Zurück
Die Künstlerkolonie als
Sehnsuchtsort
Natur, Kreativität, Gemeinschaft - das sind die fast unvermeidlichen
Assoziationen beim Wort "Künstlerkolonie". Eine Ausstellung im
Landesmuseum
Hannover widmet sich nun dem Rückzug der Künstler aufs Land zu
Beginn des 20. Jahrhunderts und zeigt, dass dies keine
deutsche Erscheinung war, sondern ein Phänomen in ganz Europa.
"Heimat" im Landesmuseum
Hannover 2016 - Sendung des NDR
"Heimat"-Motive aus Künstlerkolonien
Barbizon, Jules
Dupre: "Der Teich" (1868, Öl auf Leinwand, 85 x 81 cm) - Das
Waldgebiet von Fontainebleau wurde in den 1830er-Jahren von
Künstlern entdeckt und bot mit seinen uralten Baumriesen Motive
für die Freilichtmalerei. Sie hielten die Ansichten
in kleinformatigen Gemälden, den "paysages intimes", fest. Der
Mensch wird dabei harmonisch in die Natur eingebettet. Die
Mutter aller Künstlerkolonien, wegweisend für die Verbreitung
der Bewegung in ganz Europa, war geboren.
Laren, Anthonij 'Anton' Mauve: "Schäfer mit seiner
Herde" (Öl auf Leinwand, 38,6 x 66,5 cm) - Die Künstlerkolonie Laren
gilt als das "Land Mauves". Mit Darstellungen der umliegenden
Heidelandschaften und Schafherden machte der Künstler
den nordholländischen Ort populär.
St Ives, Robert Borlase Smart: "Morgenlicht, St Ives"
(1922, Öl auf Leinwand, 64 x 105,5 cm) - In Großbritannien war es vor
allem die Abgeschiedenheit Cornwalls mit seinem urwüchsigen
Charakter, die zahlreiche Künstler anzog. In Küstenstädtchen wie Newlyn,
St Ives und Falmouth entstanden in den 1870er-Jahren die
bedeutendsten britischen Künstlerkolonien.
Skagen, Peder Severin Kr0yer: "Sommerabend am Südstrand von Skagen. Anna Ancher und
Marie Kr0yer"
(1893, Öl auf Leinwand) - Fasziniert von den hellen
nordischen Sommernächten mit ihrem besonderen Licht bannt der Maler
den Spaziergang seiner Frau Marie und Anna Ancher am Südstrand von
Skagen während der "blauen Stunde" ins Bild. Beide Frauen waren
selbst Malerinnnen.
Dachau, Adolf
Hölzel: "Mädchen mit Schubkarre" (um 1895, Öl auf Leinwand, 40,2 x
50,1 cm) - Seit den 1880er-Jahren kamen Künstler nach Dachau, um
die umliegende Mooslandschaft zu malen. Zu den zentralen
Künstlerpersönlichkeiten der Kolonie Dachau zählte Adolf
Hölzel, der - vor seiner Hinwendung zur Abstraktion - hier die
Landschaft und die ländliche Bevölkerung im Bild festhielt.

Worpswede, Fritz Mackensen: "Hamme-Hütte" (1897, Öl
auf Leinwand, 97 x 125 cm) - Als einer der Gründer der Künstlerkolonie
am Teufelsmoor war auch Mackensen von der Weite und Urwüchsigkeit
der Worpsweder Landschaft fasziniert. Sein Werk "Hamme-Hütte"
fängt mit der Darstellung der einsamen Hütte am Moorgraben das
Leben und Arbeiten der einfachen Landbevölkerung ein.
Ascona, Marianne Werefkin: "Der große Mond" (1932).
Besonders Künstlerinnen fanden fernab des von Männern dominierten
Kunstbetriebs in den Kolonien kreative Freiräume. Die russische
Malerin ließ sich dauerhaft am Monte Veritä im schweizerischen Ascona
nieder und schloss sich dort einer Gemeinschaft von alternativen
Lebensreformern an, die ihr Leben so naturnah wie möglich, ohne
konventionelle Zwänge gestalten wollten.
Szolnok, Lajos Deak Ebner: "Geflügelmarkt" (1885, Öl
auf Leinwand, 132 x 96 cm) - Die Werke des Malers zeigen realistische
Szenen des bäuerlichen Lebens, die den damals verbreiteten
Vorstellungen vom ländlichen Ungarn entsprachen. Bevor Ebener sein
Arbeiten in die ungarische Tiefebene verlegte, lebte er lange in
Barbizon. Später pendelte er zwischen Frankreich und Ungarn.
(Textquelle: Landesmuseum Hannover)
1/8
Heimat - ein Mythos?
"Mythos Heimat. Worpswede und die europäischen
Künstlerkolonien" lautet der Titel der Ausstellung. Die Künstler seien
Eroberer in ihren Heimatländern gewesen.
Karte |

|
Europäische
Künstlerkolonien um 1900
Sehnsucht zu finden und sie zu stillen, das habe vor
100 Jahren "Heimat" für die bedeutet, die diese ländlichen Lebensräume
für sich erschlossen, so Museumsdirektorin Katja Lembke.
"Mythos Heimat" bedeute aber auch, dass diese Sehnsucht nicht immer
erfüllt wurde. Die heile Welt, die die Bilder ausstrahlen,
existierte auch zu dieser Zeit nicht.
Das ist kaum zu glauben, wenn man die romantischen
Landschaftsbilder aus dem französischen Barbizon, den idyllischen
Arbeitsplatz des Schäfers im holländischen Laren, das tosende Meer
des urwüchsigen Cornwalls oder den "Sommerabend am Südstrand von
Skagen" betrachtet. Gemeinsam ist den Motiven die Ruhe, die sie
ausstrahlen - als wäre die Zeit stehen geblieben.
Vorbild
Worpswede
Künstlerkolonie |
 |
Das Örtchen Worpswede steht für Kunst und Kultur.
Namhafte Künstler haben dort gelebt und ihre Spuren hinterlassen. Eine
aktuelle Ausstellung verbindet deren Werke mit neuen Bildern.
mehr
Schon lange bevor die Künstlerkolonie Worpswede
entstand, ließen sich Künstler gemeinsam an einem Ort nieder. Die
herausragende Bedeutung von Worpswede ist, dass die
Kunstschaffenden sich zusammenschlossen, gemeinsame Einrichtungen
betrieben, gemeinsam ausstellten und ihre Gemeinschaft mit einer
Satzung manifestierten und damit zu einem Vorbild für
andere Künstlervereinigungen wurden.
Werke aus der niedersächsischen Künstlerkolonie
Worpswede aus der eigenen Sammlung des Landesmuseums bilden deshalb auch
den Grundstock der Schau. Neben diesen 40 Bildern werden 220
Leihgaben aus 60 europäischen Museen, etwa aus Kopenhagen, Budapest oder
Den Haag und aus privaten Sammlungen gezeigt.
Zu viele rote Fäden
Die Anordnung der Kunstwerke verfolgt nicht nur die
Idee, abzubilden, wo die 30 ausgewählten Künstlerkolonien entstanden
sind, was sie hervorbrachten und wie die Werke
kunsthistorisch einzuordnen sind. Gezeigt werden soll auch, wie
durch den Wechsel von Künstlern eine Vernetzung der Kolonien
untereinander entstand, welche Bedeutung einzelne Gruppen innerhalb
einer Gemeinschaft hatten, etwa die der Künstlerinnen in Worpswede,
und welche Nachwirkung das Lebensgefühl der Zeit auf die Nachwelt
hatte - etwa das Bohemienleben auf die Hippies der 70er.
Die Anzahl der Bilder, dicht angeordnet, und die
vielfältigen und umfassenden Informationen dazu könnten manchen Besucher
mutlos zurücklassen. Die Ausstellung beleuchtet zu
viele bemerkenswerte Aspekte von Künstlerkolonien. Wer sich aber
die Zeit nimmt, um in mehreren Besuchen einzelne Themen zu
erkunden, der wird Einsichten gewinnen, die so an keiner
anderen Stelle zu finden sind.
Weitere Norddeutsche Künstlerkolonien
2010 in Worpswede:
Zu dieser Aufführung ist ein reichhaltiges, schön
gestaltetes, höchst informatives Programmheft erschienen mit
Szenenbeschreibungen, Kurzbiografien von 40 Personen, Zitaten,
Zeittafel und 100 teils farbigen Fotos. Damit wird dem Besucher
die Doppelgeschichte von Ascona und Worpswede in die Hand gegeben,
ein anschauliches, farbiges Bild zweier Urzellen der
Reformbewegungen um 1900.
Die Künstlerkolonie Dötlingen bei Oldenburg wäre fast
in Vergessenheit geraten. Auch heute steht der Künstlerort in zweiter
Reihe. Manchem Dorfbewohner ist das offenbar ganz recht.
mehr
Schwaan in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Exot unter
den Künstlerkolonien: Nicht zugereiste, sondern einheimische Maler
arbeiteten dort ab Mitte des 19. Jahrhunderts.
mehr
Mit seinen malerischen Reizen übertrifft Fischerhude
bei Bremen das benachbarte Worpswede. Auch Dank der Künstler, die sich
hier ansiedelten, blieb der Ort in seiner Ursprünglichkeit
erhalten. mehr
Von Karl Schmidt-Rottluff bis Franz Radziwill - das
Nordseebad Dangast kann auf eine lange Tradition als Künstlerkolonie
zurückblicken. Doch die verträgt sich nur bedingt mit dem
Tourismus mehr
Seit Ende des 19. Jahrhunderts zieht es Künstler auf
den Darß - in den Ort Ahrenshoop. Das dortige Kunstmuseum präsentiert
ihre Arbeiten sowie wechselnde Ausstellungen.
mehr
Die
Künstlerkolonie als Sehnsuchtsort
Das Landesmuseum Hannover zeigte vom 18.03.2016
bis 26.06.2016
Bilder aus historischen Künstlerkolonien auf dem
Land.
Sie geben einen imposanten Überblick über die
europäische Landschafts- und Genremalerei.
Zur Ausstellung ist der Katalog
"Mythos Heimat" erschienen (ISBN 978-3954982271, 536 Seiten)