NOTWENDWORTE
Freiburg 1920
(Auszüge)
Nach der Spruchreihe 'Notwendworte', die 1912 in Berlin entstand,
brachte Gräser 1920 in Freiburg im Breisgau eine zweite Reihe unter dem selben Titel heraus. Sie umfasst 30 Sprüche, die meist nicht neu sind und von denen er viele immer wieder auf Karten abgedruckt hat. Neu ist die Anspielung auf die „Blutzeit“ des Krieges, neu seine Selbstbezeichnung als „Volkwart“ und die Hinwendung zum Volk überhaupt, dem er im Treubund seiner Gesellen einen „Ringhort“,
also einen geistigen Mittelpunkt bieten will.
Das Wort „Volk“ wird von ihm aber nicht ethnisch oder national
sondern moralisch verstanden, als der Gegensatz zum „Pöbel“.
Der „Blutzeit“ der Nationalisten setzt er die „Blütezeit“
der Treuen und Trugsatten entgegen, die Träumer und Werker
zugleich sind – Aufbauende, nicht Zerstörende.
Das „Nieder!“-Gebrüll der Revolverrevolutionäre lehnt er ab.
Gräser gibt keine politische oder sonstwie praktische Anweisungen.
Er lehrt das grosse Lassen, die Heimkehr zum Grund,
die Einkehr zum Selbst und seinem
Von-Selbst-Geschehen.
Das Neueste und Beste in dieser Neuauflage ist freilich, dass er in der Dreiheit
„O – Z - X“ ein eigenes graphisches Zeichen für seine Weltschau gefunden hat.
Damit bezeichnet er den Dreischritt der menschlichen Seele
aus der unbewussten Ureinheit (O)
durch die Spaltung in Zerrissenheit, Zweifel und Zwang (Z)
in die neue, höhere Einheit im Sternensein des Fünfsterns,
der nun zu seinem Haus- und Heilzeichen geworden ist.
Werker –
Ihr mit dem Seelensang -
hört, Ihr
Ernsten!
- - - - -
- - -
Und aus
den Wunden blühet,
aus der Blutzeit keimet uns Blütezeit!
Ein
Ringhort muss werden,
der
Volkheit ein Herz!
*
die Ihr
nichts als nur Treu, nur Echtheit begehrt -
Ihr, die
Ihr glaubet, dass ein mühselig Leben
in
Eintracht mit treuen Gesellen
Sieg und Segen genug ist – Euch braucht das Volk!
Bauet den
Ringhort – rettet durch Reinigung.
Kennst Du
den Freund?
Du Selber
bist er!
Kennst Du
den Feind?
Er heisst
Philister!
Wo Du
dich duckst –
da ist
er!
(Spätere
Fassung)
Lass
gehen, Freund,
Mich,
Dich, lass Alles gehen!
Es geht
allein zu dem, was wahrhaft hält -
von
Selber wirkt das göttliche Geschehen,
gedeiht
die Ordnung, die durch Zwang zerfällt.
Lass
gehen, Freund, und Alles wird, wird gut,
wenn nur
die Störerin,
die
Feigheit, ruht.
*
hör auf,
nach „Grund“ zu wühlen!
Und Grund
erfasst dein Lebensbaum,
bäumt
froh empor zum Sternenraum
in wonniglichem Fühlen.
Horch auf
das Lied aus dunklem Laub,
scheuch's
nit mit frechem Sehen,
horch:
und Dein Leben heitert, glaub!
Zieh nit
ans Licht, zieh nit in Staub
heilheimliches Geschehen.
(Spätere Fassung)
„Bildung“ wär das rechte Wort für lebendges Wesen,
dass wir alle, hier und dort, findend unsres Lebens
Hort,
von dem Wust genesen.
Bildung, wie im Baum sie webt, der zur Sonn sich
hebet,
wie sie geisternd im Kristall alles Sein
durchstrebet.
Bildung – nie zu bannen, nein, keiner Habgier
frommend,
aber aus wildheilgem Sein unsres Innern werderein,
freinotwendig kommend.
*
(Spätere Fassung)
Bist Du
nit Manns genug, tief aufzuhören,
gelinget
dir kein herzbefreihend Tun.
Statt
feig geschäftig Dich und Mich zu stören,
fass Mut
zum Schaffen, fasse Mut zum Ruhn.
Denn nur
aus innigtiefer Ruhigkeit ruckt auf die Tat,
die dich
und mich befreit.
O Z
*
(Spätere Fassung)