ausgeübte gewaltige Unterdrückung gegen solche Beziehungen. (STYRON, 1985).

Durch die Inspiration von Galton, gründet man in den USA, 1896, die "Eugenische Gesellschaft’’, die das Ziel hatte, die asiatische Einwanderung zu verbieten. Fast gleichzeitig wurde in São Paulo ein identischer Verein gegründet, in dem Vianna sich einschreiben liess. Durch diese Vereine übte die Elite unzahlreiche Massstäbe und Unterdrückungen gegen die asiatische, afrikanische und jüdische Einwanderung im Lande, aus (LUIZIETTO,1975).

Es waren die ersten Schritte Oliveira Viannas: brasilianische, europäische und amerikanische Wissenschaftler anzuwählen, Einfluss auf die öffentliche Meinung durch die Presse auszuüben, und durch Teilnahme die Interessen der korporativen und politischen Vereine verteidigen zu können.

Um besser die vielfältigen Kreuzläufe zwischen diesem Verfasser und den rassistischen Theoretikern, den politischen Gedanken in Brasilien und das Bild des Deutscheinwanderers, müssen wir manche Aspekte in Hinsicht seiner Werke als Sozialwissenschaftler, hervorheben.

In dem Buch Populates Meridionais (Südliche Ansiedler), welches im Jahre 1918 veröffentlicht wurde, unternahm Vianna das Studium der Nationalitätsbildung vor, um mit wissenschaftlicher Begründung die Verschiedenartigkeiten der brasilianischen Bevölkerung zu demonstrieren.

Laut seiner eigenen Worte, sorgte er sich nicht um die politischen, sondern um den Völkerkundlichen und anthropologischen Faktoren. Ihm interessiert besonders der Ursprung der brasilianischen ländlichen Aristokratie, um auf ihre zivilisierende Mission in Brasilien hinzuweisen.

In dieser Richtung, erregt er die Aufmerksamkeit auf die biologischen Charaktere des gaúchos, (sowie auch auf die Bandeirantes aus São Paulo [46]), ein Beispiel für den abenteuerlichen und tapferen Geist; solch erbliche Eigenarten ermöglichte ihnen, laut Vianna, die Führung des Landes. Vergleicht man diese Behauptung mit der These von Gobineau, so lassen sich die tapferen, grossen und blonden Franken finden, die das französische Territorium eroberten. Wie diese, müssen auch die Weissen das Schicksal Brasiliens beherrschen.

Bei der Beschreibung der gaúchos, ist es interessant zu bemerken, dass Vianna keine Erwähnung über die Deutscheinwanderer macht; im Gegensatz, des Arianischen Mythos, der immer betont wurde, als ein vorbildliches Muster, der für die Bildung des nationalen Ethos beigetragen haben musste.

Was die gaúchos betrifft, behauptet er, dass

(...) Die weissen Eigenarten eine führende Rolle spielten; und die arianischen Elemente (...) waren reiner in Rio Grande do Sul als in alle Gebiete des Landes (...) alles weisst auf den gaucho hin (...) ein Mensch, der mit einer besonderen Kraft begabt ist. ein gerechter, ein starker, ein eugenischer Typus ist. (29 Vol. S. 333-5).

Und als er noch von der nördlichen "Aristokratie" spricht, behauptet er, dass der Portugiese aus Nord-Portugal, und nicht der Mestize aus dem Süden der echte Kolonisator Brasiliens wurde, sowie auch die Arianer aus anderen Länder Europas dazu beitrugen.

In Pernambuco (...) ist der lokale Adel zahlreich, aus Höfen Portugals. Castellas, Frankreichs, Italiens und Deutschlands gekommen (lö Vol, S. 33)

In diesem Werke ist seine einzige Erwähnung den Deutschbrasilianern gegenüber anspruchslos, aber eindrucksvoll; er beschränkt sich auf Vereinigungswesen der Deutschen in Santa Catarina und Paraná ab des 19. Jahrhunderts zu äussern; nach Viannas Meinung, ist solche Charakteristik ein Teil ihrer ursprünglich der politischen Kultur, die sich von Solidarismus orientiert. [47] Er Vergleicht diese Weltanschauung mit dem, typisch für die Portugiesisch-Brasilianischen Individualismus, infolgedessen ist die Demokratie in Brasilien unausführbar.

Dessen ungeachtet, könnten die biologischen Eigenarten des Germanen eine in der arianischen Verwandlung Prozesses in Brasilien eine wichtige Rolle spielen, sowie auch in dem Entwicklungsprozess der brasilianischen Volkswirtschaft, dank seiner Arbeitsamkeit.

Der Deutscheinwanderer wurde besser und aufmerksamer von Vianna in den 30. Jahrzehnte bearbeitet, eine Konjunktur, die für den Verfasser geeignet war, um das Verbleichen der brasilianischen Bevölkerung zu verteidigen.

Bei der Einschätzung des Übergewichtes der weissen Bevölkerung in Ost-Süd und Süd-Brasilien, wiederholt er das Bedürfnis einer demographischen Politik, welche die regionale Konzentration der Weissen verhindert.

Er benützt sich die ethnische Landkarte Romeros, um die Vermischung des Volkes vorzuschlagen.

In einem Essay, O tipo brasileiro e seus elementos formadores (Das brasilianische Volkstum und die Elemente seiner Zusammenstellung) genannt, (1991, [1931, s. 15, u. w.J) zeigt der Verfasser die Vorteile der europäischen Einwanderung, trotz ihres unordentlichen und spontanen Charakters. Er meint, dass der Einzug der letzten Jahre eine wesentliche Anzahl von Deutschen und Italiener (deren ethnische Adel unfraglich ist) sich über alle anderen ethnische Einwanderungsgruppen überwiegt.

Über seine zuversichtliche Haltung, lassen sich seinen Schriften selbst erklären: laut des Verfassers, besonders aus den Deutschen ist die Verbesserung der Rasse und der politischen Kultur zu erwarten, weil ihr Volkstum sich der Abneigung zur niedrigen Arbeit charakterisiert. Ausserdem zeigt dieses Volk starke Neigung zur Herrschaft und zum Ausdehnungsdrang; bliebe er noch als Bauer im Land, so würden ihre Kinder und Enkelkinder, schon in Brasilien sich eingelebt, würden ganz spontan in die Städte gewandert sein; da würden sie sich zu der Beschäftigung des höher gehörenden Status verantwortlich, wie zum Beispiel, Wissenschaftler, Geschäftsmänner, Politiker, Militärs und Unternehmer, deren Aufgaben sich ihres Charakters besser einpassen würden.

Dank der Einwanderung und der grossen Fruchtbarkeit der Weisen, laut seiner Folgerung, hätte das Land in wenigen Jahren eine völlig weisse Bevölkerung. Um solche Ideen zu prüfen, vergleicht er den Prozentsatz des natürlichen Bevölkerungswachstum unter Weissen, Neger, Indianer, und Mestize, in dem zentesimale Unterschiede ihm genügen, seine Hypothesen zu sichern, wie man in folgenden, von ihm selbst gezeichneten Schaubild, beobachten kann:

Schaubild 3 - Geburtenüberschuss nach ethnischen Gruppen •

Ethnische Gruppen

Weisse

Mulatten

Indianer

Neger

Sterbefälle %

 

2.83

2.75

3.70

5.38

Geburtenfälle %

 

4.04

3.67

4.08

4.74


Brasilien - 1821Quelle: V1ANNA, 1991. apud Eschwege. 1821, S. 33

Es ist wohl erlässlich die Schwäche seiner Folgerung gegen solche Daten hervorzuheben; ausser den unbedeutenden Unterschiede zwischen Geburtenfallen unter den genannten Gruppen und auch der Ungenauigkeit der demographischen Statistik in Brasilien während der 20. Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts, muss man noch aufmerksam beobachten dass die Sterbefallen der Sklaven grösser als die freie Bevölkerung waren, infolge der sozial und ökonomischen Bedingungen dieser Gruppe, und nicht aus biologische oder klimatische Gründe, wie der Verfasser voraussetzte.

In einer anderen Statistik, gebraucht er die Demographie wieder.

um das Verbleichen durch Vermischung aufzuweisen:

Schaubild 4 - Zahlen der Heiraten gemäss der
Staatsangehörigkeit des Brautpaares - Rio Grande
do Sul - 1918-

1920

Staatsangehörigkeit

1918

1920

Deutscher/ Deutsche

22

29

Deutscher/

Brasilianerin

63

91

Italiener/

Italienerin

38

60

Italiener/

138

167

Brasilianerin

 

 

Spanier/Spanierin

4

7

Spanier/

Brasilianerin

38

59

Portugiese/

Portugiesin

9

12

Portugiese/

Brasilianerin

108

107

Quelle: VIANNA, 1991, apud Relatorlo da Repartição Estatistica do Rio Grande do Sul, 1919-1921

 

Diese Daten sind auch zweifelhaft: zuerst, das Staatsangehörigkeits-Kriterium, in dem statistischen Amt in Rio Grande do Sul erlaubt man keine Genehmigung um eine nötigerweise exogamische Heirat zu prüfen, denn edle Kinder der Immigranten, die in Brasilien geboren sind, sind als brasilianische Bürger berücksichtigt; deshalb, kann man nicht durch solches Daten den echten Prozentanteil der inter-ethnischen Ehen erkennen. Zweitens, die endogamen Ehen repräsentieren eine noch sehr ausdrucksvolle Zahl, im Vergleich zu den sogenannten Mischehen. Allerdings, trotz dieser "Missverständnisse", hat diese Statistik einen gewissen Geltungseffekt; in dem Massstab, als dass das einzige Element zum Austauschen der Brasilianer ist, scheint der inter-ethnischen Prozess, für den Leser guten Willens, dass der Erfolg der Vermischung schon

eine Realität ist. Laut Vianna würde dieser Fortschritt noch bedeutender, wenn die Regierung das Verbot der ethnischen Konzentration ernster nehmen würde.[48]

Nun noch eine andere Frage: Welch Brasilianer dürfte sich nach Viannas Meinung versmischen? In diesem selben Text, kritisiert der Verfasser die Ehen zwischen Weisse und Neger, wegen der psychologischen Charakteristik dieser zweiten ethnische Gruppe:

Der Mulatte (...) 1st explosiv, rebellisch, streitsüchtig und aggressiv: Ihm 1st die Hauptschlägerei und Anarchie unserer Geschichte zu verdanken (...) das passiert, weil die Unterwürfigkeit, welche eine genetische Charakteristik des Negers ist. sich nicht fortpflanzt in dem Mulatten. Im Gegenteil, er ist stolz, lässig, überheblich und unverschämt. (1991, (1931), S. 49)

Aus diesen Gründen, das heisst, die Unterwürfigkeitstendenz des Negers, die Lässigkeit des Mulatten, und die Unfähigkeit des Indianers in der zivilisierten Welt zu leben, (S. 46), dürften diese Schichten nicht die Bürgerrechte bekommen. Aber auch nicht der Einwanderer, weil ihm das patriotische Gefühl fehlt; nur seinen Nachkommen, wenn sie dank der häufigen Kontakte mit der Luso-Bevölkerung sich vermischen und verbrasilianerten (S. 61-2). Abgesehen von diesen Veränderungen, die sich in der nordamerikanischen Gesellschaft spiegeln sollte, konnte Brasilien nicht unter die zivilisierten Nationen vertreten sein.

Ich beschreibe die Überlegungen von Oliveira Vianna nicht nur um über die Ähnlichkeit seines Gedankens und des Romeros und Aranhas, unter anderen, zu erklären, oder um die Ambivalenz der Intellektuellen gegen die Deutscheinwanderung zu wiederholen. Aber auch um die historiographischen Darstellungen zu kritisieren, die behaupteten, dass die Versmischung-Utopie eine alternative Ideologie gegen den USA Rassismus wurde, eine Haltung welche sogar Eric Hobsbawm einmal verteilte (HOBAWM, 1988a). Nach meiner Meinung, obgleich die Vermischungstheorie die Einverbildung der afrikanischen und indianischen Kultur voraussetzte, wurde ihre Prämisse nichts anderes als eine Abänderung, anderes gesagt, eine Verdünnung des eugenischen Prinzips, in anderen Worten, eine Anpassung zu den gegenwärtigen Umständen; letzten Endes vollendeten die Mulatten schon eine ausdrucksvolle Zahi der brasilianischen Gesellschaft; von denen viele, wie der berühmte Schriftsteller Machado de Assis, der Präsident Nilo Peganha und selbst Oliveira Vianna einen sozial und intellektuell höheren Status errang, und in übrigen, die weisse Bevölkerung, in Gegensatz zu der USA, keinen Stolz auf die Heimat äusserte und sich nicht im geistigen Sinn des Wortes Brasilianer fühlte.

Gegen solche unbequemen Umstände drängt es sich auf, eine Unzahl von Ausschüssen, welche zu der Perversion von modernem Bürgerrechtsbegriffs ergab; die Nation hatte keine Pflicht den Individuum gegenüber, aber verlangte von ihm sein Blut, seine Arbeit, sein Gehorsam. Er musste dem Land dienen, damit in der Zukunft die Gleichheit unter den Männern, welche durch die Verbesserung der Rasse garantiert wäre, ermöglicht würde.

Als Feinde solcher Träume stellten sich, unter anderen, besonders die Pangermanisten, die die Endogamie und den Widerstand gegen die Assimilation verteidigten. Daraus ergab es vielfältige kulturelle und politische Konflikte, nicht wegen den ideologischen Prinzipien, in dem die beiden Gruppen sich orientierten, sondern weil wenn man von Eugenik spricht, die Anwesenheit einer zu niedrigen Klasse untrüglich gegen anderen Arianischen wird,

trotzdem verbleicht, aber der zu der höheren Klasse gehört.

 


Der Deutscheinwanderer und der zweite Weltkrieg: aus dem

Traum zum Alpdruck

(...) Mos eu näo posso we sentir negro nem vermelho!

De certo que essas cores tamböm tecem mlnha roupa arlequinai,

Mas eu näo me sinto negro, mas eu näo me sinto uermeüio.

Me sinto branco, relumeando a carldade e acolhimento,

Purlflcando na revotta contra os brancos, as pätrias, as guerras, as preguigas, as ignoräncias!

Me sinto branco agora, sem ar neste ar livre da Americal

Me sinto branco, branco em minha alma crivada de ragas. 34

Mario de Andrade, 1930

Ich muss zugeben, dass nach einer tiefen Untersuchung über die Rassenfrage (...) ich gründlicherweise meine Ideen erneuerte!...) der blonde Dolichozephale und seine Überlegenheit interessierten mich nicht mehr.

Oliveira Vianna, 1938

In einer akademischen Auseinandersetzung über die Unterschiede zwischen die Fiktion und die Geschichtswissenschaft, erwähnte Jose A. M. Pessanha Heraclito, für wen die Aporie Phantasie/Wissenschaft oder Wahrheit/Lüge als die Aporie zwischen Traum und Nachtwache verkündigt werden kann; der Traum entspricht des Täuschungs­zustandes, während die Nachtwache die Vernunftzustandes. [49]

Als ob er Heraklit gefragt hätte, stellte Pessanha fest: "Wie kann er sicher sein, dass sein Anspruch auf aufgeklärte und gesorgte Einheit nicht der tiefste und meist perverse Traum ist?" (PESSANHA, in: RIEDEL, S. 283).

In diesem Kapitel, erwählte ich ein paar literarische und wissenschaftliche Texte, die von einem gewissen Bild, aus den Deutscheinwanderer in Zusammenhang mit der brasilianischen Kultur handelten: in solchen Schriften wurden die Deutscheinwanderer als ein einziger und harmonischer Körper gesehen, der immer seine ursprüngliche Identität fortpflanzte.

Bei der Analyse, ist es zu folgern, dass diese Autoren streng mit dem Zeitgeist (oder wie die französischen Geschichtswissenschaftler darstellten, L’imaginaire collectif) ihrer Epoche verbunden waren, besonders was die deutsche Kultur betrifft. Da erfindet man ein paar Leitmotive, welche, sei es in einer wissenschaftlichen Sprache, sei es in einer literarischen Sprache bekleidet, als Wahrheit übernommen wurden, nicht weil sie echt waren, sondern weil sie fortlaufend wiederholt wurden.

Im Allgemeinen, kann man behaupten, dass in verschiedenen Umständen, das Bild der Deutscheinwanderer als "das Fremde", aus dem engen Sinne des Wortes, repräsentiert wurde. Als sie als "Deutsche", "Germanen", "Alamannen" genannt wurden, hatten diese Autoren vor, nicht nur ihre historische Herkunft zu erwähnen, sondern auch ihnen als "was ganz anderes" der brasilianischen Gesellschaft darzulegen. Deshalb, unabhängig von ihrer Feindseligkeit oder ihrer Liebe zu Brasilien, wurden Milkau, Lentz, Elza und Annelise als Wurzellose Individuen beschrieben, die unfähig zur Integrierung in ihrer neuen Sozial-Umwelt waren, weil sie von Brasilien erregend entfernt wurden. Sie waren übermässig ihrer Heimat zugetan, infolgedessen durch das Lesen, dem Gebrauch der deutschen Sprache, die Erhaltung der Sitten ihrer Vorfahren und die Endogamie ihre Vergangenheit immer vergegenwärtigt wurde.

Die Last der Geschichte in dem Alltag der Deutscheinwanderer wurde auch von einem diachronischen Ausschnitt beschrieben, mit welchem die Autoren ihre Geschichte rekonstruierten. Sie verstanden den Deutscheinwanderer als ein Synonym des Germanen und verknüpften sie mit der Geschichte ihrer Ahnen, als ob sie "eine prä-etablierte Übereinstimmung mit ihrer ur- historischen Vergangenheit geschaffen hätten" - wie schon Georges Dumezil einmal behauptete (1959).

Diese zu weitläufig kulturelle Fortdauer ist an den Immigranten hauptsächlich von Oliveira Vianna und Sylvio Romero verwendet; in dieser Richtung, sowie der Deutsche mit seinen erschaffenden Mythen verbunden ist, würde der Deutschbrasilianer immer mit seinem Heimatland verbunden sein, indem die Genauigkeit ihm als aus einem militärischen Geistträger zu begreifen, in einer gewissen Weise, als eine Vortäuschung Bismarcks hinstellt - wie, zum Beispiel, in den Roman-Figuren Elza und Lentz.

Wir dürfen es nicht geringschätzen, dass das Vorbild des Deutschbrasilianer fast immer als das Gegenteil des Brasilianers bearbeitet wurde, dessen kollektive Identität, nach ihrer Meinung, noch zu konstruieren sein würde. Es interessierten also deswegen die Eigenarten beider Gruppen zu durchstöbern, um in ihrer Verschiedenheit die Wesenheit ihres Charakters zu untersuchen, zu finden. Und, unabhängig von den vorausgesetzten Vermischungen, wünschten sie, dass die luso-brasilianische Kultur überwiegen sollte.

Allerdings, die von ihnen vorgestellte Zukunft wurde nicht in harmonischer Weise verwirklicht. Im Zweiten Weltkrieg, wurde der Mythos der Deutschen Gefahr und das Vorbild des Deutscheinwanderers als ein Vertreter des Reiches, von den Ereignissen "bestätigt”.

Graga Aranha und Sylvio Romero starben vor dieser Konjunktur, aber ihre "Hinweise” wurden im Namen der anti-germanistischen Politik umformuliert.

Mario de Andrade, in der neuen Auflage des Buches Amar verbo Intransitivo in 1944, fügte eine Satz hinzu, der seine Entrüstung gegen den Krieg symbolisieren sollte: "Bárbaro, tedesco, infra-terno alemão infraterno)[50] (cf. LOPEZ, s. 37, in: ANDRADE, S. 60).

Erico Verissimo, von dem Nationalsozialismus im Schreck erstarrt schreibt den Roman Saga, wo er Vasco in 1940 zu dem spanischen Zivil-Krieg, auf Seiten der Antifrankisten die Internationale-Brigade durchführt, was auch seinen Widerwillen gegen die Rechts-Tendenz der brasilianischen Regierung symbolisieren wollte. (VERISSIMO, 1966a, S. 15).

Und Vianna, einer der Theoretiker des Neuen Staates (Estado Novo), musste seine Analyse über den Deutscheinwanderer umorientieren; so wiederholt er, dass die Immigranten, zu der Arbeiterklasse gehörten, und unter der Bedingung, mussten sie sich zwanghaft in die brasilianischen Sitten und Regeln integrieren (VIANNA. 1991, S. 383).

Aber während die Brasilianer schrieben, lasen die Deutscheinwanderer und ihre Nachkommen, die nicht von den Wirkungen des Mythos der Deutschen Gefahr geschädigt wurden, noch weiter die Nachrichten und literarischen Texte aus einer Welt, die als ihre Welt verstanden wurde, nicht weil sie zu ihnen gehörte, aber weil solche "Wahrheiten" unaufhörlich wiederholt wurden. Ich spreche hier von den Zeitungen, Kalendern und Zeitschriften Deutscher Sprache die in Süden Brasiliens erschienen, ein Thema welches, das Ziel der nächsten Kapitel dieser Dissertation werden.


III

ALTE UND NEUE NATIONALISTEN: HEIMAT UND VATERLAND

Seit dem Ursprung der deutschen Einwanderung, bemerkt man die Gründung verschiedener Druckschriften in deutscher Sprache, die sich durch alle Gegenden der Kolonisation, während einem längeren Zeitabschnitt erstreckt, der nur durch den Eintritt des zweiten Weltkrieges unterbrochen wurde.

Diese Literatur wurde mindestens zu den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts hergestellt, von Autoren die über einen ganz regionalen, begrenzten Umkreis berichteten, dessen Thema nicht die Grenzen ihrer eigenen lokalen Gemeinde überschritten. Es waren nur wenige Herausgaben, die je nach Bezirk sich unterschieden, dass diese im Umlauf kamen, dank man mehr den allgemeinen Lesern als dem Willen der Autoren, durch den Beziehungen zwischen Freunden und Verwandten anderer Gemeinden.

Es handelte sich um eine Textsammlung dessen Charakter die Freude zur Sache zeigte, deren Berichte die Begünstigung der Vergnügungs- oder religiöser Gesellschaften hatte, oder Nachrichten mit Informationen an die Kolonisten brachte. Kuder, (1937), meinte, es handelte sich um eine Söldnerliteratur von unbedeutender Qualität, die von einem kleinen Handwerkergeschäft hergestellt wurde.

Man entnimmt ihr einen gewissen städtischen Patriotismus, der sich von der feierlichen lokalen Geschichte näherte. Die Einwanderung wurde, in den Erzählungen die über das Leben in der alten Heimat, die Schwierigkeiten der Reisen, der Ankunft und dem Anfang der Niederlassung auf hiesigen Boden, hochgeschätzt und idealisiert; die Schriftsteller waren die Kinder und Enkel der Einwanderer, welche die Berichte und Erinnerungen ihrer Vorfahren niederschrieben, welche als Eroberer dieser neuen Welt angesehen wurden, Anfänger die über die Vergangenheit eine ungefragte Autorität ausüben. Wenn an die Benennung der Gegend wohin sie immigrierten, von ihnen Urwald genannt, beachtet, kann man sie als relativen Erfolg bezeichnen, denn da gab es wenigstens keine Lehnsherrschaften, keine hohen Steuern, keinen starken Winter. Einerseits hatten diese Erzählungen einen psychologischen Entfernungseffekt in Hinsicht auf die Vergangenheit, weil sie als Geschichten an die man sich erinnern soll, organisiert waren.

Ausser diesen Lebensbeschreibungen und Erzählungen über den Heldenmut der Gründer, bemerkt man noch Liebes, Verbrechens, Abenteuergeschichten und Anekdoten. Zerstreuungen, Ausflüchte, Erfindungsreisen, Vergleiche zwischen der alten und der neuen Welt, bildeten wahrlich wichtige kulturelle Kunsterzeugnisse in der täglichen Ausarbeitung ihrer Leser, hauptsächlich wenn die gründliche Umstellung beachtet, welche die Einwanderung erfordert. Zu diesen rechne man noch solche die über religiöse Streitigkeiten, wie zum Beispiel die der Protestanten wider Katholiken, der Frommen gegen die weniger Religiösen oder selbst der Ungläubigen.

Die Schriftsteller dieser Berichte stammten aus der eigenen Gemeinde: sie führten zur gleichen Zeit die Arbeit der Buchhändler, Herausgeber, Redakteure aus, und so wurden sie, dank dieser Beschäftigungen durch selbst-Didaktik Lehrer und Pfarrer, die manchmal ausgewählt wurden, weil sie, zur körperlichen Arbeit sich nicht eigneten, oder weil sie sich von den anderen als “Gelehrte” ausnahmen. Die meisten arbeiteten ausser dem Bereich der Landwirtschaft; sie waren Telegraphisten, Landkartenzeichner/ Bäcker, Kaufmänner oder Tischler, so zum Beispiel war der Johann Georg Maurer (Quacksalber) und der Johan Georg Klein amtierte als Pfarrer; beide Namen wurden bekannt, besonders weil sie die Bewegung der Gläubigen an das Kommen Christi führten, die Mucker (AMADO, 1978). Der reisende Handelsmann, weithin bekannt, wurde von dem Einwanderer "Musterreiter’[51] genannt, und wurde im Laufe der Zeit, nicht nur ein Warenverkäufer, sondern auch der Überbringer der Nachrichten, Ratschläge und Informationen.

Die Informationsniederschriften und Berichterstattungen über das Werden und der Entwicklung der Kolonien, übertreffen die Anderen, weil sie objektiv ausser der praktischen Anleitung, noch die Propaganda der Kolonisation übernehmen. Was sich klar in der Zeitung "Kolonie", aus Joinville, heraushebt, durch Koordinierung des Ottokar Dörffel, eines Einwanderers von der Vormärz, Buchhalter des Kolonievorstandes und der erste Bürgermeister der Stadt.1 Er beschäftigte sich auch mit der Orientierung der neuen Einwanderer, seine Schriften wurden nach Hamburg gesandt, um zukünftige Auswanderer zu beeinflussen, sie wurden als Wegweiser für den zukünftigen Kolonisten angesehen. (SEYFERTH, 1988, S. 11)

Nach der Meinung Mercedes Kothe (1991, S. 20) spielten viele Personen, die zum Sozialismus neigten und sich wegen der Unterdrückung des Jahres 1848 antäuschten, eine besondere Rolle in der Herstellung der Druckschriften dieser ersten Phase. Sie sahen die Kolonien als Utopien die sich verwirklichten in Freiheit und Fortschritt.

Diesen Optimismus teilten aber nicht einige Männer, wie zum Beispiel, Sellin, einer der wenigen Schriftsteller der südlichen Gegend, welcher zur gleichen Zeit, die Behandlung von Seiten der brasilianischen Regierung an seine Landsleute, durch die Presse kritisierte.[52]

Solche Veröffentlichungen waren aber sehr geteilt und begrenzt in ihrer weiteren politisch-überzeugenden Organisation, was sich wegen der geographischen Isolierung der Kolonien erklären lässt, die Unkenntnis der portugiesischen Sprache und der damaligen prekäre Kommunikationsmöglichkeiten.

Der Name der Druckschriften dieser Phase offenbaren ihren regionalistischen Charakter und ihre noch innere Verbindung mit der Kultur ihres Ursprunges, wie man an den Schaubild Nr. 5 sehen kann:

Schaubild Nr. 5; Druckschriften in deutscher Sprache die im
Süden Brasiliens vorhanden waren, in den 4 ersten Jahrzehnten

der Imitation

a. Zeitungen

 

 

 

Zeitungstitel

Erscheinungsort

Erscheinungsweise

Erscheinungs-

 

 

wöchentlich

Zeitabschnitt

Kolonie

Joinville

1 xbisl887

1887-39-2 x

1862-1939

Der Kolonist

Porto Alegre

2 x

1852-53

Der Einwanderer

Porto Alegre

2 x

1854-61

Deutsche Zeitung

Porto Alegre

6 x

1905-42

Der Bote von São Leopoldo

São Leopoldo

3 x

1867-75

b. Kalender

Titel

Erscheinungsort

Herausgeber

Erscheinungsjahr

 

Deutscher Kalender

Porto Alegre

Fischer

1855 e 56

Der neue hinkende Teufel

Porto Alegre

T. Jäger

1856

Deutscher Volkskalender für Provinz S. Pedro

Porto Alegre

O. Stieher