Carl Dörschlag

(1837 - 1917), der Hausvater und Lehrer Gusto Gräser's in Hermanns
tadt / Sibiu

Das Lehrerkollegium des Brukenthalgymnasiums in Hermannstadt, 1895.
In der Mitte am Tisch mit Bart, sitzend: Carl Dörschlag
Carl Dörschlag, Selbstportrait, im Brukenthalmuseum, Hermannstadt.
Foto: André Lütke


Frage: Wie kam Gusto zur Malerei? Hatte er einen Lehrer, ein Vorbild?

Er hatte das Glück, in seinem Zeichenlehrer am Brukenthal-Gymnasium einem echten Künstler zu begegnen. Der Maler Carl Dörschlag (1837-1917), als sechzehntes von achtzehn Kindern in Hohen-Luckow in Mecklenburg-Schwerin geboren, in München ausgebildet, zog 1862 nach Siebenbürgen und wurde 1871 Zeichenlehrer am Brukenthal-Gymnasium. Dörschlag wurde ein hochgeschätzter Porträtist und Landschaftsmaler, der der stagnierenden Bildenden Kunst in Siebenbürgen neuen Auftrieb gab. Er schuf unter anderem sechs Bildnisse des mit den Gräsers verwandten Bischofs Georg Daniel Teutsch.



Carl Dörschlag's Haus in der Wintergasse 3 in Hermannstadt, Zustand von 2013.
Foto: André Lütke
Am 1. November 1891 schrieb Mutter Grossika in ihr Tagebuch:

Gustel ist seit ersten November bei den Dörslagschen in Kost u Quartier. (Tagebuch 14 b)

Leider haben wir keine weiteren Zeugnisse über Gustos Verhältnis zu Dörschlag. Aus den biographischen Gegebenheiten lässt sich jedoch mit einfühlender Phantasie einiges vermuten.

Gustel war vorher bei dem Lehrer Zinz untergebracht gewesen. Warum wechselte er in das Haus von Dörschlag? Die Mutter gibt keine Begründung. Es könnte sein, dass Dörschlag auf das Talent seines Schülers aufmerksam geworden war. Welcher Meister freut sich nicht, einen begabten Schüler zu finden? Er könnte Gusto eingeladen haben, zu ihm zu ziehen, damit er ihn auch außerhalb des Schulunterrichts in die Kunst einführen könne. Auf jeden Fall konnte Gustel dort aus nächster Nähe das Tun und Treiben eines aktiven Künstlers beobachten. Die romantische Tendenz seiner Bilder musste ihn ansprechen; sein bildnerischer Trieb musste geweckt und gefördert werden. Wahrscheinlich durfte er seinem Lehrer auch behilflich sein: Pinsel waschen, Leinwände aufziehen, Grundierungen auftragen usw. Sie werden sich gegenseitig eine Hilfe gewesen sein.

Es ist anzunehmen, dass dem bildnerisch - dichterisch und malerisch - begabten jungen Mann das künstlerische Schaffen bald wichtiger wurde - oder von vornherein wichtiger war - als das Pauken von mathematischen Formeln. Er wird sich ins Malen und Dichten gestürzt und den gehassten abstrakten Lehrstoff links liegen gelassen haben. Von diesen Gegebenheiten her fällt ein erhellendes Licht auf sein Ausscheiden aus dem Gymnasium. Gusto war sich seiner bildnerischen Begabung bewusst geworden, wollte diesem Trieb folgen und entschied sich deshalb für eine handwerkliche Lehre und gegen den vorgezeichneten humanistischen Bildungsweg eines künftigen Gelehrten. Er wollte mit seinen Händen anpacken und hat dies getan. Hat darum auch sein Leben lang das schöpferische Handwerk gelobt und gefeiert.
Carl Dörschlag
Elfenreigen (1912) im Brukenthalmuseum Hermannstadt
Dörschlags Gemäde ,Elfenreigen’ zeigt eine ganze Reihe von Motiven, die für das Denken und Dichten Gusto Gräsers wesentlich wurden: der Baum im Mittelpunkt, der Wald, nackte tanzende Gestalten, der Reigen, die Elfen, das Liebespaar. Man könnte sogar seine spätere Rede vom „Ringruhreigen auf dem Ruhringberg“ auf dieses Bild beziehen. Ganz zweifellos vermittelt das Gemälde jene romantisch-idealisierende Naturbegeisterung, die dann für Gräser bestimmend blieb. Das Ölbild wurde zwar erst 1912 fertiggestellt, Dörschlag soll aber an dem Werk über 20 Jahre lang gearbeitet haben. Gusto konnte also mindestens die Konzeption und erste Entstehung dieser Schöpfung mitverfolgen. Außerdem stand ihm die darin verkörperte Weltsicht und Gesinnung in der Person seines Meisters ständig vor Augen. Man wird also die Bedeutung Dörschlags für seine künftige Entwicklung kaum überschätzen können.



Ruinen, Gemälde von Carl Dörschlag, Brukenthalmuseum,
Foto: André Lütke
Fecior de taran sas / Der Sohn eines sächsischen Bauern, Gemälde von Carl Dörschlag, Brukenthalmuseum,
Foto: André Lütke

Michelsberg, Gemälde von Carl Dörschlag, Brukenthalmuseum,
Foto: André Lütke


Gedenktafel an Carl Dörschlag im Brukenthalgymnasium [nicht lesbar, Arthur Gräser (?)]
Foto: André Lütke