Dem
Dichter, Naturphilosophen und Pazifisten Gusto Gräser widmet das Haus
des Deutschen Ostens (HDO) in München anlässlich des 50. Todestages
mehrere Veranstaltungen, die vom 23. Oktober bis zum 20. November in
München stattfinden.
Im Herbst 1900 wanderten
sieben junge Menschen von München über die Alpen, um im Süden eine
Kolonie der freien Liebe zu gründen. Oberhalb Ascona am Lago Maggiore
entstand die Siedlung Monte Veritá, Berg der Wahrheit, die zur Wiege
der Alternativbewegung wurde. Ihre Vordenker waren der Dichter und
Maler Gustav Arthur Gräser (geboren 1879) und sein älterer Bruder Karl
aus Kronstadt in Siebenbürgen. Durch sein unstetes Leben außerhalb der
Regeln der Gesellschaft wurde Gusto Gräser, der sich auch Arthur
Siebenbürger nannte, zum Symbol für Aufbruch und Neubeginn, zum
Vorläufer der Kriegsdienstverweigerer, der Friedens- und
Umweltbewegung. Der Hüne mit dem langen Rauschebart gilt gemeinhin als
der erste Aussteiger, der erste Hippie.
Gusto Gräser 1956 in München-Freimann.Dichter
wie Gerhart Hauptmann und Hermann Hesse erhoben ihn in mythischen
Rang. Kulturhistoriker sehen ihn heute als „Gandhi oder Laotse des
Westens“. Als Gräser 1926 wieder mal aus Bayern ausgewiesen werden
sollte, schrieb Thomas Mann: „Dieser Mann ist reinen Herzens und liebt
Deutschland. Er meint es gut und freundlich mit uns, und gut und
freundlich sollte man ihm begegnen“. Denn immer wieder warb Gräser in
öffentlichen Vorträgen in Stuttgart, Dresden, Berlin und München bei
den Menschen für den Frieden, gegen die Rüstung, gegen die
Staatsgewalt. Seine Texte ließ er zeitweise im Antikriegsmuseum in
Berlin als Lithographien drucken.
Gräser hauste im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in der
Felsenhöhle „Pagangrott“ bei Arcegno, ernährte sich von Nüssen und
Gemüse und ignorierte die Zwänge der Zivilisation. Diese Radikalität
ist beeindruckend, gleichwohl ist sie nur das äußere Anzeichen für das
wirklich Spannende, nämlich die innere Gestimmtheit.
Der Vordenker einer neuen Menschheit ohne Herr und Knecht und
Zerstörung der Natur, Ikone mehrerer Jugendbewegungen und Leitfigur
neugegründeter Parteien, die von heute aus gesehen als Vorläufer der
Grünen gelten können, lebte seit 1940 in der bayerischen
Landeshauptstadt, überlebte halb verhungert den Krieg, war ständiger
Gast in der Staatsbibliothek und starb 1958 vereinsamt in seiner
Dachkammer in der Hortensienstraße in München-Freimann, ohne eine
einzige Zeile seines großen Werkes je in Buchform gedruckt zu sehen.
Veranstasltungsreihe im Haus des Deutschen Ostens
Dem Dichter, Naturphilosophen und Pazifisten Gusto Gräser widmet das
Haus des Deutschen Ostens in München anlässlich des 50. Todestages
mehrere Veranstaltungen.
Eine Ausstellung (Eröffnung am Donnerstag, dem
23. Oktober,
19.00 Uhr) aus den Beständen der Monacensia, der Handschriftenabteilung
der Münchner Stadtbibliothek, sowie dem Gusto-Gräser-Archiv in
Freudenstein von Hermann Müller soll das Leben dieses Mannes aufzeigen,
gleichzeitig aber auch die geistigen Zeitströme andeuten, in denen sich
Gräser bewegte und die er mitbewegt hat.
An seinem 50. Todestag, am Montag, dem
27. Oktober,
19.00 Uhr, wird der bekannte Schauspieler und Sprecher Wolf Euba mit
einer Lesung aus Gräsers dichterischem Werk uns erahnen lassen, welche
Anziehungskraft die Sprachgewalt dieses Mannes auf die Zuhörer
ausübte.
Die Schweizer Schriftstellerin Eveline Hasler aus Ascona, Verfasserin
des Buches „Die Felsenhöhle des jungen Hermann Hesse. Der Dichter und
sein Guru“, zeichnet in dem Vortrag „Inspiration und Transpiration auf
dem Monte Veritá“ den schwierigen Versuch Hesses nach, zwecks
Selbstläuterung bei Gusto Gräser in der Höhle auszuharren (Donnerstag,
30. Oktober, 19.00 Uhr). Hesse porträtierte seinen Freund und Meister in dem Bestseller
Demian und machte ihn damit für die Nachwelt unsterblich.
Dann unternimmt der Schriftsteller Hans Bergel in seinem Vortrag „Der
lachende Siebenbürger“ den Versuch, den Außenseiter Gustav Arthur
Gräser in seiner Zeit zu sehen (Donnerstag,
6. November, 19.00 Uhr).
Die Filmdokumentation „Gusto Gräser – Der Eremit vom Monte Verità“ von
Christoph Kühn aus dem Jahre 2006 lässt Freunde und Familienmitglieder
des unbeugsamen Außenseiters zu Wort kommen. Ein reiches Fotomaterial
und Ausschnitte aus seinem poetischen Werk runden dieses berührende
Porträt des „barfüßigen Propheten“ ab (Donnerstag,
13. November, 19.00 Uhr).
Und schließlich zieht Hermann Müller, der unermüdliche Sammler und
Erforscher des Gräser’schen Nachlasses sowie Herausgeber seines
Werkes, der auch die Ausstellung gestaltete, ein vorläufiges Fazit
(Donnerstag, 20. November, 19.00 Uhr).
Alle Veranstaltungen finden im Haus des Deutschen Ostens, Am Lilienberg 5, in München statt. Der Eintritt ist frei.
uwa