Jüngerin und Geliebte: Katinka Kolarik

Jolantha Böhm, eine ehemalige Geliebte von Diefenbach, schreibt an Katinka, das ist die Jüngerin Katharina Kolarik, "eine Unglückliche, dem Irrenhause und Selbstmorde Entronnene" (Beiträge 215), die sich 1892 Diefenbach angeschlossen hatte:

Meine liebe Katinka! 13.Oct.1894

Nebst meinem herzlichen Dank für Deine Güte bezüglich der Schlüssel sende Dir Tausende von Grüßen und Küssen sowie allen Deinen Lieben. Ich bin so innerlich befriedigt, Euch alle wiedergesehn zu haben, was immer mein sehnlichster Wunsch, seit ich voriges Jahr von Euch geschieden, gewesen.

Es hat mir diesmal wirklich mein Herz weh gethan, als ich von Euch fort. Schätze den Meister, liebe die Kinder, soviel Du kannt. Du ahnst nicht, welche Seelenkämpfe ich hier durchkämpfen muß, daß ich nicht des Lebens froh zu werden vermag. Wie Glieder einer Kette greifen die Verhängnisse ineinander, daß ich nicht mehr des Wunsches frei werden kann, bald, recht bald erlöst von allen Qualen zu werden (...) Grüße mir vielmals herzlichst den Meister, ebenso vieltausendmal seine Kinder, auch Frl. Magdalene. Viele Grüße und Küsse Dir, meiner lieben trauten Freundin, Putschgerl, Stella, Helios

von Eurer Euch herzlich liebenden

Jolanthe


Diefenbach schreibt am 6. Juli 1891 an seine Mitarbeiterin Georgine von S.

Während ich mit den Männern vor meinen Bildern redete, drückte mir ein schwarzgekleidetes ernstes Weib (etwa Deines Alters) in Begeisterung die Hand, eine Unglückliche, dem Irrenhause und Selbstmorde Entronnene; sie war lange in meiner Werkstätte, ich erzählte ihr von Dir, da sie, überwältigt von dem Glück des Findens ihres Ideals, mir beständig zitternd die Hand drückte; ich habe ihr Deine Adresse gegeben, damit sie sich besser aussprechen kann, als es mir gegenüber möglich ist. - Täglich wird mir - auch von ganz alten Frauen und Männern - heilige Ehrerbietung und Anerkennnung bekundet. - Nur Hilfe bei der Arbeit fehlt mir. - O, hätte ich 100 Hände! .....



Diefenbach an Kolarik:

Katharina Kolarik, Wien! Wien, 7. Juli 189

Wenn dieser Brief Sie noch vor Ihrer Abreise antrifft, so bitte ich Sie, mich noch einmal zu besuchen; Freitag, Samstag und Sonntag abends bin ich frei und können wir an diesen Tagen von 7 Uhr an ungestört reden; nach diesen Tagen erst wieder vom nächsten Donnerstag an.

Aus meinem Lebenskampfe um meine Ideale und aus diesen selbst werden Sie erkennen, wie warm ich für Jeden empfinde, welcher seiner Ideale wegen unterdrückt wird. Ich fühle mich glücklich, von meinem endlich errungenen Standpunkt ausserhalb der "Gesellschaft" aus allen Gleichstrebenden Hilfe und Stützpunkt bieten zu können; doch macht mir die noch immer bestehende Gefahr es unmöglich, Jemand in mein Haus zu nehmen, der nicht in allerinnigster Weise in meine Familienverhältnisse, Lebensweise (Ausschluss jeder thierischer Nahrung, Wein, Bier, Alkohol und sonstiger Giftgetränke: Kaffee, Thee etc.) mit eigener Herzensempfindung und Seelenfreude sich einzuleben vermag. An und für sich ist dies einem geist- und seelenverwandten Menschen nicht schwer, aber die S t arr h e i t der meisten heutigen Menschen macht es schwer. Das Fürchterlichste meines Schicksals ist durch solche "Gesinnungsgenossen", welche ich zu mir genommen hatte, entstanden; dies hält mich zwar nicht ab, solches trotzdem wieder zu thun, aber zwingt mich zu grosser Vorsicht und näherem Kennenlernen behufs Kenntnis-Erlangung, dass dadurch mein Schicksal nicht verschlimmert wird. Die Beschaffung des Lebensunterhalts spielt dabei gar keine Rolle!In Erwägung des Gedankens, ob ich Sie zu einem Anschluss an meine Familie einladen kann, müsste ich in nächster Zeit Näheres über Ihr Leben und Wesen erfahren. Diefenbach. (Beiträge 216)



Diefenbach am 10. Juli 1892 an Georgine von S. in Dorfen:

Die arme Idealistin, ein die heutigen Männer verachtendes Weib mit gewaltigem und feinem Gefühl war gestern (Samstag) nachmittags bei mir, schilderte mir durch Dokumente, soweit sie dieselben vor dem beabsichtigten Selbstmord noch nicht vernichtet hatte, ihr interessantes Leben; sie ist Damenkleidermacherin für feinste Kreise, kam 1885 zweimal zur Kaiserin, für welche sie arbeitete; ich prüfe sie auf die Fähigkeit, sich unter Deiner Leitung als Gouvernante für die Kinder heranbilden zu lassen; sie ist 4o Jahre alt, aber von jugendlichem Feuer, Böhmin. (B 216)



Diefenbach am 17. August 1892 an Professor Emil Ritter von Stoffela:

Unter den vielen Frauen, welche durch den Inhalt meiner Gemälde bis ins Innerste ergriffen mir ihr Seelenleid offenbarten und durch dieses Aussprechen zunächst ideale Erlösung suchten, gehört Fräulein Katharina Kolarik, welche, wie sie mir mittheilte, Sie seit einer Reihe von Jahren einer väterlichen Theilnahme würdigten. Auf meine Einladung besuchte mich Fräulein Kolarik öfter und theilte mir in idealem Vertrauen ihre eigenartigen Lebensverhältnisse mit. Durch ein solches mir von jedem tiefangelegten Menschen entgegengebrachte Vertrauen und durch die Erfahrungen meines eigenen Lebens habe ich trotz der relativ kurzen Bekanntschaft ein klares Urtheil über das eigenartige, von Alltagsmenschen für "verrückt" erklärte Wesen Fräulein Kolariks erlangt und bin entschlossen, ihrem Wunsche entsprechend ihr Anschluss an meine Familie zu gewähren. (B 216)



Widmung eines Gedichtbändchens an Diefenbach:

Meister K. W. Diefenbach

in innerster Ergriffenheit durch seine Gemälde gewidmet.

"Vision Fausts."

Das Unrecht, das je ein Mann an der Weiblichkeit verübt, die Schmach, das unsagbar innerste Wehe, die je ein edles Weib erduldet, das stumme Leid, das, um Hilfe und Erlösung flehend, zum Himmel aufstieg aus unzähligen Frauenseelen - es liegt in den Augen dieses "Gretchens".

Dank Dir, grosser Meister, hoher Mensch, für das, was Du mit diesem Bilde zur Erlösung des Weibes gethan hast! Was kein Mund und keine Feder mit Tausenden von Worten als Anklage zu sagen vermöchte, der Blick Deines "Gretchens", der thränenlos und stumm in das Tiefste der Seele dringt, ob der entblätterten Rose, erhebt laut durch die Welt die Anklage gegen Milliarden geheime Verbrechen, die das Weib schweigend erduldet und erlitten.

Nicht ein Weib - der Genius der Menschheit segnet Dich für diese That!

Marie Knitschke (B 218)

Gretchen oder Vision Fausts


Diefenbach feiert seinen vierundvierzigsten Geburtstag.

Auch der Eintritt in mein vierundvierzigstes Lebensjahr brachte mir noch nicht die so heiss ersehnte Erlösung. Meine Kinder und ein Kreis feinfühlender Menschen boten mir in Verbindung mit Fräulein Bachmann zu meinem diesjährigen Geburtstage solche Erquickung, welche mein Auge den ganzen Tag nicht trocken werden liess. ... Die arme Katinka Kolarik, welche ich so bald durch einen so tragischen Tod verlieren sollte, hatte meine vor drei Jahren von einem Schüler Zumbuschs modellierte Büste mit einem Lorbeerkranze umgeben, dessen weisse Schleife die Widmung trug: "Dem Bahnbrecher einer neuen Zeit!" (Das Hohngelächter aller Philister wird dieser "eitlen" Anmerkung folgen.) (B 577)

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