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Helios
ist das griechische Wort für den Sonnengott, für
das von den Lebensreformern kaum weniger verehrte Licht. Die Geburt des
neuen
"Sonnengottes" stand unter keinem günstigen Stern. Diefenbach hatte
seiner Geliebten Madeleine Atzinger von Anfang an und immer wieder
erklärt, daß
eine Ehe keinesfalls in Frage komme. Offenbar betrachtete er das
Mädchen, das
sich als Pflegerin in
seiner Krankheit
an ihn "herangemacht" hatte (wie er später zu sagen pflegte), nicht
als eine ebenbürtige und ihm angemessene Partnerin. Er war zur Trennung
entschlossen und hatte sie ihr angekündigt, als ihn die Atzinger mit
der
Mitteilung überraschte, daß sie von ihm schwanger sei. Nun fühlte er
sich
moralisch verpflichet, für sein Kind zu sorgen und dessen Mutter, wohl
oder
übel, bei sich zu behalten. Eine
bedrückende Aussicht für den aufstrebenden Künstler
und den in ihm erwachenden Reformer, der einem neuen, freieren
Geschlecht
voranleuchten wollte. Eine nicht unbegründete Angst kam belastend dazu:
Beide
Eltern waren kranke Menschen, sie an Tuberkulose leidend, er mit einem
ganzen
Bündel von schweren Gesundheitsschädigungen geschlagen. Würde das
erwartete
Kind gesund, würde es überhaupt lebensfähig sein? Noch aus einem
anderen Grund
wurde die Geburt zu einem Alptraum, auf den er später immer wieder zu
sprechen
kam: In eben der Nacht, da die werdende - uneheliche - Mutter in den
Wehen lag,
kam es zum Streit mit der Schwiegermutter, die eine erfahrene Hebamme
war und
sich die ungewöhnlichen Methoden des Lebensreformers nicht zu eigen
machen
wollte. Diefenbach wies ihr die Tür. In
der Tat kam diese Frucht einer längst gestörten,
eigentlich schon gestorbenen Beziehung als außerordentlich schwaches
Wesen zur
Welt, dem der Arzt kaum eine Überlebenschance gab. Daß ihm der Vater
dennoch
den Namen Helios - Sonne oder Sonnengott - gab, zeigt seinen
verzweifelten
Willen zu Aufstieg und Sieg. Mußte er schon die Hoffnung auf eine
glückliche
Liebesverbindung begraben, dann sollte dieses Kind seinen Lebenswagen
in lichte
Höhen führen. Von Anfang an lastete auf diesem Sohn das Gewicht einer
übersteigerten Hoffnung. Der
Vater freilich tat alles, um seine herausfordernde
Namensgebung der Erfüllung nahezubringen. An diesem seinem Sohn mußte
sich die
Richtigkeit seiner bahnbrechenden Erkenntnisse erweisen. Deshalb konnte
er die
Pflege und Aufzucht des Kindes nicht der verhaßten Schulmedizin
überlassen,
auch nicht der in ihrer Unzulänglichkeit längst durchschauten Mutter.
Er selbst
nahm es in die Hand, das schwache Geschöpf zu ernähren, zu pflegen,
seine
Lebenskraft mit den Mitteln der Naturheilkunde zu stärken. Dazu
gehörte, daß er
statt den kleinen Helios, wie die Schwiegermutter es dringlich
verlangte, in
ein Wickelbett einzuschnüren, in einem Einkaufsnetz vor das
Fensterbrett
hängte, um das blasse Körperchen den heilenden und kräftigenden
Strahlen der Sonne
auszusetzen. Und siehe da: das Wunderbare geschah, daß das fast
aufgegebene
Wesen nicht nur gesundete, sondern sich zu einem ungewöhnlich schönen,
wohlgebauten und von Lebenskraft strotzenden Knaben entwickelte. Ein
strahlender Beweis für die Richtigkeit seiner Theorie und Praxis.
Nachdem der
Junge ins gehfähige Alter gekommen war, nahm ihn der Vater wenn immer
möglich
zu seinen Stadgängen mit und genoß das Aufsehen und die Bewunderung,
die er,
selbst schon auffällig durch seine Gewandung, durch den blondgelockten
Sonnenknaben in noch gesteigertem Maße, vor allem von Frauen, auf sich
ziehen
konnte. Er
zog auch die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich, die
solche Sonnenbäder eines Säuglings als verantwortungslose
Gesundheitsgefährdung
betrachteten. Zum ersten aber nicht zum letzten Male kam er mit der
allgegenwärtigen staatlichen Aufsicht und
ihrer Menschengängelung in Konflikt. Wenn er sich
auch dieser
Einmischung letztlich erfolgreich erwehren konnte, dank seiner
unbeirrbaren
Hartnäckigkeit - die Fama seines entsetzlichen Attentats auf die
geheiligte
Wickeltradition, ihre licht- und luft- und leibscheue Verdunklungs- und
Vermuffungsmanie, blieb an ihm haften und erhielt sich als
anstoßerregende
Anekdote in der Münchner Kollektivseele bis auf den heutigen Tag. Die
glückliche leibliche Entwicklung des jungen Helios
fand freilich im Felde des Seelischen keine ebensolche Fortsetzung. Der
Junge
wurde zum Spielball oder vielmehr zum heiß und erbittert umstrittenen
Zankapfel in der
Pflichtehe der Eltern.
Hinundhergerissen zwischen Vater und Mutter, bald diesem, bald jener
zugehörig,
von der Mutter einerseits verwöhnt und verhätschelt, gegen den Vater
eingenommen,
dann wieder in Wutanfällen beschimpft und geschlagen, wurde dieses Kind
Schlachtfeld und Opfer einer völlig zerrütteten Beziehung. Schon früh
ist von
Anfällen maßlosen Jähzorns des jungen Helios die Rede, der seine Mutter
beschimpft und schlägt. Als der Junge ins Pubertätsalter kommt, lehnt
er sich
auch gegen den Vater auf, der sich immer weniger gegen diesen
ungebärdigen Sohn
zu helfen weiß. Während seiner Alpenwanderung 1895 entläßt er ihn
schließlich,
schickt ihn zusammen mit Paul nach Wien zurück, wo die beiden zusammen
eine
Wohnung beziehen, während Dfb sich für eineinhalb Jahre in Ägypten
aufhält.
Später, nachdem die Ungeratenheit dieses Sohnes sich aufs deutlichste
erwiesen
hat, wird Dfb behaupten, Helios sei in dieser Wiener Zeit durch Paul
endgültig
verdorben worden. In der Tat wurde der Sechzehnjährige damals zum
Raucher,
Kaffeehausgänger, Weintrinker und Modegecken, ein williger und
letztlich
unverbesserlicher Adept all jener Laster, die Dfb verabscheute und
erbittert
bekämpfte. Zugleich übernahm er die nietzscheanischen Ansichten Pauls
und war
außerdem im Widerspruch zu seinem Vater überzeugt, daß seine Mutter, an
der er
hing, von Dfb ins Grab gebracht worden sei. Im
Laufe des Jahres 1900, nun schon auf Capri, wurde das
Zusammenleben von Vater und Sohn unerträglich. Dfb entließ Helios in
juristischer Form aus seiner väterlichen Gewalt und verweigerte ihm
jede
weitere finanzielle Unterstützung. Der junge Mann, der schon seither
sich wenig
lernwillig und ebensowenig arbeitswillig gezeigt hatte, lernte auch
weiterhin
nichts, schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten wie Modellstehen durch,
konnte
auch, wegen mangelnder Ausbildung, anspruchsvollere Anstellungen nicht
erlangen. Nun zur Einsicht der Realitäten gekommen, bat er seinen Vater
flehentlich um Unterstützung für seine Weiterbildung. Der aber bestand
hartnäckig auf vorgängiger Änderung seines Lebenswandels. Wiederholt
ruft er
ihn zu seiner eigenen Hilfe nach Capri,
aber die Gegensätze
bleiben unüberbrückbar. Immer wieder kommt es zum "Rasen" des Sohnes
gegen den Vater, dem er gelegentlich auf offener Straße ins Gesicht
spuckt, und
ebenso regelmäßig erfolgen die immer selben Vorwürfe und Ermahnungen
des
Vaters, der sich zuletzt nicht mehr auf die Straße wagt oder aber
Umwege macht,
um seinem Sohn nicht begegnen zu müssen. Im Hause verkehren die beiden
bald nur
noch schriftlich miteinander oder über die Vermittlung durch Dritte,
obwohl
Helios mit der Verwaltung der Geschäfte und Ausstellungen seines Vaters
betraut
ist. Dabei erfüllt Vater wie Sohn die gleiche heiße Sehnsucht nach
Versöhnung
und harmonischer Gemeinschaft, die sich namentlich in den Briefen des
Sohnes
rührend und erschütternd ausspricht. Wiederholt flieht Dfb von Capri,
weil er
ein Zusammentreffen mit dem verlorenen Sohn nicht mehr erträgt. Die
Lebensführung
des Sohnes betrachtet er als Skandal und Schande für seinen Namen, denn
selbst
in der sonst duldsamen Bevölkerung von Capri gilt Helios als zügelloser
Desperado. Wiederholt droht er seinem Vater mit Selbstmord und dieser
sieht ihn
ernsthaft vom Untergng bedroht, kämpft länger als ein Jahrzehnt
verzweifelt um
die "Rettung" seines Sohnes. Freilich muß sich diese
"Rettung" auf seine
Weise vollziehen; die Rettungsversuche von anteilnehmenden Frauen, die
den
Gefährdeten zeitweise aufnehmen und ihm mit mehr Verständnis und
Duldung seiner
Schwächen entgegenkommen, läßt er nicht gelten. Im
Jahre 1913, Diefenbachs Todesjahr, sind die Dinge
dahin gekommen, daß auch die vermittelnden Frauen in ihrer Geduld und
Kraft
erschöpft sind. Helios soll nach Ägypten oder in ein Sanatorium
abgeschoben
werden. Beide zusammen können auf Capri nicht bleiben. Diefenbach,
mittellos,
hoch verschuldet und krank,
kann
nicht, Helios will
nicht gehen -
jedenfalls stellt er seine Bedingungen. Der mündliche wie der
schriftliche
Verkehr zwischen den beiden hat aufgehört. Die seitherigen Vermittler
verweigern weitere Hilfe. In einem Kampf auf Leben und Tod haben Vater
und Sohn
sich gegenseitig mattgesetzt. Da
stirbt Diefenbach, erst 62jährig, einen plötzlichen,
qualvollen Tod. "Ich kann nicht mehr", hatte er geschrieben. Die
Hoffnungssonnne, die er in Helios hatte aufgehen sehen, hatte aufgehen
sehen wollen,
war erloschen; der Lichtbringer war
zum Todesengel geworden. I.
Geburt und Kleinkindzeit (1880-1884) Unerwünschte
Schwangerschaft - kranke Eltern - schwaches Kind - Sonnenkur und
Sondernahrung
- Unterbringung bei Baltzer scheitert - Anlaß für die Eheschließung -
Glückliche Zeiten im Steinbruch. Ende
Juli 1880 Clemens
Driessen in
seiner Geschichte der Ehe Diefenbachs: Die
[Maximiliane] Schlotthauer
überschüttete von Paris aus Dfb mit Briefen, die in ihrem Jammerton und
stets
voll überschwenglicher Selbstanklagen, denselben in stetige Aufregung
brachten.
Die Atzinger verriet solches Beginnen, ebenso wie seitens Dfbs in
besonnenster
Weise geschah, der "Schwester" [Maximiliane Schlotthauer], indem sie
anführte, daß sie in Korrespondenz mit Friedrich Diefenbach erst ganz
einsehen
gelernt habe, wie die verwickelten Familienstreitigkeiten Dfbs seinen
Aufschwung hindern. Erst
Ende Juli
gelangte Dfb. nach Vollendung notwendigster Arbeiten dazu, einen
Landaufenthalt
in Aschau zu nehmen. Dieser Reise waren häufige Konflikte mit der
M.Atzinger
vorhergegangen und Dfb hatte eines Tages das Mädchen, welches ihm
fortgesetzt
stürmische Scenen bereitete, aus seiner Wohnung gewiesen und sich
entschlossen,
jegliche Beziehung mit ihr abzubrechen. Er hatte ihr häufig
vorgestellt, daß
sie nicht fähig sei, seinen ihr im vollen Umfang bekannten Anschauungen
in
einem von Engherzigkeit freien Tun
-
nicht bloß mit Worten und Schwärmerei - zu folgen. Da
erhielt er von
ihr die schriftliche Mitteilung, daß sie sich schwanger fühle! Er nahm
die dem
von einem Dienstmann überbrachten Briefe auf dem Flecke Folgende wieder
auf und
das Mädchen begleitete ihn auch nach Aschau. Vorher schrieb sie an die
Schlotthauer, für welche Dfb fortgesetzt eine milde Beurteilung an den
Tag
legte: "Daß unter solchen Umständen zwischen mir und Karl von Glück
keine
Rede sein kann, ist selbstverständlich und ist es wohl das Beste, daß
Karl und
ich uns trennen. Was das heißt, kannst Du, die in das Tiefe,
Rätselhafte seines
Innern nicht gedrungen, die Du für seinen Besitz nicht Ruf, Beruf,
Annehmlichkeiten zu opfern brauchtest, die Du die Gefahren, die ihm
seine
edlen, die Welt umfassenden Grundsätze noch bereiten werden, nicht
erkennst,
nicht ermessen und bleibe ich denn auch in diesem Falle allein mit
meinem
unvergleichlichen Schmerz, der in mir rast. Daß Du ruhig geworden und
in Arbeit
Zerstreuung suchst, erfüllt mich mit Trost für Dich." Dfb
hielt es
jedoch für geboten, das Mädchen [die Atzinger] in seiner gegenwärtigen
Lage zu
stützen. Er ließ dasselbe, als er auf einige Zeit zur Herstellung eines
Gemäldes in die Villa Stoltenberg (?) in ... übersiedelte, in Aschau
und
schrieb an sie am 23. Sept.: "Die Folgen Deines seitherigen Wesens
gegen
mich sollten Dich belehrt haben, daß ein ferneres Zusammenleben
unmöglich ist,
wenn Du nicht dazu gelangst ... (S.8f.) Im
November
schrieb das Mädchen [M A.] an Dfb wie folgt: "... Dein Bestreben, die
Dir
Nahestehenden in würdigem idealen Verein glücklich zu sehen, hat Dir
viele
Jahre verbittert, denn ein solches Bestreben ist - weil
ausserordentlich - von
den wenigsten Menschen verstanden, von den meisten gegenteilig
beurteilt, und
müssen daher solch göttlichen Verein Bildende aus innigem Verständnis
sich
finden oder durch Folgsamkeit sich zu hohen idealen Menschen
heranbilden
lassen. Ersteres war bei mir nur zum Teil der Fall und Letzteres artete
in das
Gegenteil aus bei mißfälligen Wahrnehmungen an M[aximiliane
Schlotthauer] ...
" (S.9) M.Atzinger
... an
die fortgesetzt in jammernden Selbstanklagen von Paris her sich
ergießende
Schlotthauer: "Nur einmal, ganz kurze Zeit ein Strahl namenlosen
Glückes.
Nicht sein Mund, [nicht] seine Worte kündeten es mir. Sein Wesen, ein
innerer
Zusammenhang machten mich es fühlen. Das aber ist durch meine und Deine
Schuld
vorbei! Trübe und kalt ist meine Gegenwart, sie bereitet mich auf eine
düsterere öde Zukunft vor. Möge meinem für immer zu Grabe getragenen
Glücke mein
Sein bald folgen. Es wäre eine Wonne, ein hohes Glück, die Leiden eines
Verkannten, eines Unglücklichen zu teilen, doch dazu gehört tiefe
Innerlichkeit, die ich schmerzlich vermissen muß." (S.10) Clemens
Driessen:
Ehebericht (=CD) 3.
12. 1880 Kurt
Helios geboren. Die
Niederkunft der M.Atzinger fand in
einer bei der Witwe Völlz (oder Döllz?F)
gemieteten
Wohnung statt. Der älteste Sohn Dfbs - Helios - wurde daselbst am
3.Dezember
1880 geboren. (CD
10) Aus Kindheitserinnerungen
von Stella von
Spaun: Der
Aufenthalt auf
jenem Obstgut [bei Bozen, 1878] brachte die große Wandlung in meines
Vaters
Wesen und Leben ... So hatte er die gute Wirkung, die eine mehrerere
Wochen
lange Traubenkur auf die lang anhaltende Eiterung seines rechten Armes
ausübte,
zum Anlass genommen zu erproben, ob nicht überhaupt die Ernährung durch
reine
Fruchtkost der Fleischkost vorzuziehen war. Er
wurde darin bestärkt, als sein
erstes Kind - kaum lebensfähig geboren - von 2 kranken Eltern stammend,
durch
seine ganz persönlich durchgeführte Ernährung mit Haferschleim und
Fruchtsäften
zu überraschenden Erfolgen führte. Natürlich die Ernährung im engsten
Zusammenhang mit Luft, Licht und Wasser. Diefenbach
am 18. 7. 1888 an Arnold Rikli: Im
Herbste 1880 lernte ich zum ersten Male einen
Naturarzt kennen, Dr. Hacker. In seiner Heilanstalt (Neuhausen bei
München)
nahm ich Dampfbäder ... Im Dezember 1880 wurde Helios geboren. Meine
Überzeugung, dass ein Kind von so kranken Eltern (das schwindsüchtige
Weib
hustete beständig Schleim und Blut aus, hatte schmächtigen, aber sehr
zähen
Körper) nach einer solchen von den fürchterlichsten und scheusslichsten
Empfindungen beeinträchtigten Schwanger-schaft, nur zu einem qualvollen
Siechtum ins Leben treten könne, wurde bestärkt durch das Urteil
Dr.Hackers,
... das, wenn es überhaupt lebend geboren, es in kürzester Zeit sterben
würde.
Unter grässlicheren Umständen ist wohl noch kein Mann Vater
geworden, als
ich. Unter Anleitung Dr.Hackers besorgte ich selbst die
Pflege des armen
Wurmes ... Es gelang mir,was
kein Mensch geglaubt
hätte, ich rettete das Kind!
(11) ... dass
jene Anzeige bei der Polizei über "das nackt in
einem Marktnetz vor das Fenster hängen des Kindes und meine sonstige
brutale
Behandlung des Kindes" dem Urteil entsprang, dass ich mich durch den
Tod
des "ausserehelich" geborenen Kindes dessen Mutter mich entledigen
wollte. (12) Stella
Diefenbach: Meine
Eltern waren mittellos und damals auf den Verdienst
meiner Mutter als Klavier- und Sprachlehrerin angewiesen, da der Arm
meines
Vaters - zwar auf dem Wege der Besserung - noch lange nicht die Kraft
zu
ständiger künstlerischer Betätigung hatte. Dadurch war mein Vater
gezwungen,
den weiblichenTeil der Arbeit zu verrichten, und das war vor allem die
Pflege
seines Kindes. Das ist ihm zum wertvollen Studium geworden, da es ihn
dahin
brachte, mit allen herkömmlichen Gewohnheiten auf diesem Gebiet zu
brechen. Zum
Entsetzen seiner Schwieger-mutter, die eine berühmte Hebamme jener Zeit
war und
nur in aristokratischen Kreisen ihres Amtes waltete.(13) Also
hatte die gute Frau alles Recht sich einzubilden,
daß ihre Art, kleinen Erdenbürgern ins Leben zu helfen und sie zu
pflegen, die
einzig richtige war, und nun mußte sie erleben, daß ihr erster Enkel,
das Kind
ihrer ältesten Tochter, das als schwaches, mit Ausschlag behaftetes
Wesen zur
Welt kam, nicht auf ihre Weise, nach langjährigen Erfahrungen behandelt
wurde,
statt dessen spielte sich vor ihren Augen eine ganz seltsame Pflege ab,
die das
ohnehin schwächliche Kind von einer Lebensgefahr in die andere stürzen
mußte.
Mein Vater behauptete sein gesetzliches Vaterrecht und wies der
standesbwußten
Hebamme, die seine Schwiegermutter war, die Türe. So
fingen die Konflikte mit der "Welt", die in
seinem späteren Leben eine so große Rolle spielen sollten, schon im
engsten
Familienkreise an. Sie kosteten wohl Zeit und Kraft, aber welche Fülle
von
Anregung, von Mut zur Selbstbehauptung weckten sie! Meine arme Mutter
war
diesem Kampfe nicht gewachsen, sie zog sich von ihm zurück. Da
sich aber das äußerst lebensschwach geborene Kind sehr
bald kräftig entwickelte, beruhigten sich die Gemüter der amtlichen
Kontrolleure.
(Stella: Kindheit, S.15) 6.
März Atzinger
an Dfb: "Mein Erlöser! ...an der Wiege
unseres sehr krank gewesenen Kindes ... Ballast der Schuld ... " ... Es
ist notwendig hier daran zu erinnern, daß bis zu dieser Zeit Dfb weder
gegen
die übliche Ernährungsweise noch auch gegen die gewöhnliche
Kleiderordnung
irgend etwas Grundsätzliches einwendete. ... seine negative Richtung
ging bis
dahin wesentlich gegen den äusserlichen Dogmen-Glauben der Kirchen und
die
landläufigen Moralitäts-Begriffe und Handlungen der Gläubigen. Auch
hatte er
sich im Nachdenkren über das Wesen der Ehe soweit geklärt, daß er
dasselbe
vorwiegend als soziales Institut und als dessen oberste Vorbedingung
Einhelligkeit des Strebens und der Anschauungen auffasste.
(CD
10f.) 22.
5. 81 Dfb
an Eduard Baltzer: Ich habe ein 6 Monate altes Kind
in Pflege zu bringen. Seine unglückliche Mutter, die ... den Ruin
meiner Kraft
vollendete, würde mir das Kind nicht überlassen, wenn ich nicht ein
Unterkommen
für dasselbe finde ... meinen herzigen, über alles Erwarten
gesundheitstrotzenden Buben ...
Ich
pflege in meinem Knaben nichts als ein Kind, ich strebe, ihn zu einem
Manne zu
entwickeln, der meine Ideen für die Menschheit zur Tat machen soll"
(CD14) Sommer
1881 Diefenbach
hängt Helios vors Fenster: Als
Sie mir nach dem Bekanntwerden meines ersten
"groben Unfugs" (Sommer 1881, Licht- und Luftbad meines damals 6
Monate alten Knaben Helios in freischwebender Hängematte vor dem
Fenster meines
im 4. Stocke befindlichen Schlafzimmers) schrieben ...
(Dfb
an Rikli am 18.7.1888) 3.
6. 81 Der
freireligiöse Theologe Eduard
Baltzer,
Propagandist und Philosoph der
Lebensreform, soll Helios aufnehmen. Er lehnt ab. Juli
1881 Im
Juli 1881 bezog damals die Atzinger eine besondere
Wohnung in dem Hause eines Bekannten Diefenbachs: Keim.
Dfb hatte ihr am 3.Juli geschrieben:
"Wir dürfen uns vorläufig nicht wiedersehen. Wir würden uns gegenseitig
zu
Grunde richten. ...
Nimm Kurt [Helios]
und pflege ihn in meinem Sinne."
(CD
14) ?
Ich
sehe das satanische Weib vor mir stehen, als ob ich
es gestern erlitten, den kleinen, kaum dreijährigen Helios mit Fäusten
schlagend und an den Haaren zerrend und mir, der ich wehrlos und
hilflos dalag
und der schier unglaublichen Bosheit dieser Rabenmutter machtlos
zusehen mußte,
mit Teufelsgrinsen zufletschen: "Das
gilt DIR!" (Dfb an Emmy
Meyer am 26.2.1909, Tgb
Nr.27) II.
Der Kampf um Helios (1885-1890) Antrag
auf Ehescheidung - Atzinger
raubt Helios (1885) - Schläge und Wut (1886) - Atzinger nach Grünwald
(1886) -
Gräßliche Szenen zwischen Helios und seiner Mutter (1887) 1.
Jan. 1885 Zusammen
mit Otto Driessen und Helios, einem Italiener "Antonio" und 2 kleinen
Kindern - getrennt von seiner Frau. 6.
Febr. 1885 Stelle
ich auf dem Amtsgericht II den Antrag auf Ehescheidung. Hatte Helios im
Wagen
mitgenommen - großes Aufsehen! Alle Geschäftsleute verweigern mir
Kredit. Nicht
länger ist diese Not zu ertragen. (Tgb
IV) Dfb
an Emmy Meier am 27.2.1909: Nicht bloß Helios sondern
auch Stella hat als kleines Kind wie oft laut ausgesprochen: "die
Mutter
lügt". Ich übertreibe nicht, indem ich zur drastisch-kurzen Bezeichnung
des Wesens dieses
Weibes sage, daß jedes
zweite Wort von ihr, wenn nicht schon von vornherein eine bewußte Lüge,
so eine
solche unbewußte subjektive Entstellung im oben angedeuteten Sinne war,
daß um
diese aufrecht zu erhalten 10 weitere Lügen und Verdrehungen erfunden
werden
mußten, worin sie eine alle meine damaligen naiven Begriffe von den
Menschen
übersteigende phänomenale Fähigkeit besaß. Der
damals noch unverdorbene Sinn der Kinder empfand das
sofort und sprach es als selbstverständlich in kindlicher Entrüstung
aus, wofür
die Armen von dem über alle Begriffe jähzornig-boshaften, vernunft- und
herzlosen Weib auf das gräßlichste geschlagen
und an den Haaren und den Ohren gezerrt wurden. Mir
ist nie vorher oder
nachher eine solche
scheusäliche
Natur vorgekommen, als ich mit Grausen und Entsetzen jeden Tag mehr an
jenem
unter Lug und Hinterlist zu mir gekommenen Weibe kennen lernen mußte. (Tgb
Nr.27) 7.
2. 85
Ankunft
von Maja
(von Italien her kommend) nach schier unglaublichen
Hindernissen schickte Lucidus [=Driessen] sein Studiengeld (150 M.)
an sie mit Telegrammm "Höchste
Gefahr". Am
7.Februar Rückkehr [von Maja nach Thalkirchen] -
Driessen mit Helios an der Hand holen mich am Bahnhof ab. - endlich
angekommen
in d. Wohnung lag ich mit einem Freudenschrei an seiner Brust. Mein
jahrelanges
Sehnen ward endlich gestillt und ein neues, überglückliches Leben
begann für
mich. (Tgb
IV, hier von Maja am 18.März rückblickend geschrieben) 11.
Febr. 85 2.
Gerichtsverhandlung wegen "groben Unfugs". Maja ist überglücklich -
ich beginne aufzuatmen.
(Tgb
IV) 12.
Febr. 85 D.
hatte, als die Schlotthauer zu ihm kam, seinen Sohn Helios bei sich und
den
Ehescheidungsprozeß eingeleitet. Am 12. Februar 1885 stand Sühne-Termin
vor dem
Amtsgericht an. -
Es ist nun zu
beachten, daß im Hintergrunde des Ehescheidungsprozesses die
Entscheidung
steht, welchem der Ehegatten das Recht der Kinder-Erziehung
zugesprochen
wird. (CD
25) Helios
im Wanderkleid
1885 (Am
12.Febr.) wurde C.(arl)
aufs
Landgericht gerufen - wegen Ehescheidung, um 10 Uhr. Seine Frau
benutzte die
Gelegenheit, um Helios zu rauben, was ihr mit höchster List gelang.
Driessen
sprang, ihr das Kind zu entreißen, wurde aber von wild gewordenen
Weibern mit
Beißen und Kratzen abgewehrt und kam marmorbleich zurück, lag einige
Zeit
besinnungslos. C.
kommt 10 h heim - große Aufregung - Anzeige bei
Gendarmerie (Protokoll). Antonio (Italiener) muß das Haus sofort
verlassen. Am
15.Febr. holt er seine Sachen und O.Dr.[Otto
Driessen]
die Sachen aus der Wohnung von Frau Dfb. (Tgb
IV) Rückkehr
von Helios? 3.
4. 1886 Dfb an
Lucidus
[Otto Driessen], Berlin: ... Zitternd, schweisstriefend flüchtete ich
aus
meiner Einsiedelei. Der Satan fletschte mir wieder die Zähne entgegen.
Es gilt: Hel zu
retten. ... Gräßliche Wut
erfaßt ihn, er tobt und schlägt seine Mutter, wie ich dem
stumpfsinnigen Weibe
es vorausgesagt, aber in solchem Grade ich nicht geglaubt hätte. Ihre
Roheit
und Bosheit reizt den Knaben zur Wut. Ich fürchte, er tötet sie einmal. Ich
floh - das wirkte. Blieb 4 Tage ohne Nachricht fort
und kam vorgestern mit einem (fürchte nichts) erwachsenen Manne als
Hilfe und
Stütze zurück. ... Meine "Musikanten" werden die Welt durchtönen und
freie Bahn und Achtung schaffen für meine weiteren Werke. - Hel und
Stella
spielen und arbeiten schon lange nackt im Freien. Turn- und
Arbeitsgeräte habe
ich gekauft und heute wird durch Schmidt (mein Gehilfe) und einen
Taglöhner ein
Turnplatz im Freien geschaffen. Durch photographische Momentaufnahmen
bekomme
ich gutes Studienmaterial. ... Homo.
(Tgb Otto
Driessen, Anhang) 30.
4. 86 Frau
früh zu mir "Liebe, Zärtlichkeit, Achtung,
Besserung!" - Kinder nackt im Freien. (Tgb IV) 15.
7. 86 Plan,
Frau Dfb mit Kindern wo anders unterzubringen, um
die ständigen Störungen zu beenden. (Tgb IV) 18.7.
86 Frau
Dfb hat Wohnung in Grünwald gefunden. (Tgb IV) 17.
2. 87 Frau
zur Stadt. Hochgünstige Rezensionen in den
Zeitungen. Das Bild in der Residenz zur Vorlage an den Prinz Luitpold!
Helios
oft Wutanfälle gegen seine Mutter.
(Tgb.
IV) 22.
2. 87 Gräßliche
Szene zwischen Helios und dem Weibe - ich
zittere am ganzen Leibe - schlaflose Nacht. (Tgb
IV) 20.
4. 87 Schulpflicht
des Knaben Diefenbach ( Helios). 14.
6. 87 Fidus kommt
nach Höllriegelskreuth Es
waren schöne, glückliche Tage inmitten solch tobenden
Lebenssturmes, welche die drei Einsiedler in dem weltentlegenen
Steinbruche auf
der sonnigen Terrasse des einsamen Hauses verlebten. Der Knabe (Helios)
...
voll Begeisterung für die "Kindermusik", die er, "wenn wir erst
die vielen armen Kinder hätten" ... in Wirklichkeit ausführen wollte. (Friedrich
von Spaun: Diefenbach-Ausstellung, S.15) 1885-8?
Unter
Schauern brachte mir das eben Erduldete alle jene
entsetzlichen Szenen ins Gedächtnis zurück, in welchen "Doktoren",
Mediziner
und Juristen, die genau so wie Dr.Meier und Fräulein Abels mich
"achteten" und der Mutter Helios' auf deren teils verständnislosen,
teils teuflisch raffiniert verleumderischen Darstellungen meines
"tyrannischen Wahnsinns" den dringenden Rat und die Mittel zu dessen
Ausführung gaben: "den Wahnsinnigen zu peitschen" und, als dies
nichts half und das vergiftete Brot, welches ich schon im Munde hatte,
wieder
ausgespien war, ehe es seine tötende Wirkung tun konnte, mir auch den
damals
8jährigen Helios, der mit Liebe und Begeisterung an mir hing, mit "List
und Gewalt" zu entreißen. (Tgb
Nr.27. Dfb am 31.1.1909 an Frau Emmy Meier-Gudolf in
Capri) Stella
Diefenbach: Mein
Vater, aufgerieben vom Kampf im engsten Kreis wie
der Öffentlichkeit gegenüber - flüchtete in die Naturheilanstalt Kuhne
in
Leipzig und beantragte die Ehescheidung. Seinen 8jährigen Sohn Helios
wollte er
bei sich behalten, wozu er auch gesetzlich berechtigt gewesen wäre,
wenn er
nicht der berüchtigte Erneuerer und Fanatiker gewesen wäre, dem man
nach der
Meinung normaler Menschen und des damaligen Kultusministers Müller, an
den sich
mein Vater um Hilfe wandte, "keine Kinder anvertrauen dürfe"! Daß
ihn, den großen Kinderfreund, in dessen Familie
Kinderpflege in höchstem Sinne Tradition war, diese Verkennung mit
Erbitterung
erfüllen mußte, ist nur zu begreiflich, und sein Ältester, um
dessentwillen er
sich dem Joch der Ehe überhaupt gefügt hatte, war eine strahlende
Verkörperung
seiner von frühester Jugend an erträumten und in höchster
künstlerischer
Vollendung dargestellten Jugend. Und diesen Sohn, dessen Erscheinung
wie aus
einem Heiligenbild entnommen wirkte, der sich in verständnisvoller
Liebe dem
Vater anschloß, in dem es aber auch ein ganz gefährliches Erbteil
(offenbar von
mütterlicher Seite), den krankhaften Jähzorn, zu beherrschen galt,
diesen Sohn
sollte er der kleinen Gozvernante überlassen, die ihn in moderne
Kleidung
stecken und in moderne Schulen schicken würde? Sollte er sein
Lebensideal nur
im Kunstwerk und nicht auch im Leben verkörpern? Dagegen bäumte ich
meines
Vaters Wahrheits- und Lebensdrang auf und er beschloß, den Kampf um
seinen
erstgeborenen Sohn bis zum Äußersten zu führen. Clemens
Driessen war durch seinen Bruder Otto mit meinem
Vater bekannt geworden und war gewillt, meinem Vater zu helfen. Er
machte den
Vorschlag, meine Mutter mit den 2 kleinen Kindern bis zur erfolgten
Ehescheidung zu sich nach Lichtenau zu nehmen. Dadurch sollte mein
Vater
zusammen mit seinem damaligen Schüler Hugo Höppener (Fidus) die Ruhe
gewinnen,
im Steinbruchhaus das begonnene Werk "Kindermusik" zu vollenden. So
übersiedelte meine Mutter mit uns 2 Kleinen nach
Lichtenau, und damit war der Vorhang zu unserem Kinderparadies
gefallen, das
mein Vater uns geschaffen hatte, und damit auch vor dem Paradies, das
meinem
Vater für unser ganzes Leben vorschwebte. Und weil ich dieses
Kinderparadies am
eigenen Leib erlebte, und noch heute mir aus der Erinnerung daran Kraft
und
Zuversicht hole, trage ich die unumstößliche Gewißheit in mir, daß es
möglich ist,
das Paradies auf dieser Erde zu erleben. (17)
(Erinnerungen von Stella Dfb, S.16f.) Febr.1888 Clemens
Drießen für einige Wochen nach Höllriegelsgereute
(CD 30). Veranlaßt Aufenthalt von Dfb mit Fidus und Helios in der
Kurbadeanstalt
Kuhne in Leipzig. 4.
2. - 12. 3. 88 In
der Kurbadeanstalt für arzneilose Heilweise Louis
Kuhne, Leipzig. 17.
3. Dfb
fährt mit Hugo Höppener und Benno Buerdorff nach der
Kur von Leipzig nach München. Helios bleibt bei Frau Weber in Leipzig.
Benno
bleibt in "Humanitas".,
um Hugo für seine
Arbeit am Fries zu entlasten. (Nach 3 Monaten Hinauswurf - mit Frau
Albeit).
(KB
Nr. 4, S.39) 6.
4. 88
Frau
D. zieht mit 2 kl. Kindern nach Lichtenau zu Clemens
Drießen. (CD 31) Frau
D. kommt mit den 2 kleinen Kindern in Lichtenau an. Taucht
am 9.September wieder im Steinbruch auf! Helios bleibt bei seinem Vater
im
Steinbruch.
(KB
Nr.28, CD 223) 10.
6. 88 Drießen
hatte noch am 10.Juni seinem Münchner Freunde
Dr.jur. Hübbe-Schleiden aufgetragen, sich den Helios anzusehen ... (CD32) 2.
8. 88 Bericht
der MÜNCHNER POST: Drei Personen in Höllriegelskreuth:
Dfb, Fidus und Helios. Anklage wegen
Baby-Sonnenbad. Prozeß vor dem Wolfratshausener Schöffengericht:
Verurteilung
wegen groben Unfugs. (Frecot
71ff.) Fidus
barfuß im Gericht. Berufung. "Laß sie gehen,
's sind Diefenbacher - von diesem klassischen Rat will die Obrigkeit,
die
Gewalt über die Völker in und um Höllriegelsgereute hat, absolut nichts
wissen." So
wurde Diefenbach zur Zahlung von 25 Mark Strafe und 32
Mark 85 Pfennige Gerichtskostenersatz - und sein ehemaliger Schüler
Höppener
... zu 79 Mark Strafe und Kosten verurtheilt, weil Beide und auch
Diefenbach's
ältester Sohn Helios auf der Terrasse ihrer Einsiedelei - Sonnenbäder
genommen hatten
und dabei malten. ... und ausserdem noch zu je 20 Mark Geldstrafe
verurtheilt
worden, weil Beide gemäss ihrer Normalkleidung - barfuss vor Gericht
erschienen
sind. (Wiener Tagblatt vom
22.1.1892, siehe B 90f.) 29.
8. 88 Clemens
Driessen meldet Verschwinden seiner Frau aus
Lichtenau (mit den 2 kl. Kindern Stella und Lucidus), derweil er wegen
militär.
Wehrübung abwesend war. (CD 233) 29.
8. 88 Rückkehr
seiner Frau aus Lichtenau, 3
Wochen bleibt sie, dann nach München.
Fidus:
Helios kommt halb 7 mich zu wecken. Brei gekocht,
weil kein Brod mehr und nur noch wenig Mehl da ist. Ich hole Tagebuch
nach, wir
hören Leute den Gang entlang kommen, ich hinausgeschaut - ich starre
sprachlos
in das freundlichlächelnde Antlitz der "Frau Diefenbach", welche die
beiden Kinder [Stella und Lucidus] ins Zimmer schiebt. Der Meister
zittert vor
Entsetzen am ganzen Leibe und ich helfe ihm ins Bett. - Ich laufe
hinauf und
hinunter, um die gegenseitigen Erklärungen zu überbringen. Sie soll
sofort das
Haus verlassen, sonst werde an die Behörde um Schutz telegrafiert.
(Tagebuch
Höppener; CD 37) Frau
Diefenbach verblieb bis Mitte September in
Höllriegelsgereute im Hause Diefenbachs. Dann führte sie einen für
ihren
Charakter bezeichnenden Plan aus. (CD
37) 16.
9. 88 Frau
Diefenbach bringt
Helios
zurück und sagt, daß sie mit den 2 kl. Kindern nach Landeck [in
Schlesien] zu
Verwandten fährt. Stattdem nistet sie sich im Paukhäusl ein und lockt
Helios
tagsüber zu sich.
(Fridolin 6) 17.
9. 88
Helios
verschwindet. (CD
38) 30.
9. 88 Fidus
schreibt an Arnold Rikli (Wilhelm 173). Er findet
eine Spur von Frau D. (CD 40) Am
30. September fand Höppener eine Spur; es heißt darüber
im Tagebuche: "Station Hesselohe 8 1/4. Regen, Sturm, Finsternis -
schwere
Bürde. In Pullach bei Köck übernachtet. Man fragt mich, ob Frau
Diefenbach bei
uns. Magd will mit der Sprache heraus, Tochter fällt ein: 'Hier ist sie
auch
nicht'. - Bei der Krämerin Petroleum mitgenommen. Diese hat Frau
Diefenbach
vorgestern und sonst vom Kalkofen bei Pullach heraufkommen gesehen."
(CD
40) Oktober
88 meister in grosem
schmerze. - körperpflege unterbleibt ganz. kraftnarung
allein macht es nicht; arbeit get kaum forwärts. meister wil J.Feldner
zur
mithilfe rufen. (Tgb
Fidus, S.51) 8.
10. 88 Fidus
findet Frau D. im Paukhäuschen. Am
8.Oktober gelangte endlich Höppener, bis dahin durch
ein Übermaß von drängenden Korrespon-denzen, Hausarbeiten, Stadtgängen,
von
Krankenpflege etc. behindert, dazu, im Paukhäuschen - eine
Viertelstunde von
Diefenbachs Hause - die Anwesenheit der Frau zu konstatieren.
(CD
41) 9.
10. 88 Entdeckt
Fidus den Schwindel. Dfb für mehrere Monate ins
Krankenhaus. (Fridolin 6) 12.
10.
88 Diefenbach
will sein Testament machen. "Dr.med.Schrenck
hat D. untersucht und ist auch zu dem Resultat gekommen, daß Sie sich
vergeblich bemühen. Es ist zu spät." (CD
41) 17.
10. 88 Hugo
Höppener schreibt: am 16 oktober nachmittags 2 ur
zum dritten male das "paukhäusl" fon frau Diefenbach und den kindern
ferlassen gefunden, folgende mit bleistift geschribene zeilen in das
zerbrochene fenster gelegt:
16. oktober mittags 2 ur der
meister m u
s in di anstalt, aber
er kan nicht
allein sein! ich mus zu hause bleiben um geld zu erwerben,
den wr haben
nichts mer. - stimmen Si Helios um (natur-heilanstalt!)
... abends um 8
paukhäusl noch menschenler, zettel ligt nach am plazze.
(LZ
II) 20.
10. 88 Neuerlicher
Nervenzusammenbruch von Dfb - Fidus bringt ihn in das Krankenhaus. Dort
bleibt
er vom 20.Okt. bis 21.Dezember 1888.
(LZ) 16.11.
88 Urteil
des Landgerichts Müchen II: Wegen
"öffentlichen Unfugs" zu 6 Wochen Gefängnis verurteilt, Fidus zu drei
Wochen Haft. "Höchstens zwei Schüler". Frau D. kommt erst im
Spätherbst ins Haus bis zum Frühjahr 88. Quelle im Steinbruch. Zeichnen
an der
KINDERMUSIK. Festzug sollte werbend vorgetanzt werden. (Frecot 73) Dfb:
Im folgenden Jahre wurde ich zu sechs Wochen
Gefängniss verurtheilt, weil auf meine Anordnung mein damals
achtjähriger
Helios zusammen mit einem 18jährigen Schüler von mir vor dem Hause
gymnastische
Uebungen ... Diese Urtheile enthielten die Ausdrücke "Schweineleben",
"grobe Sinnlichkeit", "unsittliche Excesse" u.s.w.
(Beitrag I, 7) … mein ... unter dem
ursprünglichen Titel
"Kindermusik" schon mehrfach erwähntes Werk "Per aspera ad
astra". Das Werk entstand in jener Zeit (1888), da mir meine Kinder
jahrelang entrissen waren, meine Klage gegen diese gesetzwidrige
Entreissung von der
Münchener
Staatsanwaltschaft und Oberstaatsanwaltschaft abgewiesen worden war und
der ehemalige
Polizeipräsident Münchens mir zugeschrien hatte: "Sie werden Ihre
Kinder
nie mehr wiedersehen, einem solchen Menschen gehören keine Kinder!" Der
Schmerz über die Entreissung meiner Kinder und über die Niedrigkeit,
welcher
dieselben ausgeliefert wurden, brachten mich in Verbindung mit dem von
anderen
verblendeten Staatsbeamten mit Missbrauch ihres Amtes seit Jahren
betriebenen
Trachten: "meinem Treiben ein Ende zu machen!" an die
Grenze der Verzweiflung und warf
mich, ... auf das
Leidenslager
nieder, das ich anderthalb Jahre nicht verlassen sollte. In dieser Zeit
...
entstand durch die Hand meines damaligen Schülers "Fidus" dieses Werk
... Inzwischen führte mir "Gott" meine Kinder (durch den Tod ihrer
Mutter, welche als Werkzeug zu meiner Vernichtung gebraucht worden war)
wieder
zu." (B I, 108)... "Ich erklärte ihm [Terke], dass ich das
Schattenbild, die Silhouette, zu diesem Werke vor allen Dingen in dem
Gedanken
gewählt habe, dass wir, durch raffinirte Aftercultur und Uncultur geistig, seelisch und
leiblich verkrüppelte
Menschen der Jetztzeit, den in weiter Ferne in paradiesischer
Lebenslust und
Lebenskraft und höchstem Lebensglück vorüberziehenden Zug göttlicher
Naturmenschen einstweilen nur im Schattenbilde zu ahnen vermögen. (B
I, 109) Im
Jahre 1888, als D. in Armuth und Krankheit an's Bett
gefesselt lag ... entwarf er den Fries mit Hilfe seines damaligen
Schülers
"Fidus" (Hugo Höppener) - wie er selbst sagt, als eine Art von
Antwort auf die Worte des Münchener Polizeipräsidenten: "einem solchen
Menschen gehören keine Kinder". Kein Hauch von Bitterkeit in dieser
"Antwort"; nur sonnigste Heiterkeit weht durch das Werk, das s o
entstand! Wie ein jubelndes Bekennerwort strahlt es aus all seinen
Gruppen auf
uns her: es muss d o c h Frühling werden.
(Ferdinand
Avenarius in B I,
111) 14.
12. 88 Dfb
mit zitternder Hand an seine Frau: Der Raub Helios'
zerreißt mir das Herz! Das heißt mich morden! Fürchten Sie
"Gottes"-Gericht, welches Helios als Mann an Ihnen vollziehen wird! Db (LZ
II) 1889 Justiz-Unrecht!
K.W.Diefenbach von Hadamar. 1889. Zweite Auflage. Preis 50 Pfg. (B 303) Ueberdies
wurde ihnen bedeutet ... dass derlei von grober
Sinnlichkeit zeugende Excesse unbedingt nicht geduldet werden dürfen.
Ausserdem
wurde noch verfügt, dass der zu jener Zeit neunjährige, daher noch
strafunmündige Sohn Helios der väterlichen Gewalt und Botmässigkeit,
sowie
seiner Erziehung entzogen und in bessere Pflege und Erziehung zu geben
sei. (Wiener
Tagblatt vom 22.1.1892) Ich
habe in der Einleitung zu meiner Broschüre
"Justiz-Unrecht" gesagt: "Während ich verurtheilt wurde, lag ich
im Münchener Krankenhause, und mein zwanzigjähriger Schüler besass
nicht die
Fähigkeit, das juristische Unrecht in der Verhandlung zu überwinden ... in 3000 Exemplaren an
die verschiedensten
Zeitungen verschickt. Die Folge dieser Broschüre war weder die von mir
provocirte "Amtsehrenbeleidigung", ... sondern meine plötzliche
Vertreibung aus dem Steinbruchhause Höllriegelsgreut, mitten im Winter! (B 91)
7.
3. 89 Verhandlung
gegen D. wegen Verwahrlosung seines Sohnes
Helios. Am
7. März dieses Jahres (1889) waren Gerichtsassesor
Drießen sowie Dr.jur. Hübbe-Schleiden in der gegen Diefenbach wegen
Verwahrlosung seines Sohnes Helios geführten Hauptverhandlung als
Zuschauer
anwesend. Es ergab sich, daß Frau Diefenbach ... dies Verfahren durch
eine
Anzeige in Gang gebracht hatte.
(CD 42) Kinderprozess.
"Als ich ... in München ' wegen
Verwahrlosung meiner Kinder' von der Staatsanwalt-schaft mit dem
Antrage, dass
mir das Erziehungsrecht über meine Kinder entzogen werden sollte und
meine
Kinder - natürlich auf meine Kosten - mir entrissen und anderweitig
erzogen
werden sollten - vor Gericht gestellt worden war ... unterbrach mich
der
Oberrichter in missachtendem, schnaubendem und höhnischem Tone:
"Gehören
die Läuse auch
in Ihr System? (B
II, 386) 22.
10. 89 Württembergische
Landeszeitung: Man erzählt sich in Münchner Kunstkreisen, dass der
kleine
Helios einstmal, als er mit seinem Vater eine Kunsthandlung besuchte
... Helios
ist, wie seine Geschwister, von grausamer Hand vom Vater getrennt
worden. So
viel uns bekannt, wollte D's Gattin den Künstler in's Irrenhaus sperren
lassen,
aber die Behörde hat dem geprüften Manne das Zeugnis ausstellen müssen,
dass
sein Geist absolut nicht umnachtet sei.
(In
B I, 20) 19.
10. 1889 Dfb
an Commerzienrath Kustermann, München: Nachdem man mir meine eigenen
Kinder in
rechts- und gesetzwidriger Weise entrissen hat, nehme ich fremde Kinder
als
solche an. Ich habe jetzt deren sieben ...
(KB
6;
211) 31.
7. 90 Maja
von Dfb wieder nach Dorfen
zurückgerufen. Er war mit dem Veloziped gestürzt und
lag hilflos zu Bett. Mitte September schon
wieder - wegen Helios - Krach mit Dfb! (Tgb IV, S.260,
10.August 1891) 12.
9. 90 Durch das freche
Benehmen von Helios sehr unerfreuliche Szenen mit Dfb. - das halte ich
nicht
aus! So nach 12-14jährigen Opfern! (Ende von Tgb IV, geschrieben von
Maja) -
Wieder Abgang von Maja. (Fridolin 6) 19.
9. 90 Tod
von Frau Diefenbach (Magdalene Atzinger) (Brief
Dfbs vom 23.Sept.1890 an Schulinspektor in Dorfen) Befreiung
durch den Tod seiner Frau Wo
und wie sich das unselige Weib jetzt befand, wußte er
nicht. Vor einem halben Jahre hatte er ihr
und den Kindern die Aufnahme in einer
Privat-Heilanstalt auf dem Lande,
deren Besitzer ihn zu
seiner Erholung
zu längerem, kostenfreiem Aufenthalt in seiner Anstalt eingeladen
hatte, durch
Vereinbarung späterer Zahlung verschafft. Vor ihrer Übersiedlung
dorthin war es
das letztemal, daß Diefenbach "seine Frau" in der von ihr auf seine
Kosten gemieteten Stadtwohnung sprach - in einer Weise, daß die Frau .... ihm unter anderen
Geständnissen die obenerwähnte
Mitteilung machte, auf welche Weise man sie dahin gebracht habe, ihm
vergiftetes Brot vorzulegen. ... Seitdem er - vor etwa einem
Vierteljahre -
gleichzeitig von dem Besitzer jener Heilanstalt als auch von "seiner
Frau" Briefe erhalten hatte, in welchen sich beide gegenseitig
anklagten
... hatte er ... keinerlei Nachrichten mehr über "seine Frau"
erhalten. … In solcher ... Stimmung traf ihn eines Tages die
telegraphische
Nachricht, daß "seine Frau" die Nacht vorher im allgemeinen
Krankenhause Münchens gestorben sei und er zur Anordnung der
Beerdigung,
Bezahlung der Krankenhauskosten sofort nach München kommen müßte,
widrigenfalls
die Leiche dem Seziersaal der Anatomie überwiesen würde. Überwältigt
von der so rasch nicht vermuteten plötzlichen
Befreiung ... vermochte er nur noch ... die sofortige Übersendung
seiner Kinder
in sein Haus zu
besorgen, dann
brach er bewußtlos zusammen. (Friedrich
von Spaun: Diefenbach-Ausstellung 31f.) III.
Der bildhübsche Knabe wird
gefährlich (1890-1895) Das
Vorzeigekind - Auf
Bildern von Dfb - Muß Kinder weggeben
(1893) - Helios bei Fräulein von Vlahovsky; aus Posen zurückgeholt
(1893) -
Liebschaft mit Grete Ronnek - Alpenwanderung (1895) - Bübischer
Anschlag in
Dorfen – Er will (angeblich) seinen Vater ins Irrenhaus bringen -
Konflikte mit
der Bachmann - Nach Wien zurückgeschickt (1895) 22.
06. 1891 Berliner
Tageblatt Nr. 309 v. 22.6.91: "Noch weit
sympathischer werden wir indessen durch die drei Kinder Diefenbachs
berührt,
die als die glücklichsten Demonstrationsobjekte für seine naturgemässe
Lebensweise gelten können. Der zehnjährige Helios ist ein bildhübscher
Knabe
mit rothen Pausbacken und kräftiger Muskulatur. Dann folgt die 8 1/2
jährige
Stella und der 4 1/2 jährige Lucidus,
aus deren hellblauen Augen ... Schon an die 40 Schüler und Schülerinnen
sassen
zu des Lehrers Füssen und suchten Erleuchtung bei dem Meister, aber
Keiner
hielt es lange aus. Nur ein junger Mediciner, der Kaufmannssohn Otto
Driessen
aus Berlin, starb aus Gram darüber, dass seine Eltern ihre Einwilligung
zum
ferneren Verbleiben beim Meister verweigerten. Augenblicklich
beherbergt D.
drei noch im jugendlichen Alter stehende Schüler in seiner Behausung,
wo er
sich anschickt, einen bisherigen Heustadel zu einem Ausstellungsraum
für seine
Gemälde umzubauen." (B
I, 29)
August
1891 Dfb
an die Münchner Neuesten Nachrichten (in Staatsbibliothek
München): Ich bitte Sie um Aufnahme folgendenen Inserates für jeden Tag
der
Monate August und September ...
: „Diefenbach-Ausstellung. München-Frauenplatz. Sämmtliche
Studien und Gemälde K.W.Diefenbachs, besonders
sein neuestes Werk "Das
wiedergefundene Paradies" ein
Cyklus von 24 Gemälden ... Die
Werkstätte Diefenbachs in Dorfen ... ist ebenfalls
der allgemeinen Besichtigung geöffnet. Eintritt zu wohlthätigem Zwecke
nach
Belieben. Helios Diefenbach, Josef Alterdinger, Emil Hertel }Schüler Guido
Hertel“ 1891 Diefenbach
an Emmy Meyer, Capri:
Zunächst
beweist diese Äußerung meines Sohnes die
Begründung meiner Behauptung der von seiner Mutter und deren Verwandten
auf ihn
(Helios) in seinem Kindesalter ausgeübten schmutzigen Verleumdung und
Herabwürdigung meines Charakters in sexueller Hinsicht und darauf ihm
durch Suggestion
auferlegten Lebenspflicht, seine Mutter gegen mich zu rächen und kein
Weib an
meiner Seite zu dulden. Die Roheitsakte, die er daraufhin als
11jähriger Knabe
an meiner damaligen weiblichen Umgebung verübte, über welche der
Bürgermeister
des kleinen Dorfes, an dessen Ende ich ein Bauernhaus erworben und für
mich
umgebaut hatte, seine höchste Verwunderung und sein Entsetzen als über
eine
"Teufelsbessenheit" des Knaben aussprach, sodaß ich auch damals schon
mich gezwungen sah, die Ursache dieserunkindlichen haarsträubenden
Roheitsakte
durch Schilderung der teuflischen Bosheit und jesuitischen Falschheit
seiner
Mutter zu erklären. (am
4.2.1909 in Tgb. Nr.27) 1893 Lehnt
Angebot einer Ausstellungsreise
durch Amerika ab. (B
II, 489ff.) Von
Terke für "erotisch wahnsinnig" erklärt (B
II, 492). Lombroso (1894) erklärt D. für einen "Mattoiden",
"einen sich nur hinter der Larve des Genies versteckenden, zu jeder
Schöpfung unfähigen Schwachsinnigen" (B II, 493ff. Anm.). - "Ich
glaube nicht fehlzugehen, wenn ich die ... zu Tage trende "Aversion"
hauptsächlich auf die Stellung der Zunft-Medicin-Gelehrten gegen mich
zurückführe" (493). -
Plan des
"Doctor" L. "mir durch die Polizei meine Kinder zu entreissen
und mich, sowie Fräulein Kolarik wegen "erotischen Wahnsinnes"
("psychopathia sexualis") in das Irrenhaus zu bringen" (500). Selbstmordversuch
des Fräulein
von V. (502). - Schiffsreise zur Familie von V. (505). Zusammenstoß mit
Doctor
L (507f.) - "konnte ich das Bett fast nie verlassen und nicht die
leiseste
Unruhe um mich, selbst nicht den von mir so heiss ersehnten Verkehr
meiner
Kinder in dem Zimmer ertragen (508). Muß seine Kinder weggeben (509).
Soll in
eine Irrenanstalt eingewiesen werden. "Wenn ich unter solchen Umständen
... wirklich wahnsinnig geworden wäre, wer könnte sich darüber
wundern?"
(510). ... Wer sie nicht selbst erduldet hat, die raffinirten rohen
Folterqualen ...(ebd.)" - Frau F. wird seine Helferin und Vertraute
(511f.). - "dass die auf dem Standpunkte der heute noch herrschenden
Schul-Medicinlehre fussende Psychiatrie ebenso wie die gewöhnliche
Medicin-Lehre das entsetzlichste Gegentheil dessen sei, was sie zu sein
vorgebe" (515) - "einem völligen Ausruhen meiner überreizten,
bebenden Nerven hingeben" (ebd.). - "Mit schwacher Stimme ... "
(519). Rückholung
des ältesten Sohnes (Helios), "dass die
Sorge um ihn die schwerste meines Lebens wurde, und ich seit Jahren
unzähligemale befürchten musste, ihn durch Selbstmord zu verlieren"
(522).
- "Briefe an meine, damals elfjährige Tochter [Stella]" (524) -
Rückholung der anderen Kinder von Frau F. (523). - D. sucht
Polizeischutz gegen
die Drohungen der Frau F.(525).
(Aus
Diefenbach: Ein
Beitrag zur Geschichte der zeitgenössischen Kunstpflege. Wien 1895 = B)
1893 Frau
[Anna] F. war eine jener auf Seite 430, II. erwähnten Frauen, welche
auf den ....
Schauerbericht meiner Lage im "Wiener
Tagblatt" Nr. 100 vom 12.April 1893 mir Hilfe angeboten hatten, und
zwar
bestand das Anerbieten der Frau F. in der Einladung, ihren Salon, d.h.
besten Wohnraum
als einstweilige Schlaf- und Werkstätte zu benützen (B 511). - Die
beiden
jüngsten Kinder hatte jene auf Seite 455 erwähnte Frau ...für einige
Monate in
ihre Familie genommen ... dass jene Frau und der "Doctor"
beabsichtigten, mich in das Irrenhaus und damit meine Kinder aus der
väterlichen Gewalt zu bringen (B 509). - eine Wiener Schriftstellerin,
welche
sich mir zur Besorgung meiner allgemeinen Correspondenzen ... angeboten
hatte (B
455) - dass ich meinen ältesten Sohn ... sofort von Fräulein von V.
trennen und
zu mir zurückkommen lassen musste (B 522). Diefenbach mit Stella, Helios
(Mitte) und Lucidus
(rechts) Sommer
1895
Diefenbach
an seine Tochter Stella: Wie Helios' unrettbare Verlorenheit mit jenem
bübischen Anschlag begann, auf der zu meiner Erholung mit Euch und den
"Schülern und Jüngern" unternommenen Gebirgswanderung Material zu
sammeln, um mich in ein Irrenhaus zu bringen und Euch Kinder von einem
solchen
wahnsinnig-tyrannischen Vater zu befreien und wie der Grund zu seinem
jetzigen
tabakstinkenden Lotterleben ... in Hütteldorf gelegt wurde (237f.) ...
Dem
wahnsinnigen Dünkel Deines Mannes [Paul von Spaun] ist es noch nicht
zum
Bewußtsein gekommen, daß er von dem Tage in Dorfen an, da ich ihm auf
sein
Bekenntnis des bübischen Komplott-Anschlages, mich ins Irrenhaus zu
bringen und
Euch Kinder von einem wahnsinnig-tyrannischen Vater zu befreien,
nochmals
Vertrauen schenkte und ihn nicht gleich den anderen Burschen
davonjagte, zum
Verbrecher an Dir wurde. - Daß er neben seinem Dünkel, als Künstler
hoch über
mir zu stehen auch glaubte, als Mensch mich verachten zu müssen, weil
eine
Ottilie Bibus und eine Mathilde Oborny und andere Verächtliches mir
nachsagten,
zeigt die bodenlose Zerfahrenheit, Urteilsunfähigkeit und Anmaßung
seines
ganzen Wesens. (Tgb.
Nr.27, S.238) Sommer
95 Dfb
an Stella: … Entgegen
seiner großmauligen Aufgeblasenheit, mit welcher er in bübischer Weise
in
Mittenwald meine Ausweisung beantwortete und entgegen seiner späteren
scheinheiligen Versicherung von Treue ... zusammen mit Helios, der
durch seine
bübische Agitation, mich ins Irrenhaus zu bringen und so Euch Kinder
von einem
tyrannischen Vater zu befreien, zur Lebensgefahr für mich und uns alle
geworden
war.
(Tgb. Nr.27, S.248) …
wie der jüngere Spaun vom Augenblick seiner Enthüllung
der Verschwörung gegen mich (deren Seele er war) ... meinen im Beisein
Dr.Bönischs ihm gemachten väterlichen Vorhalt über solche Büberei auf
der
Rhonalm bübisch-trotzig
ohne ein Wort
oder Zeichen der Würdigung anhörte und wie er bei der darauf erfolgten
Ausweisung vor seiner Abreise von Mittenwald in bübischem Hohne seine
Kunst ...
hoch über die meinige stellte ...
(Tgb.
Nr.27, S.259)
15.
7. 1895 Aus dem Tagebuch der Magdalene
Bachmann während der
Alpenüberquerung von Diefenbachs Familie und ihrem Aufenthalt im
Karwendelgebirge und am Gardasee: Zeitig
in der Früh entstand ein heftiger Streit zwischen
Helios und Leo, sodaß der Meister einschreiten mußte. Dabei zeigte sich
Leo von
solcher Frechheit, daß der Meister sich weigerte, ihm etwas als
Andenken in
sein Buch zu schreiben. Leo fragte mich, ob der Meister auch seine
Empfehlung
an Frau Lesser [in Wien], die er ihm tags zuvor gegeben hatte,
zurückziehen
werde. Ich erklärte ihm, das habe damit nichts zu thun, wohl aber das
andere;
denn wenn er Meisters mündliche Worte nicht achte, thue er dies auch
nicht mit
seinen schriftlichen. Ich bat ihn, sofort wegzugehen, da der Meister
sich nicht
traue das Haus zu verlassen, ehe er nicht fort sei, da er vielleicht
von neuem
Streit mit Helios anfinge. Darüber war er sehr entrüstet. Sein Abschied
vom
Meister geschah mit höflichen aber frechen Worten. Dieser
las gerade einen Brief von Kubka [Franz Kupka] an
Maixner, der nach 18 Seiten unnützem Geschwätz zu dem Ergebnis kam, daß
alles
"Philosophieren" (!) nichts nütze, daß er sich dem Sinnengenuß
hingeben wolle, wo er sich ihm biete. Vom Meister schreibt er, er habe
ihn im
Traum gesehen, ohne Kutte, mit kurz geschorenen Haaren, entlarvt.
Später gingen
alle außer mir auf den Bahnhof, um den Gepäckwagen zu holen.(54) 12.
8. 95 Beim
Stenographieunterricht legte sich Helios plötzlich zurück und sagte, er
wolle
nicht mehr lernen. Ich redete ihm zu, aber vergebens. Seitdem lernt
Stella
allein. Der Meister sagte, daß durch Pauls Verkehr mit Stella Helios
beständig
an Grete [seine große Liebe in Wien] erinnert würde, sodaß er aus
seinem
träumenden Zustand nicht herauskäme. Darum verlangte der Meister, daß
ich am
folgenden Tage mit Paul rede; es ginge so nicht weiter. (68) 24.
8. Wir erhielten
eine Karte von Dr.Boenisch aus Salzburg, daß er in einigen Tagen käme.
Wir
beschlossen, daß Helios ihm bis zur Pertisau entgegengehen sollte. Wir
freuten
uns sehr auf seine Ankunft. Ich
hatte den Meister schon oft gebeten, Helios' Tagebuch
zu lesen, er fühlte sich jedoch immer zu schwach; nun suchte ich es aus
seinen
Sachen hervor. Der Meister war tief bekümmert über ihn, und ich litt
unendlich
mit ihm. Als ich mich abends neben ihn legte, um ihn zu trösten und ihn
zu
liebkosen, was ihm sehr wohl that, und ihn in meinen Armen einschlafen
zu
lassen, fiel eine Thräne auf seine Stirn. Der Meister fragte, ob der
Regen
durchs Dach fiele. Ich antwortete nichts. (70) 19.
9. Abends holte ich
den Meister ab und erfuhr, daß unser Karren angekommen war. Wir sahen
ihn beim
Fuhrmann an. Er erhielt 1 M. Trinkgeld und ein Bild, ein zweites
brachten wir
ihm am nächsten Tage. Helios war sehr häßlich zu seinem Vater. Ich
hätte weinen
mögen, so leid tat mir der Meister; die Worte Helios' schnitten mir wie
Dolchstiche
ins Herz. (87) 21.
10.
Helios
ist immer entsetzlich grob zu seinem Vater und verdirbt Lucidus. Das
ist des
Meisters größte Sorge. ... Abends machten wir noch einen Spaziergang,
auf
welchem der Meister ... über Helios' große Frechheit (sprach), die die
Folge
der Einimpfungen seines Weibes sei. Stella sollte helfen, sie zu
beseitigen, da
er von uns nichts annimmt. ... Berichtigung des Malik-Prozesses ... Wir
wollen
bald wieder abeisen, weil wir in der Werkstätte keinen Ofen haben. (106) 24.
11.
Abends
ging ich mit dem Meister allein aus. Betreffs Helios' kamen wir zu dem
Entschluß, daß er nach Wien gehe, da der Meister durch die beständigen
Aufregungen aufgerieben werde, da er nichts annehme von ihm, da er mich
haßt
und aus dem Hause zu bringen trachtet und die Kinder gegen ihren Vater
wie
gegen mich aufreizt. Ich sagte, daß ich Helios für so strebsam halte,
daß er
von jetzt ab fleißig lerne. Es wurde dem Meister furchtbar schwer. Wir
sagten
zu Hause noch nichts. Der Meister wollte es erst am folgenden Tage tun.
In
der Nacht stöhnte der Meister vor innerem Schmerz und
weinte bitterlich. Ich schlug dem Meister vor, mich statt Helios
fortgehen zu
lassen, allein er wies es zurück. Er erinnerte sich an die Worte, die
er in
sein Tagebuch geschrieben hatte, als er Helios' Mutter heiratete:
Helios, du
bist um teuren Preis erkauft, mache dich dessen wert! Und wie lohnte er
es! Des
Meisters Schmerz schmerzte auch mich tief. Ich
erinnerte ihn, daß er doch sonst alles von der guten Seite auffasse,
daß Paul
und Dr. Boenisch über Helios wachen würden und er ihm sicher wieder
zugeführt
würde. (129) 25.
11.
Der
Meister war so leidend, daß er den ganzen Tag im Bette bleiben mußte,
in
unserem großen, warmen Zimmer. Nach dem Frühstück eröffnete er Helios,
daß er
fortreisen müsse, wobei Lucidus sehr weinte. Helios sagte nur, ja, er
wolle
fort, hier könne er doch nichts anfangen. (130) 26.
11.
Ich
sagte dem Meister, daß ich ihn nie verlassen würde, und wenn alles sich
gegen
mich stellte. Überdies atme ich jetzt auf, daß mein Feind aus dem Haus
kommt.
Es ist doch ein großer Triumpf für mich, daß nicht ich aus dem Haus
geschickt
werde, sondern Helios. Des Meisters Gerechtigkeit ist unanfechtbar. Wer
die
Schuld hat, der muß fort. Auch der Meister ist jetzt glücklich. Die
beiden
Kleinen hoffen wir, ohne jeden störenden Einfluß, zu gewinnen. (131) 27.
11.
Helios wollte mit Lucidus zurückbleiben, bis wir wieder
aus der Stadt kämen, aber der Meister erlaubte es nicht, denn Helios
flößt
während seines Alleinseins mit Lucidus diesem nur Gift ein. So hatte
Lucidus
früh gesagt, als er sehr unartig gewesen und ich ihn zurechtgewisen
hatte:
warum er mir nicht grob antworten solle, worauf ihm Stella erwiderte:
daß man
dich lieber hat, worauf er entgegnete: "Wenn ich euch nicht recht bin,
werft mich auch aus dem Hause, wie ihr Helios hinauswerft" - dieselben Worte, die
alle Schüler gesagt
haben: Wenn einer dem Meister nicht mehr recht ist, wird er
hinausgeworfen. Wir
gingen einen schmalen, steilen Weg an der Villa
Medinis vorbei hinauf auf den Bartholo-mäusberg, schließlich so hoch,
daß wir
Eis und Schnee fanden. An einer Stelle lagerten wir uns, um den
herrlichen
Blick über den See zu haben. ... Unterwegs trafen wir eine Frau, welche
Schafwolle in der Hand hielt, die sie um eine Spindel zu einem Faden
drehte.
Sie führte uns in ihr Haus, um uns Wasser zu geben, das in einer Art
Tropfsteinhöhle zutage trat. Sie gab dem Meister einen hölzernen
Schöpflöffel
und er trank, sowie wir alle. Als wir von der Hütte hinunterblickten,
sahen wir
einen Mann, der die Früchte der Ölbäume erntete. Wir sahen auch oft
Vogelschlingen, die uns sehr empörten. Ich dachte, wir sollten sie alle
wegnehmen. Wir kamen an einen ziemlich hohen Berg. Der Meister sagte,
man müßte
auf der anderen Seite den Längssee [Lago Maggiore] sehen, was Helios
bestritt.
Doch gingen wir den steilen Berg hinan. Oben lohnte uns herrliche
Aussicht. Der
Meister hatte recht gehabt. Ich
schlief fest ein. Es war wunderbar dort oben. Bald
kam der Meister und legte sich zu mir ins Gras. Die Kinder kamen auch.
Es wurde
uns schwer aufzustehen.Helios sprang sehr schnell hinunter, sodaß er
fiel. Als
der Meister ihm Vorwürfe darüber machte, gab er wieder sehr häßliche
Antworten.
Darauf gingen wir in die Barabaranoschlucht.
... Es
war eine wundervolle Partie gewesen, nur gestört durch
das Benehmen der Kinder. In Gardone beobachteten wir, daß Frau Löbinger
in ihr
Geschäft lief, als sie uns sah, und "um Gotteswillen" rief. Sie ist
eine sogenannte Klatschbase; durch die vielen Deutschen, die alle bei
ihr
verkehren, hat sie Verächtliches über den Meister gehört und dadurch
ihr
freundliches Benehmen gegen uns geändert. Wir wollen nicht mehr zu ihr
hingehen. (132) Lucidus,
Helios und Stella mit ihrer
Lehrerin Magdalene Bachmann 28. 11. 1895 Der Meister gab
Helios 30 fr. mit; die Fahrt würde 20 fr. kosten, wie ich nach dem
Aufschreiben
ausgerechnet hatte. Wir mußten laufen, um das Dampfschiff zu erreichen.
Helios
sagte kein Wort des Abschieds, kein Händedruck, nichts. (134) IV.
"Luderleben in Wien"
(1895-1897) 17.
Jan. 1896 Wir erwarteten
Herrn Sannazaro. Indessen besprachen wir den Brief Pauls, in welchem er
von
Helios schreibt, daß dieser glaube, ich verleumde ihn bei seinem Vater.
Ich
erinnerte den Meister im Beisein der Kinder daran, daß ich ihn gebeten
hatte,
er möchte drei Staffeleien kaufen, damit Helios bei ihm arbeiten könne
und
immer um ihn sein, und daß ich immer in ihn gedrungen habe, er möge
Helios'
Tagebuch bald lesen, damit er endlich zur Ruhe käme. Die Kinder dagegen
nehmen
immer das Gegenteil von meinem guten Willen an. Der Meister stimmte mir
zu. Als
Herr Sannazaro kam, stiegen wir in einen Wagen und
fuhren durch die Stadt, die wunderbar gelegen ist, und sahen zum ersten
Male
das weite Meer mit seinen Schiffen. Den Paß erhielten wir erst, nachdem
der
Konsul das Empfehlungsschreiben der Herzogin gelesen hatte. (170) 26.
3. 97 Diefenbach
an Emmy Meier: Der,
bei meinem körperlichen Leiden, ständig bedürftigen
Pflege, welche mir
nur ein liebendes Weib zu
bieten vermag,
plötzlich
beraubt, ehe mir nur der Gedanke hätte kommen können, mich um einen
Ersatz
umzuschauen, und dazu noch mit so ungeheuren Beschuldigungen von dem
jungen
Weibe, das bis dahin so innig zu mir gestanden, überhäuft, brach ich
zusammen.
Von da an gehörte mein Aufenthalt in Ägypten, vordem der großartigste,
zu den entsetzlichsten Abschnitten meines "verrückten",
"unsittlichen" Lebens. Mit Zurücklassung einer ganzen,
dort
erworbenen Wohnungseinrichtung und nahezu vollendeter Gemälde,
Aufgebung eines
im voraus für das ganze Jahr bezahlten großen Hauses in Heluan (am
Rande der
Wüste) und Aufgebung günstigster Gelegenheit zur Verwertung meiner in
erhabener
Einsamkeit und Ruhe geschaffenen Gemälde in Kairo, mußte ich Ägypten
verlassen,
um in Hütteldorf die gänzliche Vernichtung (durch Moder) meiner dort
der
Aufsicht des Paul von Spaun anvertrauten Gemälde (darunter auch
'Erlösung')
sowie das schändliche, faule und lasterhafte Schmarotzerleben auf meine
Kosten
des Paul von Spaun zu finden, der damals in dem ihm anvertrauten Helios
den
Grund zu dessen jetzigem Luderleben legte.
(am 9.2.1909 in Tgb Nr.27) V.
Nach Dorfen verbannt (1898) Aufbau
der Ausstellung - Verachtung für Paul - Abneigung gegen Hilaris - Nach
Dorfen
geschickt zur Verwaltung des Hauses - Brief von Gräser - Rückkehr im
November. 1898
Winter Diefenbachs
Enkel Fridolin
von Spaun erzählt: Bei
der Eröffnung der Ausstellung, die in einem
Kellerraum aufgebaut war, kam es zu einem Vorfall, der schon ein böses
Omen
bedeutete. Ein Erzherzog aus dem Kaiserhaus sollte die Eröffnung
vornehmen, man
war aber nicht ganz fertig geworden. Bis zur letzten Minute waren
Stella und
Helios (?) damit beschäftigt, Dekorationen im Eingang aufzubauen. Als
sie den
hohen Gast herannahen hörten, verdrückten sie sich hastig und ließen in
der
Eile ihre Arbeitswerkzeuge am Boden zurück. Über die stürzte dann der
Erzherzog, als er feierlichen Schrittes den Raum betrat. Mit feuerrotem
Kopf
erhob er sich, sprach kein Wort mehr und entfernte sich auf dem
schnellsten
Wege. 9.
5. 1898 Diefenbach
an Paul von Spaun – hier: ... Rückfall in
Deine Laster ... die Verachtung Helios' gegen Dich ... wenn ich auch
nur im
Leisesten einen nochmaligen Rückfall in Deine seitherige ständige
Gemeinheit
bemerke, so dulde ich Dich als Pestbeule nicht mehr in meinem Hause.
... Deines
bubenhaften Dünkels, in welchem Du, statt Dich erst selbst zu einem
Charakter
von mir erziehen zu lassen, Dir in unerhörtem Frevel anmaßest, meine
Kinder
hinter meinem Rücken zu beeinflussen. ... Daß meine Tochter ... Dich
bedauert
... D. (KB
21/42) 12.
6. 1898 ...
Wir sind jetzt 15 Personen, Helios ist in Dorfen ... (KB
21/216) 6.
7. 98 Diefenbachs
ältester Sohn Lucidus an seinen Bruder Helios: Paul und ich
konstruieren jetzt
Rollschuhe und ein Rad mit Kinderwagenrädern! ... "Simplizissimus"
[der Jünger Simplizius] läßt Dir sagen, daß er und Josef [Baumgartner?]
jetzt
Rad fahren, Hermann lernt es bei Baumann auch. 18.
8. 1898 Diefenbach
an Helios und Stella in
Dorfen: ...
Roheit Walthers und E. Guttzeits ... Mina ... 8 Tage
lang als "Vagabundin" ... gefangen gehalten wurde, ist ruhig und
heiter nach 14tägiger Abwesenheit zurückgekehrt. Karola ist ein
modernes
oberflächliches, halbgebildetes Wesen ... Gustavs Mutter kommt morgen
mit ihrem
jüngsten (12jährigen) Sohn - zunächst nur zu einem Besuche. Ich werde
bald klar
wissen, [ob sie für] die nach den Schilderungen Gustavs ihr zugedachte
Stellung
einer von allen geachteten Vorsteherin der jetzt so gewaltig
vergrößerten
Haushaltung und des geselligen Verkehres in der Er[holungs?]zeit, dem
ich durch
mein Ruhebedürfnis nur sehr wenig beiwohnen kann, genügend
geeigenschaftet ist
oder nicht; ersterer Fall wäre von unabsehbarem großen Nutzen und
Segen,
letzterer [böte?] jede Gefahr, da sie dann bald wieder abreisen würde.
... eine
zweite Büste von mir modelliert. - Die
Ausstellungs-Gläubiger drängen und drohen mit
Exekution um Geld, die "....che Gesellschaft" zieht sich immer mehr
von "diesem Diefenbach" zurück, die Arbeiterkreise bekunden hohe
bedeutsame Begeisterung, die Paul bereits wieder mit der Polizei
zusammengebracht hat. ... Mut, Vertrauen und Ruhe! Euer Vater. (KB
23/78) 24.
8. 1898 Gräser
schreibt an Diefenbachs ältesten Sohn Helios, der sich
in Dorfen bei München aufhält: Jetzt ist meine Mutter, meine echte
Mutter, da
... Deine letzten Briefe, Helios, habe ich gelesen und freu mich
ungemein, daß
du zu solchen Erkenntnissen kommst. Es ist die Hoffnung in mir
aufgegangen, daß
ich in dir finden werde, was ich suche und was jeder edle, nach
Erkenntnis
Gottes strebende Mensch von Natur aus getrieben sucht, Helios, einen
Freund. 13.
9. 1898 Friedrich
an Helios: Walthers sind endlich fort; sie
kommen wohl auch nach Dorfen; faß Dich kurz und gieb ihre Sachen
heraus, laß
Dich nicht mehr weich machen, es macht sie immer schlechter. Auch
Gustav ist
fort; er will erst kraftlos werden und dann hierher flüchten, der
Unselige. Ich
sage: je weniger einstweilen, desto besser - wenn nur
gut. ... Geld haben wir jetzt fast keins. ... Stella ist wieder
Hausfrau; sie
sitzt am Tisch oben, traurig und heiter, wie im Kinderleben, aber
stark. Wieder
Leben am Tisch. Paul arbeitet; er ist sehr leidend.
(KB
23/193) 5.
11. 1898 Das
ist heute wieder ein Druck, der auf dem ganzen Hause
lastet. Seit gestern abend ist Stella besonders entsetzlich; sie ist
gar nie
lieb mit uns, und ich vermisse das Mädchenhafte an ihr gar sehr; sie
lässt uns
so deutlich und thatsächlich pietätlos fühlen, dass sie als Tochter des
Meisters so hoch über uns steht; aber seit gestern abend ist sie so,
dass ich
ihr ausweiche ... Gestern hat Stella so viel mit Paul und Friedrich
gesprochen,
und wahrscheinlich ist sie deshalb so erregt ... In einem fort wirft
sie mit
"Frechheit" und "blöd" herum. Ist das denn recht in
"Humanitas"? Jetzt standen Friedrich,.
Paul
und Stella zusammen und in Fortsetzung eines langen Gespräches vorher
in
Helios' Zimmer sagte Stella ... fast weinend: "Ja, der Vater soll nur
wieder fragen, wer das Scheusal ist: die Mutter oder er? Dann werde ich
es ihm
schon sagen, ich werde schon antworten, wer es ist." ...
Ich kann nur daraus entnehmen, dass Stella in einem recht unglücklichen
Gemüthszustand ist, sonst würde sie nicht so gegen ihren Vater, gegen
unsern
verehrten Meister sprechen; mir wäre lieber, ich hätte es nicht
mitangehört. (Tagebuch
der Anna Bayer) 25.
9. 1900 An
meinen Sohn Helios! Auf
Dein heutiges an Mathilde Scholl gerichtetes
Schreiben verlange und erwarte ich von Dir nur noch, daß Du die Marter,
mit
welcher Du seit Jahren mein Leben untergräbst, durch Deine Entfernung
aus
meinem Hause morgen früh beendest. Dein Vater.
(KB 25, S. 446) VI.
Aus der väterlichen Verantwortung
entlassen (1900) Diefenbach
entläßt Helios aus seiner
väterlichen Gewalt. Eine Ausbildung wird ihm verweigert. Seine Aussagen
über
den Vater veranlassen einen Schmähartikel von Hanns Heinz Ewers, auf
dessen
Verleumdungen Diefenbach mit einer Gerichtsklage antwortet. 16.
11. 1900...meinem
Sohn Helios ... gesetzliche schriftliche
Erklärung der Entlassung aus meiner väterlichen Gewalt zu geben, womit
ich jede
Verantwortlichkeit für sein ferneres Tun und Lassen ablehne. (LZ IV) Anfang
Juni 1902 Helios
aus München an Dfb: Mein
Vater! Vor einigen Tagen hat mir Friedrich
mitgeteilt dass Du ihm Dorfen gegeben hast. Es
ist mir unfassbar wie Du mit Dir fertig werden kannst.
Dein Letztes fremden Leuten zu geben und Deinen Kindern garnichts. Es
ist das
so ungeheuerlich, dass man es sich kaum bewusst zu werden wagt. ...
Nach alle
dem läge die einzige Möglichkeit, mir ein anständiges, Dich nicht
schädigendes
Leben zu gründen darin, dass Du mir auf einige Zeit die Mittel zu
meiner
Ausbildung bieten würdest. Aber
das ist ja alles so jämmerlich kläglich, es treibt
mich immer mehr ein Künstler zu sein
... Und
das ist was centnerschwer auf Dich lastet, dass Du
der Verantwortung, die Du vor Gott und der Welt für mich übernommen
hast, nicht
genügtest, indem Du mich aufwachsen ließest ohne mich in den Stand zu
setzen,
mich in der Welt fortbringen zu können. Keinen Pfennig, und wenn Du
Millionen
hättest, möchte ich nach Art der heutigen Gesellschaftsmenschen ihren
Erzeugern
gegenüber von Dir beanspruchen, aber dass ich nichts gelernt habe, was
mich
befähigte, selbständig vorwärts zu kommen, ist ein Umstand, dessen
Folgen
tausendfältige sind und nicht mich allein treffen, sondern und zwar in
viel
höherem Maaße auch auf Dich zurückfallen. Gegen eine derartige, von Dir
selbst
ausgehende Untergrabung Deiner Ehre und Deines Ansehens helfen keine
"Ehren-Vereinigungen" und keine noch so bombastischen Betheuerungen,
ob sie nun in Worten oder in Millionen von Flugblättern in die Welt
hinausposaunt werden - nein, da gibt es ehrlichere und einfachere
Mittel! ... Erst
in diesen Tagen hat sich wieder gezeigt, wie
unmöglich mir infolge meines Mangels an jeglichem Studium mir die
Erlangung
einer Stellung ist. ... Dass
ich, in dem sich alles dehnt und sehnt, in solchem
innerlichen Elend derartiger Stellungen mein Leben beschließen soll!
Die
schwersten Kämpfe habe ich durchgerungen, dass jeder Nerv, jede Fiber
in mir
bebte und zu zerreißen drohte - wenn ich, was in meinem Verkehr auf der
Akademie etc. ja sehr häufig ist - mit ansah, wie Andere in ihrer
Sorglosigkeit
jubelnd weiter schreiten auf dem einzigen herrlichen Weg zur Freiheit -
zum
Können! Und ich daneben - dastehen zu müssen, schweigen zu müssen,
verkannt von
jenen, die nicht wissen, wie in mir alles hämmert, meine gefesselten
Fähigkeiten, die in ihrer Ohnmacht von Minute zu Minute sich steigern,
mich zu
zersprengen drohen! Der ich mir so schrecklich des Werthes dessen
bewußt bin,
was jene in ihrer Unerfahrenheit nicht genug zu würdigen wissen! Vater!
denke zurück an meine Kindertage, wo Du - manchmal
noch - mit mir zu fühlen vermochtest - zu was Du mich auserkoren
hattest - was
alles möglich gewesen wäre, noch möglich ist - regt sich da keine
Stimme in
Dir, jetzt noch alles zu thun, um mich zum freiesten und herrlichsten
Menschen
zu machen?! Auch
uns gegenseitig harrt noch eine Erlösung - der Weg
ist meine Freiheit, mein Können! Deiner
Antwort harrend: Dein Sohn.
(Briefordner
Helios, Lucidus, Stella) 8.
12. 1902 An
meinen Sohn Helios in München: ... solange Du es
vorziehst, in solchem Pöbelkot zu waten ...
(Tgb
Nr.21, S.20) Okt.
1903 Artikel
von Hanns Heinz Ewers: Die
Insel der Entgleisten. In: Der arme Teufel.
Herausgeber Albert Weidner,
Friedrichshagen, Berlin, 2.Jg, Nr.22/23 und 24, 1903. [Von Dfb im
Auszug
nachgedruckt für die Besucher seiner Ausstellung] ...
K.W.Dieffenbach. Ein Wolf im Schafspelz! Nie ist von
einem Menschen der Name der Kunst schamloser missbraucht worden! Diese
Katzennatur, die überall hinausgeworfen wurde, um immer wieder auf den
Füssen
zu stehen, hat an dem - geschäftlich! - besten Punkte von Capri eine
schöne
Villa, "Le Camerelle" .... Die Schüler müssen ordentlich schuften,
und nachher kommt der Meister und schreibt seinen Namen darunter:
K.W.Diefenbach. ... "Geheime"
Korrespondenz ist verboten für die Schüler; jeder Brief und jede Karte,
die
ankommt oder abgeht, muss der Meister erst lesen und genehmigen. Dieses
Sklavenleben hält der eine länger, der andere weniger lange aus; aber
dafür hat
der Meister eine feine Nase: er merkt immer gleich, wenn sich ein
Schüler mit
der Absicht trägt, fortzugehen. Dann kommt er ihm zuvor: er wirft den
Schüler
vor die Türe. ... Diese werden mit einer dicken Schicht - - Sandmörtel (!!!)
bestrichen. ... In
München aber laufen seine beiden Söhne -
Helios & Lucidus heissen die Glücklichen - von Atelier zu
Atelier herum und
betteln darum, ihnen doch gelegentlich durch Modellstehen ein paar
Groschen zu
verdienen zu geben. Und
der Herr Papa bewohnt auf dem schönen Capri eine
prächtige Villa, hält seine große Kunstideal- und
Menschheitsverbesserungsrede
365 mal im Jahre und verdient viel Geld mit seiner Engros-malfabrik! ...
23.
7. 1904 Capri,
Villa Camerelle. Brief von Dfb an Helios im Hause:
"Drei Tage Bedenkzeit: entweder Aufhören des Lasterlebens oder
sofortiges
Verlassen meines Hauses". Tgb 23, S.11 (Frido) 29.
4. 1905 Dfb
an Stella: ... Helios ist ebenso unglücklich wie Du
und Lucidus ... 6.
7. 1905 Dfb
an Stella aus Sorrent: ... Als "Zwang"
erklärt Helios ... meine Belehrung, daß auch Eier als göttliche
Mutterschaftsprodukte keine Speise für Menschen seien sondern
bestienhaft den
Vögeln geraubt werden. 5.
8. 1906 Dfb
aus Sorrent an Stella: ... Vor fünf Wochen hat Mina
mein Haus verlassen ... Ende September muß die Villa Camerelle geräumt
werden.
Marie ist durch die Selbstsucht-Raserei Minas gegen sie
lebensgefährlich
erkrankt ... Helios liegt ... zu Bett ... ein "egoistischer Tyrann",
ein "Spekulant" etc. etc, außerdem ein "unmoralischer
Mensch", ein "schlechter Gatte", der seine erste Frau gemordet
hat und ihr jetzt Schlechtes nachredet und der seine jetzige Frau durch
sein
unmoralisches Verhältnis zu deren Schwester zu sittlicher und
rechtlicher
Entrüstung und aus dem Hause treibt; ein schmutziges Skandal-Leben, das
den
Söhnen jede Achtung vor dem Vater und das Zusammenleben mit ihm
unmöglich macht
etc. etc. 15.
9. 06 Marie
verläßt Dfb zur Kur in einer Natur-Heilanstalt. Dfb
an Wilhelm Müller, Karlsruhe: (Meine Frau) bildet
sich an einer ... Frauen-Academie in der Schweiz zur Sprachlehrerin aus
...
Weit mehr noch trifft mich der Verlust ihrer Schwester ... die infolge des jesuitisch betriebenen
Kampfes der
letzteren gegen ihre Stellung in meiner Sorrentiner Werkstätte ... des
brutalen
Auftretens meines Sohnes Helios gegen sie ...
Nieren-Leiden ... Sie hat mich am 15. September
verlassen ... Verlust
der Villa Camerelle ... (Tgb
Nr.24, S.277) 31.
8. 1907 Helios
mit Grete in Kronberg. Brief von
Anton von Spaun (Akt A.v.S.) VII.
Vom Vater nicht mehr aufgenommen
(1909-1913) Dez.
1908 Helios
kehrt nach Capri zurück, wird
aber von seinem Vater nicht aufgenommen.Er wohn meist bei der
befreundeten
Grete Ronnek in Kronberg oder bei der Russin Adele Abels auf Capri.
Schließlich
soll er mit Aufträgen seines Vaters nach Ägypten geschickt werden.
Davon
befreit ihn Diefenbachs Tod. 3.
3. 1909 Dfb
an Lucidus in Karlsruhe: Bezüglich des Rauchens kommt
nicht mein Prinzip und meine väterliche Gewalt in Betracht, sondern
einesteils,
daß es mir physisch und seelisch nicht möglich ist, einen
tabakstinkenden Sohn
zu empfangen oder gar in meinem Hause zu beherbergen, andererseits die
Giftwirkung dieses ekelhaften und entwürdigenden Lasters auf seinen
Geist und
seinen Körper. Ihm das Rauchen zu gewähren heißt (ganz abgesehen von
der
Geldfrage) ihn dem geistigen und körperlichen Verfall direkt entgegen
zu
führen. Das tut Stella mit Spaun und tun
Grete, Meyer
und Abels mit Helios.
(Tgb Nr.27) 30.
1. 1909 An
Grethe Ronnek, Kronberg bei Böheimkirchen: Deine
edle, selbstaufopfernde Liebe zu meinem
unglücklichen Sohne ... (85) Durch Dr.Meyer erfuhr ich, daß Helios die
ihm
gebotene Gelegenheit zu fleißigem Arbeiten nicht benutzt, daß er
täglich bis Mittag
und darüber hinaus im Bett liegt, unausgesetzt Tabak raucht, Schulden
macht und unter
Tränen darüber klagt,
daß er mein Haus nicht betreten, mich nicht besuchen dürfe ... (87) Von
dem großen Haus, für welches ich jährlich die
ungeheure Summe von 5000 Lire Miete bezahlen muß (ohne alle sonstigen
Auslagen), stehen die beiden unteren Stockwerke völlig unbenutzt, jetzt
nur
Magazine zur Aufbewahrung meiner teils ganz, teils nahezu vollendeten
Gemälde
aus den 7 großen Sälen von Sorrent, würden diese Räume die jetzige
Ausstellung
(im oberen Stockwerk) verdoppeln, wenn geeignete, vertrauenswürdige
Menschen
mir zur Seite stünden, diese Sorrentiner Gemälde unter meiner durch die
Schwester meiner Frau, welche die obere Ausstellung verwaltet,
geführten
Oberleitung zur Ausstellung zu ordnen und diese zu verwalten. Der
neugebaute
große Saal (13 x 6 Meter) mit dem Riesenfenster nach dem Meere, dessen
Benutzung als Werkstätte mein Leidenszustand und vorzeitige
Altersschwäche mir
nicht mehr erlauben, würde Dir und Helios als Werkstätte und der
darunter
gelegene Saal ...
sorgenlose Wohnung
bieten (89) ...
(Tgb
Nr.27) 31.
1. 1909 Dfb
an Emmy Meier, Capri: ...
gibt es nur eine Möglichkeit zu seiner (Helios')
Rettung: die harmonische Vereinigung Grethes
mir mir! Scheitert diese an der Unfähigkeit Grethes, dann ist Helios
rettungslos verloren! Diesen, im vorigen Herbst zuerst von meinem Sohne
Lucidus
in Hinsicht auf die dringend notwendige Unterstützung Maries in der
Verwaltung
der durch die Sorrentiner Gemälde verdoppelten Ausstellung
ausgesprochenen
Gedanken habe ich gestern in ausführlichem Schreiben an Grethe (Ronnek)
klar
entwickelt nach jedem Betracht. Der Umstand, daß ich, um nicht der
Eifersucht
meiner Frau zu furienhaft
rasendem
Ausbruch wieder Veranlassung zu geben, keine zwei zusammenhängende
Sätze mit
Marie sprechen kann, machte, zumal da jetzt Marie ebenfalls in schwerem
Leiden
ans Bett gefesselt ist, eine Vorbesprechung ... unmöglich. (95)
(Tgb Nr.27) 11.
2. 09 An
Ida Zerratte, Berlin-Steglitz: ...
ein alter erfahrener und zum Glücke als seltene
Ausnahme unter Italienern gewissenhafter menschenfreundlicher Mann
stellte
nebst chronischem Allgemeinleiden heute Rippenfellentzündung mit
schwerem
Exsudat fest, die, wenn letzteres nicht auf innerem Weg zu absorbieren
sei,
eine Operation von außen zur Verhütung von Lebensgefahr nötig mache
(115)
... So vollendete
ich die von Ihnen
gewünschte Wiederholung der Piccola Marina ... und entwarf ... das von Ihnen außerdem
gewünschte Brandungsbild
... ist eine wahre Schmerzensgeburt ... Mir schwinden außer Bett die
Sinne; was
ich an einem Tage gequält gearbeitet,
muß ich am andern übermalen, ohne bis jetzt die
Vollendung zu erzielen
(116) ... Meine von den wenigen Menschen, die Würdigung für mich
empfinden, als
übermenschlich und unbegreiflich angestaunte Schaffenskraft ist
gebrochen, und
ein Bild, das ich früher mit sicheren flotten Strichen in einigen Tagen
zu
schaffen vermochte, bringe ich jetzt unter namenloser Qual in Monaten
nicht zu
Stande. In der stützenden Ruhe und gleichmäßigen Wärme des Bettes
schreibe ich
auf künstlich über dasselbe gebautem Pult einen Abschnitt meiner
Lebensgeschichte, durch welchen ich meinen ältesten, jetzt 28jährigen
Sohn zu
retten suche vor einem gräßlichen Ende durch Selbstmord der
Verzweiflung und
des Irregewordenseins an seinem Vater (durch seine tote Mutter!). ...
(117) Für
sie [Marie Vogler] ist Helios der Teufel, und der
bloße Gedanke, seiner Bosheit nochmals ausgesetzt zu werden, macht sie
wahnsinnig, läßt sie die heftigsten Vorwürfe gegen mich erheben, daß
ich sie,
die mir ihr Leben gewidmet, hinmorden lasse durch meinen faulen
nichtsnutzigen
Sohn, läßt sie ihren
raschen Tod als
einzige Erlösung in gräßlicher Verzweiflung, in lauten Selbstgesprächen
herbeisehnen. (119)
(Tgb
Nr.27) 12.2.
09 An
Emmy Meier, Capri: Die
Katastrophe scheint mir immer mehr für Marie
unabwendbarer als für Helios, weil sie - bei völlig erschöpftem und
krankem
Körper - in Hinsicht auf Helios an der Grenze ihres Verständnisses und
- was
schlimmer ist - ihrer Achtung für mich steht. Sie beurteilt und
behandelt mich
hier trotz meinen 58 Jahren von einem ähnlichen Wahnstandpunkte aus wie
ihre
Schwester. Während diese mein früheres Leben für ein
"Vagabundenleben" erklärt hat, aus welchem ich nur durch sie auf meine
jetzige höhere Lebensstufe
gelangt sei, betrachtet mich Marie, in ihrer
früheren Erziehungstätigkeit kleiner Kinder starr
geworden, wie einen am
Gängelband zu führenden unzurechnungsfähigen Knaben, und da ich ihr
nicht folge
und Helios, den sie für einen unverbesserlichen schlechten Lumpen und
boshaften
Satan hält, zu retten suche, für einen undankbaren gewissenlosen
Schurken gegen
sie. Über diesen Punkt, den sie mir schon früher wiederholt angedeutet
hat,
gegen den alle meine erklärenden Gegenvorstellungen ganz vergebens
blieben,
kann sie nicht hinüber; dieser Punkt, irre geworden zu sein an mir, sich von
mir nur als "Arbeitstier"
geachtet und der
Roheit meines Sohnes preisgegeben zu wähnen, gibt ihr den Todesstoß.
Ich halte
die Katastrophe für unabwendbar. (121)
(Tgb
Nr.27) 13.
2. 1909 Dfb
an Dr.Olga Knischewsky, Berlin:
In
edler und heldenhafter Liebe nahm eine mit Stella
gleichaltrige Jugendfreundin, von welcher sich Helios losgerissen
hatte, ihn zu
sich, kaufte mit dem kleinen Erbteil ihres elterlichen Vermögens auf seinenNamen ein
Landgut in Niederösterreich
und hoffte durch die ländliche Einsamkeit und Beschäftigung seine von
Kindheit
an zerrüttete und zerrissene Seele zu heilen und durch ihre Liebe
glücklich zu
machen. ... Vor 2
Monaten kehrte er ...
hierher zurück. (Tgb
Nr.27) 26.
2. 1909 An
Frau Meyer: ...
Ich sehe das satanische Weib vor mir stehen, als ob
ich es erst gestern erlitten, den kleinen, kaum dreijährigen Helios mit
Fäusten
schlagend und an den Haaren zerrend und mir, der ich wehrlos und
hilflos
leidend dalag und der schier unglaublichen Roheit dieser Rabenmutter
machtlos
zusehen mußte, mit Teufelsgrinsen zufletschen:
"Das gilt DIR!" ... Ich kann nicht mehr. (Tgb
Nr.27) 10.
3. 1909 Dfb
an Lucidus: Nachdem
Du ebenfalls der Meinung bist, daß mein Schreiben
an Helios vom
17.XII. die gegenteilige
Wirkung auf ihn machen mußte, als ich gewollt, nachdem Dr.Meyer und
Abels dies
Schreiben als eine "Lieblosigkeit" und "Scheusäligkeit"
erklären und Helios darauf (nach 3 Monaten!) noch keine Antwort an mich
gefunden hat ... Daß Helios bei solchem Luderleben, das auch mir den
Schlaf und
jede Schaffenskraft raubte, mein Haus verlassen mußte
... (Tgb
Nr.27) 25.
3. 1909 Dfb
an seine Schwester Elisabeth: ...
Statt dessen hat er
(Helios)
alles auf das Gräßlichste verschlimmert und zum Äußersten getrieben,
sodaß die Notwehr zur
Erhaltung meines Lebens seine
Ausweisung erheischte. - Zur Steigerung der Tragik seines von seiner
Mutter von
Grund auf verwüsteten Lebens fand er teilnahmsvolle Aufnahme bei einem
älteren
Fräulein, Deutsch-Russin von hoher Bildung und Intelligenz, aber voller
Vorurteile gegen mich und gehässiger Geringschätzung gegen meine Frau
und gegen
deren Schwester. Dieses
Fräulein
Abels ist trotz oder vielmehr durch ihre guten Eigenschaften zu einem
entsetzlichen enfant terrible für Helios geworden, durch dessen Einfluß
auf ihn
er immer weiter von mir getrennt und in einer Lebensweise bestärkt
wird, welche
zum Ruin führen muß. Um nur ein
Beispiel
dieses gutgemeinten verderblichen Einflusses zu geben, erwähne ich die
Gewährung und Billigung des entnervenden und herzlähmenden stinkenden
Tabaklasters, welches, da "alle Männer" vom Kaiser und Papst (dem
"Stellvertreter Gottes"!) bis zum verkommensten Vagabunden ihm
frönen, als förmliches Attribut von Männlichkeit, als berechtigter
Genuß, ja als
"Bedürfnis" erklärt wird.
(Tgb
Nr.27) 20.
4. Dfb
an Helios, hier: ... Solange Du meine
Vorstellung nicht glaubst und
annimmst, bist Du der größte
Schädiger meines Lebens, statt dessen Stütze, deren ich so dringend
bedarf.
Dein solcher Aufenthalt auf Capri macht mir das Haus zum Kerker und
zwingt
mich, Capri zu verlassen. (Tgb
Nr.27, S.233) 16.
5. 1909 Dfb
an Stella: ... zwang mich das zwanglose Luderleben,
das inzwischen der jüngere Sp.[Spaun]
mit dem ...
Helios in Hütteldorf führte ... zurückzukehren. ... Es dauerte kein
halbes Jahr
[nach Ägypten], als beide zu mir zurückkamen: er
[Friedrich] in tiefster Empörung und Verachtung über ... seiner Frau
..., sie
[Magda] unter Reuetränen ...
[Friedrich] beichtete, daß Du durch ihn schwanger seist seit jener
Reise nach
Dorfen ... (S.3) Postkarte
an Stella: … Der Verkauf des Hauses und die
Verwendung des Erlöses über meine "Schuld" (!!!) an Magda hinaus als
ihr "Eigentum" war Mißbrauch meines Vertrauens und meiner Notlage und
Raub an mir und an Euch.
(Tgb
Nr.27) 5.
9. 1909 Helios
z.Zt. (von Kronberg kommend) auf einige Monate wieder
in Capri. Grete hat vor 3 [?] Jahren Helios von Capri aus zu sich
genommen.
(Tgb
28) 13.
9. oder 20. 9. 1909
Helios
reist dieser Tage nach Kronberg zurück (Nach 9 Monaten qualvollster
Marter für ihn und für mich.) (Tgb
28, S.26) 22.
11. 09 Dfb
an Stella: ... der Wahn, ... daß ich Gelddepots in
den größten Banken Europas … 24.
4. 1910 Dfb
an Stella: Stella! ... hat Helios mir ... zuletzt auf
offener Straße am hellen Tage ins Gesicht gespien mit dem Vorwurf, ich
hätte
... Eure Mutter "verführt" und der Schmach einer unehelichen
Mutterschaft ausgesetzt ...
5.
7. 1911 Helios aus
Berlin: Mein
Vater! Du sprichst in zwei Sprachen zu mir. In der
einen erfasst Du das Ringen meines Lebens. Nur in der einen verstehen
wir uns;
in der anderen nicht. Mein Leben ist nicht inhaltlos und seelenarm. Ich
habe
gerungen und ringe, und ich weiss wofür. Ich
habe viel, viel gelernt; ich sehe tief in Dein Leben
hinein. Und ich weiss wo und wie ich Dir helfen könnte! Ich sehe die
Schmach
Deiner Lage, und ich empfinde sie als die meine! Du
hast mich verstossen und mich dadurch abgeschnitten
von Dir. Du
rufst mich jetzt als Deinen Sohn, und als der möchte
ich kommen zu Dir. Aber
ich habe mein Leben nicht umsonst gerungen und
schätze es hoch ein und gebe es nicht auf. Du
kennst mich nicht. Du müsstest im ernstesten Sinne den
ehrlichsten Willen haben, Dein Kind kennen zu lernen, wie einen neuen
Menschen.
... Du
scheinst nicht zu wissen, wie ich Dich und Deine
Ideale erfasse. In mir ist keine Fiber, die dagegen wäre, mich in die
Bresche
Deines Lebens zu werfen. Du
bist in Not, und ich möchte Dir helfen und Dir Gelegenheit
geben, mich kennen zu lernen, zur Beendigung Deines Schmerzes um mich. Helfen
möchte ich Dir auf jeden Fall, bedingungslos,
gleichviel ob meine Erwartungen in Erfüllung gehen oder nicht. ... Ich
stehe allein mit
meinem persönlichen Glauben an Dich --- aber alle Unkenrufe können die
Hoffnung
nicht töten in mir, Dir doch noch zeigen zu können, dass ich Dein Sohn
bin! Helios (Briefordner
Helios, Lucidus, Stella) 4.
2. 1912 Erscheinen Lillis
[Jakobine Leiseder, die Lebengefährtin von Helios], die Helios von
Neapel
abholt.
(Tgb 30, S.58) 13.
2. 1912 Dfb an August
Püringer, Dresden: Noch
zittert jeder Nerv in mir über das durch die zweite
Ehe Erduldete, noch habe ich keinen "weiblichen Diefenbach" gefunden,
dessen ich bedarf, um die Wunden zu heilen, die mir "großen Kinde"
die selbstsüchtigen Philisterseelen "christlicher" Wurmweiber (auch
die Magda Bachmann, die zu Ihrer Zeit im Kaisergarten von Wien zu mir
kam,
zeigte sich als solches) geschlagen haben - (eine geniale junge Russin,
groß im
Leben wie in der Kunst (Musik-Componistin, Malerin) kann sich in
Rücksicht auf
ihre Eltern nicht an meine Seite stellen) aber, unterstützt und
beschützt von
Helios und Lucidus, die seit Dezember nach langjähriger tragischer
Entfremdung
wieder mit mir vereint sind, atme ich trotzdem erleichtert auf, befreit
vom
mich würgenden Alb "christlicher" und"emanzipierter"
Weiblichkeit. (62f.) Ich
habe mir jetzt den Vorraum meiner (großen) Werkstätte
als Wohn- und Schlafstätte eingerichtet, umgeben von den Bildern meiner
Eltern,
meiner Jugend- und meiner Manneszeit und meiner Kinder, den
lebensgroßen
Bildern Helios', wie ich ihn mir dachte als Verkörperer und Verkündiger
meines
Menschheitsgedankens, Stellas zusammen mit der unvergeßlichen Katinka,
Otto
Drießens und jener jungen Russin, meinem Klavier, dem Bilde Beethovens
(mit
ihrem Bilde); das mir nach rastlosem Tagesschaffen an der Staffelei
meine
einsamen Abende durch die göttlichen Töne Beethovens - für ich die
höchste
Gottesoffenbarung der Menschheit - erleichtert und mich vor dem
Gespenst des
Wahnsinns schützt, das mich in meiner himmelschreienden Vereinsamung
angrinst.
Hätte ich nur die Kinder Stella's um mich ... (Tgb Nr.30, S.63) 3.
8. Will
nach Palermo zu Prof. Romeo Lovera."Vor einem Monat ist meine Tochter
...
nach langer tragischer innerer wie äußerer Trennung zu mir
zurückgekehrt. ...
Der Narr von Capri". Auf
der Rückseite des Briefes von der
Hand Stellas: Ich
konnte meinem Vater die von mir und meinen Kindern erhoffte Hilfe nicht
bringen
- ich zu sehr gebunden durch meinen Mann und sechs Kinder und war nicht
imstande, Helios' brutales [unleserlich] gegen unsern Vater zu
verhindern.
Vaters frühzeitiger Tod war die Folge meines Versagens. Umsomehr drängt
es mich
- jetzt, nach seinem Tod, ihm die Treue zu halten und sein von seinem
Sohn
entstelltes Bild zu klären! Stella. (LZ) 5.
8. 1912
September
bis Dezember: 5.August Capri verlassen, Reise^nach Palermo, dann
Aufenthalt in
der Neuen Universität Napoli (Tgb 30, S.12 und 143), Rückkehr nach
Capri
23.Dez. 1912
(Tgb 31, S.20) Flüchtet
vor Helios von Capri nach Palermo und Neapel.
Siehe
Tgb Nr.13, S.143! 7.
9. 1912 Übergibt
Vermögen an seine Kinder,
behält sein Bett und anderes für die Gründung einer neuen Existenz für
den Rest
meiner Tage fern von Capri: Urkunde.
Neapel, 7.9.1912. Um
das unglückliche Drama, das ich durch meine Begegnung
und Verbindung mit Magdalena Atzinger aus München seit 33 Jahren
durchkämpfen
und durchdulden muß, nicht zur entsetzlichen Tragödie werden zu lassen,
übergebe ich meinen drei Kindern … Helios, Stella und Lucidus, als ihr
Eigenthum zur Grundlage einer eigenen Existenz alle meine auf Capri
geschaffenen Kunstwerke und erworbenen Mobilien samt dem Grundstück der
Malerplatte mit Ausnahme der Familienbilder, Baupläne und plastischen
Figuren,
meines Bettes sowie einer Anzahl angefangener Gemälde zur Erwerbung des
nötigen
Geldes für die Gründung einer neuen Existenz für den Rest meiner Tage
fern von
Capri. ...
Entfremdung meiner beiden Söhne gegen mich, die sich
seit meiner Trennung von meiner zweiten Frau und deren Schwester ...
gezeigt
hat ... Helios und Lucidus wegen der mir von ihnen zugeschriebenen
Schuld an
ihrem Lebensunglück gegen mich ... für Stella mit ihren sechs Kindern
... in
der von mir zu erwerbenden Festung Baia ein eigenes abgeschlossenes
Haus ...
unter der Bedingung, dass Spaun sich gänzlich von dem ... Laster des
Tabakrauchens ... zu erheben vermag. (LZ IV) 20.
11. 1912 Dfb
aus Neapel an Helios in Capri: ...
So schmerzlich es für Dich wie für mich ist, trotz
beiderseitigen Sehnens zueinander für das ganze Leben getrennt sein zu
müssen,
so lebensnotwendig ist diese Trennung für Dich wie für mich. ... zwingen
mich, für einige Monate nach Capri
zurückzukehren, und zwar in allernächster
Zeit. Diese Rückkehr macht mir Dein Verhalten gegen mich unmöglich! 27.
1. 13 Beckmann
im Tagebuch: Am
Morgen hat der Meister noch einen Zusatz zu dem Briefe
an Frau Last diktiert und liest dann, um seinem Sohne Helios antworten
zu
können, dessen letztes an ihn gerichtetes Schreiben vor. Ich weiß
nicht, ob es
möglich ist, mit Worten den Eindruck wiederzugeben, den dieses
Schreiben auf
mich gemacht. Selten hat mich etwas so erschüttert und bis in die
tiefste Seele
berührt. Es ist mir, als höre ich den Schrei eines Ertrinkenden, ja
mehr: Ein wollender
Sohn, ein Kind, das nichts sehnender wünscht, als seinenVater mit der
innigsten
Kindesliebe zu umfangen, fleht um die Beweise väterlichen Vertrauens,
um den
Ausdruck seiner Gegenliebe bei einem Vater, dessen Herz und Seele
überschwellen
nach dem Verlangen, den Sohn als solchen in die Arme zu schließen und
an die
väterlich fühlende Brust zu drücken. ... Den Weg zur Vereinigung zu
finden, das
kann nur die Aufgabe des Meisters sein. ... (72) ... Ein wrmer
Händedruck, ein
sich in die Augen schauen, ... und nur die wenigen Worte: "Mein Sohn!
Du
sollst an meiner Liebe nicht zweifeln!", das würde hier mehr vermögen,
als
die beste und eingehendste Erklärung des tragischen Verhältnisses.
(KB 31, S.73) 28.
1. 1913
Dfb schreibt einen 15seitigen Brief
an Helios: Helios!
Dein mir herunter gesandtes
Schreiben bestätigt mir ... daß Du ... gegen mich weiter rasest, wie
seither.
... Frau Bogler, welche gleich mir entsetzt
und empört ist über die Handlungsweise Spauns ...
lehnt die Erfüllung
meiner an Sie gerichteten Bitte, zur Rettung Stellas und ihrer Kinder
dieser
das Resultat ihres 2 1/2 Monat langen Aufenthaltes in ihrer Familie
brieflich
vorzustellen, mit der Begründung ab, zwischen Eheleute dürfe und könne
kein Dritter
sich einmischen (79f.)
... Inzwischen
gab ich Beckmann und Graser Anweisung, die Vorräume meiner Werkstätte
zu einem
Wohn- und Schlafzimmer für sie einzurichten sowie zur Aufstellung der
von
Neapel herüber-gebrachten 32 neuen Gemälde, zu räumen.(81) ... Du
scheinst
keine Kenntnis davon zu haben, daß Drießen von seinem Vater auf falsche
Denunziation des Münchener Polizeipräsidenten im Verein mit dem
dortigen
Universitätsrektor unter brutaler körperlicher Mißhandlung und
sonstigem Zwange
mit Gewalt von meiner Seite gerissen
und
gezwungen wurde, in Berlin unter Aufsicht seines älteren Bruders seine
medizinischen Studien zu beenden und den Doktortitel zu erwerben; daß
Drießen
dort dem fanatischen Einfluß des Theosophen Dr.Hübbe-Schleiden, welcher
in
seinem Wahnsinns-fanatismus auch verhängnisvoll an Deiner Entreißung
von mir
beigetragen und das treulose Verlassen des "Fidus" gegen mich bewirkt
hat, nicht blos irre an mir sondern irre am Leben sowie an der
Menschheit
gemacht wurde, sodaß dieser von seiner blühenden und strahlenden
Apostelgestalt
zu einem grämlichen asketisch ausgehungerten Jammerbild wurde und sich
in
solcher Verzweiflung am Leben bei ener Leichensektion absichtlich
verwundete,
mit Leichengift infizierte und daran nach einigen Tagen starb, worüber
mir mit
Namensunterschrift drei seiner Studienkollegen öffentliche Zeugenschaft
zu
meiner Verteidigung gegen die von Drießens Eltern sowie von mir
gehässigen
Zeitungsschreibern wider mich erhobene Anklage der Verschuldung seines
Todes
anboten. ... Daß
dieser kraftstrotzende Jüngling,
der in sorgenlosen äußeren Verhältnissen leben konnte, auf solche Weise
und so
schnell zugrunde ging, beweist, daß er mit seinem Geist und mit seiner
Seele
von meiner klaren Lebens-Erkenntnis, Lebens-Betätigung und
Lebens-Bejahung
durch den theosophisch-buddhistischen Wahnsinn einer Lebensverneinung
zur
Vermeidung weiterer irdischer Wiedergeburten und zur raschesten
Erreichung des
"Nirvana" entrückt und "verrückt" gemacht worden war.
(82f.) ... Wenn
Graser
seither fast nur Lilli in der Küche geholfen hat, das Essen für uns zu
bereiten, was ebensogut durch eine schwächere Hilfskraft geschehen
könnte, so
lag das nur daran, daß ich ihn mangels einer Dunkelkammer nicht mit
photographischen Arbeiten derart beschäftigen konnte, als für mein
künftiges
Schaffen und Streben erforderlich ist (85)
(Tgb
31) 16.
2. 1913 Dfb
an Lucidus in Grünwald, Villa Ceconi: Dein
Schreiben vom 23. XII. traf mich nach 5monatlicher
Abwesenheit von Capri ... Am 5.August flüchtete ich weg von hier,
Helios ein
Schreiben zurücklassend mit der Erklärung, daß es mir unmöglich sei,
noch
länger eine solche Gegenstellung gegen mich zu ertragen ... Nach einem
mehrtägigen Aufenthalt in Palermo nach Neapel zurückgekehrt ... Ich
nahm meine
vor 3 Jahren abgebrochenen Schritte zur Erwerbung Baias wieder auf. In
noch
nicht übergebenen Räumen der neuen Universität fand ich auf Empfehlung
des Erbauers
derselben (Prof. Lomonaco) eine Asyl-Werkstätte, in welcher ich ...
einen
Cyclus großer Gemälde zur Darstellung meiner Baupläne begann ... Die zügellose Laster-
und
Verbrechen-Betätigung von Nietzsches Satz: "Jenseits von Gut und
Böse" von Seite Spauns, die Billigung und Unterstützung solchen
Wahnsinn-Treibens von Seite Stella's und die Erziehung ihrer Kinder in diesem
Geiste, statt in dem meinigen, wozu Stella mir ihre
Kinder zuführen
wollte ... Am
23ten Dezember kehrte ich ... nach Capri zurück
... Stella
gibt auf mein noch in Neapel an sie
gerichtetes und ihr
dort persönlich
übergebenes Schreiben zur Warnung vor dem Abgrund, den sie mit ihren
Kindern in
ihrem blinden Folgen des Nietzsche-wahnsinnigen Spaun entgegentreibt,
ebenfalls
keinerlei Antwort und hat nebst ihren Kindern meine Schwelle seit
meiner
Rückkehr hierher nicht betreten. In
solcher Lage gehe ich dem Beginn meines 63ten
Lebensjahres entgegen! (Tgb
Nr.31, S.143-145)
Die
Meeresbilder drücken nach den wenigen Stunden, die
der Meister auf ihr Ausreifen verwenden kann, eine immer reichere
Poesie aus.
Auch die Bilder des Mädchens mit der Schlange reifen zu immer höherer
Vollendung aus. ... Am 3. 3. kam Helios, dem ich ausrichten sollte (236) … herunter und
machte seinem Vater
Vorstellungen ... Gläubiger ... Hinausschieben der Wechsel erreicht
...(237)
... Der Schlaf flieht ihn und er sucht den Martern der Schlaflosigkeit
durch
Lesen oder ... Schreiben zu begegnen. (238) ... Am 13. 3. teilt Graser
dem Meister
mit, daß er in den nächsten Tagen fort wolle. ... die augenblickliche
pekuniäre
Schwierigkeit ... (238) Die Briefe an die Käufer seiner seitherigen
Gemälde
sollen möglichst bald abgehen. Meister ist überzeugt, daß sie sicher 50
000
Mark einbringen als Vorauszahlung für Gemälde, an deren Vollendung er
gegenwärtig arbeitet, welches Geld zur Erreichung Baias zur Beseitigung
der
augenblicklichen Mißstände ausreicht. (239) ... Zum anderen habe sie
(Stella)
aber auch der letzte Aufsatz in der "Vegetarischen Warte"
zurückgehalten, in der man die Schuld an dem Vorkommnis mit der Mina
Symanzik
nur ihrem Mann zuschiebe. (240) Paul
mit Familie wohnte in der Villa
Ferraro, ganz in der Nähe der Villa Camerelle. Dfb hatte dieses Haus
für 20.000
L. gemietet, nachdem ihm die Casa Grande mit 50.000 L. Miete zu
kostspielig
geworden war. Daraufhin erniedrigte der Besitzer der Casa Grande seine
Forderung auf 30.000 L. - und Dfb behielt beide Häuser. Der monatlich
aufzubringende Geldbetrag blieb sich also gleich. –
(Fridolin von Spaun) 21.
6. 13 Dfb
aus Sorrento, Hotel Lorelei: Wie durch eine
Himmels-Fügung gab mir der Besuch von M. von Soldatencow und besonders
M. von
Tschelischeff die Möglichkeit, Capri für einige Zeit zu meiner Erholung
zu
verlassen ... Da alle meine Vorstellungen seit 20 Jahren nicht vermocht
haben,
Dich jenem Banne zu entziehen, der Dein wie mein Leben verrwüstet, so
bleibt zu
unserer beiderseitigen Rettung nichts anderes übrig, als unsere
Lebens-Trennung. Ich stelle es Dir anheim, Dir entweder in gänzlicher
Loslösung
von mir eine eigene Existenz zu gründen oder nur äußerlich getrennt von
mir
eine permanente Ausstellung meiner Gemälde in Paris zu schaffen und zu
leiten,
welche Dich wenigstens in innerer Verbindung mit mir zu erhalten
vermöchte. (424) ... An
Mina müssen vor Ablauf des Monats 100 L. geschickt
werden; wenn möglich auch die gleiche Summe für deren Schwester bis ich
auf
andere Weise dafür sorgen kann.
(Tgb 31, S.426) 2.
7. Dfb
an Madame Olga Tschellisheff, Villa Siracusa: ...
umarmt sie im Geiste das "Ungeheuer" und
der Narr von Capri Dfb. - Nachsatz für Helios: ... Ich werde so lange
hier
bleiben, bis Du Capri verlassen haben wirst. Mit blutendem Herzen Dein
Vater 7.
7. Dfb
aus Sorrent an Emilie Hexamer, Bad Kreuznach: Mein Leben ist in Gefahr
und das
meines unglücklichen Sohnes Helios. 7.
7. Vor
3 Wochen bin ich hierher vor dem nicht mehr ertragbaren Rasen meines
zum
Werkzeug der Rache des Weibes gegen mich suggerierten Sohnes
geflüchtet. Am
gleichen Tag verließ mich mein Sekretär Beckmann mit seiner Frau, der
die seit
einem Jahr miterlebte Tragödie nicht mehr mitanzusehen vermochte. A l l e i n , ohne jede
Pflege und Hilfe ... 5.
8. 13
Heute
vor einem Jahr bin ich vor der rasenden Brutalität
meines Sohnes Helios gegen mich von hier weg nach Palermo geflüchtet.
...
Eröffnung Selas, dass sie wohl als Seelenfreundin, nicht aber als Weib
an meine
Seite treten könne ....
Heilung ihrer kranken
Schwester [Tannenberg] durch ihren Anschluss an mich ... beschloss ich,
Schafheitlin zu besuchen ... Leipziger Lehrerin, Marie Schede, 48 Jahre
alt ...
Mme Claparède aus Genf ... Polifem ... Arco-Naturale
... 3.
12. Tagebuch:
Als 33jähriger Mann wärest Du [Helios] in
meinem Geiste ein "Christus", ein Erlöser der Menschheit geworden,
wie ich Dich im Bilde meines Wohnraums dargestellt, im Geiste Deiner
Mutter ...
ein Jammerbild!
(Tgb
Nr.31, S.857) 3.
12. 33.
Geburtstag von Helios. Dfb erinnert sich der
Einzelheiten der Geburt (in München 1880). (Tgb 31, S.855) 6.
12. Tagebuch:
Da ich wieder seit mehreren Tagen nicht mehr an
der Luft war und ich nicht zu befürchten brauchte, Helios auf der
Straße zu
begegnen (!) begleitete ich Sela bis in die Nähe ihrer Wohnung. (Tgb
Nr.31, S.873) 7.
12. Tagebuch:
Daß Helios mit demselben Schiff zurückgekommen, erfuhr ich durch Graser
...
Erst am Tage der Abreise Helios' nach Ägypten werde ich aufatmen, einen
Tagesausflug über den Monte Solaro ...
(Tgb
Nr.31, S. 877) 10.
12.
Tagebuch:
daß Helios bei jeder Zusammenkunft äußere, er
müsse mit mir persönlich das Unternehmen für Kairo besprechen,
andernfalls sei
dasselbe unmöglich. Sie habe ihm darauf erklärt, daß jede seiner
Begegnungen
mit mir mich derart aufrege, daß ich unfähig
werde zum Reden und zum Arbeiten ... er habe dies
versprochen, aber
nicht gehalten. ... daß er ein schwacher Charakter und jetzt so leidend
sei,
daß auch ihn jede Begegnung mit mir aufrege und zur Heftigkeit verleite
...
halte sich auch Abels seit einigen Tagen von ihm fern.
- Welch' heillose Situation!
(Tgb
Nr.31, S.897) 11.
12.
Tagebuch:
Gegen 5 Uhr Sela mit der Abels ... Sie (Abels)
fühlt sich elend, übermüdet, unfähig mit Helios weiter zu verhandeln.
Sein
Rasen lähmt Alle. Ich müsse direct mit ihm
verkehren.
(Tgb Nr.31, S.899) Mein
Kunstschaffen seit 38 Jahren! Und dabei solche
Kritik meiner Rückständigkeit gegen "Fidus"! Es ist zum
Wahnsinnig-Werden!
... Sela versprach, heute morgen
wiederzukommen. Ja,
ich "verbrauche viele Menschen"! - Mir drehte sich alles u mich. ich
ließ mir durch Graser die Schuhe wechseln, den Wintermantel umhängen
und
suchte, gestützt auf seinen Arm, Erholung im Freien von der
Höllenmarter meines
Hauses. Ein großartiger Himmel - Nachsonnenuntergang und spiegelglattes
Meer
ließ mich den Weg zur Piccola marina und über die ... neehmen. Allein
mit ...
zu Bett!
(Tgb
Nr.31, S.900 - letzte
Eintragung von der Hand Dfbs!) 15.
12. 13 Stirbt
an Darmkrebs. Überführung des Leichnams auf einer
Barke nach Neapel. Einäscherung in Rom. Urne im 2.Weltkrieg
verschwunden. 15.
12. 13 Telegramm
von Helios an Frl. Schede, Leipzig: |