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Mary Wigman: Die Seele des Tanzes

arte  (Deutschland, Usa, 2007, 51mn), ZDF, Regie: Christof Debler, Norbert Buse

In der Tanzkunst ist ihr Stil bis heute lebendig: Mary Wigman - Tänzerin und Choreographin. Das Porträt zeigt ihre berühmtesten Tänze, sucht Stationen ihres Lebens von Hellerau bis zum Monte Verità auf und lässt Choreographen zu Wort kommen.
Es war Anfang der 30er Jahre, als der Stern der Mary Wigman auch in Amerika aufging. Ihre ersten Auftritte in der neuen Welt waren durch eine glänzende PR vorbereitet und die Säle ausverkauft. Denn auch in Amerika wollte man wissen, was es auf sich hatte mit der neuen Bühnensensation aus Deutschland. In jedem Fall war sie für das Publikum gewöhnungsbedürftig, denn Mary Wigman tanzte alleine, mit nackten Füßen und nur von ein paar Trommelrhythmen begleitet. Ihr Gastspiel war dennoch ein sensationeller Erfolg. Die amerikanische Presse nennt sie die "Hohepriesterin" des "German Dance". Mit 44 Jahren hat es "die Wigman" endlich geschafft: Sie ist die erste deutsche Choreographin und Tänzerin mit Weltgeltung.
Das verdankte sie neben ihrer ungewohnten Art zu tanzen auch ihrem unwiderstehlichen Charisma und ihrer bezwingenden Bühnenpräsenz. "Ich lebte wie in einem Taumel. Es schien, als ob alle Journalisten des Landes auf mich einstürmen würden. Es gab Tage, an denen ich aufwachte und fürchtete, einen Fotografen unter meinem Bett zu finden", schrieb sie in ihr Tagebuch. Und dabei war es noch gar nicht lange her, dass sie in Deutschland noch in leeren Theatern vor nur zwei Familienangehörigen auftreten musste.
Der Einfluss der Mary Wigman auf die Entwicklung des modernen Tanzes sollte gewaltig werden. Überall beruft man sich auf sie, wenn man die Wege des etablierten klassischen Tanzes verlassen will. Hanya Holm bringt den Ausdruckstanz endgültig nach Amerika, indem sie die erste Wigman-Schule in New York eröffnet. In Asien wird ihr Schüler Takaya Eguchi zum Lehrer von Kazuo Ohno. Und in Deutschland entsteht das "Tanztheater", das ohne den Einfluss der Wigman nicht vorstellbar ist. Dabei war ihre Erfolgszeit nur kurz. Die Nazis ließen sie bei der Eröffnung der olympischen Spiele die Massen choreographieren, später galt aber auch sie als Vertreterin der "entarteten Kunst". Dies bedeutete das Ende ihrer Karriere. Nach dem Krieg wirkte ihre expressive Tanzform schon nicht mehr zeitgemäß. Aber wie konnte Mary Wigman werden, was sie wurde? Die Dokumentation zeigt den Weg der Tochter eines Fahrradhändlers aus Hannover, die sich auf die Suche nach einer eigenen körperlichen Ausdrucksform macht und dabei den Tanz revolutioniert. Er zeigt die prägenden Stationen ihres Lebens, von Hellerau bis zum Monte Verità. Die Dokumentation bietet Ausschnitte aus ihren berühmtesten Tänzen, unter anderem dem "Hexentanz" und dem Zyklus "Schwingende Landschaft" sowie aus einer zeit-genössischen Hommage von Susanne Linke an Mary Wigman mit dem Titel "Wandlung". Auch wenn Wigman-Tänze heute nicht mehr zum Repertoire der Tanzkompanien gehören, so sieht man doch, wie sich die unterschiedlichsten Choreographen, von Murray Lewis über Susanne Linke bis zu Sasha Waltz, auf sie berufen.