Zurück
I.
Gusto Gräser in Freiburg 1919
Gustav
Arthur Gräser (1879-1958), der sich Gusto oder auch Arthur
Siebenbürger nannte, muss im Herbst 1919 nach Freiburg gekommen
sein. Er war 1913 aus Baden ausgewiesen worden, hielt sich also
illegal im Lande auf. Schon
die erste nachweisbare Veröffentlichung über ihn handelt
von der „Ausweisung
eines Auslandsdeutschen aus Freiburg. Gusto
Gräser,
der sich seit längerer Zeit in unserer Stadt aufhält und
jedem Freiburger durch sein eigenartiges Äußeres auffällt
… soll jetzt, wie uns geschrieben wird, auf Veranlassung des
hiesigen Bezirksamtes als „lästiger Ausländer“
– er entstammt einer Kolonie Deutscher in Siebenbürgen in
Ungarn – ausgewiesen werden.“ (Volkswacht.
Tageszeitung für das werktätige Volk Oberbadens. Montag,
den 22. Dezember 1919, S. 3)
(Abschrift)
Er ist
also zu dieser Zeit schon stadtbekannt, hat regelmäßig
Versammlungen abgehalten, die hauptsächlich von Studenten und
jungen Arbeitern besucht wurden. Er ist auch schon lang genug am Ort,
um Gegenmaßnahmen der Behörden in Bewegung zu setzen,
zunächst nur mit der Begründung, als „lästiger
Ausländer“ störend zu sein. Auffällig ist, dass
gerade eine Arbeiterzeitung sich seiner annimmt. Weiter heißt
es:
„Gusto
Gräser hat, wie vielen bekannt sein dürfte, in den letzten
Wochen in regelmäßigen, öffentlichen Zusammenkünften
eine Anzahl Menschen um sich versammelt, meist Studenten und
Arbeiter, mit denen er die Frage durchsprach, wie man wieder zu einem
einfachen, menschenwürdigen Leben zurückkehren könne,
wie man aus Lug und Selbstbetrug wieder zu innerer Freiheit gelangen
müsse. Immer wieder wies er darauf hin, dass jeder in sich
selbst, im eigenen Denken und Tun mit der Erneuerung beginnen müsse.
Wahr sein, einfach sein – das ist der Inhalt seiner Lehre.“
Arbeiter
und Studenten hat er um sich versammelt, Studenten, die wohl auch in
den Vorlesungen und Seminaren des Privatdozenten Heidegger saßen,
suchende Menschen, junge Philosophen. Eine Woche später taucht
in der ‚Volkswacht’ eine Anzeige auf, in der Gräser
ein Gespräch
zur Lichtung der brennenden Frage: ‚Wie tragen wir unsere
Schuldenlast ohne Verknechtung ab?
ankündigt. Er nimmt also auf den Versailler Vertrag Bezug und
gebraucht ein nicht eben übliches Wort: Lichtung.
Einen Vortrag beginnt er mit dem Satz: Heute
wollen wir die Frage lichten ….
Lichten
mein Dichten:
so beginnt eines seiner Gedichte.
(Abschrift)
Von nun
an nehmen die Veröffentlichungen über ihn von Woche zu
Woche zu; zugleich verstärkt sich der Widerstand der Behörden.
Nicht mehr von Lästigsein ist die Rede, jetzt wird seine
Ausweisung von 1913 als Begründung ins Feld geführt. Gräser
wehrt sich dagegen mit einem Leserbrief in der ‚Volkswacht’
vom 8. Januar 1920.
Mein
ganzes Gebaren spricht wohl ziemlich deutlich davon, daß ich
keine standbefangene Staatsperson,
vielleicht
aber ein freimütiger Heimatsohn bin, und das fällt einigen
der Herrschaften eben auf die Nerven.
Es
geht aber nun nicht anders, denn ehe sich Mann für Mann
aufmacht,
sein
Leben auf Schritt und Tritt aus fühlendem Denken selber zu
führen,
kann
unsere Gemeinschaft nicht gesunden. ..... Mehr
(Leserbrief
an die ‚Volkswacht’, 8. 1. 1920)
Der
Konflikt spitzt sich zu. Eine Woche später meldet die selbe
Zeitung: „Am Montag Nachmittag ist er (Gräser) von der
Schutzmannschaft von der Straße weg verhaftet worden und zwar
unter Umständen, die einiges Aufsehen erregten. Gräser soll
eine Vorladung vor die Polizeibehörde erhalten, dieser aber
keine Folge geleistet haben. Vor dem Bezirksamtsgebäude wurde er
von mehreren Schutzleuten gefasst und unter Anwendung von Gewalt in
die Polizeiwachtstube gebracht. Einige Freunde, die Gräser
begleiteten und an seiner Verhaftung Anstoß nahmen, wurden
ebenfalls sistiert und auf die Wache gebracht, nach einem längeren
Verhör aber wieder entlassen. Die Art und Weise, wie
diese Verhaftungen erfolgten, gab den Passanten vielfach
Veranlassung, ihrem Unmut die Zügel schießen zu lassen Wie
wir hören, soll sich Gräser nun wegen Widerstands gegen die
Staatsgewalt oder gar wegen Landfriedensbruch zu verantworten haben.“
(Volkswacht, Donnerstag, den 15. Januar 1920, S. 3)
Die
Sache hat sich zu einer Art Meuterei ausgewachsen. Dass der
Gesetzesverächter Gräser in Begleitung von Freunden
ausgerechnet vor dem Bezirksamtsgebäude aufkreuzte, war
offensichtlich eine Provokation. Seine Begleiter dürften
Studenten gewesen sein (Arbeiter sind tagsüber bei der Arbeit),
die sich mit ihm solidarisierten, dem Staat ein undemokratisches,
traditionell obrigkeitliches Handeln vorwarfen. Die ‚Volkswacht’
weiter:
„Keine
der ihm zur Last gelegten mehr oder weniger geringfügigen
Gesetzesverletzungen ist aber nach unserer Auffassung ausreichend, um
daraus die Berechtigung abzuleiten, Gräser aus Baden
auszuweisen. Im demokratischen
Volksstaate
darf auch in dieser Hinsicht nicht mehr nach den alten
juristisch-bürokratischen Rezepten verfahren werden. Der Fall
Gräser ist deshalb von prinzipiellen Gesichtspunkten aus zu
beurteilen. Und dann noch eins: Durch derartige Landesverweisungen
leitet man nur Wasser auf die Mühlen der Regierungs-Feinde von
rechts und links.“ (Ebd.)
„Widerstand
gegen die Staatsgewalt“. Gräser weicht aus in die Schweiz,
wird
aber in Zürich verhaftet und nach Deutschland abgeschoben
(„ausgeschafft“).
Aus
einer Meldekarte im Stadtarchiv Zürich vom 16. 1. 1920
Der
Kampf um Gräser, dessen allwöchentliche ‚Öffentliche
Gespräche’
regelmäßig angekündigt werden, geht monatelang hin
und her in der Stadt Freiburg: in Presseartikeln, Leserbriefen,
Flugblättern. Auch die bürgerliche Presse, ‚Freiburger
Zeitung’ und ‚Freiburger Anzeiger’, schaltet sich
ein, bezieht Stellung zugunsten des Verfolgten, bringt
enthusiastische Berichte über seine Versammlungen. „Wir
wären steuerlos Gewordene“, sagt er, „von aller
Ursprünglichkeit Abgetrennte; dies sei der eigentliche Grund
aller unserer Leiden und alles Unheils, letzten Endes auch des
Krieges“ (Freiburger Zeitung, 18. 2. 1920).
Nach
einem Zwischenspiel in der Schweiz, wohin er ausgewichen war, von wo
er aber ebenfalls ausgewiesen wurde, taucht er wieder in Freiburg auf
und findet noch mehr Gehör als zuvor. Seine Rede „Wer ist
Volksfeind?“ wird als Flugblatt gedruckt und in den Straßen
verteilt.
„ Letztlich
ist der Feind wie der Freund in
uns
…
… das
Echte
nur führt uns zum Wohl …“
Ausschnitt
aus dem obigen Flugblatt
Gräser
war – allerdings nur vorläufig – wieder auf freien
Fuß gesetzt worden. Schriftsteller und Akademiker setzen sich
jetzt für ihn ein, die Säle seiner Versammlungen sind bis
auf den letzten Platz besetzt, seine Reden werden mit „immer
wieder hervorbrechendem Beifall, der sich bis zur Begeisterung
steigerte“, beantwortet. „Seine Zuhörerschaft nimmt
ständig zu“ (ebd.). Gräser sucht Hilfe bei dem Maler
und Akademiedirektor Hans Thoma in Marxzell bei Karlsruhe.
Samstag,
7. Februar 1920
…
Wir
sprachen von dem Naturmenschen Gräser, der oft bei ihm war, ihm
seine Sachen vorlas. „Ich soll ihm helfen; er ist aus Freiburg
ausgewiesen. Ich kann nichts für ihn tun. Ich bin schon einmal
öffentlich für ihn eingetreten in einer Schrift –
glatt abgewiesen.“
Margarete
Spemann: Stunden mit Hans Thoma. Stuttgart 1947, S. 146f
Für
den 18. Februar 1920 kündigt Gräser eine Rede über das
Christentum an. Wer ihn kennt, weiß: es wird eine Rede gegen
das
Christentum sein. Zu diesem Auftritt sollte es nicht mehr kommen.
Gräser wird verhaftet und aus Baden abgeschoben.
II.
Im
Winter 1919/20, zur Zeit von Gräsers Auftreten und schon früher,
befindet sich der Privatdozent Martin Heidegger in einer
grundlegenden Wende. In diese Zeit fällt „die schwere
Loslösung vom katholischen Glauben seiner Herkunft, die mit
einer schweren privaten Krise sowie mit dem Ende und Fazit des
Weltkrieges einhergegangen war. Die extreme Kargheit, die Leere und
das ‚Auf-Null-Bringen’ der Analyse und der Hörer,
die uns in der Kriegsnotsemestervorlesung vom Sommer 1919 begegneten,
bezeugen indirekt noch das Vakuum, in das H. mitsamt seiner
Zeitsituation gefallen war. Man kann hier beobachten, wie aus
Desorientierung philosophiert wird, und er selbst bezeichnet seine
Ergebnisse als dürftig und ‚kümmerlich’“
(Rentsch 105).
„Wir
sind in die Kümmerlichkeit der Wüste gegangen“, sagt
Heidegger in der genannten Vorlesung. Wer sich in der Wüste
befindet, lechzt nach Wasser.
Es ist
einfach nicht vorstellbar, dass die Vorgänge um Gräser –
das Auftreten eines sokratischen Straßenphilosophen, der Streit
um ihn und seine Ausweisung – dem jungen Dozenten verborgen
geblieben sein könnten. Die drohende Verhaftung, Verurteilung
und Verbannung eines unbequemen Selbstdenkers und Fragenstellers –
das war die klassische Urszene, die keinen Philosophierenden
unberührt lassen konnte. Die Studenten, die in Gräsers
Vorträgen saßen und ihn auf seinen Gängen durch die
Stadt begleiteten, seine Flugblätter verteilten, sich
seinetwegen sogar festnehmen ließen, sie dürften sich auch
an den jungen Lehrer gewandt haben, der selbst erkennbar – und
nicht nur von Berufs wegen – ein Suchender war.
Gräser
war, allein schon durch seine ungewöhnliche Eigentracht, in den
Straßen Freiburgs unübersehbar, er sprach die Menschen auf
den Straßen an, er ging auch in ihre Häuser und mit
Vorliebe – das ist aus vielfachen Zeugnissen bekannt –
suchte er Schriftsteller, Künstler und – Professoren auf.
In Heidelberg, Marburg, München, Stuttgart, Dresden, Berlin trug
er Kollegen von Heidegger aus seinen Schriften vor. Briefe dieser
Zuhörer bezeugen, wie beeindruckt sie waren. „Es ist ein
seltenes Erlebnis, einem Menschen
zu
begegnen“, schreibt einer von ihnen „in aufrichtiger
Verehrung“ (Original in der Universitätsbibliothek
Heidelberg).
Ob nun
seine Studenten ihn zu Gräser geführt haben oder ob sie
umgekehrt Gräser auf den jungen Dozenten aufmerksam machten -
der Siebenbürger war jedenfalls ständig auf der Suche nach
Suchenden, nach Fragenden – und Heidegger war ein solcher
Suchender, Denkender, Fragender.
Gräser
kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Anfang Januar 1919 hatte sich
Heidegger in einem Brief an seinen priesterlichen Freund Krebs von
jeder „außerphilosophischen Bindung“ an die
katholische Kirche losgesagt (Ott 1988, S. 106). Unter dem Einfluss
von Kierkegaard hatte er sich losgerissen von seinem angestammten
Glauben. Es gehe darum, sich selbst zu wählen, einen Sprung zu
tun in das Eine, das Not tut, hatte Kierkegaard gesagt. Und nun stand
da einer auf den Straßen Freiburgs, der eben diese
urchristliche Unbedingtheit noch überzeugender verkörperte
als Kierkegaard selbst. Einer, der das Eine, was Not tut, ergriffen
hatte. Er muss Heidegger wie eine Projektion seines eigenen
aufgewühlten Innern erschienen sein: Verleiblichung einer
Ahnung, Erfüllung einer Sehnsucht, vorlaufendes Bild seines
eigenen Seinkönnens. Denn dieser Arthur Gusto Gräser hatte
den Sprung getan, allerdings nicht inden
christlichen Glauben, sondern aus diesem heraus, ins Offene.
Sie
waren sozusagen füreinander bestimmt. Auch von ihrer Herkunft
und Artung her. Beide kamen sie, Hinterwäldler im wörtlichen
Sinn, aus der hintersten Provinz, beide kamen sie aus frommem
Elternhaus, aus bescheidenen Verhältnissen, beide mussten sie im
frühen Alter von zehn Jahren auf die schützende Wärme
dieses Elternhauses verzichten, waren fortan der ständigen
Überwachung durch Geistliche und Lehrer ausgeliefert, wurden
zwangsweise überfüttert mit kulturellen Bildungsgütern,
die zu ihrer ländlichen Herkunft in keiner fühlbaren
Beziehung standen.
Es lässt
sich leicht sehen, was aus einem solchen Werdegang hervorkommen
musste: der geheime, immer wieder zu unterdrückende Hass auf die
amtlich und disziplinarisch waltenden Vertreter des Christentums und
der Wissenschaft, auf ihre jederzeit eingeforderte Ideologie, auf die
Überlast an Intellektualisierung. Zugleich aber Verachtung der
weltlichen Güter und zivilisatorischen Genüsse, die diese
armen, immer abhängigen Zöglinge von Internaten nie zu
kosten bekommen hatten.
Die
Sehnsucht nach dem entbehrten Mütterlichen musste wachsen in
diesen allzu früh Ausgesetzten, eine Sehnsucht, die die
herrschende Kultur, auf die sie doch als geistig Strebende und hoch
Begabte verwiesen waren, in keiner Weise befriedigen konnte. Ihre
fromme und strenge Gewissenserziehung, ihre Schulung und Intelligenz
ließ andererseits eine billige Lösung dieses Konflikts
nicht zu. Um seelisch und geistig zu überleben, musste jeder von
ihnen die herrschende Kultur, die ihren Hunger nicht stillen konnte,
in Frage stellen, musste sie befragen auf das vermisste Mütterliche,
Wärmende, Bergende hin, musste diese Kultur einer radikalen
Kritik unterziehen und einen anders gewendeten Neuaufbau versuchen.
III.
„Heidegger
fällt auf im Kreis seiner Kollegen. Er trägt Trachtenjacken
und Kniebundhosen, derbe Schuhe und Hemden, die außer ihm
niemand in einem Hörsaal tragen würde“ (Buschey 2001,
S. 133). Und zwar trägt er nicht eine traditionelle Tracht
sondern schafft sich eine eigene, persönliche; in der Zeit der
Niederschrift von ‚Sein
und Zeit’
lässt er sich einen Vollbart wachsen; die Heideggers leben
zeitweise vegetarisch.
Wer auch
nur wenig weiß von Heidegger, seine Schriften vielleicht nie
gelesen hat, der weiß doch dies, kennt dieses Bild: den Mann,
der sich in Waldesnähe eine Hütte baut, der dort, wenn
immer möglich, in karger Einfachheit lebt, ohne alle modernen
Apparaturen, der Holz sägt, Wasser vom Brunnen holt, mit der
Zipfelmütze auf dem Kopf abends bei Bauern sitzt, der eine
eigenartige Kleidung sich schneidern lässt, ländlich-schlicht,
der in kurzen Hosen oder im Skianzug vor ein akademisches Publikum
tritt, den ehrenvollen Ruf nach der Hauptstadt ablehnt, lieber in der
Provinz bleibt, dort die grünen Feldwege und einsamen Holzwege
geht: Heidegger, der kauzige Einsiedler, der Waldmensch, der
naturverbundene halbbäuerliche Grübler.
Deutlich
erinnert er – in freilich sehr gemäßigter Form –
an jenen Wanderer aus Siebenbürgen, der vor allem durch seine
eigene Tracht auffällt, der als Wald- oder Naturmensch
bezeichnet wird, der in seiner Dichtung die Hütten
feiert und den Wald, der einfach lebt und Einfachheit predigt. „Wahr
sein, einfach sein – das ist der Inhalt seiner Lehre“
(Volkswacht, 22. 12. 1919).
IV.
Heidegger
hatte mit eigenen Augen das Auftreten, die Verurteilung und
Vertreibung eines sokratischen Menschen miterlebt, einen
exemplarischen Vorgang, der ihn selbst dann nicht hätte
unberührt lassen können, wenn er die Auffassungen des
verbannten Denkers nicht geteilt hätte. Dass er dies aber getan
hat, dafür ist allein schon sein künftiger Lebensstil ein
deutlich sprechender Beweis. Dafür legen aber auch schriftliche
Äußerungen von 1920 Zeugnis ab, die nun eine ganz neue,
entschiedenere, auch eine dringlich-rebellische Sprache sprechen. Man
müsse in einem „radikalen Ab- und Rückbau“ eine
feste Überzeugung gewinnen von dem „Einen, was not tut“,
er müsse das tun, „was ich in der heutigen
Umsturzsituation lebend als ‚notwendig’ erfahre, ohne
Seitenblick darauf, ob daraus eine ‚Kultur’ wird oder
eine Beschleunigung des Untergangs“, schreibt er 1920 (Löwith
1989, S. 28). Und 1921: „Ich mache lediglich, was ich muss …
Ich arbeite aus meinem ‚ich bin’“ (ebd., S. 30).
Aus
solchen Sätzen spricht sowohl das heilige
Müssen,
die heilige
Notwendigkeit
und das BIN
Gusto Gräsers wie dessen elementare Kulturverachtung.
„Seine
(Heideggers) maßlose Kritik an allem Kultur- und
Bildungsbetrieb zog uns an und stieß uns ab“, erinnert
sich sein damaliger Schüler Karl Löwith (ebd., S. 44). Es
sind die frühesten Zeugnisse von Heideggers Entschlossenheit zur
Selbstver-wirklichung, zum Eigenen, zum Kulturprotest, und sie
datieren sämtlich aus der Zeit nach Gräsers Auftreten in
Freiburg.
1919
spricht noch niemand von diesem Assistenten am philosophischen
Seminar. Wenige Monate später, 1920: plötzlich ist da eine
Fama, eine Faszination, eine charismatische Ausstrahlung – und
bald schon wird man ihn den „heimlichen König des Denkens“
nennen (Hannah Arendt).