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RINGHORT


RINGHORT
Ein Festort
der kommenwollenden Gartenzeit.
Ein Bauwerk hinterm Maschinenschwindel – hinter Weithergeholtheit, Verschroben-, Verstiegenheit,
aus dem Rohen heraus gebaut – ohn’ Geklebe, Mörtel und Balken mit der Baukraft des Menschen gebaut.
Urhebekraft des Genesenden, des erdfromm Dankbaren,
war hier am Werk.
* * *
Heilloh, der Erdsternfromme! -
Wieder urbehaglich, wurzelwonnig in seiner Erde wohnend, seiner Erde voll lustschwangrer Schwerde,
ihre wildheilge Berglandschönheit getreulich schonend, hat er hier einen Felsbrockenhauf, einen Urwust,
düster und graunumkrallt, in einen Kronbau heiter und wohlgestalt,
einen Bau seines Odals, verwandelt.
Drin funkeln die Worte:
„Leicht – o wie seicht! – Leicht – o wie leer! –
Mensch, nur wo’s schwer wird, wird es hehr!“
*
Zeichen des Kommenden, Dresden 1925

Ringhort“

Aus ihren Ringen im Umkreis kommend, treffen sich hier die Menschen der Gartenzeit. Hier in der Reinheit der Berge mit Sang, Tanz und Andacht die Feste des Lebens zu feiern.

Fiesta Monte Verità 1978

Spruchkarte, Stuttgart 1915

Zu einem heiligen Berg, zu einem Kultort gehört ein Tempel. Wo steht der Tempel des Monte Verità?

Aus dem Jahr 1903 berichtet der Zürcher Pädagoge Adolf Grohmann: „Er ist auch der Verfasser eines Projectes zu einem grossartigen elliptischen Bau, einem Wahrheitstempel“ (Grohmann, Ansiedelung 28). Wer? – Gusto Gräser. Schon in seinem Gemälde von 1899 hatte er einen solchen Tempelbau entworfen. Grohmann schreibt, der Plan sei aufgegeben worden. Das stimmt so nicht. Oder nur insofern, als er nicht auf dem Monte Verità errichtet wurde. Dort war kein Freiraum dafür, dort hatte Gräser keine Rechte. Aber er ist anderswo errichtet worden: im Schweizerischen Nationalpark im Engadin, im Parc Naziunal Svizzer bei Zernez. Dort war Gräser zeitweise als Wildhüter beschäftigt. Er nutzte die Gelegenheit, herumliegende Felsbrocken zusammenzutragen und zu einem Tempelbau aufzuschichten. Der mag nicht ganz seiner obigen Zeichnung entsprochen haben, aber seine Idee geht aus diesem Idealentwurf deutlich hervor. Ein Rundtempel sollte es sein, auf einer Anhöhe stehend, nur von Menschenhand ohne alle Hilfsmittel gefügt, der umgebenden Landschaft schonend angepasst. Die gedankliche und sprachliche Verbindung von „Schonen“ und „Wohnen“ finden wir schon in seinem Beitext von 1925, einige Jahre später auch bei Martin Heidegger.

Ringhort“ nennt er seinen Bau nach dem Vorbild der Nibelungensage und Richard Wagners, aber in ganz eigener Deutung. „Ringhort“ ist ihm der ideale Ort, wo die „Erdsternfrommen“ zusammenkommen, „Ringhort“ ist ihre Gralsburg, ihr Montsalvasch, der symbolische Ort ihrer Utopie. Ringhort ist der „Menschenhort“, der Raum der Freiheit, das „Reich ohne Raum“ (Bruno Goetz). 1919 in München plakatiert er auf einem Flugblatt: “Ein Ringhort muss werden, der Volkheit ein Herz!“ Er spricht nicht vom deutschen Volk, er meint sein Volk. Er meint die „Erdsternmenschen“. Noch 1956, zwei Jahre vor seinem Tod, hat er die Hoffnung, die Stadt Stuttgart könne ein „Ringhort“ werden für die kommenwollende „Erdsternzeit“.

Dann verliert sich das Wort, es taucht nicht mehr auf. Warum? – Weil jeder Ort, selbst ein gedachter, eine Begrenzung ist. Weil also sein Ort sich weitet zum RAUM, zur Offenheit des Kosmos. Zwar weit früher schon, aber jetzt voll und endgültig, tritt der „RAUM“, das „All“, das große „WIR“ an seine Stelle. Vor allem aber der „Weltenbaum“. Der Weltenbaum ist kein Ort mehr sondern ein lebendiger Prozess.

„Ringhort“ im Parc Naziunal Svizzer?

Bei dem verwitterten Felsstock im rechten Bild könnte es sich um die ruinösen Überreste von Gräsers Ringhortbau handeln. Er wird einen gewachsenen Felsen mit herbeigeschleppten Steinbrocken zu einer Rundform umgebaut haben. Die auffallend starke Verwitterung an diesem Gebilde ließe sich dadurch erklären, dass unverbundene Einzelsteine viel stärker der Einwirkung der Elemente ausgesetzt sind als geschlossenes Gestein. Der Schweizer Nationalpark, 1914 gegründet, feiert 2014 sein hundertjähriges Bestehen.

Frost frisst unser Land –
drum, beherzter Hand, albern durch Wildwetter segeln,
windgewandt, voll Frischgeschehn – oder – so nach allen Regeln
g’scheiternd untergehn!
Wie du willt, Gesell – Wir fahren, steuern mit Schiff Immerwahr,
treugetrost trutz Ungeheuern, heimwärts, heilwärts durch Gefahr,
Schwindelphras fliegt über Bord,
und, warmwahrlich trauen, rudern wir durchs Grauen,
rudern wir zur Freundschaftau, dort den wunderbarsten Bau,
Menschenhort
erbauen - - -
*
Wo wir nur so schlechtundrechte, offne Menschenkinder sind,
da beginnt, geht an, gedeiht, wildlebendge Wirklichkeit,
da wird stille, unverschworen, trutz Unwelt, der Welt zum
Trost, wohlumdornt, drum auch umrost,
Menschenhort
geboren, Sammelort der Reinheitglut …
*
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