15. Oktober 2008

Gusto Gräser, der grüne Prophet aus Siebenbürgen

Dem Dichter, Naturphilosophen und Pazifisten Gusto Gräser widmet das Haus des Deutschen Ostens (HDO) in München anlässlich des 50. Todestages mehrere Veranstaltungen, die vom 23. Oktober bis zum 20. November in München stattfinden.
Im Herbst 1900 wanderten sieben junge Men­schen von München über die Alpen, um im Süden eine Kolonie der freien Liebe zu gründen. Ober­halb Ascona am Lago Maggiore entstand die Siedlung Monte Veritá, Berg der Wahrheit, die zur Wiege der Alternativbewegung wurde. Ihre Vordenker waren der Dichter und Maler Gustav Arthur Gräser (geboren 1879) und sein älterer Bruder Karl aus Kronstadt in Siebenbürgen. Durch sein unstetes Leben außerhalb der Regeln der Gesellschaft wurde Gusto Grä­ser, der sich auch Arthur Siebenbürger nannte, zum Symbol für Aufbruch und Neubeginn, zum Vorläufer der Kriegsdienstverweigerer, der Frie­dens- und Umweltbewegung. Der Hüne mit dem langen Rauschebart gilt gemeinhin als der erste Aus­steiger, der erste Hippie.

Gusto Gräser 1956 in München-Freimann. ...Gusto Gräser 1956 in München-Freimann.Dichter wie Gerhart Hauptmann und Her­mann Hesse erhoben ihn in mythischen Rang. Kultur­historiker sehen ihn heute als „Gandhi oder Laotse des Westens“. Als Gräser 1926 wieder mal aus Bayern ausgewiesen werden sollte, schrieb Thomas Mann: „Dieser Mann ist reinen Herzens und liebt Deutschland. Er meint es gut und freundlich mit uns, und gut und freundlich sollte man ihm begegnen“. Denn immer wieder warb Gräser in öffentlichen Vorträgen in Stutt­gart, Dresden, Berlin und München bei den Men­schen für den Frieden, gegen die Rüstung, gegen die Staatsgewalt. Seine Texte ließ er zeitweise im Antikriegsmuseum in Berlin als Litho­graphien drucken.

Gräser hauste im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in der Felsenhöhle „Pagangrott“ bei Arcegno, ernährte sich von Nüssen und Gemüse und ignorierte die Zwänge der Zivilisation. Die­se Radikalität ist beeindruckend, gleichwohl ist sie nur das äußere Anzeichen für das wirklich Spannende, nämlich die innere Gestimmtheit.

Der Vordenker einer neuen Menschheit ohne Herr und Knecht und Zerstörung der Natur, Iko­ne mehrerer Jugendbewegungen und Leitfigur neugegründeter Parteien, die von heute aus ge­sehen als Vorläufer der Grünen gelten können, lebte seit 1940 in der bayerischen Landes­haupt­stadt, überlebte halb verhungert den Krieg, war ständiger Gast in der Staatsbibliothek und starb 1958 vereinsamt in seiner Dachkammer in der Hortensienstraße in München-Freimann, ohne eine einzige Zeile seines großen Werkes je in Buchform gedruckt zu sehen.

Veranstasltungsreihe im Haus des Deutschen Ostens

Dem Dichter, Naturphilosophen und Pazifisten Gusto Gräser widmet das Haus des Deutschen Ostens in München anlässlich des 50. Todesta­ges mehrere Veranstaltungen.

Eine Ausstellung (Eröffnung am Donnerstag, dem 23. Oktober, 19.00 Uhr) aus den Beständen der Monacensia, der Handschriftenabteilung der Münchner Stadt­bibliothek, sowie dem Gusto-Gräser-Archiv in Freudenstein von Hermann Müller soll das Leben dieses Mannes aufzeigen, gleichzeitig aber auch die geistigen Zeitströme andeuten, in denen sich Gräser bewegte und die er mitbewegt hat.

An seinem 50. Todestag, am Montag, dem 27. Oktober, 19.00 Uhr, wird der bekannte Schau­spieler und Sprecher Wolf Euba mit einer Le­sung aus Gräsers dichterischem Werk uns erahnen lassen, welche Anziehungskraft die Sprach­gewalt dieses Mannes auf die Zuhörer ausübte.

Die Schweizer Schriftstellerin Eveline Hasler aus Ascona, Verfasserin des Buches „Die Fel­senhöhle des jungen Hermann Hesse. Der Dich­ter und sein Guru“, zeichnet in dem Vortrag „Inspiration und Transpiration auf dem Monte Veritá“ den schwierigen Versuch Hesses nach, zwecks Selbstläuterung bei Gusto Gräser in der Höhle auszuharren (Donnerstag, 30. Oktober, 19.00 Uhr). Hesse porträtierte seinen Freund und Meister in dem Bestseller Demian und mach­te ihn damit für die Nachwelt unsterblich.

Dann unternimmt der Schriftsteller Hans Ber­gel in seinem Vortrag „Der lachende Siebenbür­ger“ den Versuch, den Außenseiter Gustav Arthur Gräser in seiner Zeit zu sehen (Donners­tag, 6. November, 19.00 Uhr).

Die Filmdokumentation „Gusto Gräser – Der Eremit vom Monte Verità“ von Christoph Kühn aus dem Jahre 2006 lässt Freunde und Fami­lienmitglieder des unbeugsamen Außenseiters zu Wort kommen. Ein reiches Fotomaterial und Ausschnitte aus seinem poetischen Werk runden dieses berührende Porträt des „barfüßigen Pro­pheten“ ab (Donnerstag, 13. November, 19.00 Uhr).

Und schließlich zieht Hermann Müller, der unermüdliche Sammler und Erforscher des Grä­ser’schen Nachlasses sowie Herausgeber seines Werkes, der auch die Ausstellung gestaltete, ein vorläufiges Fazit (Donnerstag, 20. November, 19.00 Uhr).

Alle Veranstaltungen finden im Haus des Deut­schen Ostens, Am Lilienberg 5, in München statt. Der Eintritt ist frei.

uwa