Hermann
Müller
Als viertes der zehn Kinder des Ernst Müller, Gutspächter im Kurhaus von Bad Boll, und seiner Gattin Gertrud, geborene Mauz, erblickte Hermann Müller am 16.11.1931 das Licht der Welt. Schon früh musste er fühlen, dass er nicht sehr erwünscht war. Er fiel auch wegen seines zwar dem Vater ähnelnden doch ganz anders als seine Geschwister schwarzhaarigen und breitschädligen Aussehens aus dem Rahmen. Als eigenwilliges Kind wurde er bald als Anstifter ungeliebter Streiche bekannt. Einer seiner Großväter war Arzt, der andere Bäcker und pietistischer Prediger. Er wuchs auf im Milieu der Herrnhuter Brüdergemeine, den Nachfolgern der radikalchristlichen „Böhmischen Brüder“. Ein Bruder seiner Mutter, der Dichter und Zen-Buddhist Richard Haldenwang, öffnete schon dem Schüler die Wege zu den Weisheitslehren des Ostens. Seine Abiturrede hielt er über C. G. Jung und Nietzsche. Nach der Schulzeit in Göppingen studierte er Germanistik und Philosophie in München, Tübingen und Innsbruck. Während seines Studiums beschäftigten ihn vor allem die Mystiker und die Philosophen Heraklit und Laotse. Die Begegnung mit der prophetischen Gestalt des siebenbürgischen Dichters Gusto Gräser wurde ihm zum wegweisenden Erlebnis. |
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Der alte Mann und das Mädchen
Der
Philosophiestudent Julius Kirchner, genannt Jul, aus Göppingen im Schwabenland
hatte im Herbst 1955 den „Evangelimann“ Gusto Gräser in einer Schwabinger
Kneipe entdeckt und alsbald seinem Freund Hermann Müller von ihm berichtet.
Zusammen mit dessen älterem Bruder Alfred besuchten sie den siebenbürgischen
Stadtindianer an seinem Stammplatz im Café Klein-Bukarest, nahe der Technischen
Hochschule. Jul und Hermann waren derart beeindruckt von dem würdigen und
höchst lebendigen Greis und seinen Erzählungen, dass sie beschlossen, ihrem
neuen Vorbild folgend, in die Freigängerschaft der Haus- und Besitzlosen
aufzubrechen. Hermann kehrte zunächst in sein Elternhaus zurück, um seine
Bindungen an die Familie zu lösen, während Jul in die Dachkammer von Gräser
zog, dort mit ihm zusammenlebte und seine Gedichte abschrieb. Im Schneegestöber
des Februar 1956 brachte er die Abschriften zu seinem Freund Hermann nach Bad
Boll am Fuße der Schwäbischen Alb. Es folgten ausschweifende Gespräche der
beiden Freunde, wenn sie sich zwischen Göppingen und Bad Boll in grünen
Obstbaumwiesen trafen. Eine erste Probewanderung führte sie auf das „Kalte
Feld“ oberhalb von Donzdorf, nahe der Reiterleskapelle, einem alten
germanischen Heiligtum. Zu dem geplanten gemeinsamen Aufbruch kam es jedoch
nicht, da Jul zunehmend von Depressionen und Halluzinationen heimgesucht wurde.
Also machte sich im August des Jahres 1956 Hermann allein auf den Weg, ohne
sich von Jul zu verabschieden. Ob nun auf der Suche nach dem Verschwundenen
oder aus anderen Gründen, jedenfalls fuhr Jul, mit seiner Freundin Christa auf
dem Rücksitz des Motorrollers, im Herbst des Jahres nach München, um Gusto
Gräser zu besuchen. Bei dieser Gelegenheit hat er die obige Aufnahme gemacht.
Sie zeigt den Dichter in der Astgabel eines Weidenbaums auf dem Grohplatz von
Freimann sitzend, beobachtet und bewundert von Juls Freundin Christa.
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Aus der STUTTGARTER ZEITUNG vom 1. Oktober 2014:
Gusto Gräsers Vermächtnis
Eva-Maria Manz 01. 10. 2014, 16:50 Uhr
Stuttgart - In den grauen Städten rauchen die Schlote der Fabriken. Die Bierbäuche der Männer sind kugelrund, die Frauen zwängen sich in Korsetts. Kinder sitzen Soldaten gleich an ihren Schulbänken, voll Furcht vor den Lehrern. Und Familien glotzen wie glitzernde Statuen, behängt mit Pelz und Tand, in die Linse der Fotografen. Eine ausstaffierte Puppengesellschaft.Raubärtiger Naturmensch
Tanz auf dem
Monte Verità 1978
Aus: Stuttgarter Zeitung online, 1. Oktober 2014