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Marionilde Dias Brepohl de Magalhães
DEUTSCHLAND, FERNES
MUTTERLAND: PANGERMANISTISCHE UTOPIE IM SÜDEN BRASILIENS
Dissertation zur Erlangung
des Doktors der Geschichte
Universidade Estadual de Campinas
1993
INSTITUTO DE FILOSOFIA
E CIENCIAS
HUMANAS
UNIVERSIDADE ESTADUAL DE CAMPINAS
An Francisco, Maitê
und Daniel, in Liebe
Die abgeschlossenen Überlegungen dieser der Universidade Estadual
de Campinas vorgestellten Doktorarbeit forderten von Seiten der
Verfasserin eine mühsame Analyse, die genauso die politische
Geschichte Deutschlands wie die von Brasilien berücksichtigen sollte.
Und wie die Haupthändler der hier untersuchten Ereignisse auch ich
musste von einem Land zum anderen; und dies brachte mir eine grosse
Annäherung mit meinem Forschungsobjekt.
Dieser Weg wäre nicht möglich, wenn ich nicht
die Hilfe von Freunden, Kollegen und Institutionen rechnen könnte.
Denen möchte ich hier in dieser Version auf Deutsch meiner Arbeit
meinen Dank ausdrücken.
Zuerst den Professoren Dr. Edgar S. de Decca und
Dr. Klaus Tenfelde, bzw. Berater und
Mit-Berater meiner Doktorarbeit. Beide reizten mich an, die
Forschungen in Deutschland und auch die Untersuchungen in den Archiven
der deutschen Einwanderung in Brasilien zu unternehmen, ausserdem
besprachen sie mit mir die theoretischen Punkte, die diese Analyse
orientierten.
Bei meinem Aufenthalt in München hatte ich die
Ehre Professor Dr. Martin Broszat, vom
Institut für Zeitgeschichte, kennenzulernen. Mit ihm teilte ich einige
meiner Gedanken in Bereich der Historiographie sachgemäss dieser
Thematik. Von dieser Begegnung, leider durch seinen plötzlichen Tod
unterbrochen, blieb mir das Bild eines Intellektuellen, dessen
persönliche Unbescholtenheit und akademische Gelehrsamkeit uns junge
Historiker herausfordert, seinen Weg zu machen.
Mein ehrlicher Dank an Professor Dr. Christian
Meier, von der Universität München, dem ich meine Ratlosigkeit
angesichts der neuen und alten Nationalgefühle äusserte.
Ich möchte auch noch gern Dr. Klaus Richter, vom
Staatsarchiv Hamburg erwähnen, Dr. René Gertz, von der Universidade
Federal do Rio Grande do Sul,
Rosalind Arndt-Schug,
Forscherin der Geschichte der deutschen Einwanderung in Brasilien, die
Angestellten des Instituts Hans Staden und Tereza
Böbel, vom Arquivo
Histórico de Joinville, welche mir in
verschiedenen Stufen der empirischen Forschung halfen.
Christiano und Angelika German waren meine
Familie, als ich in Deutschland wohnte, und Ellen Drünert,
meine deutsche Schwester in Brasilien.
Milda Gevert Brepohl und Ingrid Enke leisteten eine
entscheidende und unerlässliche Hilfe bei der Version dieser Arbeit in
deutscher Sprache. Sie sind die tatsächlichen Verantwortliche für die
eventuellen Errungenschaften zugehörig dem Abenteuer des Umformens von
den in meiner Muttersprache formulierten Ideen in anderer Sprache,
hauptsächlich wenn es sich um die deutsche Sprache und
Sozialwissenschaften handelte.
Endlich äusserte ich meine Dankbarkeit dem
Deutsche Akademische Austauschdienst - DAAD, der in Zusammenarbeit mit
dem Comissão de Aperfeigoamento
de Pessoal do
Ensino Superior - CAPES, mein Studium in Deutschland
im Jahr 1988 finanziell unterstützte.
I.
DIE
EINWANDERER DEUTSCHER HERKUNFT IM SÜDEN BRASILIENS
Neue Immigranten aus einem neuen Land
Die Einwanderung zur Zeit der Republik
II.
BILDER
AUS DEN DEUTSCHEINWANDERERN IN DER BRASILIANISCHEN LITERATUR
Der Deutsche als Verkörperung des Deutschtums
Der Deutscheinwanderer und der
Zweite Weltkrieg: aus dem Traum zum Alpdruck
HI. ALTE UND NEUE NATIONALISTEN: HEIMAT UND
VATERLAND
Das Deutschtum und das Auslandsdeutschtum
Das Deutschtum in der Öffentlichkeit: der Krieg
1917
Allgemeine Betrachtungen
IV. DAS DEUTSCHTUM UND DER NATIONALSOZIALISMUS
V.
PIETISMUS, PATRIOTISMUS UND NATIONALSOZIALISMUS
Die
Evangelische Kirche deutscher Herkunft in Brasilien
QUELLEN UND LITERATUR
Eine der beunruhigendsten
Neuigkeiten der derzeitigen politischen Geschichte ist zweifellos das
Wiederaufleben der Konflikte wegen der Nationalitäten, In diversen
Ländern verfolgen zahlreiche Völkerschaften, die sich selbst als
Minderheiten darstellen, im Namen ihrer völkischen Kultur oder ihrer
Religion. Projekte, die für ihre politische Emanzipation und die
Gründung neuer Nationen - eben der ihren - kämpfen. Im Neu-Beleben des
Wir-Gefühls gibt es durch ihre Übergeordneten viel Unterdrückung;
dennoch gibt es ihrer Meinung nach die Möglichkeit, einen neuen
sozialen Pakt gründen zu können, der - nach ihren Vorstellungen - frei
von politischer Macht derer sein sollte, die eines Tages ihr Land
annektieren würden.
Wie bereits im 19. Jahrhundert lehnen diese
Konflikte, die die Stabilität der offiziellen Machtstellungen direkt
angreifen, die Gesetze und Forderungen der zweckmässigen Bestimmungen
zugunsten der Gewalttätigkeit und Sabotage ab; Taktiken, die unter
anderen, die verwirrenden Experimente des Neonazismus auszeichneten.
Es sind dies die Neu-Romantiker, die mit
denselben Waffen, die schon in der Vergangenheit jenen dienten, die
die modernen Staaten aufbauten, Reden und Vorsätze aufstellen, die
sich planmässig nach alten Prinzipien der nationalen Vereinigung
ausrichten. Aber - im Gegensatz zu ihren Urhebern, die sich fest an
die Vergangenheit hielten - muss man doch sagen, dass dieser
zeitgenössische Mythos auszulegen ist als ein Beruhigungsmittel, das
dazu dient, die Angst vor der Zukunft zu nehmen.
Ganz gleich ob zu dieser oder jener
Jahrhundertwende, die utopischen Energiequellen, aus denen sich diese
politischen
Bewegungen nähren, sind die gleichen: der
Nationalismus, ein festgemauertes Gefühl, vielgestaltig und
unabänderlich auf einem allgemeinen Nenner. Ein Gefühl, das, - nach
Aussage von Snyder - indem es zum privilegierten Substrakt der Politik wird,
mobilisierende Kräfte entwickelt, die sowohl zur Verteidigung der
Friedensideen, Verbrüderlichung und
Gleichheit beitragen, wie auch zur Absonderung von Andersdenkenden,
Vorherrschaft und Krieg.
In der derzeitigen Zivilisation der Technik, der
Homogenisierung der Kultur durch die Mittel der Massenkommunikation,
der Internationalisierung der Produktions- und Konsum-Normen und durch
den scheinbaren Triumph einer intimen Gesellschaft, zirkulieren, durch
die Winkelzüge öffentlicher Stellen, Mitglieder dieser neuen Kaste, um
Missklänge der Modernisierer-Utopien anzustimmen, - sie selbst, wie
eine der vielen Facetten der Modernität.
Diese allgemeine Bestürzung machte mich
aufmerksam auf ein Phänomen, das mit neuzeitlichen Ereignissen sehr
verwandt ist: den Pangermanismus, so wie er sich im Süden Brasiliens
abzeichnete; eine Bewegung, die sich am Nationalismus inspirierte und
in dem sich viele Träume der Separatisten betreffs der Vereinigung
widerspiegelten: eine Bewegung, die tief in der deutschen Romantik
verwurzelt ist, jedoch auch mit Pragmatik an die imperialistischen
Vorhaben der Ausdehnung der Absatzmärkte und der Landaufteilung
verknüpft ist; eine Bewegung die zurückgriff auf juristische und
kulturelle Prinzipien, aber die den Hass und die Gewalttätigkeit gegen
seine Widersacher nicht ausliess; und die, ähnlich seiner Urheber in
Europa, zum Entstehen eines der einzigartigsten Kapitel der deutschen
Geschichte beitrug: dem Nazismus.
Wie konnten sich nun die Eingewanderten immer
stärker zu treuen Bürgern der deutschen Nation entwickeln, einem Land,
das über 10.000 Km entfernt lag und dessen Regierende ihnen wenig oder
nichts für ihre täglichen Notwendigkeiten garantierten? Warum sollten
sie eine scheinbar uninteressierte Liebe nähren für' Führungskräfte,
die sie selbst meist nicht mal wählen konnten?
Es waren die Mittel der Massenkommunikation, die
zu dieser Zeit der Technologie zur Verfügung standen und die es
ermöglichten, die Entfernung zwischen dem Vaterland diesseits und
jenseits des Ozeans zu reduzieren. Schriften und Flugblätter in
deutscher Sprache, mit den verschiedensten Themen für die
verschiedensten Ansprüche verbreiteten sich immer stärker und sandten
- mehr oder weniger deutlich - eine Botschaft aus, die man unter einem
Motto zusammenfassen kann: "Vergiss nie, dass du ein Deutscher bist!"
Indem man die Erst-Eingewanderten mit der
Beschuldigung des Vergessens quälte, garantierten die Pangermanisten
nicht nur die Festigung einer imaginären Vorstellung der deutschen
Nation über die Grenzen hinaus; vielmehr förderten sie auch die Idee
der sozialen Vereinigung zwischen den Bewohnern der Kolonien, die zum
Teil sehr verstreut und isoliert lagen, begrenzt in ihrer kleinen
Welt, mit ihren eigenen heldenhaften Geschichten, ihrem beengten
Blickfeld über öffentliche Wirkungskreise, ihrer schwerfälligen
intellektuellen Denkungsweise, aber auch - wie Walter Benjamin in
Bezug auf den Provinzdeutschen bestätigt - "mit lebhafter Innigkeit
und edler Selbstgefälligkeit".
Unter diesen Bedingungen war grosse
Überredungskunst nicht erforderlich: aus ihrem Zustand der Isolierung
fanden sie leicht zur Disposition irrationaler Träume; von ihrem
pietistischen Erbe zur Wahrnehmung der Lektüre, nicht als Behauptung,
die angeklagt
würde, sondern als Offenbarung anzusehen; vom
Nicht- Vorhandensein der Veränderungen, rezeptives Betrachten der
verführerischen Propaganda; von Bauern, kleinen Landbesitzern und
Handwerkern begannen sie, sich in erster Linie als Deutsche in
Brasilien anzusehen.
Aber wenn der Alldeutscher Verband,
verantwortlich für die meisten Initiativen, die die Ausbreitung der deutschen nationalistischen Gesinnung zum
Ziel hatten, ihnen die finanzielle Unterstützung und die politische
Ausdrucksweise lieferte, so provozierten die Diskriminierungen der
deutschen Immigranten und ihrer Nachkommen aufgrund des Mythos der
"deutschen Gefahr" in ihnen die Überzeugung, dass sie eben effektiv
Ausländer in Brasilien waren; Diskriminierungen, die immer gegenwärtig
waren, wenn auch in
gedämpfter Form, von
Anfang des Einwandererprozesses an, einfach durch die Tatsache, dass
diese Deutschen die protestantische Religion verkündeten, eine fremde
Sprache benutzten oder eben nur Handwerker waren.
Mit dem Aufkommen der nationalistischen Idee bei
der brasilianischen Elite, die durch die republikanische Bewegung
entstand, und besonders mit Ausbruch des ersten Weltkrieges offenbarte
sich das anti-germanische Denken sehr aggressiv; in den Kriegsjahren
zerstörte man "im Namen der Vaterlandsverteidigung" Geschäfte,
deutsche Vereine und Klubs, zerbrach die Bilder ihrer Nationalhelden,
zerriss ihre Fahnen und verbot den Druck ihrer Zeitungen. In den meist
verbreiteten Zeitschriften beglaubigte und stimulierte man diese
Vergeltungsmassnahmen: die Deutschbrasilianer wurden als Spione
verurteilt, als Verräter und Feinde
aller anderen Völker, die
eine gerechte
Strafe verdienten: "Es
lebe Brasilien, nieder mit Deutschland?". So grölte das Volk auf den
Strassen.
Seit dieser Erfahrung schlossen sich die
Einwanderer und ihre Nachkommen zusammen in dem gleichen Gefühl der
Niederlage ihrer deutschen Landsleute: sie zogen sich in ihre
Vergangenheit zurück' und bestätigten ihren Pangermanismus in der
Mission, ihn zu vertreten. Sie halten sich für missverstanden und
verachtet und prangern den Charakter der Gleichschaltung mit den von
ihnen als Luso-Brasilianern bezeichneten
in den offiziellen Berichten an. Ihre Sprache vereinheitlichend fühlen
sie mehr denn je die Notwendigkeit, ihre innere Einstellung und ihre
Ausdrucksweise nach aussen hin zu bestätigen. Und je mehr sie sich
ihrer Vergangenheit bewusst werden, desto mehr distanzieren sie sich
von Brasilien und sehnen sich nach einer Rückkehr ins Vaterland; bis -
nach Auslegung der Pangermanisten - sie der deutschen Nation näher
kommen würden, was für sie einen endgültigen Sieg bedeute.
Diese Ereignisse stellen das Objekt dieser
Forschungsarbeit dar; der Pangermanismus in Süden Brasiliens von
seinen ersten Schritten der Entstehung bis zum Beginn des zweiten
Weltkrieges, entnommen aus der Literatur, die von Journalisten,
Politikern und Schriftstellern geschrieben wurde, die sich auf diese
Lehre festgelegt hatten. Diese Unterlagen werden von uns jedoch nicht
angesehen als reine historiografische Quelle, sondern ein auf sich
beruhendes Ereignis, ausschlaggebend für den hier zu behandelnden
historischen Prozess. Ich verstehe darunter, so wie Jürgen Habermas,
dass die Wandlungen, die die Öffentlichkeit in den letzten zwei Jahrhunderten durchmachten, in festem
Zusammenhang stehen mit der Kommerzialisierung und der Ausbreitung der
"Massenmedien", welche sich an eine Verbrauchergesellschaft wenden,
die immer gieriger das
geschriebene Wort aufnimmt und dadurch zur
Bildung ihrer Meinung über Politik, Gesellschaft und Kultur gesteuert
wird. Aus diesem Grund halte ich Abstand zu den Auslegungen, die das
für die Masse Gedruckte als reines Phänomen der politischen und
ideologischen Entwicklung verstehen. Man muss den besonderen Gehalt
dieser schriftlichen Unterlagen erforschen, oder die Kultur als soziale Erfahrung sehen und in
Anbetracht dessen den verschiedenen Solidaritäten innerhalb der
Kultur, der Politik, und der Persönlichkeit eines jeden Aufmerksamkeit
schenken, Solidaritäten, die aus dem kommunikativen Handel hervorgehen
und durch die Sprache vermittelt werden.
Und zu diesen oben erwähnten Dingen füge ich
meine Überlegungen denen von Hannah
Arendt und Theodor Adorno bei,
Schriftsteller, die sich sehr gründlich damit beschäftigten, die
Massenkultur 2u enthüllen und eine ihrer wichtigsten
Entfaltungen: das Phänomen des totalitären Staates, in dem die
aufgeklärten Utopien mundtot gemacht werden durch die Verführungskunst
der Worte.
Im 1. Teil meiner Arbeit, die in drei Kapitel
unterteilt ist, versuche ich, das Erscheinen der pangermanischen
Kultur im Süden Brasiliens und seine Interferenzen im journalistischen
Diskurs der Deutschbrasilianer zu erklären.
Die Zeitungen und literarischen Texte, die für
diese Analyse ausgewählt wurden, unterliegen den Publikumskriterien,
das heisst, sie waren die vom Konsumenten "Leser" meist gelesenen. Es
erscheint mir auch als wichtig, die von diesem Gedruckten ausgeübten
Funktionen zu erwähnen, die diese zu den verschiedenen
Zeitabschnitten, in denen sie verbreitet wurden, hatten.
Ich möchte ausserdem das von den
intellektuellen Brasilianern angefertigte
Image über die deutschen Einwanderer hervorheben, wenn ich mich
hierbei auch auf Autoren sehr hochgestellter Gedanken in Brasilien
beschränken muss. Dieses Kapitel bezweckt, die Darlegungen des Mythos
der deutschen Gefahr zu analysieren, angesichts der begrifflichen
Verarbeitungen, die nach dem Aufbau der nationalen Identität
verlangten - einem wichtigen Teil zur Bestätigung einer allumfassenden
Politik, die im Auge hatte, den Staat als Zentrum für
Auseinandersetzungen von Privatinteressen anzusehen.
In diesem Vorgang muss man erkennen, dass die
verschiedenartigen Kulturen und politischen Überzeugungen, die aus
diversen Einwanderergruppen stammen, ausgelegt wurden als "die
anderen" dieser Gesellschaft, von ihnen selbst als Luso-brasilianisch
benannt,
einer homogenen Bezeichnung mit der man beabsichtigte, das ganze
Kulturgebiet zu umfassen, einem wichtigen Dokument der offiziellen
Politik, die vorhatte, sich zu legitimieren.
Im 2. Teil meiner Arbeit beschäftige ich mich
mit der Einmischung der nationalsozialistischen Bewegung in den
Pangermanismus Südbrasiliens. In diesem Zusammenhang versuche ich,
nicht nur die Rolle der Presse als Instrument der politischen
Propaganda einzuschätzen, sondern auch die daraus entstandene
religiöse oder weltliche Literatur. Ich analysiere ausserdem die
Strategien, die die Nazisten zur Ausbreitung ihrer Lehre einsetzen und
in welchem Umfang diese von der Leserschaft aufgenommen wurden. Um
meine Erkenntnisse zu gewinnen, habe ich nicht nur die Zeitungen und
andere Veröffentlichungen in Brasilien untersucht, sondern auch die
direkt von der nationalsozialistischen Partei kommenden, welche
sozusagen als Sprachrohr der Anführer des Regimes agierten. Diese
Dokumentation integriert die gesamte
Korrespondenz und die offiziellen
Veröffentlichungen der NSDAP für das Ausland, Abteilung Lateinamerika,
einem Kontinent, der das Interesse des nationalsozialistischen
Militärs verdiente, einerseits wegen der hier ansässigen
deutschstämmigen Bevölkerung, andererseits wegen der vermeintlichen
Treue derselben zu ihrem Herkunftsland.
Zum Schluss analysiere ich die feststehenden
Bindungen zwischen der religiösen Ausdrucksform (der Protestantismus), dem Pangermanismus und dem Nazismus, von einem
methodologischen Verhalten an, was sich von den vorhergehenden
Kapiteln unterscheidet. Ich lasse mich dabei leiten von den
Schriftstücken eines einzigen Autors, einem protestantischen Pastor,
der auf einzigartige Weise diverse Ereignisse der deutschen Geschichte
miterlebte und der 1925 nach Brasilien auswanderte, wo er als
Journalist, Prediger, Schriftsteller und freiwilliger Vertreter
nationaler Interessen für seine immigrierten Landsleute tätig war.
Zusammen mit ihm versuche ich, die
Wechselseitigkeit zwischen der weltlichen und der religiösen
Ausdrucksweise festzustellen, die Konflikte zwischen den Nazisten und
den Pangermanisten, den Prozess der Verweltlichung des Pietismus und
der Sakralisation der weltlichen Werte.
Aber vor allem - im Gegensatz zu den vorangegangenen Analysen, in
denen man die Beziehung zwischen der Presse, der Vorbilder und der
öffentlichen Meinung zu beweisen suchte - ist mir hierbei wichtig, die
vielfältigen Ausgangspunkte zu erforschen, die den Einzelnen an die
Gesellschaft fesseln, in die er sich einfügt, die Gründe seiner
Handlungen, die Beziehungen seiner inneren Gedanken zu seinem
ausgesprochenen Wort, seiner kulturellen Mentalität, die sich im
Moment eines Konfliktausbruchs in eine politische Gesinnung verwandelt
- ein überaus wichtiger Faktor, um diejenigen zu verstehen, die sich
zu totalitären Bewegungen und Ausdrucksformen hinreissen liessen.
DIE EINWANDERER DEUTSCHER HERKUNFT IM SÜDEN
Wir riefen Arbeitskräfte und Menschen kamen.
Max Frisch
Während des ganzen 19. Jahrhunderts verliessen
ca. 57 Millionen Europäer ihre Länder und Hessen sich in Amerika
nieder, um dort zu bleiben und einen neuen Überlebensraum zu schaffen.
Bauern und Handwerker, Arbeiter und Intellektuelle, die durch
politische oder religiöse Gründe diskriminiert wurden, kamen in die
"Neue Welt", um ein neues Leben zu beginnen und somit ein neues
Kapitel in der sozialen Geschichte einzuleiten.
Diese Initiativen wurden durch eine intensive
Propaganda begünstigt, die durch das Interesse der Elite der
aufnahmebereiten Regionen veranlasst wurde, um neue
Bevölkerungsgruppen für einen Aufschwung in der Agrarproduktion, für
eine planmässige Besetzung des Landes und als Nachschub von
qualifizierten Arbeitskräften in den aufkommenden Industrien zu
gewinnen.
Die ersten Masseneinwanderungen nach Brasilien
hatten in der grossen Mehrheit die Lohnarbeit in den grossen
Hauptstädten als Ziel, wo die Industrialisierung langsam aufkam, oder
in den Kaffeepflanzungen, als Ersatz für die Sklavenarbeit.
Im Süden haben die Einwanderer unabhängig von
der zentralen Ökonomie
Bewirtschaftungen
betrieben, indem sie sich fast ausschliesslich der Landwirtschaft auf
kleinem Raum gewidmet haben. Diese neuen Siedlungen sollten die leeren
Grenzgebiete bevölkern, um sie dem Land zu erhalten und um den Markt
im Inland' mit Nahrungsmitteln zu versehen.
Dadurch wurde die Einwanderungspolitik in
Zusammenhang mit der Niederlassung von Kolonisten auf kleinen Besitzen
oftmals mit der Kolonisierung verwechselt, da es sich nicht um eine
selbständige Bewegung handelte, sondern von offiziellen Mächten
bestimmt, sei es von der zentralen oder von der regionalen Regierung
(ROCHE, 1969). Die Einwanderer erhielten normalerweise
durchschnittlich 25 Hektar Land, in praktisch unbewohnten Gegenden, um
sich der Landwirtschaft zu widmen, ohne dass sie von Sklaven Gebrauch
machen konnten.
Was deutschsprachige Einwanderer anbelangt,
steht Brasilien an 2. Stelle in Amerika, als Land, das diese
Einwanderer aufgenommen hat. An 1. Stelle stehen die Vereinigten
Staaten, wie es aus der nachstehenden Tabelle zu entnehmen ist:
TABELLE 1 -
Empfangsländer der deutschsprachigen Einwanderer
|
Canada Argentinien |
|
|
QUELLE: MARSCHALCK, 1973, S. 50
Obwohl Brasilien mit dem Ziel der
deutschsprachigen Einwanderer in Amerika an 2. Stelle steht, haben
diese sich in der Zeit der grossen transkontinentalen Immigrationen
nicht inmitten anderer Einwanderungsgruppen hervorgehoben. Obwohl
dieses die 1. Gruppe der in Massen nach Brasilien eingewanderten ist,
macht sie nur 9% der ganzen Einwanderer aus zum Beispiel waren in Curitiba nur
13,3% deutscher Herkunft, während zwischen 1886 und 1939 die Polen 49%
der Einwanderer ausmachten. (BIDEAU u. NADALIN,
1988). In Porto Alegre waren es im Jahre 1920 nur 12% der ganzen
Bevölkerung. Und in Rio Grande do
Sul, dem Staat, der die meisten
Einwanderer deutscher Herkunft bekam, machen sie in den 30er Jahren
nur 19,3 % der Bevölkerung aus (GERTZ, S.20).
Indessen, wenn der numerische Anteil, verglichen
mit anderen Einwanderungsgruppen, klein ist, heben sie sich
andererseits hervor durch die demographische Konzentration in
bestimmten Gebieten, summiert zu der hohen Fruchtbarkeitsrate (im
Durchschnitt 8 bis 9 Kinder bei Frauen, die zwischen 15 und 19 Jahren
heiraten, und 7 Kinder bei denen, die zwischen 20 und 24 Jahren
heiraten (BIDEAU u. NADALIN, 1988, S.1049). Dieses Wachstum bestimmte
die Vergrösserung der Kolonien, sowie auch Übersiedlungen in nahe oder
weiter entfernte Regionen von Rio Grande do
Sul, Santa Catarina und Paranä.1
Während der kaiserlichen Regierung die
Einwanderung deutscher und italienischer Herkunft anregte, um unter
anderem den kleinen Landbesitz zu stimulieren, und da diese Länder
keine imperialistischen Kolonien in Amerika besassen, bedeutete das
dann auch kein Risiko für die portugiesische Oberherrschaft, aber die
herrschenden Klassen des Landes waren dagegen. Sie sahen in der
Einwanderungspolitik die Ankündigung der Abschaffung des [2]
Sklaventum und in der Landaufteilung eine
Bedrohung ihrer eigenen Gebietsausbeute in grosser Skala. Seitens der
preussischen Regierung konnte man auch keine günstige Haltung
gegenüber der
Auswanderungen nach Brasilien beobachten. Ihr Interesse beschränkte
sich ausschliesslich auf den Handel von Rohstoffen, da auch die
brasilianischen Grenzen noch nicht festgelegt waren, was ein
schwerwiegendes Risiko für eine stabile Kolonisierungspolitik
bedeutete. Die Nachrichten über die Behandlung der freien Arbeiter,
die in der europäischen Presse durch Schriftsteller wie Davatz
[3]
verbreitet wurden und die Aufrechterhaltung des Sklaventums
waren massgebende Gründe, um die Einwanderungen zu verhindern. Auch
der katholische Glaube, als offizielle Religion, beschränkte die
Rechte der Einwanderer anderer Konfessionen, indem sie rechtmässiges
Heiraten und so auch die Regelung von Erbschaften verhinderte. Das
waren, unter anderem, die Gründe, die 1859 zur Herausgabe des "Dekrets
von Heydt" geführt haben, das den Immigrationsagenten verbat,
preussische Bürger nach Brasilien anzuwerben (BRUNN, 1971).
Zu Bismarcks Zeiten hat sich die offizielle
Haltung kaum geändert. Für den Kanzler gehörte Brasilien unter
Nordamerikas Einfluss, zu dem er weiterhin, für eine bessere
Durchführung der geschäftlichen Verbindungen, gute diplomatische
Beziehungen pflegen wollte. Ausserdem fand er, dass Deutsche, die ihr
Land verliessen, richtige Verräter wären. Seiner Ansicht nach:
Ein Deutscher, der sein Vaterland abstreift wie
einen alten Rock, 1st für mich kein Deutscher mehr, Ich habe kein
landsmannschaftliches Interesse mehr für ihn. (apud
BRUNN, 1971, S.127)
Trotz der offiziellen Einschränkungen sind
etliche Gruppen deutscher Abstammung nach Brasilien eingewandert, sei
es durch Initiative der brasilianischen Regierung, die bis 1830 ca.
6.000 Deutsche nach São Leopoldo in Rio Grande do Sul brachte und
auch kleinere Ansiedlungen in anderen Staaten gründete, sowie auch
durch Privatinitiativen (BRUNN, S.4).
Um die Opposition, die die brasilianische Elite
auf die kaiserliche Regierung ausübte, zu umgehen, wurde 1824 eine
Zusatzverordnung eingeführt, die den Provinzen die Initiativen gab,
die Einwanderungen selbständig zu fördern. In den darauffolgenden
Jahrzehnten verfügen Santa Catarina
und Rio Grande do Sul über eine
Gesetzgebung, die das Kommen ausländischer Arbeiter offiziell
begünstigt. Ab 1882 wurde ausser den Provinzregierungen auch den
Bürgermeisterschaften das Rechte zur autonomen Kolonisierung ihrer
Ländereien gegeben (DREHER, 1984, S.34).
Der Staat Rio Grande do
Sul hat die offizielle deutsche
Einwanderung am meisten gefördert, an 1. Stelle wegen des Erfolges der
ersten Erfahrungen und an 2. Stelle, weil es den Interessen der
Viehzüchter entsprach, die in der Mehrheit im Süden der Provinz waren.
Da die Abnehmer ihrer Produkte sich im Norden des Landes befanden,
gewährte ihnen die Besetzung dieses dazwischenliegenden Gebietes eine
bessere Infrastruktur für den Transport ihrer Produkte; der Wald wurde
abgeholzt und Wege wurden durch die Einwanderer geschaffen, die dann
auch selbst zu Abnehmern ihrer Produkte wurden. Ausserdem sicherte
diese totale Besetzung des Landes die einigen Grenzen. Dadurch
gründete die Regierung von Rio Grande do
Sul zwischen
1849 und
1918-22 Kolonien mit deutschsprachiger Bevölkerung.
In Santa Catarina
war die offizielle Initiative viel
weniger ausgeprägt. Es hat sich nur die Kolonie São Pedro de Alcantara hervorgehoben,
die 1829 noch durch die zentrale Regierung gegründet wurde, und Brusque, die 1961
9.000 Kolonisten in dieses Gebiet brachte. Die wichtigsten Kolonien
dieses Staates sind der privaten Initiative zu verdanken, wie die des
Hermann Blumenau's, der 1848 eine
Agrarkolonie gründete, die seinen Namen erhielt, und später auf seine
Bitte offizialisiert wurde und die Unterstützung von deutschen
Privatunternehmen erhielt.
Zu dieser Zeit, politisch wie auch ökonomisch
gesehen, kam die wichtigste Unterstützung für Santa Catarina aus Hamburg.
Dort beginnt, im Gegensatz zur offiziellen preussischen Politik, die
Privatinitiative ihre Aktivität, um Kolonisten in Brasilien
anzusiedeln, die nicht einmal durch die deutsche Vereinigung
unterbrochen wird. Es handelt sich um d i e "Kolonisationsgesellschaft
von Hamburg", der sich dafür eingesetzt hat, von 1850 bis 1888 17.408
Kolonisten nach Joinville und Umgebung zu bringen. Ab 1887 schloss
sich dieser Verein an Bankiers und Industrielle aus dem Rheinland und
Berlin an, unter der Führung von Carl Fabri, einem enthusiastischen
Nationalisten, der die utopische Vorstellung hatte, in Santa Catarina eine
teuto-brasilianische Republik zu gründen
und somit die deutsche Anwesenheit in Latein-Amerika zu garantieren.
Seiner Meinung nach hätten die Einwanderer dieser Herkunft dafür schon
eine autonome Gruppe in der sie aufnehmenden Gesellschaft gebildet und
besassen, laut Fabri, eine höhere Kultur als die bereits Ansässigen.
Er hoffte, dass sie sich natürlicherweise den Interessen des Deutschen
Reiches
anschlossen und dadurch einen Abnehmermarkt
grossen Ausmasses schufen.
Der Norddeutsche Lloyd aus Bremen, als grösste
transatlantische Schifffahrtsgesellschaft in Deutschland, war
seinerseits verantwortlich für die Einwanderung von 47.000 Menschen'
im Jahre 1890. Es handelte sich um ein grosses Geschäft, das durch
Propaganda und durch verschiedene Einwirkungen öffentlicher Stellen
angespornt wurde. Daraus entstand der Zusammenschluss von der
Kolonisationsgesellschaft von Hamburg mit dem Norddeutschen Lloyd und
der Südamerikanischen Dampfschifffahrtgesellschaft, was die
"Hanseatische Kolonisationsgesellschaft'’ hervorbrachte, und die dann
nicht nur für den Transport der Immigranten verantwortlich waren,
sondern auch für den Kauf der Ländereien und für die Organisation der
Kolonien in Santa Catarina (RICHTER, 1986).
Dieses sind die ausdrucksvollsten Beispiele der
Initiativen, die die deutsche Einwanderung nach Brasilien angespornt
haben. Sie gehören zu den Massnahmen, die durch öffentliche und
private Initiativen in Amerika und in Europa begonnen wurden, die die
Bevölkerung in eine "teure Ware verwandelte; eines Geschäftes, das
Banken, Transportgesellschaften und Makler mit verwickelte und zu
gleicher Zeit das Problem der überflüssigen Arbeitskraft in Europa und
der fehlenden Arbeitskraft in Amerika löste.
Dennoch geschah die Auswanderung nicht immer aus
zwingenden Gründen. Viele Europäer verliessen ihr Herkunftsland auf
der Suche nach neuen und besseren Lebensbedingungen und in der
Hoffnung, ihr Kapital zu vergrössern, oder aber - im Falle vieler
deutscher Immigranten- war die Abwanderung eine Strategie der
Auflehnung gegen die Proletarisierung. Dirk Hörder, (1988, S.391-
425), weist daraufhin, dass etliche Facharbeiter Deutschland verliessen, in Amerika
autonome Fortbestehungsformen in Handwerksbetrieben neu zu schaffen.
Nach Ansicht des Autors handelt es sich hierbei nicht um
Völkerwanderungen zwischen verschiedenen Ländern, sondern zwischen
Arbeitsmärkten, welche seit jener Zeit als internationaler Austausch
einfach notwendig sind.
Die Schlussfolgerungen von Hörder werden durch
die empirischen Forschungen über die ersten Einwanderer von São
Leopoldo bestätigt. Obwohl sie nach dorthin auswanderten, um sich
ausschliesslich landwirtschaftlichen Tätigkeiten zu widmen, ist zu
beobachten, dass ca. 60% von ihnen nebenher auch noch anderen
Beschäftigungen nachgingen. Diese wurden ganz offen angeben in der
Absicht, ihren eigentlichen Beruf zu erwähnen. Die von ihnen
entwickelten Arbeitstechniken wurden vom Vater an den Sohn
weitergegeben - ein Überbleibsel aus der deutschen Kultur des
Mittelalters, und die ihnen ein zusätzliches Einkommen brachten und
gleichzeitig einen besseren Status verlieh als den Ungelernten. Diese
Spezialisierungen, wie zum Beispiel Tischler, Metzger, Weber, Müller
usw. erleichterte ihnen garantiert den Anschluss an das Stadtleben,
während viele andere wegen der Landzersplitterung durch Erbschafts-
Aufteilungen wieder ausgewandert sind (WEIMER, 1979).
In den Dokumenten über die ersten Einwanderer in
Brasilien steht, dass diese Gruppen in ihrer grossen Mehrheit aus
heimatlichen Landgebieten kamen, die schon zu stark besiedelt waren.
Sie sahen in Amerika die Möglichkeit der Verwirklichung ihrer Träume
von der "Neuen Welt", in der es keine Könige, Feudalherren und
Knechtschaft gab. sondern jede Menge Land und Arbeitsmöglichkeiten:
Aqut näo podemosflcar
Aqui não podemos volver Pois os Hassten e os notaries
Nos tiram a malar parte
[4]
Vamos
parttr agora Para o belo pais America Coda qual
amt me sua trouxa So
as diDldas
deLxamos aqui
[5]
[6]
Adeus pdtrta mal agrndecida Vamos para uma outra terra Vamos para
o
Bras/I
Partimos com a mulher
e aßlharada Emtgramos para a terra
promettda All se encontra
ouro coma areia Logo, logo, estaremos
no Brasil
3
Diese Lieder verdeutlichen die Haltung der
Immigranten ihrem Herkunftsland gegenüber und ihre Erwartungen, die
sie dem neuen Ziel entgegenbringen. Diese Erwartungen entstanden durch
die Propaganda der Kolonisationsbetriebe oder durch Nachrichten von
Verwandten und Freunden, die schon ausgewandert waren. Im Gegensatz zu
der Literatur, die sich dem Leben der ersten Auswanderer widmet,
zeigen diese Lieder, dass die Vaterlandsliebe und die
Gewissenhaftigkeit, die deutsche Rasse fortzusetzen, kein Bestandteil
mehr dieser sozialen Gruppen waren, was sie jedoch nicht
hinderte, dass sie Traditionelles aus der
Vergangenheit holten, was dem Nationalismus ihrer Nachkommen eine
Ehrung erweisen würde.[7]
In der grossen Mehrheit waren es Bauern, die
selten dem staatlichen Leben verbunden waren. Obwohl sie den König und
seine Sinnbilder vergötterten, war ihr patriotisches Gefühl nur an die
Erde und den Ort, wo sie mit ihren Familien und Nachbarn wohnten,
gebunden und nicht an ein weites Land, das man eine Nation nennen
konnte.
Wenn sie sich in andere Regionen begeben, holen
sie ihre ursprünglichen Traditionen wieder hervor, die sich mit denen
der Empfangsgesellschaft vermischen, wie Goethe es in dem
nachfolgenden Vers symbolisiert:
Ficar. Ir, ir.ßcar
Seja tgual para
o homem capaz
Onde produzlmos algo
ütil
Este 6 o lugar que methor nos siwa.
[8]
Ab 1848 kommen zu den Auswanderern, die ihre
Länder aus ökonomischen Gründen verlassen, die Verbannten und die, die
freiwillig wegen politischen Gründen auswandern. Es sind die
sogenannten ”1848er. Kinder", die "Märztage-Männer", oder
volkstümlicher noch, die "Brummer". Ausser ihren Frustrationen über
den Misserfolg im Zusammenhang mit der Entwicklung jener politischen
Bewegung, unterscheiden sich diese liberalen, romantischen
Nationalisten oder Sozialisten von den Pionieren durch ihre
beruflichen Tätigkeiten: sie sind in der grossen Mehrheit
Handwerker, Intellektuelle oder in einer
kleineren Skala auch Angestellte. Die Tatsache, dass sie in
offiziellen Statistiken als Bauern erscheinen, wird den Bedingungen
zugeschrieben, die den Auswanderern gestellt wurden - es sollten
vorwiegend Landwirtschaftsarbeiter sein. Um die Auswanderungsrechte
zu' erhalten, schrieben sie sich als Bauern ein, und sobald sie angekommen waren, siedelten sie in die
nächstliegenden Städte um. Wenn das nicht möglich war, betrieben sie
neben der Landwirtschaft auch noch irgendein kleines Handwerk, was
dann langsam für das Erschein von den ersten kleinen und mittleren
städtischen Siedlungen in diesen Regionen verantwortlich war.
Aus den Dokumenten, die ich über die ersten
Einwanderer der Kolonie "Dona Francisca" fanden, welche von der
Hanseatischen Kolonisationsgesellschaft organisiert wurde, lässt sich
die Existenz von mindestens 40 Berufen, die dem städtischen Milieu
entsprechen, feststellen. Tischler, Schneider, Schuster, Mechaniker,
Schlachter, Bierbrauer, Müller, Bäcker, Klempner, Buchdrücker, unter
anderen, sind die Berufe, die mehr als die Hälfte der Einwanderer
dieser Kolonie zwischen 1852 und 1864 ausüben.[9]
In diesen Dokumenten stellt man auch fest, dass diese Facharbeiter
nicht länger als ein bis zwei Jahre in dieser Gegend blieben und dann
nach Curitiba, Porto Alegre oder São Paulo umsiedelten.
Weimer hat das Verhältnis zwischen dem Beruf der
Immigranten und der Gesellschaft des Landes in São Leopoldo
ausführlicher studiert. Er stellte fest, dass zwischen 1845 und 1899
sich 46% dem landwirtschaftlichen Milieu widmeten, während 53,9% im
städtischen
Bereich waren, wo die beruflichen
Qualifikationen zu dieser Zeit spezialisierter waren und durch das
relative Wachstum des Abnehmermarktes begünstigt. Obwohl der Autor
seinen Artikel mit As profissões
dos imigrantes alemães
no Rio Grande
do Sul (Berufe der deutschen Einwanderer in Rio Grande
do Sul) bezeichnet,
bezieht er selbst in diesen auch Menschen aus Holland, der Schweiz,
Schweden, Dänemark, Österreich, Serbien, Mähren und Russland mit ein;
eine wichtige Bemerkung. um die homogenisierenden Analysen, die über
diese Bevölkerung gemacht wurden, zu bestreiten (WEIMER, 1979, S.
307-19).
Die Beziehung von den "Brummern" zu den ersten
Einwanderern war auch nicht einfach. Sie wurden als Intellektuelle
Stadtmenschen gesehen, deren Sprache beinahe so unverständlich wie die
portugiesische Sprache war. Langsam unterschieden sie sich auch durch
ihre Kaufkraft und bald auch dadurch, dass sie sich leichter in das
öffentliche Leben einfügten. Durch diese Unterschiede wurden sie bald
zu Vertretern dieser Gruppe, wie zum Beispiel Männer wie Karl von Koseritz in Porto Alegre
und Ottokar Dörffel
in Joinville. Ersterer war Journalist, Verleger, staatlicher
Abgeordneter und Verwalter der Interessen der deutschen Bauern, was
ihr Grundvermögen anbetraf. Der andere war Gründer der Zeitung
"Kolonie", der erste Zeitung in deutscher Sprache, und er war auch der
erste Bürgermeister der Stadt.
Diese beiden Abschnitte der Einwanderung stellen
die erste Phase der Besetzung mit europäischer Bevölkerung, die
deutsch sprachen, im Süden dar, die trotzdem untereinander bedeutende
interne Unterschiede aufweisen, die erst im Laufe der Zeit durch den
sozialen Umgang gemildert wurden. Die generische Bezeichnung
"Deutsche" oder "Landwirte" muss durch eine sorgfältigere empirische
Nachforschung klargestellt werden, die nicht versuchen sollte, in der
Vergangenheit ein Bild zu entwerfen, dass nur in
Äusserungen der Verteidiger oder Kritiker ihrer kulturellen
Organisation ab Beginn des 20. Jahrhunderts einen Sinn hätte. [10]
Im Gegensatz zu den geläufigen Behauptungen der
traditionellen Historiographie hielten sich dieses Eiwanderungsgruppen
der erste' Phase nicht abseits der Politik. Im Gegenteil: sie nahmen
an der Politik teil, sowie es zu ihrer Zeit und in ihrem Milieu
möglich war. Sie gründeten Vereine zur gegenseitigen Hilfe und zur
Beschützung ihrer Dörfer wie zum Beispiel die Schützenvereine. Mit
eigenen Mitteln gründeten sie Schulen und Kirchen, sowie auch
Freizeiteinrichtungen wie Verkaufsstände, Kneipen und Bierstuben
(AMADO, 1978). Ausserdem organisierten sie einen Gemeindeart, der über
interne Konflikte entscheiden und sie den Autoritäten der Provinz
übermitteln sollte. Sie blieben relativ isoliert von der Gesellschaft
ihres Einwandererlandes, wegen der Unkenntnis der neuen Sprache und
auch wegen der geographischen Lage ihrer Ansiedlungen. Wenn sie in
grössere Zentren abwanderten, integrierten sie in die soziale Schicht,
die ihrer eigenen entsprach und traten unter grösseren oder kleineren
Schwierigkeiten den kulturellen Diskriminierungen entgegen. Wie auch
die Immigranten anderer ethnischer Gruppen hielten sie eine gewisse
Verbindung zum Herkunftsland aufrecht durch Briefwechsel mit Freunden
und Verwandten, aber sie träumten nicht von einer Rückkehr, weil sie
im speziellen Fall der preussischen Regierung und der Junker, die die
Oberhand hatten, als Verräter, Deserteure und Verächter der
Lohnabhängigen angesehen worden waren. Sie
mussten sich an Amerika oder an ihre Kolonie, an den Kaiser oder den
Bürgermeister, ans Klima und an die Arbeit anpassen; letzten Endes an
ihre neue Heimat, soweit man diese nicht mit dem Begriff von Nation
und Regierung in Verbindung bringen würde; und ihrer Meinung nach'
passten sie sich gut an.
Neue Immigranten aus einem
neuen Land
Ab 1870 kommen andere Arbeiter nach Brasilien
und mit ihnen ihre Erfahrungen aus ihrem Heimatland. Bezüglich der
deutschen Einwanderer sind es nicht nur ehemalige Bauern aus kleinen
Dörfern oder städtische Angestellte, die aus der Proletarisierung
flüchten; sie waren inzwischen vielmehr "Bürger des Reiches", das ein
vereintes Deutschland war; und obwohl dieses zu der Zeit weiter
Arbeitskräfte hinauswirft, haben die Auswanderer doch immer noch ein
starkes Zugehörigkeitsgefühl, gefördert in Grundschulen oder die
Literatur, die einen immer grösseren und anhänglicheren Leserkreis
erobert.
Statistiken beweisen uns, dass im letzten
Drittel des 19. Jahrhunderts die Zahl der Immigranten viel
ausgeprägter ist als in den vorhergegangenen Jahrzehnten. Dieser neue
Impuls ist zurückzuführen auf die ökonomische und politische
Entwicklung beider Länder. Die starke Industrialisierung in
Deutschland, der relative Erfolg der Einwanderer-Propaganda, teils
durch die Presse, teils durch die eigenen Ansiedler, oder deren
Schriftwechsel mit der alten Heimat, ziehen weitere Einwanderergruppen
in diese Gegend an. Hinzu kommen die hohe, ungesteuerte Wachstumsrate
und die Vielseitigkeit der Betätigungsmöglichkeiten, die sich aus dem
regional beobachteten wirtschaftlichen Wachstum ergaben. Zu derselben
Zeit kamen nach Curitiba und in seine angrenzenden Gemeinden eine
Vielzahl von Rückwanderern, die sich diesen Pionieren zugestellten.
Die Landkarte Nr. 1 und das
Schaubild Nr. 1 veranschaulichen uns das Anwachsen der
Siedlungsgebiete besser.
Landkarte 1 - Die
Haupt-Siedlungszentren Deutschsprachiger im 19. Jahrhundert in
Brasilien
![]() |
Schaubild 1- Die
Haupt-Siedlungszentren Deutschsprachiger im
19. Jahrhundert in Südbrasilien[11]
|
Kaiserliche und
|
|
Estrela
(RS) |
1872 |
Wieder einwanderung |
Teutonia
usw. |
Po$o
das Antas (RS) |
1875 |
Wieder einwanderung |
Teutonia
usw. |
Sena
Branca (RS) |
1875 |
Wieder einwanderung |
Santo
Angelo
und
Santa Cruz |
Nova
Patria (PR) * [12] |
1877 |
Privat |
Wolga
(Russland) |
Campestre
(RS) |
1885 |
Wieder einwanderung |
Teutonia
u. a. |
Botucarai
(RS) |
1890 |
Bundes-Regierung |
Santo
Angelo
und
Santa Cruz |
Serra
Ijui (RS) |
1890 |
Staats-Regierung |
Santo
Angelo, Santa
Cruz u.a. |
Canoas
(SC) |
1890 |
Wieder einwanderung |
São
Leopoldo und Teutonia |
Barra
do Colorado
(RS) |
1897 |
Staats-Regierung |
Verschiedene
Gebiete |
Boi
Preto (RS) |
1897 |
Staats-Regierung |
Verschiedene Gebiete |
Hansa-Humboldt (SC) |
1899 |
Staats-Regierung |
Verschiedene Gebiete |
Hansa
(SC) |
1899 |
Wieder einwanderung |
Blumenau |
|
Quelle: DREHER. 1984. WILLEMS,
1980. FUGMANN. 1929. GERTZ. 1987. FOUQUET.
1974. SEYFFERTH, 1988
Mit diesen neuen Zuwanderern kamen auch Anhänger
der verschiedenen protestantischen Glaubensbekenntnisse, die zu der
Zeit Sorgen um ihre Gläubigen in der Diaspora hatten. Wenn bis dahin
die protestantischen Missionen sich besonders ihrem ausgewanderten
Deutschen innerhalb des Kontinents und in Nordamerika zugewendet
hatten, so wurde um 1870 auch Brasilien ihrer Aufmerksamkeit,
motiviert zum grössten Teil durch den Pietismus-Lehre ihre
Ernsthaftigkeit in der Evangelisationsaufgabe. Ihrer Ansicht nach
waren die Deutsch-Amerikaner schon in die Gesellschaft der neuen
Aufnahmegebiete integriert, und entsprechend der Industrialisierung
dieses Landes wurde ihre traditionelle religiöse Ausübung schon
schwächer. Die religiösen Absichten waren übereinstimmend mit denen
der protestantischen Nationalisten - oder nationalistischen
Protestanten - wie, zum Beispiel, Carl Fabri, nach dessen Ansicht die
germanischen Einwanderer in Latein-Amerika als "Kulturdünger"
anzusehen waren, oder aber als potentielle Vermittler eines
Imperialismus, der die Eroberung von Gebieten erübrigte, wenn er statt
dessen treue Anhänger und Untertanen seiner Interessen fand (PRIEN,
1989).
Die Ersteinwanderer und die ’’Brummer", die
diese Neuzuwanderer empfingen, harmonisierten anfangs nicht
miteinander, die sich selbst als "Reichsdeutsche" bezeichneten. Sie
hielten sie für zu gebildet, übertrieben an ihrer heimatlichen Gegend
hängend und als Verteidiger eines Landes, dessen Geschichte sie direkt
nichts mehr anging. Ausserdem sprachen sie hochdeutsch, was ihren
Landsleuten hierzulande nur schwer verständlich war, denn bis 1870
sprachen die Bewohner der diversen kleinen Länder, die zusammen
Deutschland bildeten, nur ihre regionalen Dialekte.
Für diese Reichsdeutschen waren die
Deutschbrasilianer Ignoranten, Trinker, total assimiliert und - nach
Aussagen der Pastoren mit akademischer Ausbildung, die in Brasilien
ihr Amt ausübten - sich sehr wenig um ihre religiösen Pflichten
kümmernd. Im Gegensatz zu den ersten Pastoren, die direkt in ihren
Gemeinden gewählt worden waren, sahen ihre Nachfolger sich als
Autoritäten an, die nur der deutschen Kirche gegenüber verpflichtet
waren, was zahlreiche Ablehnungen der Siedler zur Folge hatte. Die
Pastoren andererseits sahen die Siedler als undiszipliniert an, wenig
fromm und lediglich die religiösen Formalitäten erfüllend. Die Siedler
aber verstanden die Pastoren als Tadler ihrer Festlichkeiten und sogar
ihrer täglichen Gewohnheiten.
Ausser diesem Widerstand der Volksschicht
bekamen die neuen Pastoren die Opposition der Atheisten und Liberalen
zu spüren, die im Dasein der Pastoren einen deutsch-imperialistischen
Einfluss sahen und die Bestärkung in einer Religiosität, die sie in
Abrede stellten. (SEYFERTH, 1981, S. 51).
Aber die Nachricht über ein vereintes
Deutschland hat doch viele Begeisterte zur Folge, besonders bei den
Liberalen, die 1848 wegen des zerstückelten Vaterlandes weggingen
(KUDER, 1937). Diese versöhnen sich nun sentimental mit ihrem
Vaterland, oder lassen sich, zum Teil, davon überzeugen, dass man
möglicherweise politische oder ökonomische Vorteile von dort erwarten
könne. Und in der Tat hatte das seine Berechtigung, denn zur
Jahrhundertwende wurden bereits 45% Waren von Deutschland nach Rio
Grande do Sul ausgeführt, während an 2. Stelle England mit nur 17%
stand. Rio Grande do Sul hingegen exportierte 19% seiner Produkte nach
Deutschland, während der interne Markt noch der grössere Abnehmer war
(BRUNN. 1971, S. 151).
Wir können diese Tendenz nicht als unumschränkt
verallgemeinern, so wie wir nicht alle Reichsdeutschen als
leidenschaftliche Nationalisten bezeichnen können. Man muss
hervorheben, dass der preussische Staat Bismarcks das Ergebnis einer
Revolution "von oben" war, was einen Abbruch der Beziehung zu' dieser
Gesellschaft hervorrief und sie * in ihrem Militärbereich - in zwei
deutlich getrennte Gruppen teilte: Reichsfeinde und Reichsfreunde
(WEHLER, 1970, S. 122). Von diesen ist natürlich die erste Gruppe am
Auswandern interessiert und im Gegenteil nicht daran, die gleichen
Gefühle wie die zweite Gruppe zu bewahren.
Die Dokumentation, in der die Existenz der
sozialdemokratischen Bewegung und anderer linksgerichteter Tendenzen
erwähnt wird, war in den Archiven Brasiliens sehr gering und wurde
nicht erhalten, weil möglicherweise die ersten Gelehrten, die sich mit
der Einwanderung befasst haben, in ihrer Mehrheit schon festgelegt
waren auf eine feierliche und stolze Geschichte jener Kontingente.
Rene Gertz, (1985, S. 75-84), identifiziert indessen eine der ersten
Organisationen mit diesen Tendenzen des Jahres 1892, die sich aus
Arbeitern deutscher Abstammung in Porto Alegre
bildeten: aber man muss in Erwägung
ziehen, dass das Fehlen politischer Bewegungen dieser Art damit
Zusammenhängen kann, dass diese sich aus ethnischen und sprachlichen
Prinzipien heraus eben nicht bildeten. Wenn diese Bewegungen sich in
grössere Zentren verlegen und sich typisch städtischen Aktivitäten
zuwenden, verbinden sie sich eher über-ethnischen Gruppen, denn sie
müssen sich den gegebenen Bedingungen anpassen zugunsten ihrer
wirtschaftlichen oder politischen Interessen, oder eben denen ihrer
Klasse (HOERDER, 1988). Aber in kleinen oder mittleren Städten, in
denen die deutschstämmigen Gruppen den weitaus grösseren Teil der
Bevölkerung ausmachten, erhielt sich die
ethnische und kulturelle Identität, grösstenteils begünstigt durch das
Bestehen ihres Vereinswesens, durch die Bedingungen ihrer religiösen
Minderheit und durch die Schwierigkeit, die Landessprache zu
beherrschen.
Die Ausübung der Vereine bekommt in den
80er/90er Jahren ' einen beachtenswerten Impuls und sie breiten sich
in den folgenden Jahren immer weiter aus. Als Mikronationen empfinden
sie die Gleiche Notwendigkeit der Bestätigung des
Zugehörigkeitsgefühls und der zahlreichen Formen der Solidarität -
Charakteristiken, die zum Teil den wirtschaftlichen Aufstieg vieler
Immigranten erklären.
In Curitiba,
zum Beispiel, werden zwischen 1856
und 1926 ungefähr 50 Vereine gegründet, einige sind nur von kurzer,
andere von langer Dauer. Man schliesst sich zusammen, um zum Beispiel
eine Gruppe zu bilden, die die Funktion der freiwilligen Feuerwehr
ausübt, oder um Institutionen zu bilden, die mit dem Gesundheitswesen
zu tun haben, wie unter anderen, die Gründung des "Deutschen
Krankenhauses"; um Interessenten an Garten- oder Parkgestaltungen
zusammenzuführen; zur Anlage und Pflege des deutschen Friedhofs;
ausserdem leistet man zahlreiche Zuschüsse in Schulen und Kirchen, was
einen intensiven sozialen Austausch bedeutet. Musikanhänger schliessen
sich zusammen, Sport* oder Theater-Interessenten, oder man findet sich
einfach zur gemeinsamen Freizeitgestaltung.
Das am meisten hervorzuhebende Beispiel dieser
Vereine in Curitiba ist der "Handwerker-Unterstützungsverein", 1884
gegründet, der 1934 schon 3.000 Mitglieder zählte und zu dieser Zeit
schon einer der grössten dieser Art im Lande war. Inspiriert durch die
Thesen der Sozialdemokratie, richtete er seine Aufgaben zugunsten des
Gemeinwesens aus, das sich mit dem Gesundheitswesen, der Erziehung und
Freizeitgestaltung befasste, auf der Suche danach, auf eine bestimmte
Art die diesbezüglichen Richtlinien des brasilianischen Staates zu
ergänzen mit denen, die sich im Herkunftsland entwickelten. Wären
diese erst einmal festgelegt, würde sich das Ansehen seiner Existenz
nicht nur durch seine Arbeiter und Handwerker erhöhen, sondern auch
auf anderen Gebieten, soweit sie die Weltanschauung derer integrieren
würden, die "am Beherrschen der deutschen Sprache festhielten". Diese
und andere Institutionen verstanden sich also als affektive
Vertretungen eines intervenierenden Staates und taten alles für ihre
"Untergebenen", kümmert sich unter anderen um ihre Sicherheit, ihre
Erziehung und Ausbildung, ihre Gesundheit und Arbeitsplätze. So
verhält sich auch der "Deutsche Klub" in Curitiba,
1869 gegründet, nicht nur zum Zweck
der erholsamen Freizeitgestaltung, sondern übernimmt ab 1880 auch
Wohltätigkeitsaufgaben. In seinen Statuten ist eine Finanzhilfe bis zu
12 Monaten vorgesehen für diejenigen Mitglieder, die krank oder
arbeitslos würden. Diese Unterstützungen waren jedoch vom
disziplinierten Benehmen der Bedürftigen abhängig, was folgendermassen
in den Satzungen festgelegt war:
(...) diese Unterstützung wird nicht an
Mitglieder ausgezahlt, die ihre Beiträge seit 4 oder mehr Monaten
nicht entrichtet haben, oder an Kranke, deren Zustand durch
Streitigkeiten oder Trunksucht entstanden ist (...) (apud
NADALIN, 1972, s. 9).
Aber auch wenn es nur die Freizeitgestaltung
betrifft, sind die Voraussetzungen in diesen Vereinen dieselben wie
oben erwähnt. So heisst es zum Beispiel in den Statuten desselben
Klubs weiter:
(...) Der Klub "Germania" erfüllt den Zweck,
seinen Mitgliedern erholsame Freizeltstunden in erfreulicher und
sittlicher Gesellschaft zu bieten, wie zum Beispiel durch gemeinsamen
Gesang, durch Lesestunden u.a. Vergnügungen, die diejenigen
bereichern, die wahrhaft danach suchen (idem, 1972, s.9)
Der Germania-Verein, wie auch andere Gesangs-,
Theater- oder Sportvereine in Curitiba
und auch in anderen Städten,
setzten also ''Moral" voraus, angeregt durch das in den Vereinen sich
entwickelte Gefühl der harmonischen Einigkeit zwischen seinen
Mitgliedern, die sich als ein Teil desselben Organismus empfanden:
Man singt und macht überall Musik. In den
Kirchen singen die Gläubigen, in Ihren Körperschaften die Studenten,
beim Marschieren die Soldaten, auf ihren Wanderschaften
die Handwerker. 10
Ausser dieser Art Vereinen gab es aber auch
korporative, die - wie die deutschen Zünfte - die verschiedenen
Berufssparten zusammenfassten, um deren Interessen vor der
Gesellschaft zu vertreten, während sie gleichzeitig die Legalität des
allgemeinen Verbrauchers eben dieser Sparte in der Öffentlichkeit
garantierten.
Kleine Zirkel, Körperschaften, Freizeitzentren,
in denen die Teilnehmer sich treffen und gesehen werden wollen,
Erhaltung der Sprache und Tradition der Vorfahren - das alles entsteht
in dieser Zeit, charakterisiert durch die aus der Heimat mitgebrachten
Erfahrungen, die - auf örtlicher Ebene - ganz einfach übersetzt und
neu herausgegeben werden können, ungefähr im Sinne von "Einigkeit
macht stark".11 Trotz der Einmischung der Pastoren der
deutschlutherischen Kirche sind doch in dieser Zeit alle Initiativen
auf die Urheberschaft der eigenen Einwanderer-Gemeinden
zurückzuführen. Erst etwas später werden sie von ausländischen
Institutionen unterstützt, deren Ausübungen nach dem Ausruf der
Republik grössere Relevanz erhalten. Und zusammen mit ihnen entdecken
und erkämpfen die brasilianische Regierung, wie auch Deutschland, den
[13]
[14]
Süden Brasiliens - und zwar beide unter
derselben sozial-politischen Vorstellung des Nationalismus.
Die
Einwanderung zur Zeit der Republik
Mit dem Ausrufen der Republik und dem Ende der
Sklaverei stellt die Emigration aus Europa eins der Hauptthemen der
Debatten um die Arbeitskraft-Nachfrage in der Landwirtschaft dar, die
erst die Voraussetzung der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse
Brasiliens garantiert. Daraus entstehen eine Menge Initiativen, alle
mit dem Versuch, Immigranten verschiedenster Herkunft in die
wichtigsten Wirtschaftszentren des Landes anzulocken. Auf Grund der
daraus entstehenden Bevölkerungsdichte, im Zusammenhang mit der schon
beginnenden städtebaulichen Gestaltung, ergeben sich Probleme der
Versorgung - eine neue politische Aufgabe, die durch die Immigration
überwunden werden muss. Zur Arbeit in der Landwirtschaft kommt die
Verteilung von Länderleien landwirtschaftliche Produktion von
Nahrungsmitteln im Innern des Landes, oder besonders auch in der Nähe
grosser Farmen, die sich auf Monokulturen spezialisiert haben. Damit
konnte man die Kosten der Reproduktion verringern, andererseits -
falls nötig - das Kontingent der Arbeitskraft jener produktiven
Zentren erhöhen (STOLCKE & HALL, 1983. S. 80-120).
Es ergibt sich aus diesem Kontext, dass das
Kolonisations- System in den Südstaaten Brasiliens von den
Intellektuellen und Politikern der jungen Republik neu bewertet wird;
obwohl es sich weiterhin am vorhergegangenen System ausrichtet in
Bezug auf die Gründung von Siedlungen mit kleinem Landbesitz, der sich
- sozusagen als Zusatz - in die Nationalökonomie integrieren muss, sei
es zur Zusatzversorgung von Verbrauchsgütern in
dynamischen Zentren, oder sei es als potentieller Lieferant von
Arbeitskräften durch interregionale Zuwanderung.
Es fiel, wie im Kaiserreich, den Gouverneuren
die Aufgabe zu, diese Siedlungszentren in ihren Territorien zu
gründen, wobei diese eine einzige einschneidende staatliche
Einmischung erdulden mussten, darin, dass ein rigoroses Verbot
bestand, das die Zusammenballung ethnischer Gruppen in derselben
Gegend untersagte, hingegen gemischte Siedlungen vorschlug,
vorzugsweise aus Ausländern und Einheimischen bestehend. Diese
Massnahme erklärt sich unter anderen durch die Vorstellung der
Ausbreitung der "deutschen Gefahr", deren Anhänger in der ethnischen
Konzentration ein Risiko sehen wollten durch die Einmischung in
kulturelle, politische und territoriale Aspekte.
Die warnenden Hinweise auf dieses Risiko hatten
jedoch keinen Rückfluss der Einwanderung aus Deutschland zur Folge.
Wenn der Immigrationsrhythmus sich verlangsamte, so kam das eher durch
ökonomischen Zufall, von denen die jeweiligen Regierungen abhängig
waren, als vielmehr durch die Wirksamkeit anti-germanistischer Reden;
in Rio Grande do Sul sind zu der Zeit die Abholzungen der Waldgebiete
der Hauptgrund der finanziellen Reduzierung des Staatshaushalts für
die Einfuhr von Arbeitskräften. In Santa Catarina
werden zwar einige neue Siedlungen
gegründet, aber - aus ähnlichen Gründen wie den oben erwähnten -
vergeben die offiziellen Stellen Klein-Landbesitz lieber an Nachkommen
der Ersteinwanderer, infolge ihres beträchtlichen Wachstums. Im
Gegensatz dazu macht Paraná grosse Anstrengungen zur Besiedlung seines
Gebietes, anfangs die transkontinentale Immigrationspolitik anwendend.
Im 20. Jahrhundert lassen sich in diesem Staat
die meisten europäischen und asiatischen Einwanderer nieder, mit
Ausnahme von Italienern, Spaniern und Portugiesen. Es kommen
ukrainische, russische, japanische, polnische und deutsche Arbeiter,
besonders eben Osteuropäer, die aus wirtschaftlichen, politischen oder
religiösen' Gründen aus ihren Ländern auswandern. Zu ihnen gesellen
sich diejenigen anderer älterer Siedlungsgebiete, die wegen der
Landaufteilung aus Erbschaftsgründen ihre Gebiete verlassen und sich
im Norden der Südstaaten neu ansiedeln wollen.
Die Einwanderer aus Deutschland haben allein in
Paraná von der Jahrhundertwende bis zum Jahr 1953 dreizehn
Landwirtschaftssiedlungen in verschiedenen Gegenden dieses Staates
geschaffen, wie aus der Landkarte 2 ersichtlich wird.
Landkarte 2 - Die Haupt-Siedlungszentren Deutschsprachiger im Paraná |
Wenn man diese Entwicklung von Siedlungszentren
genau betrachtet, kann man feststellen, dass diese Land-Besetzung fast
eine Herausforderung für die jeweilige Landesregierung darstellt, die
sich nur in eine weitere Wirtschaftsplanung abändert, wenn der
Verwaltungsapparat andere Verpflichtungen eingehen muss, die in seinen
Kostenanschlägen aber mit der demographischen Besiedlungen
einhergehen; sobald der Eintritt, versucht man, durch eine Reihe von
Reden sein Verhalten zu rechtfertigen, unter anderen, das der
Bevorzugung nationaler Arbeitskräfte. Auf Grund dieser Feststellung
beurteilen wir die Interpretation von Wilson Martins als unkorrekt,
dessen Worten nach dieser Neuorientierung sich auf patriotische
Absichten der Gouverneure zugunsten ihrer Landsleute bezog. Wir
zitieren hier das gleiche Beispiel von Martins, das nach den Worten
von Caetano Munhoz da Rocha, aus Paraná, in
seiner Rede aus dem Jahr 1922 eine nationalistische und
fremdenfeindliche Haltung erkennen lässt. Der Staatspräsident erklärt
sich gegen die Einwanderung, wenn sie aus öffentlichen Kassen
bestritten worden muss.
(...) da es ihm weder gerecht noch vertretbar
erscheine, dafür Geldmittel zur Verfügung zu stellen, die in den
Schul- und Strassenbau gesteckt werden könnten, zum Wohl der Nation
und der wahren Bevölkerung dieses Landes, nämlich den Wegbereitern des
Landesinnern (apud MARTINS, 1989, S. 91).
Bald jedoch werden - zur Zeit derselben
Konjunktur und der ihr folgenden - andere Politiker und Intellektuelle
aus Paraná eine enorme Propaganda starten, um europäische Immigranten
anzuwerben, die entweder direkt aus dem Ausland kommen, oder aus
anderen brasilianischen Gebieten, wie Söhne von Ausländern, die nur
wenig der nationalistischen Gesinnung unterliegen. Dieser zweite
Gedankengang lässt sich damit begründen, dass dies weniger kostspielig
ist als die Ansiedlung direkt aus Europa kommender Arbeitskräfte. So
besorgt - durch eine patriotische, in dem Augenblick günstige Rhetorik
- die jeweilige Landesregierung ihre notwendige Arbeitskraft, ohne die
gleiche Menge an Geldmitteln einsetzen
zu müssen wie die
Nachbarstaaten, was zur Erhöhung seiner Einnahmen beiträgt, die sich
aus der neuen wirtschaftlichen Entwicklung ergeben.
Nicht einmal der erste Weltkrieg konnte die
Politiker der Südstaaten beeinflussen, die für die europäische, und
ganz spezifisch für die deutsche Einwanderung waren. Anhand der
Tabelle Nr. 2 lässt sich ein starkes Anwachsen der Immigration aus
diesem Herkunftsland - im Vergleich zu vorhergegangenen Jahren –
feststellen.
Tabelle
Nr. 2 -Einwanderer deutscher Herkunft in Brasilien -
Einwanderungsjahr |
1900-09 1910-19 1920-29 1930-39 TOTAL |
Zahl der Immigranten |
13.848 25.902 75.839 27.629 143.218 |
Quelle:
GERTZ, 1987, a 15
Diese Angaben zeigen, dass auch im 20.
Jahrhundert die Gruppe von Immigranten deutscher Herkunft den 4. Platz
belegt, nach den Italienern, Portugiesen und Spaniern.
In der Zeit vor dem ersten Weltkrieg, als der
Mythos von der deutschen Gefahr mit grosser Intensität durch die
Presse, die Intellektuellen und den Nationalismus der Politiker
geschürt wird, begnügen sich die drei südlichen Landesregierungen
damit, Kampagnen zu starten, um für die portugiesische Sprache zu
plädieren und die Einschränkung bekanntzugeben, dass Einwanderer nicht
in öffentliche Dienste treten dürfen; Massnahmen, die sich nach
Kriegsende wieder lockern. Die grösste Diskriminierung bis 1930 kommt
von der bürgerlichen Gesellschaft, die in den Immigranten nur den
Ausländer sieht. Diese Einstellung würde zu einem Klima der Ablehnung
dieser Schicht gegenüber beitragen, was zu drastischeren Massnahmen
seitens der offiziellen Stellen erst während der neuen Staatsform
führen würde. Aber bis dahin nimmt die Zahl der Deutschstämmigen und
Neueinwanderer noch zu, und diese gemessen eine relative Autonomie in
ihren politischen Ausübungen. Ihre Zuwachsrate schwankt, wie die der
anderen Länder auch, was jedoch auf die wechselhafte Regionalökonomie
zurückzuführen ist.
Eine präzise Zahlenangabe der deutschen in
Südbrasilien und den anderen Staaten zu nennen, ist eine sehr
schwierige Aufgabe, denn die zur Verfügung stehenden Angaben wurden
meist von intellektuellen gemacht, die von dem romantischen Begriff
des Nationalismus und von der Idee "Grossdeutschland’' eingenommen
waren, was sie dazu führte, nicht zu unterscheiden zwischen
denjenigen, die schon Enkel und Urenkel deutscher Einwanderer waren
und völlig assimiliert, und denen, die sich selbst hierzulande als
"Deutsche" ansahen, oder, die effektiv noch aus Deutschland stammten.
Als eine Veranschaulichung erwähnen wir die
Forschungsergebnisse des Geographen Reinhard Maak, der sich sehr
eingehend mit der deutsch-stämmigen Bevölkerung in Paraná, dem
jüngsten Kolonisationsstaat, beschäftigt hat; er stellte unter anderen
fest, dass von den 126.000 deutscher Abstammung allein 40.000 ihre
Muttersprache schon nicht mehr beherrschten (MAACK, 1939, S. 8 -28).
Im Gegensatz dazu erwähnt der Pangermanist Ghese
(1931), dass sich in demselben Gebiet zu der Zeit allein im Süden
1.200.000 Deutsche befunden hätten, die alle in den Interessen und
Weltanschauung ihres Herkunftslandes übereinstimmten.
Trotz dieser Ungenauigkeiten können wir in
Übereinstimmung der Nachweisquellen die von Gertz angegebenen Zahlen
akzeptieren, deren Berechnung für das Jahr 1935 aus der Tabelle Nr. 2
hervorgehen.
Staat |
Zahl der Immigranten
und Nachkommen |
Rio Grande do Sul |
600.000 |
Santa Catarina |
220.000 |
São Paulo |
90.000 |
Paraná |
70.000 |
Rio de Janeiro |
25.000 |
Espírito Santo |
15.000 |
TOTAL |
1.020.000 |
Quelle: GERTZ. 1987. S. 14 |
Bezüglich der Südstaaten stellen diese Zahlen
19,62% der gesamten Bevölkerung von Rio Grande do Sul dar, 22% von
Santa Catarina und 6,9% von Paraná.
Die Ursprungsgebiete der Immigranten des 20.
Jahrhunderts sind ebenfalls schwer feststellbar, denn sie kamen aus
sehr viel verschiedenen Gebieten als ihre Vorgänger, so wie auch die
Gründe der Auswanderung andere waren, was erst nach genaueren
monografischen Studien kommentiert werden kann. Es waren jedenfalls
nicht wenige Deutsche, die aus den ehemaligen afrikanischen Kolonien
kamen, weil sie durch die Vorherrschaft der Alliierten nach dem ersten
Weltkrieg vertrieben wurden (WILLEMS, S. 65). Wieder andere kamen aus
Russland, aus dem Wolgagebiet, verbannt oder vor der Revolution
geflüchtet, ein ähnlicher Prozess wie für diejenigen, die wegen
religiöser Verfolgung diese Länder infolge des Pan-Slawismus des 19.
Jahrhunderts verlassen mussten (FUGAMNN & BREPOHL, 1927 und
BREPOHL, 1929). Die "Hanseatische Kolonisationsgesellschaft", früher
"Kolonisationsgesellschaft von Hamburg", setzt ihre Aktivitäten im
ersten Drittel dieses Jahrhunderts fort und erreicht im Jahr 1924 eine
Zusage durch die brasilianische Regierung, 600.000 Hektar Land des
Staates Santa Catarina zur Kolonisierung zu bekommen, woraus die
Kolonie "Ibirama" entstand (RICHTER,
1986). Jedoch, und unabhängig von den staatlichen Interventionen,
waren die beiden Weltkriege' ausschlaggebend für viele Ausweisungen
dieser Deutschstämmigen aus allen Teilen Deutschlands.
Die Neu-Einwanderer, von den schon lange hier
lebenden "Neudeutsche" oder "Deutschländer" genannt, und eben die
Nachkommen deutscher Einwanderer, der Pioniere, welche sich als
"Reichsdeutsche" oder "Brummer" bezeichnen, befinden sich in einer
grossen Umbruchperiode, die sich durch die schnelle sozio- ökonomische
Struktur der Südstaaten erklären lässt; wegen der Landzerstückelung
und weiterer Abwanderungen in die Städte, oder andererseits dem
sozialen Aufstieg einiger Deutscher entstehen eine Reihe von
Stadtzentren kleinerer oder mittlerer Bedeutung. Ausser Curitiba und
Porto Alegre entwickeln sich Blumenau, Joinville, Ponta Grossa, São
Leopoldo und Novo Hamburgo zu
Produktionsstätten von Manufakturen; sie bleiben also nicht nur
Zwischenhändler landwirtschaftlicher Erzeugnisse.[15]
In dieser Zeit gewinnen auch die
Vereins-Ausübung und die Erweiterung der deutschen Presse im Lande an
Bedeutung. Gesangs-,
Sport- und Freizeitvereine, Religionszentren und
Unterstützungs- Vereine, auch technische Beratungsstellen organisieren
sich sehr systematischen in fast allen Gemeinden der Südstaaten, wo
sich Einwanderer und Menschen deutscher Abstammung befinden. Schulen
und Kirchen werden gegründet um die religiöse Identität und die
Muttersprache, wie alles Germanische überhaupt, zu erhalten. Die
Tages- oder Wochenzeitungen breiten sich zahlenmässig aus und ihr
Inhalt wird abwechslungsreicher. Nachrichten im Zusammenhang über
Ereignisse in Brasilien und Deutschland, religiöse Orientierung oder
solche für das Leben in der Familie, Richtlinien für Jugendliche oder
Anregungen für die Freizeit, technische Hinweise, sowie Titel oder
Besprechungen didaktischer Bücher ziehen immer mehr interessierte
Leser an. Ausser diesen Zeitungen und didaktischen Werken, die die
Privatschulen in ihren Grundstufenprogrammen orientieren sollen, sind
informative Mitteilungen der Vereine und deren Hinweise auf diverse
festliche Gedenkakte zu erwähnen, wie auch Geschichtsbücher und
Literatur, die sich durch das Leben der Immigranten inspirierte; dies
alles brachten die Druckereien in Umlauf (BREPOHL DE MAGALHÃES, 1989,
s.77-112).
Man kann einen neuen Charakter in fast allen
Gesellschaftsformen und im öffentlichen Auftreten feststellen; anders
als zur vorangegangenen republikanischen Epoche verfügt man über einen
anderen allgemeinen Nenner, ausser dem Gebrauch der deutschen Sprache:
es handelt sich um die Verteidigung und Verständlichmachung
der notwendigen Erhaltung der ethnischen Identität. Gleich ob
religiöse oder säkulare Schriften, alle waren sich darin einig- ihre
verschiedenen Proportionen und Objektive vorbehaltend-, dass der
Zusammenhalt dieser Gruppen als ethnisches Prinzip nicht nur als
kultureller, sondern auch als politischer Faktor anzusehen sei.[16]
Diese Durchführungen dürften sich- als eine Art
Verteidigungsstrategie jener Schichten- durch die Erfahrung mit dem
ersten Weltkrieg verstärkt haben, nämlich aufgrund der Repressalien '
durch die Tatsachen, dass ihr Herkunftsland sich im Krieg mit
Brasilien befanden. Es spielt auch eine wichtige Rolle in der
Verstärkung ihrer Kontakte zur Gesellschaft des Einwanderungslandes - Resultate des
aufblühenden Städtebaus, was sogar latente Differenzen zwischen den
Immigranten und den Brasilianern hervorrief. Aber grundlegend ist in
dieser Analyse das Verständnis für den grossen Einfluss der Mitglieder
der verschiedenen deutschen Vereine hierzulande, die an der
Auswanderung und den im Ausland lebenden Deutschen interessiert waren,
wie zum Beispiel dem "Alldeutscher Verband", dem wichtigsten der
Vereine, der "Deutschen Kolonialgesellschaft", dem "Evangelischen
Hauptverein für Ansiedler und Auswanderer" und der "Hanseatischen Kolonisationsgesellschaft".
Diese sind die Hauptantriebskräfte der deutschen
Kolonisierungsbewegung, Ergebnis der Entwicklung eines
Spät-Imperialismus, dessen Anschauung über das Erhalten der Identität
als eine wichtige Strategie der Expansion seiner wirtschaftlichen
Vorherrschaft betrachtet wurde.
Laut Mercedes Kothe,
interessierten sich jene Organisationen dafür,
(...) den Einwandererstrom in die Südstaaten zu
lenken, in ein Gebiet, in dem der Immigrant auch Konsument deutscher
Erzeugnisse würde, und nicht ein Konkurrent - wie es bei den
Einwanderern in die USA der Fall war (...) die Einwanderer in Gebieten
anzusiedeln, wo sie Gebräuche und Gewohnheiten erhalten und auch noch
deutsche Produkte verbrauchen würden: das wird die Regierungsaufgabe
sein im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts: oder in der
sogenannten Caprivi-Ära, eine Periode, in der Deutschland sich den
Absatzmarkt seiner Produkte sichern musste. (1990. S. 7)
Angeregt durch diese Ideologie üben diese
Gesellschaften starken Einfluss auf andere aus, sei es in Form von
Unterrichtsstätten, oder durch die Kirche, durch Sport- und
Erholungszentren, in Deutschland wie auch in Brasilien. Um eine Idee
der Bedeutung derselben zu bekommen, erwähnen wir folgendes: 1910 sind
auf einem Kongress über Kolonialpolitik allein 106 deutsche Vereine
vertreten, gefördert durch den "Verein für das Deutschtum im Ausland -
VDA".
Der Alldeutsche Verband und der Schulverein
finanzieren den Bau von Schulen und Kirchen, sowie den Druck von
Zeitungen, in denen sie ihre Theorien von "Grossdeutschland”
weitergeben können, wobei die Hauptthemen Endogamie, Rassen-Vorrang
und die wirtschaftliche Entwicklung ihres Landes sind. Einige dieser
Idealisten des deutschen Nationalismus, die meist aus der
Mittelschicht stammen, übersiedeln nach Brasilien, um dort neue
Betriebe aufzuziehen, denn sie rechneten - ihrer Interpretation nach -
mit der Treue ihrer Landsleute im Ausland. Oft verbündeten sie sich mit wohlhabenderen Schichten der
Deutschbrasilianer und schlossen mit ihnen Handelsverträge ab, die
unter anderen die Mithilfe zu Veröffentlichungen in deutscher Sprache
und die Zusammenarbeit mit [17]
den deutschen Vereinen, die schon seit dem 19. Jahrhundert bestanden,
vorsahen.
Diese ganzen Tätigkeiten erweckten die
Aufmerksamkeit der brasilianischen Intellektuellen, die darin die
Bestätigung ihres Verdachts der deutschen Gefahr sahen und deren
Strategie zu erkennen glaubten, sich in absehbarer Zeit in
Südbrasilien Land anzueignen. Als das nationalistische Gefühl in
Brasilien eins der wichtigsten Leitmotive der Elite wird - besonders
vor dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges - ergreift diese Kampagne der
Nationalisierung diese oben erwähnten Schichten ganz stark in Bezug
auf ihre kulturellen und politischen
Tätigkeiten.
Aber, wie wir schon bestätigten, wird der
Zuwandererstrom der deutschen Immigranten auch durch diese
Landeskonjunktur nicht unterbrochen, 1930 wird das Einwanderungs-Verbot
infolge der allgemeinen
Wirtschaftskrise erlassen, und nicht aus irgendeinem politischen
Grund; als 1934 das Quotensystem eingeführt wird, erlaubt die legale
Massnahme die Aufnahme von nur 2% jeder ethnischen Gruppe, die in den letzten 50
Jahren einwanderte; das benachteiligte jedoch nur asiatische und
afrikanische Immigranten - was gar kein unerwünschtes Resultat war -,
denn die jährlich aus Europa kommenden Immigranten überschritten nur sehr selten
diesen vorgeschriebenen Prozentsatz.
Nicht einmal die Vorschriften der Tätigkeiten
für Ausländer, die ihnen 1937 zum Beispiel Stellen in öffentlichen Dienstleistungsbetrieben
untersagten,
und die den Arbeitern des landwirtschaftlichen Sektors Vorrang gaben
(80% jeder Gruppe), beeinflusste den Eintritt dieser Menschen ins Land
negativ. Man nahm an, dass sich letzten Endes Ausländer, die arm ins
Land kamen, sowieso nur selten für Dienstleistungsbetriebe
interessieren würden; und die Tatsache, dass sie sich bei der
Einwanderung als Landwirte eingetragen hatten, verbat es ihnen ja
nicht, später auch andere Aktivitäten auszuüben.
Obwohl der herrschende Nationalismus
schwerwiegend war und die anti-germanistischen Reden akzeptiert
wurden, konnte man doch nicht ableugnen, dass die Immigranten weiss,
diszipliniert und arbeitsam waren, Charakteristiken, die absolut mit
der eugenischen Politik dieser Epoche harmonisierten (LENHARO, 1986).
Der Regierung blieb also nur übrig, die Immigranten zu "verbrasilianern",
was durch die Grundschulausbildung geschehen würde,
deren Lehrplan nicht nur den ständigen Gebrauch der portugiesischen
Sprache vorsah, sondern auch zum Kult der staatsbürgerlichen Werte der
Nation anhielt, der sie von nun an dienen sollten.
Die bedeutsame Sympathieerklärung der
Deutsch-Brasilianer zur pan-germanistischen Kultur dieser Epoche, wie auch ihr
Enthusiasmus für den National-Sozialismus, lassen sich zum Teil als
eine Form der Resistenz gegen die Politik, brasilianische Staatsbürger
zu werden, erklären; sie lässt sich zwar gleichschalten mit diesem
historischen Moment, erschöpft sich hier aber nicht. Es ist
erforderlich, einen diachronischen Ausschnitt zu machen, durch den
verständlich wird, wie der Mythos der irrationalen Einheit, das
Bildnis des Befreiers und das Bewusstsein der auserwählten Rasse sich
zur gleichen Zeit auch bei den Deutschbrasilianern einstellt, was die
Form der Resistenz gegen die Assimilation ans Brasilianische noch
vergrössert und - innerhalb der Möglichkeiten - eine Art von
Bürgerrecht anstrebt, das doch sehr viel anders ist als in der
Vorstellung der hiesigen Verfechter des Estado Novo (Neuen Staates). Obwohl die Deutschbrasilianer
radikal gegen die anarchistischen und sozialistischen Bewegungen
dieser Epoche in Brasilien waren,
strebten sie doch - genau wie die Brasilianer -
die Teilnahme in öffentlichen Wirkungskreisen an. Sie unterschieden
sich jedoch von ihnen darin, dass sie kein Projekt für die gesamte
Nation besassen; sie sahen sich selbst als eine Körperschaft innerhalb
der anderen, welche, zwar unterschiedlich, so doch dasselbe Recht zu
existieren, zu denken und zu handeln haben müsse, und zwar im Einklang
mit ihren herkömmlichen Werten. Sie fanden zur Zeit dieser Forderungen
den Moment passend für einen geschlossenen Einsatz und versuchten,
sich aus der politischen Isolierung zu befreien, die für sie seit dem
ersten Weltkrieg bestand. Sie beanstandeten die Tatsache, auf
politischer Ebene ignoriert zu. werden, während sie andererseits als
disziplinierte und ordentliche Arbeiter anerkannt waren. In den
Grenzen ihrer Landesvertretungen glaubten sie an die Möglichkeit einer
Rückwanderung, oder einer Annektion der
hier von ihnen bewohnten und bearbeiteten Gebiete an Deutschland, an
eine definitive Heimkehr in ihr Vaterland. Wegen diesem Traum entstand
die Auflösung ihrer zahlreichen Vereinstätigkeiten, sowie ihrer Kultur
denn aufgrund der durchgeführten Gegenpropaganda durch die
Nationalisten Brasiliens wurden ihre Ausübungen und Reden drastisch
unterbunden. Nach Beendigung des zweiten Weltkrieges kamen etliche
Kriegsteilnehmer und Flüchtlinge aus dem Ausland, um sich jenen
Deutschbrasilianer anzuschliessen, die sich bis zum Ende der 50er
Jahre in anderen, bis dahin unbesiedelten Landstrichen, niederliessen
und das Kontingent der Industriearbeiter vergrössern halfen. Aber von
da ab verhielten sie sich schweigsam betreffs der Teilnahmen an
besonders wichtigen politischen Ereignissen, die die Handlungen
verschiedener Länder in der Mitte dieses Jahrhunderts beeinflussten.
In diesem Kapitel durchstreifen wir die
Einwanderungspolitik, die als Resultat den Zustrom von tausenden
deutschsprachiger Menschen nach Brasilien zur Folge hatte, bedingt
durch die zum Teil utopische Vorstellung der Arbeitergesellschaft,
welche die Formulierung von Begriffen wie "Neue Welt", "Landüberfluss"
und "Reichtum durch Mut, Disziplin und Unterwürfigkeit" anregte.
Wir haben gesehen, dass diese neuen Bewohner
Amerikas eben dorthin gingen mit der Entschlossenheit, der
Proletarisierung und dem Verlust ihrer einigenden Kultur zu
widerstehen; es waren grösstenteils Bauern, Handwerker und
Intellektuelle, die vor einem ökonomisch und politisch autoritären
System flüchteten, und die in ihren Siedlungsgebieten Überlebens und
kulturelle Ausdrucks-Formen neu schufen, die in ihrem Gedächtnis fest
verankert waren, und die zu den Erfahrungen in ihrer neuen Welt
hinzukamen. Verstreut auf verschiedene Orte eines Gebietes, das viel
grösser als ihr Herkunftsland war, das aber für die Hiesigen nur ein
bedeutungsloses Grenzgebiet darstellte, war es für die Eiwanderer doch
nicht unmöglich, dieses Landstück als das ihre zu betrachten, und es
nach ihren eigenen Wertvorstellungen, Gewohnheiten und Anforderungen
des materiellen Daseins zu strukturieren. Sie organisierten sich
politisch, soweit es zu dieser Zeit möglich war, das heisst unter
Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten war ja jede Siedlergruppe
- je nach ihren Erfahrungen - von der anderen verschieden.
Diese Feststellungen brachten uns dazu, mit
einigen Autoren, die sich mit der traditionellen akademischen
Biographie befassten, nicht übereinzustimmen. Diese Autoren sind hier
durch das klassische Werk von Emilio
Willems, (1980) vertreten, der
bestätigte, dass die deutschen Immigranten eine homogene Gruppe waren,
die sich von den anderen unterschied, weil sie sich von der restlichen
Gesellschaft absonderte und isoliert lebte. Aber eben diese
Isolierung, die Erhaltung ihrer Traditionen und das angebliche
Desinteresse am nationalen Leben des Einwandererlandes galten auch für
irgendwelche andere untergeordnete Schichten, wie vor allen Dingen für
die naturalisierten Ausländer, die kein legales Recht hatten, am
politischen Leben teilzunehmen. Ihre Resistenz gegen die Assimilation
ist, während dieser ganzen Einwanderungszeit, absolut nicht total und
nicht in jedem Fall wahr; es ist wahrscheinlicher, dass sie sich
vielmehr ihren neuen Arbeitsformen anpassen mussten, die nicht immer denen ihres Herkunftslandes ähnlich
waren, die sie aber den von den Fabriken angebotenen vorzogen. Die
transkontinentale Abwanderung erlaubte ihnen die Erhaltung einer viel
weniger "ausländischen" Soziabilität, als zum Beispiel die Migration
aus einem kleinen deutschen Dorf in Grossstädte wie Hamburg oder
Berlin, wo die sozialen Einrichtungen sie zu viel rigoroseren
Änderungen in ihrem täglichen Leben veranlassen würde.
Die Endogamie, die unter anderen von Nadalin
(1977) stark hervorgehoben wurde, war im 19. Jahrhundert nur von
Bedeutung, wo in ihren Kolonien Menschen derselben Herkunft lebten und
ihr Wirkungskreis nicht den Radius von 5-10 km überschritt, wie es ja in der
traditionellen Gesellschaft üblich war. Im 20. Jahrhundert aber
beginnt diese Isolierung sich zu lösen, unterstützt durch
erwähnenswerte Reden des Alldeutscher Verbandes, obwohl tatsächlich
weiterhin viele Siedlungen noch dieselbe Struktur aufrecht erhalten
wie in der vorgegangenen Epoche.
Wir stellen ausserdem fest, dass der homogene
Charakter, der diese Segmente prägt (ROCHE, 1969; OBERACKER, 1968),
nur akzeptierbar ist, wenn man ihn anachronistisch betrachtet, durch
die Brille des Nationalismus, der die Jahrhundertwende und die
darauffolgenden Jahrzehnte charakterisierte, noch in der Annahme, dass
dieses Nationalgefühl alle gleichermassen und mit derselben Absicht
ansprechen würde, was eventuell zum besseren Verständnis beiträgt,
dass die Immigranten seit ehe und je Pangermanisten waren - und
blieben. Diese Auslegung trübt das Verständnis ihrer internen
Konflikte, in denen die Äusserungen von Sozialisten, Anarchisten,
Liberalen und Nationalisten alle reduziert sind auf ein neurotisches
Symptom des Widerstands gegen die Anpassung an das Einwanderungsland.
Obwohl die Immigranten ihrer eigenen Meinung nach, unter sich absolut
verschiede waren, wurden sie von den brasilianischen Politikern und
Intellektuellen, sowie auch in einen guten Teil der deutschen
Literatur als "Gleiche" behandelt. Als diese Literatur sich festigte,
wurden sie treue Leser derselben; und ob sie nun an deren Inhalte
glaubten oder nicht, oder durch ein Medium verführt worden waren, dass
für heutige Verhältnisse recht schwach, aber zu jener Zeit sehr
wirksam war, das können wir heute nicht mit Gewissheit sagen. Sicher
ist, dass sie viele Veröffentlichungen gelesen haben von den wenigen
Autoren, die zu der Zeit schrieben, aber doch jenes Mal mehr
schrieben. Und trotz ihres Verhältnisses und der Anerkennung dieser
nationalen Ideen verwandelten sich dieselben in einen unbestreitbaren
Beweis, dass ein ausländischer Nationalismus, der sich in der
Literatur der Pioniere, im Deutschtum und im Nazismus
herauskristallisierte, die politische Vereinigung des
Auffanglandes bedrohte. Und gegen diesen
Nationalismus stellte sich ein anderer, der ihnen mit einem einzigen
Befehl entgegentrat: nämlich dem der Integration in die Kultur, die
Politik und die Wirtschaft Brasiliens.
II Bilder aus den
Deutscheinwanderern in der brasilianischen Literatur
Am Anfang dieses Jahrhunderts, 1902, erscheint Graga Aranhas berühmtester Roman, der Canaä er nennt sich, einer der ersten modernen
literarischen Werke in Brasilien.
Der Roman handelt von der Erfahrung zweier
Deutscheinwanderer, die nach Brasilien kamen, um die "Versprochene
Erde" zu finden; sie sind zu einer Kolonie in Porto Cachoeiro
in dem Staate Espirito Santo gefahren.
Das Bühnenbild der Erzählung bietet uns eine
Schätzung der brasilianischen Geschichte des 19. Jahrhunderts an; die
europäische Einwanderung, das Ende der Sklaverei, die Konstruktion der
brasilianischen Nation, die Sorge um die wirtschaftliche Entwicklung.
Allerdings, ist Aranha nicht mit dem Alltag der
Bauern beschäftigt, weder mit ihren Kämpfen um zu überleben oder ihre
ersten Fortschritte. Es handelt sich um einen Vorstellungsroman (romance de ideias), mit typischen Fragestellungen für seine Epoche;
es ist der
Mensch, der sehr bewusst ist ein Individuum zu sein, der sich fragt,
ob der Weg des menschlichen Fortschrittes von der Vernunft oder von
der Leidenschaft, bei der Freiheit oder von der Unterdrückung geführt
wird. (ARANHA, S. 50-1)
Diese Überlegungen wurden von einem
Schriftsteller hervorgebracht, der, der deutschen gelehrten Kultur
zugetan war, weil er seine haupt-philosophischen Referenzen im ihr
gefunden hat, wie die Orientierung seines Meisters Tobias Barreto, aus
der "Recifense Schule" i
Die Repräsentation der deutschen Kultur wurde
ihm nicht schwer noch wegen eines anderen Grundes: als Richter, lebte
er acht Jahre in Porto Cachoeiro, eine
kleine Stadt, wohin viele Deutscheinwanderer gekommen sind; deswegen
konnte er sich in ihren Alltagsleben, Sitten und Volkskunde
hineinfinden.
Die beiden Deutschen, die in dem Roman die
Protagonisten sind, kommen nicht aus den niedrigen Schichten, wie die
anderen Emigranten, und sie gehören auch nicht zu ihrer Kultur. Aranha
stellt sie als Intellektuelle dar, und als Intellektuelle, halten sie
die Realität fest, um auch an ihre Vergangenheit nachzudenken.
Milkau kommt aus Heidelberg, Sohn eines
Schriftstellers und er selbst hat Literatur studiert. Idealist und
beschaulich, wanderte er aus seiner Heimat aus, weil er sich sehr von
der europäischen dekadentischen
Zivilisation enttäuscht fühlte. Er kam nach Brasilien um eine neue
Welt zu suchen, sein Canäa, wie er es
nannte. Er glaubte, dass in Brasilien, unter den einfachen Leuten, er
innerlichen Frieden und Harmonie finden würde. Nach seiner Meinung,
kann eine mestitzische Gesellschaft viel
zu der Kultur beitragen. Es ist zu bemerken, zum Beispiel, die Rede
zwischen Milkau und den luso-brasilianischem
Richter Paulo Maciel, der sich sehr
skeptisch über die Zukunft Brasiliens äussert; Seines Erachtens, ist
dieses Volk unfähig eine einzige Kultur auszubauen; Es sind Erben
vieler Völker - [18]Rassen,
deswegen
haben sie keine Wir-Identität, und das soll bedeuten, keinen
gemeinsamen Willen; wegen ihrer intellektuellen Schwäche, wurden sie
eine unförmliche Menge; ..."Das ist eine Nation, die vorbereitet ist,
von autoritären Regierungen beherrscht zu werden", behauptet der
Richter.
Milkau, der Deutsche, antwortet:
No Brasil, ßque certo,
a cultura
se Jam regularmente sobre
este mesmo fundo de populagão
mestiga, porquejã
houve o toque
dluino da fuSão criadora.
Nada mais pode
embaragar o seu
üöo (...) E no futuro remoto, a epoca
dos mulatos passarä
(...) (idem, S. 203)^
Milkau stellt auch den Deutschen dar, der wegen
seines Idealismus eine saubere und organisierte Siedlung aufbaut, im
Gegensatz des brasilianischen Volkes, der von seinen Instinkten
beherrscht wird. Ein Beispiel dafür ist die Beschreibung einer
Mulattin:
No batente da porta
sentnva-se uma mulata
moga. Toda ela era a própria indol&ncta.
Os cabelos näo
penteadosjaziam pontas
como chtfres,
a camisa suja
cata 'a
toda no colo desencamado e os peitos de muxiba pendiam moies sobre o ventre. (ARANHA,
J902, S.32)3.
Aber die deutschen Bauern,
gehorsame und hartnäckige, trotzdem wurden sie verarmt bei der Arbeit
geistlich; [19]
[20]
Via-se estampado o
pensamento üntco
de cumprir o deuer prdttco,
de camtnhar
para a Jrente
no conjunto harmontoso de
um
sd
corpo. (S.39)
[21]
Bilder und Vorstellungen wie diese Beispiele
haben vielen Lesern von Aranha geführt, ihm als einen Verehrer des
deutschen Einwanderungsprozesses zu identifizieren. Es gibt aber in
dem Roman eine andere Figur, die uns besser seine politische Stellung
beweist:[22]
es handelt sich um den zweiten Protagonisten, der sogenannte Lentz, der
sich in eine andere Art von Deutschen verkörpert: er ist stolz auf
seine Rasse und will das mestitzische
Volk beherrschen, durch den Aufbau eines weissen Reiches in Brasilien.
Nach seiner Meinung,
Hri
que se aceltar a lei da Vida,
onde o mais forte atrai o malsjraco;
o senhor arrasta
o escravo, o homem,
a mulher. Tudo
4 subordinagäo e gouemo.
(S.63)&
Sohn eines preussischen Generals, ein Mann von
Status und Reichtum, Lentz wanderte aus seinem Heimatland aus, denn er
verzichtete auf die Ehe; er wurde von seiner Geliebten enttäuscht,
weil sie seinen Namen verlangte, um die christliche Sittenlehre zu
berücksichtigen, und aus ihm einen Sklaven zu
machen, laut seiner eigenen Worte (S. 58). In Porto Cachoeiro,
hatte er vor, ein Handelsmann zu werden, aber Milkau hat ihn
überzeugt, eine aus der Regierung zugestandene Scholle mit ihm zu
teilen.
Lentz, wie
Milkau, liebte seine Heimat und sah sie als ein Vorbild der
zivilisierten Gesellschaft; wie Milkau, unterschied er die anderen
Einwanderer durch seine gelehrte Mentalität; er war nicht ein
typischer Arbeiter, "der seine Freiheit im Namen des Materialismus"
opfert (S. 39). Die Beiden glaubten an der Entwicklungstheorie, sowie
an der Überlegenheit der weissen Rasse. Allerdings, unterschieden sie
sich voneinander über den Weg und Weise um diesen Zweck zu schaffen:
Laut Milkau, konnte die zivilisierte Stufe nur durch Solidarität und
Liebe unter der Menschheit geschaffen werden, und der Fortschritt ist
eine Voraussetzung der Freiheit:
Quando a humanidade
partiu do
silencio das ßorestas para o tumulto
das ctdades, veto
descrevendo uma longa
pardbola da maior
escravldäo ä maior
liberdade. Todo
o alvo humano
e o aumento da solidariedade.
d a ligagäo
do homem
ao homem, diminuldas as causas da separagdo. (S. 54)
7
Laut Lentz, nur wenn die Stärkeren den Schwachen
beherrschen, schaffen die Männer die Zivilisation, und da ist das
Schicksal der Deutschen in Brasilien. Nach seiner Meinung, wird die
Kultur des Mulatten immer niedrig sein, weil die Neger in ihrem
Blute die Bestialität tragen; so äussert sich Lentz; [23]
Oßm de toda a sua vida two 4 a ligagäo
vulgar e mesqutnha entre
os homens, o
que ele busca no mundo 4 realizar
as expressöes, as Inspiragöes da arte, as nobres, Indomdueis energies,
os sonhos e as visöes do poeta, para
conduzlr como
cheje, como pastor, o rebanho.
Que importam
a solidaddade e o amor?
Vlver a vlda na igualdade
4 apodrecer num
charco (...) (S. 54) &
Dieser Gegensatz zwischen Milkau und Lentz *
Liebe und Macht - äussert sich durch die ganze Erzählung; Canaä stellt einen mikro- Kosmos dar, wo die
Einwanderer leben und über ihre alte und neue Welt sich unterhalten.
Milkau und Lentz symbolisieren den zivilisierten Mensch, der den Wilden
besucht, eine kindliche und naive Gemeinschaft, die keinen modernen
Mechanismus kennlernte. Gegen dieses romantische Vorbild, sagte Milkau
aus:
Realmente e um belo quadro
esse que vemos,
e o espetäculo de um trabalho
Uvre e individual nos embriaga
de prazer, mas
nojundo asststlmos
a um
co me go de civiltzagäo; 4 o homem
que alnda näo venceu grande parte dasjorgas
da natureza e estd
ao lado dela numa postum
humilde e servil. (S.66)
9
Eine andere Darstellung könnte in diese
Erzählung formuliert werden; als einen Vorstellungsroman, wäre es
nicht unvernünftig zu [24]
[25] vermuten,
dass Milkau und Lentz eine einzige Persönlichkeit repräsentieren, wie
ein Geist in zwei Körper geteilt. Wenn man diese Folgerung akzeptiert,
dann kann man ein Vorbild des Deutschen Geistes in der brasilianische
Kultur Anden. Einerseits, ist es der romantische und idealistische
Deutsche; andererseits benimmt er sich wie ein Krieger, und seine
Rationalität, welche nötig ist, kann seine Empfindlichkeit
unterdrücken. Sein Geist und seine Kultur wurden deshalb sehr stark
von seiner Urgeschichte imprägniert; Philosophie und Kunst - die
Liebe, gegenüber Krieg und Beherrschung - der Macht, sind unter den
Deutschen unbeugsam verbunden.
Allerdings, gehöhrten Milkau und Lentz in Brasilien zu
der Arbeiterklasse. Sie waren Bauern, und trotz ihrer Ausbildung,
mussten sie lästig arbeiten. Unter dieser Bedingung, knüpften sie
Kontakte mit der einheimischen Bevölkerung, indem die Hauptkennzeichen
des "Deutschen" im Widerspruch zu den Charakter des Mulatten gezeigt
werden - die Faulheit des Mulatten im Gegensatz zu der Arbeitsamkeit
des Deutschen; der kleine und schwächliche Statur des "Cearenses"
zeigt sich noch deutlicher gegen die Kraft und Grösse der Germanen (S.
73); die Naivität solcher einfache Leute erlaubte es nicht, die
Mitteilsamkeit der hoch europäischen Kultur, die jene beiden
Einwanderer besassen. Dazu noch empören sich die protestantischen,
asketischen und ungeschlechtlichen Deutschen über die Sinnlichkeit und
die Gaunerei der Brasilianer.
So haben wir ambivalente Gefühle und
Einstellungen gegenüber die "Deutschen" zu beobachten, sei es ein
einfacher Arbeiter oder ein Intellektueller; stark, diszipliniert,
Glied einer überlegenen Rasse, würde in der brasilianischen Elite, die
sich auf begieriger Weise den Fortschritt wünschten, bewundert, ebenso
aber auch verursachte er auch ein Art Abneigung, weil er seine eigene
Empfindsamkeit, im Namen einer wissenschaftlichen Vernunft erstickte.
Ausserdem war dieser Deutsche isoliert, der
Anblick einer Kultur, die sich Mestize dachte, in ihren Werten und
Gewohnheiten; war er, letzthin, der ewige Fremde, denn man in den
imaginären Grenzen eine Reihe Verweigerungen, anlegte; und als man ihm
ansah, "Brasilianer zu sein" wurde für viele, geworden, eine weniger
unbestimmter Begriff, als einfach dasselbe Gebiet zu teilen und einer
Zahl Gesetzten und Regeln untertan zu sein.
In diesem Kapitel habe ich vor, die
Vorstellungen und Bilder welche über den Deutscheinwanderer gemacht
worden sind, anzuerkennen, die sowohl in der brasilianischen Literatur
wie in den Sozialwissenschaften hervorgebracht worden sind, um
verschiedene Ansichten der Integration der Deutscheinwanderer in der
brasilianischen gebildeten Kultur zu untersuchen. Es interessiert mich
auch nachzufragen, in welchem Massstab diese unbeugsamen Vorstellungen
und Auseinandersetzungen zur Verarbeitung (bewusst oder unbewusst)
einer Reihe von Strategien, beitrug, die sich der politischen
Mentalität des autoritären Charakters Brasiliens näherten.
Der Deutsche als
Verkörperung des Deutschtums
O nosso contingente
tem que ser brastleiro. O
dia em que nds
Jormos tntetramente brasüetros e
sd brasüetros,
a humanidade
estarä rtca
de mais uma
raga, rlca duma nova combinagäo de qualidades humanas (...) avango
mesrno que enquanto o brasileiro
näo se abrasileirar,
e um seLvagem. 10
Mario de Andrade,
1922
Das Bild des Deutscheinwanderers wurde praktisch
bearbeitet zur Zeit des Kaiserreiches. Was sich auf die politischen
Debatten bezieht, war sie in der Zahl der Betrachtungen zu Gunsten und
gegen den Ersatz der Sklaven-Arbeitskraft durch die der freien und
europäischen Arbeitskraft.
Es ist auch gewiss, dass es eine bestimmte Befremdung in Hinsicht auf den nicht
katholischen Europäer, sich bemerkbar machte, zur Verteidigung der
kulturellen Werte, welche die ersten Kolonisten mit sich brachten.
Diese Sorgen waren mit einem nativistischen Gefühl einer patriotischen
Eingebung, verbunden, der in den höheren Schichten der Gesellschaft,
entstand. Aus dieser entstammen eine Reihe Schriftsteller die, als sie
nach Coimbra und Paris zurückkehren, arbeiten sie Themen, aus welche
ganz die romantischen Modelle ihrer Meister, nachahmten: eine
sentimentale und idealistische Beschreibung der Vergangenheit, die
Erhebung der in freier Übersetzung: Unsere Bevölkerung muss
brasilianisch sein. An dem Tag da wir vollständig Brasilianer sein
werden, und nur brasilianisch, wird die Menschheit mit noch einer
Rasse bereichert, reicher mit einer neuen Verbindung menschlicher
Eigenschaften (...) ich behaupte, dass derweil der Brasilianer sich
nicht verbrasilianert, ist er ein Wilder
Natur, die Suche nach einem mystischen und heldensinnigen Ursprung der
Heimat. Die Heimat wurde übrigens vom Bild des Indianers dargestellt,
was eine einfache Neuauflage der Bon Sauvage laut
Jean Jacques Rousseau repräsentierte.
Die Literatur hatte ihren Mäzen, es war der
eigene Kaiser, der die Bildung einer nationalen Kultur durch Kunst und
die Geschichte anspornte, 11 eine Initiative, das nicht
aus politischen Gründen, sondern aus persönlichem Wunsch geschah, in
dem er den "Körper" seiner Heimat kennenlernen wollte, dessen
Oberhaupt er war.
Diese brasilianische Literatur, typisch dieser
Epoche, hatte ein beschränktes Publikum, das heisst, die zu den hohen
Schichten gehörende Jungend und die ausgebildeten Beamten des Hofes,
welche an den literarischen Dilettantismus gewohnt wurden; derweil sie
die aus Europa, von den Dichtem mitgebrachten romantischen Ideen,
kennenlernte, wurden sie von einer Art "Selbständigkeitsgefühl"
beeinflusst. Dieser von der offiziellen Politik geförderte Nativismus
trug für den europäischen Einwanderungs-prozess bei. denn laut der
Meinungen vieler Politiker, würden "diese arbeitsamen und ehrbaren
Männer den Reichtum und den Fortschritt Brasiliens, durchführen”.
Es ist hervorzuheben, dass die literarischen und
geschichtlichen Schriften damals von mundartlichem Charakter
imprägniert waren, sowie auch die Politik und die Kultur es waren.
Deshalb als später die Veröffentlichungen vom ganzen Land handelten, beschränkten sie sich
darauf, die Nation, ihre Symbole und ihre Sprache zu feiern.
Aber nur um die Jahrhundertwende, wird der
Deutsche [26]
Einwanderer im kulturellen Bühnenbild Brasiliens vorgestellt, wo der
schon vorhergenannte Roman Aranhas ein sehr wichtiges Beispiel dafür
ist. Seitdem Canaä erschien, fing die brasilianische Literatur an,
in vielfältigen Formen den deutschen Einwanderer in seiner Bedeutung,
sei es den aus Europa oder den aus Vereinigten Staaten als leitendes
Vorbild zu beschreiben, zu denen sich die Sinnbilder der Gesellschaft
fügten; Gewissenhaftigkeit, Disziplin, Rationalität, der Deutsche im
Gegenteil zum Lateiner, sind Beispiele für die ersten Eindrücke, die
in der Literatur sich äussern.
So charakterisiert sich der Roman Mario de Andrades, welche
in 1927 herausgegeben wurde,[27]
und sich Amar, Verbo Intransitivo
nennt (Zu Lieben, ein
intransitives Verb). In seiner Erzählung sind die Unterschiede
zwischen den Deutschen und den Brasilianern, deutlicher betonnt.
Die Auswanderin "Fräulein Elza" ist die
Protagonistin des Romanes, und als "Fräulein" wird sie immer genannt. Sie
ist eine 35-jährige Frau, die als Haushälterin in einem portugiesisch-
brasilianischen Hause eingestellt wurde, deren Familie die
aufsteigende Bourgeoisie aus São Paulo vertritt.
Bei der Beschreibung der ersten Kontakte
zwischen diese deutsche Immigrantin und den anderen Roman-Figuren,
stellt Andrade sie als eine ausgebildete und formelle Frau vor, dessen
Genügsamkeit ihr jede Empfindung zu äussern, verbietet.
Sie wurde in zwei "Ichs" geteilt; in den "Traum-
Mensch" (o homem do sonho), der sich romantisch und idealistisch
charakterisiert, aber in sich selbst verborgen, und den "Lebens-
Mensch" (o homem da vida),
der sich sehr praktisch und sachlich benimmt, welcher sich in
jeglicher Situation äussern darf. Diese Persönlichkeit scheint uns,
denselben deutschen Geist zu verkörpern, welchen Aranha, als er Milkau
und Lentz beschreibt,
zuspricht.
Als "Fräulein" zu Souza
Campos kommt, bringt sie Bilder
von Richard Wagner und Bismarck mit, und noch eine "grosse Anzahl
Bücher".
Bei ihrem Antritt, beginnt sie sofort ihre
Arbeit, ohne Fragen zu stellen oder zu zweifeln, stellte auch keine
Frage über Bewegungen oder Regungen, womit sie nicht zu tun hatte.
Elza war unfähig zu jeder Spitzfindigkeit, sie
lachte nicht noch weinte sie; ihr Rhythmus war ruhig und taktmässig;
sie übte langweilig ihre Tätigkeit aus und hatte einen einzigen Zweck:
Geld zu sparen um nach Deutschland zurückzufahren.
"Fräulein", eine arianische Frau, ist die
Hauptfigur des Romanes. Trotzdem, im Gegenteil zu den romantischen
weiblichen Protagonisten, ist sie nicht hübsch und zerbrechlich. Als
Expressionist, beschreibt sie der Schriftsteller als ein sauber,
gesund und wahrscheinlich fruchtbarer Typ; ausserdem benimmt sie sich
wie eine Soldatin; aber wenn sie allein ist, träumt sie von Liebe, von
Heimweh, von der Natur und davon sich, ein Heim aufzubauen.
Das Fräulein hatte eine
heimliche Pflicht bei Souza Costas
Familie zu erfüllen, was nur der
Familienchef kannte. Sie war verantwortlich für die ersten sexuellen
Erfahrungen des ältesten Sohnes Carlos Costa.
Am Anfang treibt sie diese
Tätigkeit als ob sie eine irgendwelche Aufgabe wäre, wie zum Beispiel,
Klavier spielen oder die deutsche Sprache zu lehren. Aber nach und
nach beginnt sie sich in Carlos zu verlieben.
In diesem Moment, beschreibt sie der Erzähler
als ein
zerrissenes Wesen, laut den
Worten Andrades:
Estava muito pouco
Fräulein neste momento. Porque
Fräulein, a Elza que
princlplou este
Idillo era
uma mulher felta,
que näo estava dlsposta a softer. E
a Fräulein deste
mlnuto
£ uma mulher desfetta,
uma Fräulein que
sqfre. E- porque
sojre estä al£m de Fräulein, alem
de alemä: 6
um pequenino ser humano.(I927,
s. 119) ^
Und was die Freude am Sex anbetrifft, bis dahin
unbekannt, verwandelt sie in einem grotesken Wesen, sozusagen, eine
Karikatur der Elza. Laut Andrade:
Os
olhos dela pouco
a pouco se fecharam,
cega duma vez l...)Das
partes profu.nd.as
do
serüie
vtnham apelos vagos
e decretos Jracionados.
Se misturavam animalidades
e invengöes geniais.
E
o orgasmo. Adquiria enßm
uma alma vegetal.
E asstm
perdida, assim
vibrando, as narinas se alastraram, os läbios se partiram, contraqöes,
rugas, esgar,
numa expresSão
dolorosa de gozo,
ficou Jeia.
(S. 120)[28]
[29]
Aber als das Idyll aufhörte, unterdrückte das
Fräulein ihre heimlichen Gefühle, und ihr "öffentliches "ich”
triumphiert". Sie verzichtete auf die Mischung. Es ist nicht Wagner
(der Traum- Mensch), sondern
Bismarck (der Lebens-Mensch),
der sie aus dieser Wohnung heraus führt. Sie ging weg, um irgendwo
anderen Liebeslehren zu geben.
Das Vorbild des Deutscheinwanderers als
Verkörperung des Deutschtums, als ein Individuum,
der identisch wie
irgendeiner aus ihrem Volke, stark, kriegerisch, gefühllos, ein echter
Sohn Odhins wird in vielen anderen
Romanen und Erzählungen imprägniert werden, sei es in der Literatur,
sei es in den Zeitungen oder selbst in den populären Chroniken.
Im Rahme der Sozialwissenschaften ist es aber,
dass die Deutscheinwanderung systematischer behandelt wird. Ich
beziehe mich besonders auf die Erscheinung des kritischen Geistes, der
zum Ende des Kaiserreiches und zu Anfang der Republik entwickelt
wurde.
In dieser Konjunktur ist es wichtig den
Schriftsteller Sylvio Romero zu erwähnen. Er war der Erste, welcher die
Deutsche Einwanderung, als ein wissenschaftlicher Themenkreis
behandelte.
Sylvio Romero
war ein Intellektueller, der sich
am stärksten den nationalistischen Ideen verpflichtete. Deshalb
strebte er danach, den Versuch einer selbständigen Identität für die
brasilianische Gesellschaft zu erreichen, die weder im Allgemeinen
einer europäischen noch portugiesischen Kultur begründet sein sollte.
Er beginnt seine literarische Betätigung als
Kritiker in der 70. Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, und sorgt sich
seitdem mit der analytischen Funktion der Literatur. Er verwirft die
romantischen Vorbilder und schlug es vor, die Bearbeitung des Studiums
der brasilianischen Kultur nach modernen Methoden zu machen,
infolgedessen orientierte er sich nach der Entwicklungstheorie von Haeckel und
Büchner.
Romero gehörte,
wie
auch Graga Aranha, zu der "Recifense-
Schule" [30];
allerdings, laut Antonio Candido, (1988, S. 31u.w.), waren seine
Kenntnisse über die deutschen Denker nicht so gründlich tief wie die
seines Meisters Tobias Barreto. Es handelte sich um Lektüre und Auslegungen,
welche durch die Franzosen vermittelt wurden, mit welchen er wirklich
enge Kontakte anknüpfte. Diese Bemerkung ist wichtig um das
Verständnis seiner Annäherung zu Gobineau
zu fördern, sowie auch die leeren Stellen in seinen Gedanken und
derjenigen von ihm bewunderte deutsche' Wissenschaftler; vor allem, es
ermöglicht uns seine Identifikation mit dem Mythos der "Deutschen
Gefahr" zu verstehen, wie dieser Mythos von den Franzosen bearbeitet
wurde. Deswegen, war Romero einer der wichtigsten Verbreiter dieser Ideen in
Brasilien.
Als ein in der Völkerkunde interessierter
Schriftsteller und ein Literaturwissenschaftler verstand und
analysierte er die brasilianische Kultur als einen Wiederschein des
rassischen Mischungsprozesses; diese Kultur entstand aus der
Verschmelzung dreier Rassen, das heisst, die Weisse, die Schwarze und
die Rote. Diese durch Verschmelzung entstandene Rasse, deren Geist
noch aufzudecken wäre, würde für die soziale Kohäsion verantwortlich
sein, die das Land bedurfte, um seine historische Besonderheit zu
bilden. Deshalb konnte sich Brasilien in Zukunft als ein Land mit
seiner Eigenart gegen der Welt gegenüber äussern.
Diese Überlegungen, die von Gilberto Freyre
in den 30. Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts tiefer ausgearbeitet
wurden, [31]
lehnte sie nicht ab, aber verminderte die rassistischen Tendenzen des
europäischen Geistes, welche ein Vorbild für die brasilianischen
Intellektuellen war.
Gleichdenkend mit denen seines Zeitgeistes, gab
Romero wohl
die Niedrigkeit des Negers und Indianer zu, aber er glaubte auch dass;
durch häufigere Mischungen und mit der weiterlaufenden europäischen
Einwanderung eine Zunahme der Bevölkerung entstehen würde und die
Eigenart der Weissen sich gegen die Anderen durchsetzen würde.[32]
Wenn jedoch, die Utopie des Vergleichens der
brasilianische Rasse (O branqueamento da raça brasileira) ein Erfordernis zu einem bestimmten Fortschritt
des Ethos zu bilden ist, und das Verbleichen durch die
europäische Einwanderung erreicht würde, warum stellte sich Romero gegen
die Deutschen, solch ein unbestreitbar arianisches Volk? Es handelt
sich um nach dem unordentlichen Charakter der deutschen Ansiedlung in
Brasilien zu fragen, sowie die Unentschiedenheit ihrer Rolle in der
brasilianischen Gesellschaft. Von den Deutschen sollte man nur ihren
biologischen Charakter wie auch ihre Leistungsfähigkeit in der Arbeit
gebrauchen; aber nicht in der Politik weder noch in der kulturellen
Bildung Brasiliens durften sie teilnehmen. Denn sie gehörten nicht der
brasilianischen Vergangenheit an (noch ihrer Geschichte), deshalb
würden sie auch nicht zu der Zukunft gehören, weil sie Träger einer
fremden Kultur waren.
Sie sollten also als ein biologischer
dazwischenliegender Grundstoff dienen, um das brasilianische Volk zu
formen.
Lassen wir uns durch Romero
aufklären; in einer seiner
Veröffentlichungen, welche von der Deutscheinwanderung handelten,[33]
analysiert er, eine von ihm selbst aufgezeichnete völkerkundige
Landkarte, auf der wurde das brasilianische Gebiet in vier völkischen
Gegenden geteilt. Die nordische und westliche Mittelzone ist eine
Wildnis und laut dem Verfasser, kaum bewohnt; deswegen sind sie auf
dem Risiko des nord-amerikanischen Ausdehnungsdranges.
Die südliche Zone, die von Rio de Janeiro bis zu
dem Rio Grande do Sul sich hinzieht, steht unter den Einfluss der
Italiener und der Deutschen, die für ein bedeutendes demographisches
Wachstum, verantwortlich wird. Zuletzt die vierte Zone, die Ost-Nord
und Ost-Süd Brasiliens umfasst geht (von Maranhão
bis zum Staates Espirito Santo), hier
wurden die Portugiesen die Mehrheit der Bevölkerung, und deren
Hauptproblem ihrer Tendenz zur Mischung ist.
Was die deutsche Bevölkerungskonzentration in
Santa Catarina, Paraná und Rio Grande do
Sul anbetrifft, repräsentiert sie,
laut des Verfassers, ein doppeltes Risiko; erstens, die rasche
wirtschaftliche Entwicklung, die intensiver als in den anderen
Gebieten ist, dank der Arbeitsamkeit dieser Bewohner. Diese
Entwicklung bedroht die Hegemonie derer die von portugiesischer
Abstammung sind, und gleicht bald ihrer herkömmlichen Kultur.
Zweitens, bezieht sich auf die Möglichkeit eines Verlustes der
sprachlichen Einheit, da die deutsche Sprache doch häufig unter die
Einwanderer benutzt wird.
Tatsächlich erreichte in der Jahrhundertwende
dieses Gebiet, im Vergleich zu den anderen, einen bedeutenden
Fortschritt, denn die Verteidigung des kleineren Besitzes ermöglichte
die Erschaffung eines Inneren-Marktes und folglicherweise
die Entstehung einer ausdruckvollen Mittelklasse.
Ausserdem bewahrten viele Einwanderer die
deutsche Sprache, als ihre Umgangssprache, sei es wegen der
Unkenntnisse der portugiesischen Sprache, oder aus psychologischen
Gründen. Solche Faktoren trugen dazu, nach Romeros Meinung, um die
politische Rivalität anzukurbeln.
Um diese Probleme aufzuheben, müsste die
deutsche Bevölkerung sich im ganzen brasilianischen Gebiet verteilen.
Nach seiner Meinung ist die Politik streng mit
der Biologie verwandt. Wenn ihre Methode in den Sozialwissenschaften
gebraucht werden, scheint es mir, dass tüchtige Programme und
Werbungen den Willen der Menge in Richtung der leitenden Mischung
durchführen könnten. (1904. S. 313)
Anderes gesagt, schlug der Verfasser die
Verbreitung der Arianischen Vertreter in anderen Gebieten vor, damit
sie selbst durch das Heiraten Mischehen eine neue Bevölkerung
produzieren könnten. Gleichzeitig sollte die Regierung Werbungen
planen, um das Bedürfnis andere portugiesische Einwanderer zu fördern
wegen der Hegemonie der nationalen Sprache.
Die Ideen Romeros über die Deutscheinwanderer
werden deutlicher in der Veröffentlichung O Germanismo
no Sul do Brasil (Das Deutschtum in Süd-Brasilien), der in einer
Zeitung von Rio de Janeiro, erscheint. In dieser formulierte er eine
Analyse über die deutsche Geschichte, die bis ins Altertum zurückgeht,
um die fast genetische Tendenz dieses Volkes zu dem Ausdehnungsdrang
zu prüfen; solche Kennzeichen werden als eine Tugend angesehen, wie
man aus seinen Betrachtungen über das Zeitalter Bismarcks bemerken
kann;
Was für ein Volk ist dieses Volk. Schau die
Herrlichkeit, die Kühnheit seiner
Ziele, die Unerschrockenheit wen es
spricht; da hört die Regierung auf die Intellektuellen und nimmt ihre
Ratschläge an. {1906. S. 17).
Trotz dieser Lobreden, fürchtet Romero davor, dass
die völkischen und sprachlichen Prinzipien, auf welche die Deutschen
sich gründen, um ihre Nationalität zu bestimmen, gilt auch für die
deutschen Ansiedlungen in Brasilien; denn wenn das Boden-Prinzip (jus soils) nicht berücksichtigt wird, wird Süden
Brasiliens sicher ein von den Deutschen als ein Eroberungs-Zweck
gesehen, was vorläufig noch nicht geschehen ist, dank der politischen
Kraft des Panamerikanismus, von den Vereinigten Staaten ausgeführt.
Gemäss den Nachrichten aus den französischen
Zeitungen, den Gliedern des Alldeutschenverbandes und selbst der
deutschbrasilianischen Presse, beweist man das Risiko, einen neuen
unabhängigen Staat in Süden Brasiliens zu gründen, unmittelbar mit
Deutschland verbunden, deren Regierung ihm den militärischen Schutz
gäbe.
Andererseits, kritisierte Romero die
Einwanderer, weil sie kein Interesse für die Öffentlichkeit in
Brasilien hatten (das heisst, seiner Meinung nach, für die politischen
parteiliche Streite), weil sie nicht die nationale Sprache kannten und
auch weil sie die Regierung nicht berücksichtigten.[34]
Er widersetzte sich auch den süd-brasilianischen Politikern, denn
wegen der Wahlen und ihrer populistischen Haltung unterdrückten sie nicht diesen
Unternehmungsgeist.
Und laut einer seiner Anhänger Romario Martins,
selbst das Wahlrecht sollte den Deutscheinwanderer verboten werden,
bis dass sie ihre Liebe zu der neuen Heimat bewiesen hätten. Laut
Martins, während dem das sich nicht ereignete, würden sie nur zu
arbeiten berechtigt sein (MARTINS, 1900, s. 67).
In dieser Richtung, wurde unfraglich, das Verbot
des Gebrauchens anderer Sprachen, ausser der "nationalen" Sprache, das
Verkaufen grösser Besitze an Ausländer und die obligatorische Lehre
der portugiesischen Sprache in den privaten-Schulen. Es würde sich
noch nötig zeigen, einer demographischen Politik anzuregen, die eine
Zwangsmischung durchführte.
Intellektuelle wie Sylvio Romero und Romario
Martins beeinflussten nicht, trotz ihrer Anstrengungen, die offizielle
Politik in Brasilien. Das geschah nicht, weil ihre Gegner stärker
waren, aber wegen des öffentlich-betriebswirtschaftlichen Charakters
dieser Konjunktur. Ausser ihrer Verachtung gegenüber der
Intellektuellen, wie Romero damals schon beklagte, die relative
Unabhängigkeit der provinziellen Regierungen ermöglichte es nicht,
dass ein umfassender und geplanter nationale Massstab ergriffen werden
konnte. Deshalb wurden ihre Verlegungen über die Nationalität und die
Kultur nur unter anderen Intellektuellen in Betracht gezogen. Solche
Ideen sollten mindestens zwanzig Jahre warten bis sie berücksichtigt
werden konnten; es wurde nötig, dass gebildete Männer sich einer
Regierung näherten; eine Regierung, die besorgt war, Brasilien zu
lieben, es zu schätzen, sich um seine Zukunft zu bemühen und einen
Neuen Staat (Estado
Novo) [35]
zu gründen; dazu aber mussten solche Ideen alles Fremde verabscheuen.
In einer
kurzen Episode des Romans
Um lugar
ao sol (Ein Platz unter der Sonne) [36],
von Erico Verissimo,
einer der populärsten Schriftsteller Brasiliens seit der 30.
Jahrzehnte, ein junger Mann hat ein zufälliges Liebesverhältnis mit
einer deutschen Frau, die sich Annelise nennt, deren Beruf oder
soziale Stellung unbekannt ist.
Von den zwei anderen Roman-Figuren, die auch
Deutsche sind, wurde ihre Vergangenheit wie auch Einzelheiten ihres
gegenwärtigen Alltags nicht geäussert.
Der junger Vasco
ist arbeitslos; er wandert
unterwegs umher, durch die beweglichen und lärmenden Strassen von
Porto Alegre, als er aus Versehen Annelise trifft, eine deutsche Frau,
die
(...) uma mulher
que "parecia
de mnrmore, de gelo,
de g£sso, de qualquer
coisa, menos
da matärta de que
ile fora/eito". (1966. (1936j, S. 667) [37]
Ohne ein Wort Portugiesisch zu können, zieht
sich Annelise Vasco mit Gesten, Seitenblick und Umarmung an. Sie
gehen in Kaffees, zum Strand, ins Kino, irgendwo, ohne ein Wort zu tauschen.
Nach einigen Tage, lädt sie ihn zu ihr ein, ein
typisches deutsches Haus, das trotz seiner Grösse, fast unbewohnt
scheint; vielleicht blieb Annelise immer allein.
Im Zimmer der Geliebten, während Vasco auf sie wartet,
Vasco apanhou distraidamente uma
revista (...) eram prospetos das oltmpiadas
de Berllm. Folheou
a revtsta. Vistas
de Colönia,
de Francofort de cldades
das margens do
Reno (...) Tudo
aqullo pertencia
a um mundo sonhado
mas nunca visto. Annelise pertencia
a esse mundo: a sua figura
esbelta, os seus cabelos louros eram produto daquela patsagemfria, daquela
terra onde ca(a neve no
inuemo. Vasco sentiu-se estrangeiro. (S. 714) 23
Diese Erfahrung eines zweiundzwanzig jährigen
Jungen, der gerade in die Hauptstadt gekommen ist, provozierte eine
komische Erinnerung, in der sich erotische Sensationen, Schuld, Liebe
und Hass vermischten, ausserdem noch die Schande, weil er im Vergleich
zu der Geliebten einer unterlegenen Schicht gehörte.
Nach dieser Begegnung, fühlte sich Vasco ein
Verräter seines Volkes, seines Clans, des Geistes seiner Gruppe (S.
714). Trotzdem war er verliebt, und konnte es nicht verhindern, sie
wieder zu treffen. Wahrscheinlich wäre er immer bei ihr geblieben,
wenn diese deutsche Frau, trotzdem sie ihn während des angenehmen
Abendeuers "Mein Wilder" nannte, zurück nach Deutschland gefahren wäre
dank ihrer Enttäuschung gegen dieses Land.
Leben ohne Vergangenheit, Unmittelbarkeit mit
den Menschen, weil sie nicht die gleiche Sprache kannten, Annelises
freiwillig Exil, die Schuld und Leidenschaft Vascos,
das sind die Szenen eines [38]
Romans, der wie für einen Kinematographischen
Leitfaden geschrieben wurde, in einer von Verissimos
zugetaner Ausdrucksweise, seit er ein Kind war. Und als ein Kind, das
einen verbotenen Film anschaut, so spricht der Verfasser von Leuten,
die nachts über düstere und verdächtige Plätze laufen, wo Frauen, wenn
überhaupt welche da sind, nötigerweise
vergängliche Wünsche erwecken.
Gleichdarauf, nimmt die Erzählung eine andere
Richtung ein, welche das langweilige Leben der ernsten und
konventionellen Leute betrifft.
Um lugar
ao Sol umfasst
eine Reihe von literarischen Werken, die in Brasilien als
regionalistische-Romane bekannt wurden. Wie Gracilianos
Ramos, Jorge
Amado und Lins do Rego, interessiert sich auch Verissimo
für die Beschreibung der universellen Themen, die mit den innigsten
Ansichten seiner Roman-Figuren, sowie mit deren subjektiven
Erfahrungen ihrer Umwelt, in welcher sie eingefügt sind, zu behandeln.
Verissimo entfernt sich auch anderen Verfassern wie Mario
de Andrade und Graga Aranha, nicht nur
wegen seiner regionalistischen Einstellung, sondern auch seiner
Ansicht dem Deutscheinwanderer gegenüber; als "Gaucho", [39]
hat er es früh gelernt, sie als Mitbürger neben andere Einwanderer, zu
verstehen. Er war es gewohnt, sie in ihrer kulturellen, politischen
und sozialen Verschiedenheit anzuerkennen, wie er in anderen Romanen,
zum Beispiel, die Figuren seines berühmtesten Werkes O tempo e o vento schildert.
Ausserdem konnte er als "Gaucho" leichter den Unterschied zwischen die
Deutschbrasilianer und die in Rio Grande do
Sul wohnenden Deutschen erkennen.
Allerdings, schreibt er dieses Buch im Jahre
1935.
Infolgedessen scheint es uns unmöglich, dass
Annelise nur zufällig eine deutsche Frau war, und Vasco, ein Mestize
aus der unterlegenen Schicht, Freund von Rebellen, Anarchisten und
Revolutionäre. Es wäre auch nicht unwägbar zu vermuten, dass dieser
kleine Auszug des Romans Um Lugar ao Sol die
Bestrebung hätte, das freiwillige' Exil mancher Deutschbrasilianer,
welche von dem Nationalsozialismus verführt würden, oder der Schock
der beiden Kulturen, die trotz ihres vertrauten Umganges weit über ein
Jahrhundert, begonnen sie sich starrsinnig abzusondern als ob sie
vollkommen fremd wären. Oder könnte es ein Auszug dieser Utopie das
Verbleichens spiegeln, dessen Vertreter keine Bewunderung in Verissimo
hervorrief; der Wunsch weiss zu sein, das Minderwertigkeitsgefühl, die
Leidenschaft und der Hass zu der werdenden vorbildlichen Zivilisation
des deutschen Volkes, sind wahrscheinlich Darstellungen die, die
Bestürzung des Verfassers gegen das kulturelle Bühnenbild seiner
Epoche offenbart. Und wenn diese Darstellung in den Überlegungen des
Verfassers vorhanden waren, kommen wir auf den eugenischen Gedanke von Oliveira Vianna, der
Sozialwissenschaftler, der die Ideen Romeros in der zwischen-Periode
der beiden Kriege, das heisst, die dreissiger Jahre, vertritt.
Die Einwanderer nach Viannas Weltanschauung
Wenn man die Autoren, die von der
Entwicklungstheorie in Brasilien inspiriert wurde, analysiert, welche
sich über den wirtschaftlich, kulturellen Rückstand Brasiliens
sorgten, wird man
keine wesentliche Erneuerung in den Werken Oliveira Viannas
finden.[40]
Wie Sylvio Romero, Nina Rodrigues,
João Batista
de Lacerda, Romario Martins, unter
anderen, verteidigte er das Bedürfnis des Verbleichens der
brasilianische Rasse und die Unmöglichkeit des demokratischen Systems
in der brasilianischen Politik, solange das Nichtvorhandensein einer
durchaus bewussten nationalen Identität dieses Volkes aufzuweisen
wäre. Gleichwie die anderen Schriftsteller, lehnt Vianna
die romantischen Vorbilder ab, seiner Meinung nach, bedeutet das nur
eine eigeschränkte Erhebung der Heimat und der Natur.
Vianna selbst bekennt es, dass er sich der soziologischen und
volkskundlichen Methoden sowie der Geschichtswissenschaft bedient, um
die Last der Vergangenheit über die gegenwärtige Gesellschaft zu
identifizieren, gemäss der Übereinstimmung der "Recifenser-Schule".
Aber trotz seiner Identifikation mit den
Intellektuellen, die für um wissenschaftlichen Gedanken kämpfte, deren
Publikum sich unter ihren Mitspielern als Teilhaber einschränkte,
sprach jedoch Vianna von einem anderen
und einzigartigen politischen Standpunkt, denn er wurde, unter
anderen, von den offiziellen Mächten aufgefordert, die kulturelle
Politik und die politische Kultur anzudeuten. Es ist nämlich die
Konjunktur, welche seine Ideen bekannt macht, welche für die
Veränderung solcher Debatten verantwortlich war. Sie besteht nicht
mehr aus der reinen Rücksicht des gelehrten Wissens, wie in der
gebildeten literarischen Aussprache, aber aus der Politisierung der
kulturellen und geschichtlichen Thematik; denn die Hersteller der
kollektiven Gedächtnisse wurden streng mit den institutionalisierten
Mächten verbunden, um die echte Ausübung der Herrschaft zu
gewährleisten. (DE DECCA, S. 72, u. w.).
Welche Ereignisse spielten eine wichtige Rolle
für diese Umwandlung? Zuerst ist die nationalistische Ideologie zu
erwähnen, die seit des 19. Jahrhunderts in Brasilien als eine der
Hauptleitmotive' der hohen Kultur erklärt wird, und die während des
ersten Weltkrieges einen entscheidenden Antrieb erlebt.
Mit der diplomatischen und militärischen
Anordnung dieses Landes zu Gunsten der Alliierten ergab es sich, dass
der Panamerikanismus und die darauffolgende Bestrebung um die
selbstständigen nationalen Werte zu zentrale Themen der politischen
Debatten auszubilden. Die Bewegung zu Gunsten der Alliierten, die
Gründung der Liga da Defesa Nacional - LDN (Verband zum Schutz der Nationalität) und
die Bestätigung der vereinheitlichen Sinnbilder der Heimat sind
bedeutende Beispiele dafür.
Es ist aber auch wesentlich wichtig zu
berücksichtigen, was unzählbare Geschichtswissenschaftler der 70. und
80. Jahrzehnte in ihren Monographien und Thesen veröffentlichten. Dies
ist ein Abschnitt indem die Arbeiterklasse in den Hauptstädten des
Landes eine zahlreiche Ausdruckskraft gewinnt. Diese Arbeiter kommen
aus den brasilianischen wie auch aus europäischen ländlichen Gebieten
um in der Industrie und in den Handel-Sektoren sich anzustellen. Es
handelt sich hier zufälligerweise um ein Teil der Bevölkerung, dass
arme Emigranten umfasst, welche nicht stillschweigend den zunehmenden
Gebrauch der Maschinen, in der Umstellung des Arbeitsprozesses, die
Steigerung der Arbeitszeit, die niedrigen Löhne und die zunehmende
Disziplin und Oberaufsicht ihres Alltags akzeptieren würden.
Die Streikbewegungen von 1907, 1913 und 1917,
die Konflikte zwischen Arbeitern und Werkführern, gegen die neue
Arbeitseinteilung, die schlechte Behandlung und die Arbeit der
Minderjährigen sind die Tagesordnung der öffentlichen Meinung (DE
DECCA, 1983, S. 47). Unter diesen Arbeitern, die über ihrer "neuen
Welt" bestürzt sind, wurde es der Elite deutlich wahrnehmbar, dass
unter ihnen die Anwesenheit der europäischen Eiwanderer sich bemerkbar
machte, von nun an als "Ausländer”, "eingewanderte Bevölkerung",
"Deutsche", "Italiener", "Fremde”, usw. genannt.
Maria Stella Bresciani,
(1975, S. 284-300) schilderte genau die Bestrebungen der Elite, um
diese gegen die wirtschaftliche Ausbeutung gerichtete populäre
Demonstrationen entgegenzutreten.
Als Auswirkung dieser Konflikte erwies sich eine
Reihe vielfältiger Strategien und Massstäbe der sozial-Kontrolle,
dessen Leitung der öffentlichen-Betriebswirtschaft angeordnet wurde,
schon seit Ende des 19. Jahrhunderts. Solche Massstäbe und Regeln
wurden nicht nur der repressiven polizeilichen Überwachung
eingeschränkt, sondern auch in der Empfehlung einer Erziehungspolitik,
welche den zivilisierten Charakter des Staates widerspiegeln sollte.
Laut Bresciani, die vorgefasste Meinung,
die Bürger juristisch gleichzumachen, einer der wichtigsten Prämisse
des Liberalismus, hatte die Erziehung der Bevölkerung, als Imperativ.
Diese sollte nicht nur die Arbeiter beruflich ausbilden, sondern auch
in ihnen ihre bürgerlichen Pflichten einprägen.
Was hauptsächlich die deutschen Einwanderer
betrifft, ist zu bemerken, dass zufällig der grösste Teil dieses
Kontingents nicht in den Hauptstädten angesiedelt war [41];
ausserdem laut der offiziellen Reden waren sie nicht in
widersprüchlichen Bewegungen gegen der Bourgeoisie Ordnung engagiert -
eine Verantwortung, die den Italienern zugesagt wurde.
Trotzdem wurde die Resistenz gegen die
Assimilation der deutschen Einwanderer intensiver, was als ein Risiko gegen die'
erwünschte Gleichartigkeit
des Volkes angesehen wurde. Ausser diesen Begründungen, muss man es
berücksichtigen, dass die meisten Deutschbrasilianer den evangelischen
Glauben bekannten, ein Zustand, der sie als Ausländer weit über den
Gesichtspunkt der Nationalität setzte.
Trotzdem die Katholische Kirche, ihren
offiziellen Charakter seit der Republik verlor, verblieb sie noch eine
einflussreiche politisch- kulturelle Institution. Zwar ist es Gewiss,
dass die zugeschriebenen friedlichen Beziehungen noch als Kompromiss
zwischen Protestanten und Katholiken vom Klerus bewährt wurde, im
Namen der gegenseitigen Toleranz. Aber gegen Ende des 20. Jahrhunderts
erweckte die Ankunft der Leiter und Anhänger der Philo-pietisten, Fundamentalisten
und
auch Charismatische
Bewegungsleader, welche aus Europa und aus den Vereinigten Staaten
kamen, die Aufmerksamkeit der Kirche, die der Kirche als eine so
ernsthafte Gefahr bedeutet wie der Sozialismus und die heimliche Gesellschaft.[42]
Im Namen dieser Gefahr, organisierte sich der
katholische Klerus, gegen solche Sekten zu kämpfen, nicht nur im
Nennen des "wahren Glaubens", sowie auch zur Ehre der Heimat, deren
Geist durch Erbschaft als katholisch verstanden wurde.
Wir zitieren beispielsweise eine Stellungnahme
des Bruders
Celestino de Padalovi
während des katholischen Kongresses,
im Jahre 1902:
Von Storchon und Muncer kamen die Wiedertäufer, welche von
Beruf Kommunisten und zornige' Anarchisten sind. Durch Zwingli kamen
die Sakramentarien, welche die Erbsünde, die Taufe, das katholische
Zölibat, usw. verneinten (...) Die Calvinisten, die den gefährlich
freien Willen der Mensch bekämpften, und die Gott für einen Despot,
einen Tyrannen, einen Mörder seiner Kreaturen hielten. Die Anglikaner
des Heinrich der VIII. ein lächerliches Gemisch des lutherischen
Protestantismus und der bischöflichen Hierarchie. Dazu kamen die
Presbyterianer. (...). die energisch nicht nur gegen die katholische
Kirche protestierten, sondern auch und viel mehr gegen die 39 Artikel
des Anglikanismus. welche sie wütend abschlugen und verabscheuten.
Dazu die Quäker, die haarsträubend die Presbyterianer und den
Anglikaner verwerfen und zurückstossen. Dann kommen noch die
schmähsüchtigen Methodisten, die aus Wesley
ursprünglichen Methodisten, die
Reformierten, die Calvinistischen-Methodisten. die wiedergetauften
Christen. Mormonen, die Herrenhüter, die französischen Protestanten,
die deutschen Reformatoren. 28
Die Bestrebungen der Katholische Kirche sich der
evangelischen verbreitenden Bewegung zu widersetzen, um die religiöse
Gleichartigkeit und Einigkeit unter dem brasilianischen Volke zu
erhalten, trug während des Säkularisation Prozesses bei, um das
patriotische und nationalistische Assoziationswesens anzuregen. Die Agão Nacionalista (Nationalistische Aktion), der Partido Nacionalista
Regenerador (Erneuernde Nationalistische Partei) und die Legião Cruzeiro do Sul (Kreuz des
Südens Legion), welche in den 20. Jahrzehnten entstanden, sind
Beispiele solche Vereine, die in dieser Zeit sich an der Agão Integralista
Brasileira
(Die Brasilianische Integtralistische
Aktion) eingliederten. [43]
[44]
(SEITENFUSS, 1985, S. 70; OLIVEIRA,
1990, S. 167).
Versucht man
die 20. Jahrzehnte im Allgemeinen
zu erfassen, so lässt sich die kulturelle Identität und die nationale
Frage der politischen Debatte finden; zu dieser Zeit entstand auch die
moderne intellektuelle Bewegung, welche Semana de Arte
Moderna genannt wurde,
deren Hauptziele eine kritische Stellung gegen die Pflege der
romantischen Literatur und Kunst der Vergangenheit und die mimetische
Haltung in Verhältnis zu den literarischen und künstlerischen
europäischen Vorbildern anzunehmen, war, unter der Behauptung einer
ästhetischen und thematischen Erneuerung, welche fähig wäre, die
technische. Zivilisation und industrielle Welt widerscheinen zu
lassen. Ausserdem sollte diese neue Weltanschauung mit dem Versuch echter
nationale Werte und Bildung verbunden sein.
Im Gegensatz dieser ideologischen Prämisse, nach
Meinung der Intellektuellen, die Einwandererbewegungen, das Risiko der
Entnationalisierung, die Streike, die lange Ausdauer zu der
Assimilation, wirkte.
Laut Adalberto Marson,
(1979), zur Gegenwirkung zu diesen Tendenzen, entstand einer Art von
Nationalismus, der streng von einem verteidigenden Charakter
imprägniert war, und dessen Ziel die anhaftende Widrigkeit einer von
aussen abhängigen Volkswirtschaft entgegentreten zu müssen; dazu wurde
vorgeschlagen, eine stärkere Interferenz des Staates zu führen, um die
technologische Entwicklung und die des Volks-Erziehungs-Prozess
durchzuführen.[45]
Allerdings, neben solch eine pragmatische,
politische Empfehlung, entstand eine andere Art nationalistischen
Begriffes, welcher von der Mittelklasse, von anderen Intellektuellen
und Journalisten formuliert wurde. Es handelte sich um einen in
irrationalen vereinigten Mythen inspirierenden Nationalismus, dessen
Voraussetzung die soziale und kulturelle Kohäsion war. Laut ihrer
Ankündiger, sollte man sich der gegen-revolutionären Erfahrungsbewegung
Europas nähern, welche es die Konflikte zwischen Kapital und Arbeit zu
vermindern erreichte. Dazu bediente man sich vor allem der
Staatsapparate, die einen vormundschaftlichen Charakter über
die Gesellschaft übernahm.
Es ergibt sich daher eine symbolische Ebene,
dessen Grundlage der Mythos der Nation war, und diese als universelle
Interessenträgerin angesehen wurde; von da an, sollte alle anderen
Interessen sich ihr unterstellen. In diesem Sinne, wurde die Nation
nicht mehr als der Guardian des Bürgerrechtes angesehen, sondern als
Schiedsrichter des kollektiven Willens.
In diesem politischen und kulturellen
Zusammenhang findet man die Ansatzstelle Oliveira Vianna Gedankens; wie man schon behauptete,
unterscheiden sich seine Ideen über die brasilianische Gesellschaft
nicht viel als die der anderen Intellektuellen, die ihm voranging.
Etwas Neues was an seinem Gedanken zu erwähnen ist, besteht aus
Überlegungen über zwei von ihm bewunderten Wissenschaftler: Gustave Le
Bon und Francis Gaiton.
Trotzdem die Werke dieser beiden Wissenschaftler
seit dem 19. Jahrhundert in Brasilien bekannt waren, ist es Vianna
wer sich ihnen in tiefer und aufmerksamerer Betrachtung zuneigt.
Seine Begeisterung war selbstverständlich nicht
zufällig; Gustave Le Bon, zum Beispiel, befreite ihn von manchen
unbequemen Ansichten des Liberalismus, wie zum Beispiel das Prinzip
der Gleichheit der Bürger gegen den Staat. Gustave Le Bon, stets auf
das Risiko der revolutionären Bewegung bedacht, erschuf die
mannigfaltigsten und bildsamsten Kriterien um die
Unterlegenheitsordnung der Menschheit einzustufen: die rassistischen,
zwischen Männer und Frauen, zwischen Gesunde und Kranker, zwischen
Sozialisten oder Naturvölker und Gehorsame und moralisierte; vor
allem, zwischen der Elite und die Menschen, die zur Menge gehörten,
indem, seines Erachtens, sie ihre Rationalität verlieren (HOBSBAWM,
1988a). Nach Le Bons Meinung, die Tätigkeiten der Menge wurde immer
zerstörender und gewaltsamer; allerdings, wurde die Heftigkeit solcher
Irrationalität durch den kollektiven Charakter (das heisst, durch die
rassistische Eigenart) unterworfen (LE BON, 1920, s. 37).
Die Interpretation der sozial-Psychologie Le
Bons erlaubte Vianna, die Verknüpfung
zwischen "soziale Unruhe" und "rassischen Ursprung" festzusetzen,
wodurch eine seiner Schlussfolgerungen über die Streike im 10.
Jahrzehnte, welche von den Anarchisten durchgeführt wurden, war;
Diese höchste Aufgabe zu regieren ist eine
Pflicht, und ein Recht der Arianer (...) diese besitzen die Apparate
der Disziplin und der Erziehung, um diese unförmlichen unterlegenen
Mestizen zu kontrollieren. Diese Elite hält ihr. dank ihres
juristischen und sozialen Verständnisses. unter den moralisierten
arianischen Regeln fest, um sie nach und nach an die Mentalität der
weissen Rasse heranzuziehen (...) (VIANNA. (1954) [1918], 1° Vol,
S. 65).
Von Francis Galton leiht Vianna
sich die eugenische Lehre, eine von Galton erschaffene und entwickelte
Ausdruckweise. Sowohl der Meister wie der Nachfolger gehörten zu dem
amerikanischen
Kontinent, und konnten besser die Vorteile der
Scheidung der Rassen durch die Farbe einschätzen, ein Begriff, der
zuerst von europäischen Theoretikern des Imperialismus angewendet
wurde. In Amerika, auf ähnlicher Weise, wurde das Kriterium der Farbe
für die Bestimmung der Klassen-Schichtung nützlich, sowohl um das
Sklaventum sowie auch die Ausrottung des Indianers zu legitimieren.
Das Urteil des Supreme Court erlaubte, in den Vereinigten Staaten, im Jahre
1896, das Angebot der Güter und der öffentlichen Dienstleistungen der
Behörden mit einem diskriminierenden Kriterium, trotz der verhüllenden
Rhetorik separated but equal. Ausserdem
hatte die Institutionalisierung der Poll Taxes
als Folgerung, die praktische
Ausschliessung des Negers in dem Wahlprozess. Und die exogamische
Heirat wurde streng verurteilt, nicht nur aus psychologischen Gründen,
sondern auch wegen von den Weissen ausgeübte gewaltige Unterdrückung
gegen solche Beziehungen. (STYRON, 1985).
Durch die Inspiration von Galton, gründet man in
den USA, 1896, die "Eugenische Gesellschaft’’, die das Ziel hatte, die
asiatische Einwanderung zu verbieten. Fast gleichzeitig wurde in São
Paulo ein identischer Verein gegründet, in dem Vianna
sich einschreiben liess. Durch diese Vereine übte die Elite unzahlreiche
Massstäbe und Unterdrückungen gegen die asiatische, afrikanische und
jüdische Einwanderung im Lande, aus (LUIZIETTO,1975).
Es waren die ersten Schritte Oliveira Viannas: brasilianische, europäische und amerikanische
Wissenschaftler anzuwählen, Einfluss auf die öffentliche
Meinung durch die Presse auszuüben, und durch Teilnahme die Interessen
der korporativen und politischen Vereine verteidigen zu können.
Um besser die vielfältigen Kreuzläufe zwischen
diesem Verfasser und den rassistischen Theoretikern, den politischen
Gedanken in Brasilien und das Bild des Deutscheinwanderers, müssen wir
manche Aspekte in Hinsicht seiner Werke als Sozialwissenschaftler,
hervorheben.
In dem Buch Populates Meridionais
(Südliche Ansiedler),
welches im Jahre 1918 veröffentlicht wurde, unternahm Vianna
das Studium der Nationalitätsbildung vor, um mit wissenschaftlicher
Begründung die Verschiedenartigkeiten der brasilianischen Bevölkerung
zu demonstrieren.
Laut seiner eigenen Worte, sorgte er sich nicht
um die politischen, sondern um den Völkerkundlichen und
anthropologischen Faktoren. Ihm interessiert besonders der Ursprung
der brasilianischen ländlichen Aristokratie, um auf ihre
zivilisierende Mission in Brasilien hinzuweisen.
In dieser Richtung, erregt er die Aufmerksamkeit
auf die biologischen Charaktere des gaúchos, (sowie auch auf die Bandeirantes aus São Paulo [46]),
ein Beispiel für den abenteuerlichen und tapferen Geist; solch
erbliche Eigenarten ermöglichte ihnen, laut Vianna,
die Führung des Landes. Vergleicht man diese Behauptung mit der These
von Gobineau, so lassen sich die
tapferen, grossen und blonden Franken finden, die das französische
Territorium eroberten. Wie diese, müssen auch die Weissen das
Schicksal Brasiliens beherrschen.
Bei der Beschreibung der gaúchos, ist es interessant zu bemerken, dass Vianna
keine Erwähnung über die Deutscheinwanderer macht; im
Gegensatz, des Arianischen Mythos, der immer betont wurde, als ein
vorbildliches Muster, der für die Bildung des nationalen Ethos beigetragen haben musste.
Was die gaúchos betrifft, behauptet er, dass
(...) Die weissen Eigenarten eine führende Rolle
spielten; und die arianischen Elemente (...) waren reiner in Rio
Grande do Sul als in alle Gebiete des Landes (...) alles weisst auf den
gaucho hin (...) ein Mensch, der mit einer besonderen
Kraft begabt ist. ein gerechter, ein starker, ein eugenischer Typus ist.
(29 Vol. S. 333-5).
Und als er noch von der nördlichen
"Aristokratie" spricht, behauptet er, dass der Portugiese aus
Nord-Portugal, und nicht der Mestize aus dem Süden der echte
Kolonisator Brasiliens wurde, sowie auch die Arianer aus anderen
Länder Europas dazu beitrugen.
In Pernambuco
(...) ist der lokale Adel
zahlreich, aus Höfen Portugals. Castellas,
Frankreichs, Italiens und Deutschlands gekommen (lö
Vol, S. 33)
In diesem Werke ist seine einzige Erwähnung den Deutschbrasilianern gegenüber
anspruchslos, aber eindrucksvoll; er beschränkt sich auf
Vereinigungswesen der Deutschen in Santa Catarina
und Paraná ab des 19. Jahrhunderts
zu äussern; nach Viannas Meinung, ist
solche Charakteristik ein Teil ihrer ursprünglich der politischen
Kultur, die sich von Solidarismus orientiert. [47]
Er Vergleicht diese Weltanschauung mit dem, typisch für die
Portugiesisch-Brasilianischen Individualismus, infolgedessen ist die
Demokratie in Brasilien unausführbar.
Dessen ungeachtet, könnten die biologischen
Eigenarten des Germanen eine in der arianischen Verwandlung Prozesses
in Brasilien eine wichtige Rolle spielen, sowie auch in dem
Entwicklungsprozess der brasilianischen Volkswirtschaft, dank seiner
Arbeitsamkeit.
Der Deutscheinwanderer wurde besser und
aufmerksamer von Vianna in den 30.
Jahrzehnte bearbeitet, eine Konjunktur, die für den Verfasser geeignet
war, um das Verbleichen der brasilianischen Bevölkerung zu
verteidigen.
Bei der Einschätzung des Übergewichtes der
weissen Bevölkerung in Ost-Süd und Süd-Brasilien, wiederholt er das
Bedürfnis einer demographischen Politik, welche die regionale
Konzentration der Weissen verhindert.
Er benützt sich die ethnische Landkarte Romeros,
um die Vermischung des Volkes vorzuschlagen.
In einem Essay, O tipo
brasileiro e seus
elementos formadores
(Das brasilianische Volkstum
und die Elemente seiner Zusammenstellung) genannt, (1991, [1931, s.
15, u. w.J) zeigt der Verfasser die
Vorteile der europäischen Einwanderung, trotz ihres unordentlichen und
spontanen Charakters. Er meint, dass der Einzug der letzten Jahre eine
wesentliche Anzahl von Deutschen und Italiener (deren ethnische Adel
unfraglich ist) sich über alle anderen ethnische Einwanderungsgruppen
überwiegt.
Über seine zuversichtliche Haltung, lassen sich
seinen Schriften selbst erklären: laut des Verfassers, besonders aus
den Deutschen ist die Verbesserung der Rasse und der politischen
Kultur zu erwarten, weil ihr Volkstum sich der Abneigung zur niedrigen
Arbeit charakterisiert. Ausserdem zeigt dieses Volk starke Neigung zur
Herrschaft und zum Ausdehnungsdrang; bliebe er noch als Bauer im Land,
so würden ihre Kinder und Enkelkinder, schon in Brasilien sich
eingelebt, würden ganz spontan in die Städte gewandert sein; da würden
sie sich zu der Beschäftigung des höher gehörenden Status
verantwortlich, wie zum Beispiel, Wissenschaftler, Geschäftsmänner,
Politiker, Militärs und Unternehmer, deren Aufgaben sich ihres
Charakters besser einpassen würden.
Dank der Einwanderung und der grossen
Fruchtbarkeit der Weisen, laut seiner Folgerung, hätte das Land in
wenigen Jahren eine völlig weisse Bevölkerung. Um solche Ideen zu
prüfen, vergleicht er den Prozentsatz des natürlichen
Bevölkerungswachstum unter Weissen, Neger, Indianer, und Mestize, in
dem zentesimale Unterschiede ihm genügen, seine Hypothesen zu sichern,
wie man in folgenden, von ihm selbst gezeichneten Schaubild,
beobachten kann:
Schaubild
3 - Geburtenüberschuss nach ethnischen Gruppen •
Ethnische Gruppen |
Weisse Mulatten Indianer Neger |
Sterbefälle % |
2.83 2.75 3.70 5.38 |
Geburtenfälle % |
4.04 3.67 4.08 4.74 |
Es ist wohl erlässlich die Schwäche seiner
Folgerung gegen solche Daten hervorzuheben; ausser den unbedeutenden
Unterschiede zwischen Geburtenfallen unter den genannten Gruppen und
auch der Ungenauigkeit der demographischen Statistik in Brasilien
während der 20. Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts, muss man noch
aufmerksam beobachten dass die Sterbefallen der Sklaven grösser als
die freie Bevölkerung waren, infolge der sozial und ökonomischen
Bedingungen dieser Gruppe, und nicht aus biologische oder klimatische Gründe, wie der Verfasser
voraussetzte.
In einer anderen Statistik, gebraucht er die
Demographie wieder.
um das Verbleichen durch
Vermischung aufzuweisen:
Schaubild 4 - Zahlen der
Heiraten gemäss der
Staatsangehörigkeit des Brautpaares - Rio Grande do Sul - 1918-
Staatsangehörigkeit |
1918 |
1920 |
Deutscher/ Deutsche |
22 |
29 |
Deutscher/ Brasilianerin |
63 |
91 |
Italiener/ Italienerin |
38 |
60 |
Italiener/ |
138 |
167 |
Brasilianerin |
|
|
Spanier/Spanierin |
4 |
7 |
Spanier/ Brasilianerin |
38 |
59 |
Portugiese/ Portugiesin |
9 |
12 |
Portugiese/ Brasilianerin |
108 |
107 |
Quelle: VIANNA, 1991, apud
Relatorlo da Repartição
Estatistica do Rio
Grande do Sul, 1919-1921 |
Diese Daten sind auch zweifelhaft: zuerst, das
Staatsangehörigkeits-Kriterium, in dem statistischen Amt in Rio Grande
do Sul erlaubt
man keine Genehmigung um eine nötigerweise
exogamische Heirat zu prüfen, denn edle
Kinder der Immigranten, die in Brasilien geboren sind, sind als
brasilianische Bürger berücksichtigt; deshalb, kann man nicht durch
solches Daten den echten Prozentanteil der inter-ethnischen Ehen
erkennen. Zweitens, die endogamen Ehen
repräsentieren eine noch sehr ausdrucksvolle Zahl, im Vergleich zu den
sogenannten Mischehen. Allerdings, trotz dieser "Missverständnisse",
hat diese Statistik einen gewissen Geltungseffekt; in dem Massstab,
als dass das einzige Element zum Austauschen der Brasilianer ist,
scheint der inter-ethnischen Prozess, für den Leser guten Willens,
dass der Erfolg der Vermischung schon
eine Realität ist. Laut Vianna
würde dieser Fortschritt noch bedeutender, wenn die Regierung das
Verbot der ethnischen Konzentration ernster nehmen würde.[48]
Nun noch eine andere Frage: Welch Brasilianer
dürfte sich nach Viannas Meinung
versmischen? In diesem selben Text, kritisiert der Verfasser die Ehen
zwischen Weisse und Neger, wegen der psychologischen Charakteristik
dieser zweiten ethnische Gruppe:
Der Mulatte (...) 1st explosiv, rebellisch,
streitsüchtig und aggressiv: Ihm 1st die Hauptschlägerei und Anarchie
unserer Geschichte zu verdanken (...) das passiert, weil die
Unterwürfigkeit, welche eine genetische Charakteristik des Negers ist.
sich nicht fortpflanzt in dem Mulatten. Im Gegenteil, er ist stolz,
lässig, überheblich und unverschämt. (1991, (1931), S. 49)
Aus diesen Gründen, das heisst, die
Unterwürfigkeitstendenz des Negers, die Lässigkeit des Mulatten, und
die Unfähigkeit des Indianers in der zivilisierten Welt zu leben, (S.
46), dürften diese Schichten nicht die Bürgerrechte bekommen. Aber
auch nicht der Einwanderer, weil ihm das patriotische Gefühl fehlt;
nur seinen Nachkommen, wenn sie dank der häufigen Kontakte mit der Luso-Bevölkerung sich vermischen und verbrasilianerten
(S. 61-2). Abgesehen von diesen Veränderungen, die sich in der
nordamerikanischen Gesellschaft spiegeln sollte, konnte Brasilien
nicht unter die zivilisierten Nationen vertreten sein.
Ich beschreibe die Überlegungen von Oliveira Vianna nicht
nur um über die Ähnlichkeit seines Gedankens und des Romeros und
Aranhas, unter anderen, zu erklären, oder um die Ambivalenz der
Intellektuellen gegen die Deutscheinwanderung zu wiederholen. Aber
auch um die historiographischen Darstellungen zu kritisieren, die
behaupteten, dass die Versmischung-Utopie eine alternative Ideologie
gegen den USA Rassismus wurde, eine Haltung welche sogar Eric Hobsbawm
einmal verteilte (HOBAWM, 1988a). Nach meiner Meinung, obgleich die
Vermischungstheorie die Einverbildung der
afrikanischen und indianischen Kultur voraussetzte, wurde ihre
Prämisse nichts anderes als eine Abänderung, anderes gesagt, eine
Verdünnung des eugenischen Prinzips, in anderen Worten, eine Anpassung
zu den gegenwärtigen Umständen; letzten Endes vollendeten die Mulatten
schon eine ausdrucksvolle Zahi der brasilianischen Gesellschaft; von
denen viele, wie der berühmte Schriftsteller Machado
de Assis, der Präsident Nilo Peganha und selbst Oliveira
Vianna einen sozial und intellektuell höheren Status
errang, und in übrigen, die weisse Bevölkerung, in Gegensatz zu der
USA, keinen Stolz auf die Heimat äusserte und sich nicht im geistigen
Sinn des Wortes Brasilianer fühlte.
Gegen solche unbequemen Umstände drängt es sich
auf, eine Unzahl von Ausschüssen, welche zu der Perversion von
modernem Bürgerrechtsbegriffs ergab; die Nation hatte keine Pflicht
den Individuum gegenüber, aber verlangte von ihm sein Blut, seine
Arbeit, sein Gehorsam. Er musste dem Land dienen, damit in der Zukunft
die Gleichheit unter den Männern, welche durch die Verbesserung der
Rasse garantiert wäre, ermöglicht würde.
Als Feinde solcher Träume stellten sich, unter
anderen, besonders die Pangermanisten, die die Endogamie und den
Widerstand gegen die Assimilation verteidigten. Daraus ergab es
vielfältige kulturelle und politische Konflikte, nicht wegen den
ideologischen Prinzipien, in dem die beiden Gruppen sich orientierten,
sondern weil wenn man von Eugenik spricht, die Anwesenheit einer zu
niedrigen Klasse untrüglich gegen anderen Arianischen wird,
trotzdem verbleicht, aber der
zu der höheren Klasse gehört.
Der Deutscheinwanderer und
der zweite Weltkrieg: aus dem
Traum zum Alpdruck
(...)
Mos eu näo posso
we sentir negro nem vermelho!
De certo que
essas cores tamböm tecem mlnha
roupa arlequinai,
Mas
eu näo
me sinto negro, mas eu näo me
sinto uermeüio.
Me sinto sö
branco, relumeando
a carldade e acolhimento,
Purlflcando na revotta contra
os brancos, as pätrias, as guerras, as preguigas, as ignoräncias!
Me
sinto sö branco agora, sem ar neste ar
livre da Americal
Me sinto sö
branco, sö branco em minha alma crivada de ragas.
34
Mario de Andrade,
1930
Ich muss zugeben, dass nach einer tiefen
Untersuchung über die Rassenfrage (...) ich gründlicherweise
meine Ideen erneuerte!...) der blonde Dolichozephale und seine
Überlegenheit interessierten mich nicht mehr.
Oliveira Vianna, 1938
In einer akademischen Auseinandersetzung über
die Unterschiede zwischen die Fiktion und die Geschichtswissenschaft,
erwähnte Jose A. M. Pessanha Heraclito,
für wen die Aporie Phantasie/Wissenschaft oder Wahrheit/Lüge als die
Aporie zwischen Traum und Nachtwache verkündigt werden kann; der Traum
entspricht des Täuschungszustandes, während die Nachtwache die
Vernunftzustandes. [49]
Als ob er Heraklit gefragt hätte, stellte Pessanha fest: "Wie kann er sicher sein, dass
sein Anspruch auf aufgeklärte und gesorgte Einheit nicht der tiefste
und meist perverse Traum ist?" (PESSANHA, in: RIEDEL, S. 283).
In diesem Kapitel, erwählte ich ein paar
literarische und wissenschaftliche Texte, die von einem gewissen Bild,
aus den Deutscheinwanderer in Zusammenhang mit der brasilianischen
Kultur handelten: in solchen Schriften wurden die Deutscheinwanderer
als ein einziger und harmonischer Körper gesehen, der immer seine
ursprüngliche Identität fortpflanzte.
Bei der Analyse, ist es zu folgern, dass diese
Autoren streng mit dem Zeitgeist (oder wie die französischen
Geschichtswissenschaftler darstellten, L’imaginaire collectif) ihrer Epoche verbunden waren, besonders was
die deutsche Kultur betrifft. Da erfindet man ein paar Leitmotive,
welche, sei es in einer wissenschaftlichen Sprache, sei es in einer
literarischen Sprache bekleidet, als Wahrheit übernommen wurden, nicht
weil sie echt waren, sondern weil sie fortlaufend wiederholt wurden.
Im Allgemeinen, kann man behaupten, dass in
verschiedenen Umständen, das Bild der Deutscheinwanderer als "das
Fremde", aus dem engen Sinne des Wortes, repräsentiert wurde. Als sie
als "Deutsche", "Germanen", "Alamannen" genannt wurden, hatten diese
Autoren vor, nicht nur ihre historische Herkunft zu erwähnen, sondern
auch ihnen als "was ganz anderes" der brasilianischen Gesellschaft
darzulegen. Deshalb, unabhängig von ihrer Feindseligkeit oder ihrer
Liebe zu Brasilien, wurden Milkau, Lentz,
Elza und Annelise als Wurzellose
Individuen beschrieben, die unfähig zur Integrierung in ihrer neuen
Sozial-Umwelt waren, weil sie von Brasilien erregend entfernt wurden.
Sie waren übermässig ihrer Heimat zugetan, infolgedessen durch das
Lesen, dem Gebrauch der deutschen Sprache, die Erhaltung der Sitten
ihrer Vorfahren und die Endogamie ihre Vergangenheit immer
vergegenwärtigt wurde.
Die Last der Geschichte in dem Alltag der
Deutscheinwanderer wurde auch von einem diachronischen Ausschnitt
beschrieben, mit welchem die Autoren ihre Geschichte rekonstruierten.
Sie verstanden den Deutscheinwanderer als ein Synonym des Germanen und
verknüpften sie mit der Geschichte ihrer Ahnen, als ob sie "eine
prä-etablierte Übereinstimmung mit ihrer ur- historischen
Vergangenheit geschaffen hätten" - wie schon Georges Dumezil
einmal behauptete (1959).
Diese zu weitläufig kulturelle Fortdauer ist an
den Immigranten hauptsächlich von Oliveira
Vianna und Sylvio Romero
verwendet; in dieser Richtung,
sowie der Deutsche mit seinen erschaffenden Mythen verbunden ist,
würde der Deutschbrasilianer immer mit seinem Heimatland verbunden
sein, indem die Genauigkeit ihm als aus einem militärischen
Geistträger zu begreifen, in einer gewissen Weise, als eine
Vortäuschung Bismarcks hinstellt - wie, zum Beispiel, in den
Roman-Figuren Elza und Lentz.
Wir dürfen es nicht geringschätzen, dass das
Vorbild des Deutschbrasilianer fast immer als das Gegenteil des
Brasilianers bearbeitet wurde, dessen kollektive Identität, nach ihrer
Meinung, noch zu konstruieren sein würde. Es interessierten also
deswegen die Eigenarten beider Gruppen zu durchstöbern, um in ihrer
Verschiedenheit die Wesenheit ihres Charakters zu untersuchen, zu
finden. Und, unabhängig von den vorausgesetzten Vermischungen,
wünschten sie, dass die luso-brasilianische
Kultur überwiegen sollte.
Allerdings, die von ihnen vorgestellte Zukunft
wurde nicht in harmonischer Weise verwirklicht. Im Zweiten Weltkrieg,
wurde der Mythos der Deutschen Gefahr und das Vorbild des
Deutscheinwanderers als ein Vertreter des Reiches, von den Ereignissen "bestätigt”.
Graga Aranha und Sylvio Romero
starben vor dieser Konjunktur, aber
ihre "Hinweise” wurden im Namen der anti-germanistischen Politik
umformuliert.
Mario de Andrade,
in der neuen Auflage des Buches Amar verbo Intransitivo
in 1944, fügte eine Satz
hinzu, der seine Entrüstung gegen den Krieg symbolisieren sollte: "Bárbaro,
tedesco, infra-terno
alemão infraterno)[50]
(cf. LOPEZ, s. 37, in: ANDRADE, S. 60).
Erico Verissimo, von dem
Nationalsozialismus im Schreck erstarrt schreibt den Roman Saga, wo er Vasco
in 1940 zu dem spanischen
Zivil-Krieg, auf Seiten der Antifrankisten
die Internationale-Brigade durchführt, was auch seinen Widerwillen
gegen die Rechts-Tendenz der brasilianischen Regierung symbolisieren
wollte. (VERISSIMO, 1966a, S. 15).
Und Vianna, einer
der Theoretiker des Neuen Staates (Estado Novo), musste seine Analyse über den
Deutscheinwanderer umorientieren; so wiederholt er, dass die
Immigranten, zu der Arbeiterklasse gehörten, und unter der Bedingung,
mussten sie sich zwanghaft in die brasilianischen Sitten und Regeln
integrieren (VIANNA. 1991, S. 383).
Aber während die Brasilianer schrieben, lasen
die Deutscheinwanderer und ihre Nachkommen, die nicht von den
Wirkungen des Mythos der Deutschen Gefahr geschädigt wurden, noch
weiter die Nachrichten und literarischen Texte aus einer Welt, die als
ihre Welt verstanden wurde, nicht weil sie zu ihnen gehörte, aber weil
solche "Wahrheiten" unaufhörlich wiederholt wurden. Ich spreche hier
von den Zeitungen, Kalendern und Zeitschriften Deutscher Sprache die
in Süden Brasiliens erschienen, ein Thema welches, das Ziel der
nächsten Kapitel dieser Dissertation werden.
III
ALTE UND NEUE
NATIONALISTEN: HEIMAT UND VATERLAND
Seit dem Ursprung der deutschen Einwanderung,
bemerkt man die Gründung verschiedener Druckschriften in deutscher
Sprache, die sich durch alle Gegenden der Kolonisation, während einem
längeren Zeitabschnitt erstreckt, der nur durch den Eintritt des
zweiten Weltkrieges unterbrochen wurde.
Diese Literatur wurde mindestens zu den
siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts hergestellt, von Autoren die
über einen ganz regionalen, begrenzten Umkreis berichteten, dessen
Thema nicht die Grenzen ihrer eigenen lokalen Gemeinde überschritten.
Es waren nur wenige Herausgaben, die je nach Bezirk sich
unterschieden, dass diese im Umlauf kamen, dank man mehr den
allgemeinen Lesern als dem Willen der Autoren, durch den Beziehungen
zwischen Freunden und Verwandten anderer Gemeinden.
Es handelte sich um eine Textsammlung dessen
Charakter die Freude zur Sache zeigte, deren Berichte die Begünstigung
der Vergnügungs- oder religiöser Gesellschaften hatte, oder
Nachrichten mit Informationen an die Kolonisten brachte. Kuder,
(1937), meinte, es handelte sich um eine Söldnerliteratur von
unbedeutender Qualität, die von einem kleinen Handwerkergeschäft
hergestellt wurde.
Man entnimmt ihr einen gewissen städtischen
Patriotismus, der sich von der feierlichen lokalen Geschichte näherte.
Die Einwanderung wurde, in den Erzählungen die über das Leben in der
alten Heimat, die Schwierigkeiten der Reisen, der Ankunft und dem Anfang der Niederlassung auf hiesigen Boden,
hochgeschätzt und idealisiert; die Schriftsteller waren die Kinder und
Enkel der Einwanderer, welche die Berichte und Erinnerungen ihrer
Vorfahren niederschrieben, welche als Eroberer dieser neuen Welt
angesehen wurden, Anfänger die über die Vergangenheit eine ungefragte
Autorität ausüben. Wenn an die Benennung der Gegend wohin sie
immigrierten, von ihnen Urwald genannt, beachtet, kann man sie als
relativen Erfolg bezeichnen, denn da gab es wenigstens keine Lehnsherrschaften, keine hohen
Steuern, keinen starken Winter. Einerseits hatten diese Erzählungen
einen psychologischen Entfernungseffekt in Hinsicht auf die
Vergangenheit, weil sie als Geschichten an die man sich erinnern soll,
organisiert waren.
Ausser diesen Lebensbeschreibungen und
Erzählungen über den Heldenmut der Gründer, bemerkt man noch Liebes,
Verbrechens, Abenteuergeschichten und Anekdoten. Zerstreuungen,
Ausflüchte, Erfindungsreisen, Vergleiche zwischen der alten und der
neuen Welt, bildeten wahrlich wichtige kulturelle Kunsterzeugnisse in
der täglichen Ausarbeitung ihrer Leser, hauptsächlich wenn die
gründliche Umstellung beachtet, welche die Einwanderung erfordert. Zu
diesen rechne man noch solche die über religiöse Streitigkeiten, wie
zum Beispiel die der Protestanten wider Katholiken, der Frommen gegen
die weniger Religiösen oder selbst der Ungläubigen.
Die Schriftsteller dieser Berichte stammten aus
der eigenen Gemeinde: sie führten zur gleichen Zeit die Arbeit der
Buchhändler, Herausgeber, Redakteure aus, und so wurden sie, dank
dieser Beschäftigungen durch selbst-Didaktik Lehrer und Pfarrer, die
manchmal ausgewählt wurden, weil sie, zur körperlichen Arbeit sich
nicht eigneten, oder weil sie sich von den anderen als “Gelehrte”
ausnahmen. Die meisten arbeiteten ausser dem Bereich der
Landwirtschaft; sie waren Telegraphisten, Landkartenzeichner/ Bäcker,
Kaufmänner oder Tischler, so zum Beispiel war der Johann Georg Maurer
(Quacksalber) und der Johan Georg Klein amtierte als Pfarrer; beide Namen
wurden bekannt, besonders weil sie die Bewegung der Gläubigen an das
Kommen Christi führten, die Mucker (AMADO, 1978). Der reisende
Handelsmann, weithin bekannt, wurde von dem Einwanderer "Musterreiter’[51]
genannt, und wurde im Laufe der Zeit, nicht nur ein Warenverkäufer,
sondern auch der Überbringer der Nachrichten, Ratschläge und
Informationen.
Die Informationsniederschriften und
Berichterstattungen über das Werden und der Entwicklung der Kolonien,
übertreffen die Anderen, weil sie objektiv ausser der praktischen
Anleitung, noch die Propaganda der Kolonisation übernehmen. Was sich
klar in der Zeitung "Kolonie", aus Joinville, heraushebt, durch
Koordinierung des Ottokar Dörffel, eines
Einwanderers von der Vormärz, Buchhalter des Kolonievorstandes und der
erste Bürgermeister der Stadt.1 Er beschäftigte sich auch
mit der Orientierung der neuen Einwanderer, seine Schriften wurden
nach Hamburg gesandt, um zukünftige Auswanderer zu beeinflussen, sie
wurden als Wegweiser für den zukünftigen Kolonisten angesehen.
(SEYFERTH, 1988, S. 11)
Nach der Meinung Mercedes Kothe (1991, S. 20)
spielten viele Personen, die zum Sozialismus neigten und sich wegen
der Unterdrückung des Jahres 1848 antäuschten, eine besondere Rolle in
der Herstellung der Druckschriften dieser ersten Phase. Sie sahen die
Kolonien als Utopien die sich verwirklichten in Freiheit und
Fortschritt.
Diesen Optimismus teilten aber nicht einige
Männer, wie zum Beispiel, Sellin, einer der wenigen Schriftsteller der
südlichen Gegend, welcher zur gleichen Zeit, die Behandlung von Seiten
der brasilianischen Regierung an seine Landsleute, durch die Presse
kritisierte.[52]
Solche Veröffentlichungen waren aber sehr
geteilt und begrenzt in ihrer weiteren politisch-überzeugenden
Organisation, was sich wegen der geographischen Isolierung der
Kolonien erklären lässt, die Unkenntnis der portugiesischen Sprache
und der damaligen prekäre Kommunikationsmöglichkeiten.
Der Name der Druckschriften dieser Phase
offenbaren ihren regionalistischen Charakter und ihre noch innere
Verbindung mit der Kultur ihres Ursprunges, wie man an den Schaubild
Nr. 5 sehen kann:
a. Zeitungen |
|
|
|
Zeitungstitel |
Erscheinungsort |
Erscheinungsweise |
Erscheinungs- |
|
|
wöchentlich |
Zeitabschnitt |
Kolonie |
Joinville |
1
xbisl887 1887-39-2
x |
1862-1939 |
Der
Kolonist |
Porto
Alegre |
2
x |
1852-53 |
Der
Einwanderer |
Porto
Alegre |
2
x |
1854-61 |
Deutsche
Zeitung |
Porto Alegre |
6
x |
1905-42 |
Der
Bote von São Leopoldo |
São
Leopoldo |
3
x |
1867-75 |
b. Kalender Titel |
Erscheinungsort |
Herausgeber |
Erscheinungsjahr |
Deutscher
Kalender |
Porto
Alegre |
Fischer |
1855
e 56 |
Der
neue hinkende Teufel |
Porto
Alegre |
T.
Jäger |
1856 |
Deutscher
Volkskalender für Provinz S. Pedro |
Porto
Alegre |
O.
Stieher |