Karl Gräsers Pädagogik
Um 1905

Abschrift Nora Kotlan – Digitalisierung Reinhard Christeller

Erste Bedingung für das Leben ist die Lebenskraft. Die Zeugung, Vorgeburt, und die Geburt, mit Inhalt unter Umständen bedingen das neue Leben, - seine Dauer, sowie im grossen die Art und Weise seines Wirkens.

Je besser die menschlichen Anlagen gruppiert sind, je gesünder / harmonischer / die umgebende Welt das junge Leben zu bestrahlen vermag, desto aussichtsreicher die Entwicklung desselben.

Sobald das eigene Denken das Ich erweckt, ändert sich die Situation: Statt den älteren Behütern und Pflegern ist diese nun an deren Stelle getreten. Wir haben uns innerlich losgesagt von diesen Beschützern unseres unbewussten Lebens, nun ist unser Bewusstsein der Beschützer und Leiter unseres Unbewussten, unseres Lebens. - Es erwacht das Vermögen zu unterscheiden und Passendes vom Unpassenden zu erkennen, - wir wenden uns bewusst dem uns Passenden zu, verschliessen uns dem Anderen.

Allmählich reift der Charakter, wir handeln bewusst nach unserem Erkennen, - gewohnheitsgemäss. In diesem Charakter, der dem fast eingedämpften Strohme gleicht, gelangt nicht jedes Leben. Denn der Charakter ist in Ordnung gebundener Lebenseifer. Der menschliche Charakter ist die zum menschlichen gebundene wilde Natur.

Die Natur als solche, auch im Menschen ist an sich wild und zügellos. Sie reisst das Wesen - je nach dem gegebenen Moment bald zu diesem – bald zum jenem Reiz, - kennt weder Mass noch Ziel, strömt ungebunden hin, wo gerade ein angenehmer Reiz wirkt und reisst das Wesen in Leidenschaft zu kurzer Freude, zu langem Leiden.

Dar Charakter ist eine an die Erfahrung /des Blutes/ zu beziehende Kraft, weicher den niedrigen Menschen bändigt, d.h. ihn zu höherem Loben bildet.

Das Entwicklungsgesetz verlangt als Ziel in jedem Menschen - das zum Charakter werden der Art.

Welches sind nun die Vorbedingungen, das Menschenleben zur höchsten Entwicklungsstufe reise, - dass es zum Charakter werde? -

Vorbedingung ist, stark strömendes Loben /intensive Lebenskraft/ mit normal menschlicher Anlage, und vernünftiger Umgebung. /Mit Vernunft meine ich jene lebensbejahende Kraft, die sich mit der höheren Vernunft deckt, welche z.B. den Keim der Frucht derart umhüllt, und von dem Verderben sichert, dass auch bei wenig günstigen Umständen dieser zum Keimen und Weitertreiben seiner Art gelangen kann./

Diese Umgebung gleicht dem Fleische eines Apfels oder der Schale einer Nuss welche das junge Leben so lange beschützt, bis dieses selbständig wird. Sowie jedes Tier und jede Pflanze eine spezifische Veranlagung hat, so gibt es auch eine "spezifische" menschliche Veranlagung. Dieser gerecht werden heisst dem menschlichen bezw., der höheren Vernunft entsprechen. Sobald der Keim in den Boden gelangt ist, vollzieht sich mit ihm nach dem Gesetzt seine Spezialentwicklung.

Der Mensch bedarf gleich dem Pflanzenkeim eines für menschliches Werden passenden Bodens. Der Nordpol ist wenig geeignet, ebenso der Südpol, - im Gemässigten scheinen die besten Bedingungen dafür zu liegen.

Hier wohnt der vernünftigste Menschengeist, der Charakter, dessen Kraft die übrigen Menschenarten überragt, - er beherrscht sie weil er - sich selbst beherrscht. Er beherrscht sie naturgesetzlich, - ich denke nicht an Kanonen, er ist die höhere Intelligenz, die herrscht, überragt, weil sie muss.

Ausser dem Boden der Umgebung, muss natürlich der Menschenkeim der darin gedeihen soll, alle spezifizierten menschlichen Eigenschaften besitzen. – Gleich der Tanne, die in ihrem Keim die Eigenschaft des Wachsens noch unter oder oben durch Wurzel und Kronenbildung besitzt, die eine besondere Zelle bildet, die ein rundes, gerade nach oben hoch aufschiessendes Holz zur Pyramide bildet, mit Nadeln bedeckte Äste hat, etc. etc. - und daher ein Tannenbaum ist, so treibt der ---~ "

-------------------------

" ... Aus dem Gesagten geht hervor, dass jede Erscheinungsform bloss der Ausdruck vom Inhalt, bloss das was hinter dem Ding "lebt" ist, der Ausdruck "Mensch" ist also von menschlicher Seele zum Körper verdichteter Geist. Begeistert ist der Mensch, dessen Seele eine entbehrte Nahrung findet in Form dar Elemente Licht, Luft, Wasser, Erde, die die Seele berührt oder in Form von durch anderes: Pflanzen, Tier, oder Menschenleben umgearbeiteten, freistürmenden Geist, der anklingt und die Seele erregt.

Unser Bewusstsein /intellektuelles Leben/ ist also erst "Folgeerscheinung". Natürlich geht es uns Menschen um das Bewusstwerden aller Vorgänge, in und um uns, dieses darf uns jedoch nicht verleiten dieses letztere kultivieren zu wollen. Unsere Lebensnahrung ist der Geist, wir müssen uns herumbewegen, uns um ihn bemühen. Diese Mühe /Stoffabgabe/ schafft die Möglichkeit neuen Geist in uns aufzunehmen und zu verarbeiten. Dieses uns mit Geist erfüllen ist unsere "Lust" am Leben, wenn nicht die liebe Not/wendigkeit/ uns zwingt, das "Muss des Lebens", dieses in uns umgearbeitete ruhig fahren zu lassen, anders gesagt zu arbeiten, so möge es zu unserem Heil unsere Erkenntnis tun. Denn alle Not, alles Elend, das sich auf der Erde begreife auch alle Krankheit ist der übermässig zurückgehaltene Geist, /Stockung/.

Nicht mehr Futter /Geist/ wäre zu beschaffen, das ist reichlich vorhanden, wo alles Leben notwendig d.h. der Vernunft entsprechend lebt; wir kranken an dem Herausgeben von dem in uns Umgearbeiteten.

Körper, Seele, Geist ist, sobald es als Leben in irgend einer begrenzten Form erscheint eine Einheit. Stosst sich selbst auseinander /Ausdruck/, nimmt neuen Geist also Differenziertes auf und ist, in sich uns unsichtbar, solange Vielheit, bis sich der Ausgleich /Assimilation/ vollbringen hat.

Wir sehen, Menschen, Tier-Pflanze-Stein leben, Jede Gruppe hat ihre Unterteilung z.B. Arten, Familien, Individuen, die Differenzierung ist immer geringer in der Person wird der Ausgleich der Tod am schnellsten erreicht, während die Familie länger, die Arten Völker noch länger, die Menschheit  für unsere Begriffe fortdauernd sich neu differenziert, also nicht abstirbt. /Einmal tritt wohl für alles Irdische die Vollkommene Einheit, Ausgeglichenheit, Tod des Planeten – bzw. im weiteren Tod des Sonnensystems ein, dies sind jedoch für unser Loben unfassbare Zeiten/- - -

Jedes Leben z.B. Tier und Pflanzenleben ist prinzipiell dasselbe, nur ist es verschieden differenziert. Je höher das Wesen, desto höher seine Differenzierung, desto intensiver sein Lebensspiel. /Lebenskampf/.

Die Seele baut sich aus dem sie umspülenden Geist auf, daher die Erscheinungsform: ähnliche Lebensbedingungen schaffen ähnlichen Geist. /Städter, Landbewohner/./ - Heilung? /

Die Menschenseele ist befähigt, als Teil des Gesamten aus Allem auf der Erde Vorhandenem sich irgendwie anzuregen /zu ernähren/.

Gleich dar Lilie, der Nelke, gleich dem Panther, dem Reh, die ihre Eigenart zum Körper verdichten, baut die Menschenseele das ihr eigentümlich menschliche. Ausser den Eigenschaften, die die Mineral- Tier- und Pflanzenwelt in sich birgt, besitzt die Menschenseele als sporadisch menschliches, - die Einsicht, und das Gefühl der Gerechtigkeit. Die übrigen Eigenschaften, wie Mut, Ausdauer, Unterscheidungskraft, Geduld, Zähigkeit, Liebe zum Ähnlichen Dauer /bzw. Vergänglichkeit/ dann das Bestreben aus niederem Geist höheren zu bilden /z.B. das Tier entwickelt sich aus der Pflanze, diese aus dem Stein, diese bildet der Mensch zum Menschengeist /der Mensch ist also kein Pflanzenfresser/, - ist allem organischen Leben gemeinsam.

In normalem Menschenleben sind nun alle irdischen Kräfte gebunden; die entsprechende Gruppierung und Differenzierung erzeugt in uns Gesundheit und Krankheit - Lust oder Unlust.

Bei der Heranbildung /Erziehung/ von jungem Leben, ist es nun von der grössten Wichtigkeit, dass eine gesunde Umgebung das junge Leben bestrahlt, damit es jener Geist /jene Nahrung/ umgibt, der wenn von der Seele aufgesogen und verarbeitet, gesundes Menschenleben erzeugt.

Im allgemeinen ist solch gesunde Umgebung /Speise/ eine von Pflanzengeist bestrahlte, Sonnendurchscheinende Luft mit Wassergehalt. Eine lebhafte /lebensvolle/ Umgebung von freien Tieren und freien d.h. frohen Menschen.

Aus dieser Umgebung vermag der junge Mensch das ihm Passende zu saugen.

Der Mensch ist also das Produkt seiner Anlage plus dem, was er aus der ihn umgebenden Welt zu schöpfen vermag.

Da wie erwähnt der Mensch die gesamte äussere Welt in sich gebunden hat /Menschengeist/ vermag er auch überall auf der Erde zu leben, sich selbst, ausser sich erkennen und mit dem äusseren zusammen zu schwingen, d.h. dieses zu begreifen.

Alle Menschen sind prinzipiell gleich organisiert, jedoch ihre Anlagen verschieden differenziert. Dia normale Gruppierung und Differenzierung der Anlagen /Eigenschaften/ bringen die für Menschenwirken zweckmässigste Form /Körper/ in die Erscheinung, wir bezeichnen sie mit - Schönheit.

Güte, ist normale Gruppierung und Differenzierung aller Erscheinungen – Schönheit: der Ausdruck davon die Erscheinungsform.

Diese Güte /nicht die Schönheit/ gilt es daher bei der Heranbildung dar Jugend zu kultivieren, - die Schönheit kann dann nicht ausbleiben und ist - echt.

Die Erfahrung lehrt, dass bei mangelnder Güte - Krankheit, Verfall eintritt.

Im Gegensatz zur Gesundheit, die sich mit der Güte duckt und deren Betätigung bedeutet, ist die Krankheit falsche Gruppierung und Differenzierung. Die Anlagen sind ungleich bzw. nicht in ihrem Mass - also einseitig gebildet, und erzeugen bei ihrer Betätigung die Krankheit – deren Ausdruck das Hässliche ist.

Eine gesunde Jugend, mit klaren Sinnen und edler Körperkraft, können wir nur dann heranbilden, wir der Jugend die Gelegenheit lassen, alle ihre Anlagen /gleich den Tieren und  Pflanzen in der Wildnis/  durch Übung im Ebenmass zu bilden. Die beste Eigenschaft im Menschen – das Gerechtigkeitsempfinden - wird zur Ungerechtigkeit, wenn die übrigen Anlagen wie Mut, Ausdauer, Beständigkeit, etc. nicht auch im Mass erbildet sind. Ein Feiger kann nicht gerecht sein, ebenso kein Unbeständiger kein Oberflächlicher. Kein Hasserfüllter, kein Neidischer. - Aber jede Tugend wird auch zum Lasten wenn sie übertrieben wird, oder zu mangelhaft geübt ist, so gibt es ausser dem edlen Mut als eine der höchsten menschlichen Tugenden, den unedlen Übermut, Hochmut, oder den Kleinmut.

Bei der Erziehung ist nach obigem der Schwerpunkt auf die allseitige Ausbildung aller im Menschen ruhenden Anlagen zu legen, wobei als Resultat die Waage - die goldene Mitte, der gerechte Mensch kultiviert wird.

Der Weg um dieses höchste Resultat zu erreichen, kann natürlich nimmermehr in der Schulung einzelner intellektueller Eigenschaften bestehen, vielmehr muss der ganze Mensch heran. Auch kann nicht bloss nach dem Programm jetzt diese, dann jene Sache eingeübt werden – nein – es sind die "Lebensfragen" zu beantworten. Welches diese sind, zeigen die menschlichen Bedürfnisse, diese verlangen Anlagen und Einrichtungen, um reine Luft, reine Kost, reine Nahrung, Reinhaltung des Körpers zu ermöglichen, die eine Wohnung zum Schutz vor Wetter Tieren und Menschen bedingen, um einen Verkehr mit guten gesunden Wesen, zu unterhalten, es gilt Bedingungen zu schaffen, die das eigene Familienleben gesund erhalten, dabei die Möglichkeit zum Heranziehen von gesundestem Nachwuchs bieten.

In der Befriedigung dieser Bedürfnisse liegt der Reiz alles Lebens, liegt die Möglichkeit alle Anlagen zur Entfaltung zu bringen, liegt das wahre Glück des Einzelnen wie der Gesamtheit.

Dieser wirkliche Weg bildet wirkliche /wahre/ Menschen, die man nicht erst lehren muss die Wahrheit im Wort zu sagen, - bildet Menschen, die Wahrheit /Gerechtigkeit/ sind. Menschen, die wissen, was sie können und können was sie wollen.

Nicht einer Liebhaberei folgend, sich Sachen aus Prinzip selbst zu fertigen, veranlasst mich also die Jugend diesen praktischen Weg zu führen, sondern weil ich erkenne, dass ich mit meiner Zeit vor allem am sogenannten Materialismus laboriere. Die Krankheiten /soziale Not und sonstiges Elend/ erklären sich hienach nicht als körperliche Defekte /Magen, Lungen, Herzkrankheit, Nervenschwäche, usw. / sondern als ein psychologischer Moment. Als eine Unfähigkeit, das für sich als Nahrung herangezogene, im richtigen Mass und Verhältnis zu verarbeiten und wieder freizugeben. Es ist ein Hangen /Kleben/ der Seele am eigenen Körper. Dieser Mangel der Seele hat sich aus der Verwirklichung - Bequemlichkeit herausentwickelt. Für unsere heutige Zeit passt als Gegendruck zur Regeneration die Selbstbeherrschung, Abhärtung, die Charakterbildung. Die Differenzierung vom Normalen ist masslos geworden, wir haben hier Hirn /Intellekt/ mit kicherem (?) Körper, Körper ohne Hirn. Wer bringt den Ausgleich? Die Revolution oder eine Evolution! Versuchen wir die letztere und kultivieren das Mangelhafte. Der Intellektuelle...

Im Gegensatz zur übrigen organischen Natur weist das Menschenleben als Besonderheit einen relativ freien Willen auf, durch den es ihm möglich ist, seine Triebe zu beschauen und zu beherrschen.

Das Tier muss unbedingt fressen, wenn es hungrig ist, und was Fressbares findet. Muss unbedingt sich der Nahrung nachgehend bewegen.

Auch der Mensch muss all das tun, doch ist es ihm gegeben, die Zeit der Handlung hinauszuschieben. Er isst nicht unbedingt das, was er hat, und er - wenn er Hunger hat - erfreut sich vorher an dem Aufgehen des ganzen, und dann erst geniesst er sein Mahl. Nicht jedes Wesen, das ihn zur Zeugung reizt, wählt er zu der Begründung seiner Nachkommenschaft - er beherrscht seinen Trieb solange z.B. bis er seine vollkommene Ergänzung findet, und nicht nur bloss die Leidenschaft Befriedigung hat, sondern auch die Aussicht besteht, Nachkommen bis zur Reife, zur Selbständigkeit gemeinsam zu erziehen.

Der relativ freie Wille 1st es, der es dem Menschen erlaubt, seine Werke zu bauen, - in ihm wurzelt seine Intelligenz.

Das Gedeihen eines Menschen als Individuum bzw. der Familie, Art, Volk, usw. ist so lange gesichert, solange dieser relativ freie Wille im Geiste des ihm übergeordneten Höheren Willens sich betätigt, anders gesagt, solange er naturgesetzlich arbeitet.

Sobald ein abnormales Verhältnis /Krankheit, usw./ eintritt, ist das bloss Zeichen, dass der relativ freie Wille, den direkten Zusammenhang mit dem höheren Willen tatsächlich verloren hat. Gesundheit bedeutet: Wiederherstellung des richtigen Verhältnisses zu dem höheren Willen, /Regeneration/.-

Der höhere Wille dokumentiert sich in dem jeweiligen Geist der Zeit, die er klarstellt und bestimmt, - seine Forderungen und vernichtet jede Art, die ohne Rücksicht bzw. Zusammenhang mit ihm also willkürlich, ihre Werke zu bauen versucht. -

Der jetzige Zeitgeist fordert mehr denn je - rasche Entwicklung,- bei höchster Anspannung des Einzelnen wie der Gesamtheit. - Diesem Zeitgeist voll zu entsprechen, bedarf es hervorragender innerer Qualitäten /Eigenschaften/, geleitet von einem vernünftigen Willen.

Der allgemein durch Drill und mehr intellektuelle Schulung betretene Weg hat es nicht vermocht, "zeitgemässe" Menschen zu kultivieren, die a11seitige Durchbildung besitzen, er hat einseitige Kranke Spezialisten in Berufen geschaffen, die in ihrem eigenen Unheil das Heil der Allgemeinheit nicht erbilden könnten.

Wenn eine eingeschlagene Richtung erfahrungsgemäss immer wieder schlechte d.h. kranke Resultate zeitigt, wobei die Allgemeinheit nicht gedeiht, so ist sie dem höheren Willen nicht entsprechend und muss vernünftiger Weise aufgegeben werden. Führt der Weg links nicht zum Rechten, so muss es der Weg rechts tun.

Sich eigenwillig an etwas unhaltbarem anhalten, ist gegen die Vernunft. Der heutige Mensch im allgemeinen hat weder Charakter, noch inneres Frohsein, er hat das Gegenteil: er ist elend, sein Weg kann dem Leitgeist nicht entsprechen.

Reform, Neuordnung, Wiederbelebung hat der neue Zeitgeist auf seine Fahne geschrieben und wer dem Zug der Zeit nicht zu folgen vermag, mag verdorren. Die Jugend hat die Kraft, sie will die Reform - sie soll sie durchführen.

Und wo beginnen? Einrichtungen ändern? Altes umbauen? Sicher nicht. Beim nächsten, bei sich selber beginnen, seinem Empfinden folgen, aus dem Alten neues erbauen. In sich eine neue Kultur begründen, die natürlich auch neue äussere Formen bedingt. Und wozu dies alles? Um sich zu befreien von allen unbelebten Sitten und Formen, um durch Betätigung eines relativ freien eingeordneten Willens höchste irdische Freiheit zu erlangen.

Wer sich befreien will /von Vorurteil, Krankheit, Sorge, usw., muss sich selbst beherrschen lernen.

Die Beschäftigung mit den Objekten die man zum Leben braucht lässt diese Selbstbeherrschung gedeihen!/!!!/
Durch die persönliche /wesentliche/ Arbeit, durch das /Anschaffen der Dinge die man wünscht, gelangt der Wille in seine natürliche Bahn - er lernt nur - mögliches zu wollen.


Die menschlichen Bedürfnisse, Licht, Luft, Nahrung, Kleidung, Wohnung, Verkehr mit der Natur, den Pflanzen und Tieren - Verkehr mit dem Menschen, seine Zeugung und Fortpflanzung, verlangen die intensivste Betätigung des ganzen Menschen. – Ein Leben, das all den Bedürfnissen aus sich selbst heraus gerecht werden will, hat jeden Augenblick ausgefüllt, hat keine Zeit und Gelegenheit zum Irrtum, keine zur Reflektion. Solch ein Leben, das jeden Moment von der Gegenwart absorbiert wird, - ist des Lebens voll, es ist eingeordnet in den höheren Willen.

Zu solchem Leben gehört ein gemässigtes Klima, gute Luft, viel Sonne - ein fruchtbarer, mit Wasser bereicherter Boden, darauf die Kultur der benötigten Pflanzen und Tiere, - es gehört als Schutz von dem Wetter, der Hitze und Kälte ein Haus, als weiterer Schutz: eine vernünftige Kleidung. Zu solchem Leben gehört der ähnlich strebende, selbstständig schaffende Nachbar, - dies alles für die Familie, die Eigenart/ Volk = Menschen - Menschheit/, um den Geist zu befreien von der allgemeinen Not, durch vernünftiges Erschaffen von brauchbaren Werten.- Europa ist schwach geworden, Schwach ist die Luft /ohne Wälder/, schwach ist der Boden, schwach ist die Frucht dieses Bodens, schwach ist der Mensch, der sich von ihr ernährt. Regeneration der Grundbedingungen durch vernünftige persönliche Arbeit bildet Muskel,- und Nerv - schafft wieder einen frischen, frohen, freien Europäer.

Man muss wieder das Land suchen, muss wieder vernünftig arbeiten, lernen, muss wieder Selbstbeherrschung Charakter, in sein Wesen bekommen, muss so allmählich gesunden, muss Lebensfähiges mit Lebensfähigem erzeugen, für sich, die Allgemeinheit, für den neuen Geist der Zeit.

In diesem Sinn habe ich mein Leben neu angelegt, um es vom Materialismus - vom seelenlosen Wirken - zu befreien.

Junge Menschen sollen heraufgenommen werden, die hier durch Übung der Selbstbeherrschung zu Charakteren werden. Eine Grundlage sollen sie bekommen, das grosse Leben mag sie dann weiter bilden.

Aufgenommen können alle jene Kinder werden, die keine ansteckenden Krankheiten haben, und normal begabt sind, in jedem Lebensalter bis zur Pubertät.

Ihre Selbstständigkeit und die Charakterzüge, die volle Ausbildung erlangen dieselben durch das Erlernen, die Bedürfnisse selbst zu befriedigen. Hiezu lernen die Kinder Obst-, Gemüse- und Feldbau, lernen sich Kleider, Schuhe, usw. selbst zu machen, lernen ihr eigenes Häuschen /Hütte/ - das gemeinsam gezimmert wird - selbst erbauen, lernen die Möbel und Einrichtung dafür zu machen, dazu ein Gärtchen zu pflegen. Ist auf diese Weise der Sinn für das Heim, kultiviert, ist die Fähigkeit des Wollens und Könnens gleichmässig gediehen, ist der Charakter durch Selbstzucht vorbereitet, ist jenes Wissen, das bei der Betätigung dieses Willens nötig wurde, erlangt, /Naturgesetze Physik, Chemie/, Naturkunde /Pflanzen und Tierkunde/, Erdkunde /Geographie/, Himmelskunde im Grossen /Astronomie/, Mathematische Geographie, Lesen,- Rechnen, Schreiben/, - so mag das junge Wesen des Schwimmens kundig hinausschreiten in den Ozean des Lebens: es wird leben! !!!