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Karl Wilhelm Diefenbach (1851-1913) Diefenbach in italienischer Sprache Dritter Teil: Todesjahr 1913 Das
letzte Jahr Im
letzten Jahr seines
Lebens ist der Maler Diefenbach von einem Kranz von Frauen umgeben.
Mehr als
ein Dutzend weiblicher Wesen umschwärmen ihn. Der Mann, dem das
weibliche
Geschlecht bis dahin fast nur Unglück und Leiden bereitet hatte - seine
beiden
Ehen waren in bitteren Qualen gescheitert - , der weder schön ist noch
gesund
noch reich, den seine Kinder verlassen haben, den der eigene Sohn auf
der
Straße anspuckt, der als Künstler in Deutschland vergessen und als
Naturapostel
aller Welt ein Hohn ist - dieser Mann im härenen Mantel, mit dem
zotteligen
Haarbusch und struppigen Bart, den tiefliegenden Augen, den
durchfurchten
Wangen: er übt noch immer, oder vielleicht mehr als je, eine
magnetische
Anziehungskraft aus, die immer wieder Menschen, und besonders Frauen,
in seinen
Bann zieht. Eine
bewegte, ja grausam
zerrissene Vergangenheit in Liebessachen liegt hinter ihm. Noch 1903
hatte er
ein Bild gemalt, eine vielköpfig züngelnde Schlangenarmada, vor der ein
verzweifelt tapferes Menschlein abwehrend seine Hände hebt. Vergeblich!
Gegen
die Übermacht des giftgeschwollenen Triebwesens wird er kaum eine
Chance haben. Im
Kampf mit niederen Gewalten 1903 In
seinen letzten
Lebensjahren malt er mehrfach, in immer neuen Anläufen oder
Wiederholungen, ein
anderes Bild: das Schlangenmädchen. Ein Mädchen, dessen hüllenlose
Leiblichkeit
sich ganz in Licht zerlöst, spielt hingegeben, zärtlich und neckisch
mit einem
schlanken, schuppigen Tierlein, das sich um ihre Arme ringelt und mit
schmalem
Kopf und spitzer Zunge ihrem Gesicht entgegenzüngelt: eine Schlange.
Verschwunden die Angst, das dräuende Verhängnis, das Ausgeliefertsein
an eine
umschlingende und erstickende Macht. Aus dem Kampf ist heiteres Spiel
geworden,
ein lächelndes Sichinsaugeblicken. Eros droht nicht mehr, Eros
leuchtet, Eros
lächelt. Das
Schlangenmädchen 1913 In
diesem Zeichen
stehen auch die zwölf Begegnungen seines letzten Lebensjahres. Tragisch
und
heiter, schmerzhaft und doch tröstlich haben sie den ganzen Ernst und
die ganze
Leichtigkeit eines Spiels zwischen Leben und Tod. Noch einmal die
Liebe, noch
einmal und immer wieder der Verlust, der nun schon eine fast gekonnte
Einübung
ist in den geahnten größeren Abschied. Die Blätter glühen und flammen
in Rot
und in Gold, doch ein leichter Nachtwind bricht sie, der Sturm jagt sie
wirbelnd davon. Herbstsonne und Herbstwind, die Dunkelheit vor Augen.
Aber noch
umschmeichelt das Schlänglein die Hand, wärmt die Hand das Schlänglein,
senkt
sich zärtlich und mild das Auge des Mädchens in den starrenden
Tierblick.
Zu
Anfang des Jahres 1913
macht sich Diefenbach die Hoffnung, in einer Verehrerin aus Wiener
Zeiten die
so dringend gesuchte Lebensgefährtin zu finden. Frau Agnes Bogler von
Plankenberg hatte ihm vor rund zwanzig Jahren, angeregt von seinem
Gemälde ‚Vision
des Erdenpilgers‘ (das leider
verschollen zu sein scheint), ein innig verehrendes Gedicht gewidmet.
Aus ihren
Worten lässt sich der Inhalt jenes Bildes einigermaßen vorstellen. Es
dürfte
sich um eine Variation des bekannten Christusbildes von
Höllriegelskreuth
gehandelt haben. ...Entsagung
lehrt das bleiche
Christusbild Entsagung
ist das Thema,
das Frau Bogler anspricht, und Entsagung ist auch das Thema, das
Diefenbachs
letztes Lebensjahr durchzieht. Freilich geht dem Entsagen die Hoffnung,
das
Begehren voraus – und die schmerzliche Enttäuschung. So auch im Falle
von Agnes
Bogler. Am 27.
April 1912 hatte er ihr erstmals geschrieben. Er hofft auf ihr Kommen
und
zugleich auf das seiner Tochter Stella mit ihren Kindern. Wertgeschätzte
Frau
Bogler!
Capri 27. IV. 1912 Mit
hoher Freude und
Hoffnung erfüllte mich die Mitteilung meiner Tochter, daß Sie den
Wunsch
ausgesprochen haben, den Abend Ihres Lebens an meiner Seite zu
verbringen.
Welchen hohen Lebenswert für mich die Gegenwart einer feinfühlenden
älteren
Frau, die mir Verständnis und Vertrauen entgegenbringt, in meinem Hause
hätte,
ersehen Sie aus den meiner Tochter übersandten Blättern meines
Tagebuches. Ihr
Wunsch - eine wahre Fügung des Himmels - macht nicht nur das
Hierherkommen der
Kinder meiner Tochter überhaupt möglich, sondern er wird, dessen bin
ich fest
überzeugt, in kurzer Zeit die Alles lähmende Disharmonie, welche mich
jetzt
noch umgibt, lösen und in dauernde Harmonie, der Klarheit und Reinheit
meines
Lebensgedankerns entsprechend, verwandeln. Kommen Sie bald mit den
beiden Kindern! Hier werden Sie gesund und wieder
jung werden und jeder Tag wird Ihnen in der Frucht meines alsdann von
furchtbarem Drucke befreiten Schaffensdranges Ihr Hiersein als Segen
empfinden
lassen. Der
Geist meiner Mutter,
unter deren Bild ich dies schreibe, grüßt Sie, sowie in sehnlicher
Erwartung das "Ungeheuer" Diefenbach.
Wirklich
war Frau Bogler etwa Mitte Oktober nach Capri gekommen und hatte im
Hause von
Stella und Paul von Spaun Wohnung bezogen. Nach einem Aufenthalt von
zweieinhalb Monaten war sie jedoch nach Wien
zurückgekehrt. Grund für ihren Rückzug war
anscheinend ein Vorfall im
Hause Paul von Spauns. Ein junges Mädchen, Minna Szymanzik, das dort zu
Gast
war und Paul Modell gestanden hatte, war vo n ihm verführt worden. 8.
1.
1913 Dfb an
Frau Agnes Bogler von Plankenberg,
Podgora via Gorizia, Austria.- (Wien
XV, Löhrgasse 2) Wertgeschätzte
Freundin!
Zu solcher sind Sie mir geworden in des Wortes tiefster Bedeutung in
den leider
nur zu kurzen Stunden unseres Zusammenseins vor Ihrer Rückreise nach
Österreich. ... Graser sowie
Frau waren über die
durch ein Schreiben Ankenbrands an
ersteren ihnen bekannt gewordene
Untat Spauns
derart entrüstet, daß sie erklärten, in
dessen Haus nicht länger bleiben zu können; sie sind beide jetzt in dem
oberen
Hause bei mir, wobei ich trotz dem Werte solcher Hilfskräfte für mich
bedauere,
daß meine Tochter dadurch die ihr so wertvolle Hilfe Frau Beckmanns
verloren hat. (Tgb
31, S.14f.) Georg
Graser wie auch Eugen Beckmann mit Frau gehörten zu einer Gruppe von
wandernden
Lebensreformern, die unter der Führung von Ludwig Ankenbrand auf dem
Weg nach
Indien waren. Sie besuchten Diefenbach im Herbst 1912. Nach dem Vorfall
mit
ihrer Wanderkameradin Mina Symanzik – sie wurde von Paul verführt und
nahm sich
das Leben! – trennten sich Graser und Beckmann mit Frau von der Gruppe.
Sie
blieben zunächst bei Pau von Spaun, wurden dann Mitarbeiter bei
Diefenbach.
Eugen Beckmann führte ihm bis Mitte Juni das Tagebuch, zog anschließend
nach
Ascona. Graser diente dem Meister bis zu dessen Tod. 11.
1. 1913
Eugen Beckmann im
Tagebuch: Rastloses
Schaffen wie immer. Für den Meister gibt es
keine Ruhe und seine Erholung besteht lediglich in der Abwechslung.
Hierin
liegt wohl das Geheimnis schier unerschöpflicher Kraft. Außer den schon
in
einem vorhergehenden Abschnitt des Tagebuchs erwähnten Gemälden "Gretchen",
das "Mädchen
mit der Schlange", "Cap Diefenbach",
"Polyphem",
"Brückenbogen
bei den Faraglioni",
an deren Vollendung der Meister arbeitet, hat er sich noch fünf Bilder
des "Mädchens
in der Meeresbrandung"
herausstellen lassen, um sie mit den anderen in Angriff zu nehmen. Des weiteren sind einige früher
angefangene Gemälde, die der
Meister nicht fertigstellen will, herausgestellt worden, um als
Leinwanden zu
ganz neuen Gemälden zu dienen, wozu der Meister einige photographische
Studien
Grasers benutzt. Werkstätte und Wohnraum haben kaum Platz für all das
in Arbeit
befindliche, das Klavier wie der Ofen sind vollständig eingebaut von
Bildern. Mädchen
in der Meeresbrandung
1913 23.
1. 13 Brief von Frau
Last aus Wien. Die
Frau macht dem
Meister Vorstellungen wegen Marie Vogler,
die krank, sich nach Wiedervereinigung mit dem Meister sehne … Bildnis seines Vaters
weiterzuarbeiten ... ...
daß der Meister eine Erneuerung der Zeitungsbezüge
vom "Vorwärts", der
"Lese", "Hammer" und den "Kladderadatsch"
wünscht, was Helios schon
lange versprochen habe. KB 31, 69f. 25.
1. 13 Auf dem
Rückweg treffen wir nahe bei seiner Wohnung
Dr.Munde [Axel Munthe!], der vor nicht
langer Zeit mit der Königin von Schweden die
Ausstellung besuchte und nach dem
Meister fragte, der damals aber noch krank im Bett lag. Auf die in der
Neuen
Universität in Neapel
verbrachte Schaffenszeit hinweisend,
ladet der Meister Dr. Munde zum Besuch in seiner Werkstätte ein, für
welche
Einladung dieser herzlich dankt." KB 31, 70f. 26.
1. 13 Beckmann
im Tagebuch:Besuch
eines jungen Journalisten ... der einen Aufsatz über den Meister in dem
größten
Kunstblatt Italiens "Emporium"
veröffentlichen will. Da der
Artikel bereits abgesandt und angenommen ist, wird er dem von Lovera
zuvorkommen. KB 31, 68 27.
1. 13 Beckmann
im Tagebuch: Am
Morgen hat der Meister noch einen Zusatz zu dem Briefe an Frau
Last diktiert und liest dann, um seinem Sohne Helios
antworten zu können, dessen letztes an
ihn gerichtetes Schreiben vor. Ich weiß nicht, ob es möglich ist, mit
Worten
den Eindruck wiederzugeben, den dieses Schreiben auf mich gemacht.
Selten hat
mich etwas so erschüttert und bis in die tiefste Seele berührt. Es ist
mir, als
höre ich den Schrei eines Ertrinkenden, ja mehr: Ein wollender Sohn,
ein Kind,
das nichts sehnender wünscht, als seinen Vater mit der innigsten
Kindesliebe zu
umfangen, fleht um die Beweise väterlichen Vertrauens, um den Ausdruck
seiner
Gegenliebe bei einem Vater, dessen Herz und Seele überschwellen nach
dem
Verlangen, den Sohn als solchen in die Arme zu schließen und an die
väterlich
fühlende Brust zu drücken. ... Den Weg zur Vereinigung zu finden, das
kann nur
die Aufgabe des Meisters sein. ... Ein warmer Händedruck, ein sich in
die Augen
schauen, ... und nur die wenigen Worte: "Mein Sohn! Du sollst an meiner
Liebe nicht zweifeln!", das würde hier mehr vermögen, als die beste und
eingehendste Erklärung des tragischen Verhältnisses. KB 31, 72f. 28.
1. 13 Dfb schreibt
einen 15seitigen Brief an Helios:
Helios! Dein
mir herunter
gesandtes Schreiben bestätigt mir ... daß Du ... gegen mich weiter
rasest, wie
seither. ... Frau Bogler, welche gleich mir entsetzt
und empört ist über die Handlungsweise Spauns
... lehnt die Erfüllung meiner an Sie gerichteten Bitte, zur Rettung
Stellas und
ihrer Kinder dieser das Resultat
ihres 2 1/2 Monat langen Aufenthaltes in ihrer Familie brieflich
vorzustellen,
mit der Begründung ab, zwischen Eheleute dürfe und könne kein Dritter
sich
einmischen ... Inzwischen
gab ich
Beckmann und Graser
Anweisung, die Vorräume meiner
Werkstätte zu einem Wohn- und Schlafzimmer für sie einzurichten sowie
zur
Aufstellung der von Neapel herübergebrachten 32 neuen Gemälde, zu
räumen. ... Du
scheinst keine
Kenntnis davon zu haben, daß Drießen von
seinem Vater auf falsche
Denunziation des Münchener Polizeipräsidenten im Verein mit dem
dortigen
Universitätsrektor unter brutaler körperlicher Mißhandlung und
sonstigem Zwange
mit Gewalt von meiner Seite gerissen und gezwungen wurde, in Berlin
unter
Aufsicht seines älteren Bruders seine medizinischen Studien zu beenden
und den
Doktortitel zu erwerben; daß Drießen dort dem fanatischen Einfluß des
Theosophen Dr. Hübbe-Schleiden,
welcher in seinem Wahnsinnsfanatismus
auch verhängnisvoll an Deiner Entreißung von mir beigetragen und das
treulose
Verlassen des "Fidus" gegen mich bewirkt hat, nicht blos irre an mir
sondern irre am Leben sowie an der Menschheit gemacht wurde, sodaß
dieser von
seiner blühenden und strahlenden Apostelgestalt zu einem grämlichen
asketisch
ausgehungerten Jammerbild wurde und sich in solcher Verzweiflung am
Leben bei
einer Leichensektion absichtlich verwundete, mit Leichengift infizierte
und
daran nach einigen Tagen starb, worüber mir mit Namensunterschrift drei
seiner
Studienkollegen öffentliche Zeugenschaft zu meiner Verteidigung gegen
die von
Drießens Eltern sowie von mir gehässigen Zeitungsschreibern wider mich
erhobene
Anklage der Verschuldung seines Todes anboten. ... Daß
dieser
kraftstrotzende Jüngling, der in sorgenlosen äußeren Verhältnissen
leben
konnte, auf solche Weise und so schnell zugrunde ging, beweist, daß er
mit
seinem Geist und mit seiner Seele von meiner klaren Lebens-Erkenntnis,
Lebens-Betätigung und Lebens-Bejahung durch den
theosophisch-buddhistischen
Wahnsinn einer Lebens-verneinung zur Vermeidung weiterer irdischer
Wiedergeburten und zur raschesten Erreichung des "Nirvana" entrückt
und "verrückt" gemacht worden war. KB 79-83 Diefenbach
mit Otto Drießen um 1884 Wenn
Graser
seither fast nur Lilli in der
Küche geholfen hat, das Essen für
uns zu bereiten, was ebensogut durch eine schwächere Hilfskraft
geschehen könnte,
so lag das nur daran, daß ich ihn mangels einer Dunkelkammer nicht mit
photographischen Arbeiten derart beschäftigen konnte, als für mein
künftiges
Schaffen und Streben erforderlich ist. Tgb 31, S. 85 16.
2. 13 Dfb an Lucidus in Grünwald,
Villa Ceconi: Dein
Schreiben vom 23.
XII. traf mich nach 5monatlicher Abwesenheit von Capri ...
Am 5. August flüchtete ich weg von
hier, Helios ein
Schreiben zurücklassend mit der
Erklärung, daß es mir unmöglich sei, noch länger eine solche
Gegenstellung
gegen mich zu ertragen ... Nach einem mehrtägigen Aufenthalt in Palermo nach
Neapel zurückgekehrt ... Ich nahm
meine vor 3 Jahren abgebrochenen Schritte zur Erwerbung Baias wieder
auf. In
noch nicht übergebenen Räumen der neuen Universität fand ich auf
Empfehlung des
Erbauers derselben (Prof. Lomonaco) eine
Asyl-Werkstätte, in welcher ich
... einen Cyclus großer Gemälde zur Darstellung meiner Baupläne begann ... Die zügellose Laster-
und
Verbrechen-Betätigung von Nietzsches Satz:
"Jenseits von Gut und
Böse" von Seite Spauns, die Billigung und Unterstützung solchen
Wahnsinn-Treibens von Seite Stella's und
die Erziehung ihrer Kinder in diesem
Geiste, statt in dem meinigen, wozu Stella mir ihre
Kinder zuführen
wollte ... Am
23ten Dezember kehrte
ich ... nach Capri zurück ... Stella gibt
auf mein noch in Neapel an sie
gerichtetes und ihr
dort persönlich
übergebenes Schreiben zur Warnung vor dem Abgrund, den sie mit ihren
Kindern in
ihrem blinden Folgen des Nietzsche-wahnsinnigen Spaun entgegentreibt,
ebenfalls
keinerlei Antwort und hat nebst ihren Kindern meine Schwelle seit
meiner Rückkehr
hierher nicht betreten. In
solcher Lage gehe ich dem Beginn meines 63ten Lebensjahres entgegen! (Tgb
Nr.31, S.143-145) Diefenbachs
letzter, jahrelang verfolgter aber unerfüllter Wunsch: 16.
2. 13
Beckmann an August Machner, Capri: Wie
kommen wir nur dazu,
unseren Geist durch Buchstaben totschlagen zu lassen, wo uns Gott das
herrliche
Geschenk der Vernunft gab? Sehen Sie, Herr Machner, hier trennt uns
eine Welt.
Für uns ist Gott nicht das Scheusal, zu dem ausgestoßene Parias, die
Juden, ihn
nach ihrem eigenen widerwärtigen Charakter sich formten, für uns hat er
sich
nicht nur einmal während des ganzen Weltgeschehens in Christus
geoffenbart, um
dann in ihm zu sterben, während die Menschen die tote Form anbeten. Für
uns
lebt Gott noch heute in jedem Ding im All und er offenbart sich jedem,
der
Augen hat zu sehen, Ohren zu hören, heute und morgen und wieder morgen.
Wo
immer ein Vöglein singt in jubelnder Lust, vernehmen wir Gottes Stimme,
wo
immer ein duftendes Blümlein erblüht, sehen wir seine Allmacht. So
erfassen wir
die Gottesidee. In jedem Würmchen, in jedem Grashalm sehen wir den
Gott, den
wir Natur nennen. Und wo der Mensch, sein Ebenbild, den Willen Gottes
tut, im
Einklang mit der Natur lebt, wo er Gottes Gebote erfüllt, in allem
Lebenden
seine Mitgeschöpfe sieht, deren Leben ihm heilig sein soll, denn Gott
hat sie
gleich uns geschaffen, und die zu schützen und zu lieben seine Pflicht
ist,
denn Gott träufelte Mitgefühl und empfindende Liebe in unser Herz, da
kommt das
Göttliche in seiner höchsten Offenbarung zur Erscheinung. ... Das ist
unser Evangelium:
Streift alle Fessel der Lüge ab, mit
der andere und ihr euch umgarnt, gewinnt euch die schuldlose
Natürlichkeit des
Kindes zurück und das Himmelreich eines reinen natürlichen Lebens
erschließt
euch seine Pforten. ... Aber
abgesehen davon kann
und wird keiner Meister Dfb den Meistertitel absprechen, der weiß, in
welcher
Weise er der gesamten Lebensreform den ersten Anstoß gegeben und sie
geführt
hat. Tgb 31, S.139-141 14.
2. 13 Dfb an Frau
Bogler: O, könnten Sie doch, wie Stella
irrtümlich annahm, Ihren Lebensabend mit
dem meinigen vereinen! Sie könnten den mich
umtobenden Sturm
beschwichtigen! Tgb
31, S.125 14.
2. 13 Beckmann an
Gotthold Niemeyer: Eichner macht
dem Meister noch interessante
Mitteilungen. Zuerst über einen ideal veranlagten vermögenden
Architekten in
Krefeld [Karl Buschhüter], der es verschmähend, auch gegen noch so hohe
Entschädigung seine Fähigkeiten an den gewöhnlichen Zinshäusern zu
verschwenden, schon hunderttausende zum Bau eines "Gotteshauses der
Menschheit" geopfert habe. Da aber dessen Überzeugung sei, daß die in
seinem Gehirn lebenden Idealgedanken nur in seiner Heimat, der er
entsprossen,
Verwirklichung finden könne, würde er sich wohl für die
menschheitlichen Pläne
des Meisters in höchstem Maße begeistern, sich ihm aber doch nicht
anschließen.
Indessen würde dessen Arbeitsgehilfe, Architekt Erler, sich gewiß mit
Freuden
an den Plänen beteiligen und die architektonische Ausführung
übernehmen, weil
es ihn schon ohnehin nach dem Süden ziehe. Dann
erzählt Eichner noch
von einem Herrn [Carlo] Vester, der
auf Samoa ein
großes Anwesen am Meer mit eigenem
Hafen in großartiger Weise angelegt hat, seine Ländereien aber verließ,
um sich
Hilfskräfte und eine Frau zu holen. Eichner will im Sommer von Ascona mit
Vester und Erler den
Meister besuchen. Sollten
wider Erwarten
sich der Erwerbung Baias ...
unüberwindliche Hindernisse
entgegenstellen, so könne, so meint Eichner, der Meister seine Pläne ja
auch
auf Samoa zur Verwirklichung bringen. Obgleich
nun aber der Meister weiß, daß innerhalb der heutigen Gesellschaft eine
Gesundung der Verhältnisse nicht zu erreichen ist und er schon selbst
in
früheren Jahren mit einer größeren Anzahl in seinem Sinne lebender
Menschen und mit
Findelkindern, die dort
erzogen werden sollten, nach einer einsamen Robinsoninsel in der Südsee
auswandern wollte, welcher Plan aus
pekuniären Gründen nicht zur Ausführung kam, will
der Meister doch
zunächst seine ganze Kraft auf die Gewinnung Baias konzentrieren, weil
ihm
dieses die gleichen Vorteile der Isolierung bietet, dabei aber doch
näher der
Zivilisation liegt. Tgb
31, S.130f. Carlo
Vester
vom Monte Verità 27. 2. 13
Dfb an
Ottilie Klein und
Emmy Hack: Frau
Agnes Bogler van Plankenburg, Schriftstellerin, Görz ... Lesen Sie
Seite 216
I.B. meines "Beitrag ... das
Gedicht, das Frau B. vor 21 Jahren meiner Narrheit widmete und
verbessern Sie
dabei den Druckfehler der ersten Zeile: "Ergriffen steh
ich"
statt "floh'" ich. Tgb 31, S.191 7.
3. 13
Brief Beckmanns
an Herrn Nicolaus: Einzelheiten
über Dfbs Maltechnik und Verhältnis
zu seinen Schülern.
Tgb 31, S.210-212: … sind
alle seine Gemälde
... auf die Leinwand projizierte Philosophien, gemalte Symphonien. Der
Meister
wertet ein Kunstwerk vor allem nach seinem geistigen Inhalt; enthält es
nicht
irgend einen hohen menschheitlichen Gedanken, der die Menschheit
höherzuführen
vermag, so ist es nicht als solches, sondern als Künstelei anzusprechen. … Das Verhältnis des
Meisters zu seinen Schülern
bewegt sich in den von den alten Meistern der Kunst beschrittenen
Bahnen. Da
seine Kunst der Ausdruck seiner innersten Überzeugung ist, fordert er
von
seinen Anhängern als erste Bedingung, daß sie sich bezüglich ihrer
Lebensführung auf die durch ihn vertretene natürliche Grundlage stellen. 7.
3. 13 Beckmann an
Karl Werner: Sie
haben gewiß den Aufsatz [Ludwig] Ankenbrands mit
dem gehässigen Angriff auf Meister Dfb gelesen. Tgb Nr.31, S.213 13.
3. 13 Eugen Beckmann kommen
Zweifel, weil so viele
kostbare Zeit mit endlosen Schreibereien vertan und damit dem
künstlerischen
Schaffen entzogen wird. Anzeichen von Enttäuschung. Die
Meeresbilder drücken
nach den wenigen Stunden, die der Meister auf ihr Ausreifen verwenden
kann,
eine immer reichere Poesie aus. Auch die Bilder des Mädchens mit der
Schlange
reifen zu immer höherer Vollendung aus. ... Am 3. 3. kam Helios, dem
ich ausrichten sollte ... herunter
und machte seinem Vater Vorstellungen ... Gläubiger ... Hinausschieben
der
Wechsel erreicht ... Der Schlaf flieht ihn und er sucht den Martern der
Schlaflosigkeit durch Lesen oder ... Schreiben zu begegnen. ... Am 13.
3. teilt
Graser dem
Meister mit, daß er in den nächsten
Tagen fort wolle. ... die augenblickliche pekuniäre Schwierigkeit ...
Die
Briefe an die Käufer seiner seitherigen Gemälde sollen möglichst bald
abgehen.
Meister ist überzeugt, daß sie sicher 50 000 Mark einbringen als
Vorauszahlung
für Gemälde, an deren Vollendung er gegenwärtig arbeitet, welches Geld
zur
Erreichung Baias zur Beseitigung der augenblicklichen Mißstände
ausreicht. ...
Zum anderen habe sie (Stella) aber
auch der letzte Aufsatz in der
"Vegetarischen Warte" zurückgehalten, in der man die Schuld an dem
Vorkommnis mit der Mina Symanzik nur
ihrem Mann zuschiebe.
Tgb 31, S.235-240 Paul
von Spaun wohnte mit seiner Familie in der Villa Ferraro, ganz in der
Nähe der Villa
Camerelle. Dfb hatte
dieses Haus für 20.000
L. gemietet, nachdem ihm die Casa Grande mit 50.000 L. Miete zu
kostspielig
geworden war. Daraufhin erniedrigte der Besitzer der Casa Grande seine
Forderung auf 30.000 L. - und
Dfb behielt beide Häuser. Der monatlich aufzubringende Geldbetrag blieb
sich
also gleich. 16.
3. 13 Gestern
kam ein äußerst achtungsvolles und
liebenswürdiges Antwort-schreiben von Dr.Jörg Lanz v. Liebenfels ...
Von der Paumgartnerschen
Schrift, die 1912 gedruckt ist, hat
er außer Korrekturabzügen nichts gesehen. ... Er arbeite gegenwärtig an
einem
"Ostara"-Heft (Nacktkultur und Rassenkultur), in dem er den Meister
erwähnen und sein Bild bringen will. ... Jeder tschandele habe beim
Weibe
"Glück", der Arier, der heldische Mensch stets "Pech". Tgb
31, S.244f. 21.
5. 13 Beckmann im Tagebuch: Am
18. kam die Todesnachricht über
Dr.Bönisch,
der schon
am Pfingstmontag, 12.Mai, gestorben ist. Tgb 31, S.371 Der Natuarzt Dr.Emil Boenisch, 30.
5. 13
Beckmann
im Tagebuch:Frau
Bogler berührt die Gründe ihrer plötzlichen Flucht von Capri und führt
aus, daß
sie dem Satze: "Alles erkennen heißt alles verzeihen" nicht unbedingt
beistimmen könne. "Es liegt die Schuld oft weniger in der begangenen
Verirrung an sich, sondern wie sich der Mensch zu ihren Konsequenzen
verhält.
Aus dem langen Schreiben geht hervor, daß Frau Bogler jede Achtung,
jedes Vertrauen
Spaun gegenüber verloren hat. Tgb 31, S.385
21.
6. 13
Dfb aus Sorrento, Hotel Lorelei: Wie
durch eine Himmels-Fügung gab mir
der Besuch von M. von Soldatencow und
besonders M. von Tschelischeff die
Möglichkeit, Capri für einige Zeit
zu meiner Erholung zu verlassen ... Da alle meine Vorstellungen seit 20
Jahren
nicht vermocht haben, Dich jenem Banne zu entziehen, der Dein wie mein
Leben
verwüstet, so bleibt zu unserer beiderseitigen Rettung nichts anderes
übrig,
als unsere Lebens-Trennung. Ich stelle es Dir anheim, Dir entweder in
gänzlicher Loslösung von mir eine eigene Existenz zu gründen oder nur
äußerlich
getrennt von mir eine permanente Ausstellung meiner Gemälde in Paris zu
schaffen und zu leiten, welche Dich
wenigstens in innerer Verbindung mit mir zu erhalten vermöchte. (424) An
Mina müssen vor Ablauf des Monats 100 L. geschickt werden; wenn möglich
auch
die gleiche Summe für deren Schwester bis ich auf andere Weise dafür
sorgen
kann. Tgb 31,
S.426 Anrufung
(Villa Cortschacow, Sorrent,
Ausschnitt) 21.
6. 13 Dfb an Stella:Zu
meinem Entsetzen mußte ich vor meinem Weggehen von
Capri 5 Wechsel über 3000 L. an Lancelotti unterschreiben, die wohl zum
größten
Teil durch Deine Hauswirtschaft mir zur Last fallen. - Über die
Stellung Deines
Mannes gegen mich,
welche Du
"Kleinigkeiten" und "Recht" nennst, finde ich keine Worte
mehr. Ich empfinde die Stunde, in welcher dieser Mensch meine Schwelle
betrat
als ebenso großes Unglück für mein Leben, als die Stunde, in welcher
Deine
Mutter wie eine Schlange sich mir näherte. ... Fahre nur fort, diesem
wahnsinnigen Rabulisten ins "Jenseits von Gut und Böse" zu folgen und
mir dadurch ins Gesicht zu schlagen; Du wirst Gräßliches dafür an ihm
und
Deinen in solchem Geist erzogenen Kindern erleben! Ich werde nicht
früher nach
Capri zurückkehren, als bis Du mit Deinen Kindern die Insel wieder
verlassen
hast. Mit blutendem Herzen Dein
Vater.
Tgb 31, S.426 2.
7. 13
Dfb aus Sorrent
an Madame Olga de
Tschelischeff, Villa Siracusa: Wertgeschätzte
liebe
Freundin! So darf und so muß ich Sie wohl trotz der Kürze unserer
Bekanntschaft
und trotz der Gegensätze in unserer Lebensstellung nennen bei der
innigen
Teilnahme, welche Sie mir und meinem unglücklichen Sohne Helios in
unserem tragischen Verhältnis
zueinander entgegenbringen. ... Ich male jetzt als erstes der in meinem
tragikomischen Aufenthalt in Villa Siracusa ... zur Betäubung meiner
Seelenmarter begonnenen Gemälde den Sonnenuntergang, zu welchem Sie
mich eines
Abends rufen ließen: ein sprechendes Sinnbild der untergehenden Sonne
meines
Lebens, umdüstert von dem dem Vulkan (Helios!) entquellenden
Sturmgewölke. -
Ich bleibe so lange hier wohnen, bis Helios Capri verlassen haben wird. ... umarmt Sie
im Geiste der "Narr von
Capri", das "Ungeheuer" D. Nachsatz
für
Helios: ...
Ich werde so lange hier bleiben,
bis Du Capri verlassen haben wirst. Mit blutendem Herzen Dein Vater Tgb 31, S. 427 und 429 Sonnenuntergang am Monte
Solaro
1913 5.
7. 13
Dfb. an Ottilie
Klein und Emmy Hack: Es
grüßt Sie zum letzten
Male das Ungeheuer D. Tgb
31, S.430
Die Schwestern
Abels wohnten seit mindestens 1904 auf Capri.
Alma Abels, die jüngere der beiden, übernimmt 1905 zeitweise die
Haushaltung
Diefenbachs. Nach ihrer Entlassung verbreitet sie „selbst erlebte
Tatsachen“,
die Dfbs Don-Juanismus belegen sollen. Grund für ihre Entlassung war
angeblich
ihr „ geradezu beängstigendes, leidenschaftliches
Eintreten für Helios“. Dfb schildert sie als
„ältere(s) Fräulein, Deutsch-Russin von hoher Bildung und Intelligenz,
aber
voller Vorurteile gegen mich und gehässiger Geringschätzung gegen meine
Frau
und gegen deren Schwester. Dieses Fräulein
Abels ist trotz oder vielmehr durch ihre guten Eigenschaften zu einem
entsetzlichen enfant terrible für Helios geworden, durch dessen
Einfluss auf
ihn er immer weiter von mir getrennt und in einer Lebensweise bestärkt
wird,
welche zum Ruin führen muss“. Seit 1911 kommt auch Ada „Abels fast
täglich in
mein Haus, teils um Mina in Vervollkommnung ihrer fremden Sprachen,
bes. der englischen,
sowie im Klavierspielen fördernd, teils mir in meiner Werkstätte den
Verlust
Maries ersetzend, wozu sie durch ihre hohe künstlerische Begabung und
Vorübung
in hohem Grade fähig und,
zu ihrer
eigenen Vervollkommnung im Malen sowie aus ihrer Empfindung für meine
Kinder,
sehr gerne bereit ist. ... so empfinde ich umso schmerzlicher die
Dissonanzen
ihrer allgemeinen Welt- und Lebensanschauung gegen die meine nach
vielfacher
Richtung“. Das Verhältnis zu den Schwestern Abels bleibt trotz
nachbarschaftlichen
Verkehrs zwiespältig und gespannt. Die Schwestern stellen sich auf die
Seite
von Helios und insofern gegen den Vater. 16.
12. 1904 Dfb aus
Capri an Mina: ... Dieser Tage ist d.2.Nummer
v.d. neuen spiritistischen Zeitschrift "Luce ed Ombra" unter Deiner
aufgedruckten Adresse gekommen, hast Du sie bestellt? - D.
"Schönheit" kommt nicht mehr, seit wann ist d. Ab. erloschen? ...
Auch der neue Pächter zeigt sich Abels gegenüber ... als Schurke. (Briefe Vogler; Tgb 22) 24.
1. 1905 Marie
Vogler nach Wien abgereist. Mina
Vogler, die seit Oktober 1904 sich in Rom aufhielt, wird zurückgerufen.
Bis zu
ihrer Rückkehr übernimmt Alma Abels Dfbs Haushaltung.
(Tgb
24, S.13) 31.
1. 1909 Unter
Schauern brachte mir das eben Erduldete alle
jene entsetzlichen Szenen ins Gedächtnis zurück, in welchen
"Doktoren", Mediziner und Juristen, die genau so wie Dr.Meier und
Fräulein Abels mich "achteten" und der Mutter Helios' auf deren teils
verständnislosen, teils teuflisch raffiniert verleumderischen
Darstellungen
meines "tyrannischen Wahnsinns" den dringenden Rat und die Mittel zu
dessen Ausführung gaben: "den Wahnsinnigen zu peitschen" und, als
dies nichts half und das vergiftete Brot, welches ich schon im Munde
hatte,
wieder ausgespien war, ehe es seine tötende Wirkung tun konnte, mir
auch den
damals 8jährigen Helios, der mit Liebe und Begeisterung an mir hing,
mit
"List und Gewalt" zu entreißen. (Tgb
Nr.27. Dfb am 31.1.1909 an Frau Emmy Meier-Gudolf in Capri) 4.
2. 1909 Dfb an
Frau E.Meier, Capri: ... wenn Sie wirklich
helfen wollen, meinen Sohn zu retten ... Dazu der Einfluß der beiden
Schwestern
Abels, von denen die jüngere eine "selbst
erlebte Tatsache" anführen kann und aller
Wahrscheinlichkeit nach
auch angeführt hat, die jenes in der ganzen heutigen Gesellschaft
verbreitete
Don-Juan-Urteil über mich als unzweifelhaft begründet und
unwidersprechbar in
den Augen oberflächlicher Menschen erscheinen läßt, eine Tatsache,
deren
rückhaltlose Schilderung in meiner Lebensgeschichte zu unterlassen oder
zu
bemänteln nicht die leiseste Ursache besteht.
(Tgb
Nr.27, S. 101) 5.
3. 1909 ... Anklage meines entarteten,
geistig und seelisch
nicht mehr zurechnungs-fähigen Sohnes ... Auf Ihre bei Ihrem letzten
Besuche
bei meiner Schwägerin vorgebrachte Frage nach dem Grunde der seinerzeit
erfolgten "Entlassung" des Frl. Alma Abels aus meiner Werkstätte,
gebe ich noch die Erklärung ab, daß diese "Entlassung" nicht das
geringste mit jener in einem meiner früheren Schreiben erwähnten, mich
dem
Scheine einer Don Juan Taten [?] aussetzenden "Tatsache" zu tun hat,
nachdem Fräulein Abels in völligster Ruhe monatelang direkt nach dieser
"Tatsache" an meiner Seite gearbeitet hat und diese
"Tatsache" weder für sie noch für mich ein Hindernis gewesen wäre,
daß sie noch heute oder für das ganze Leben an meiner Seite arbeiten
könnte.
... war ihr mich geradezu beängstigendes, leidenschaftliches Eintreten
für
Helios ... (Dfb an Frau ? In Tgb Nr.27) 10.
3. 1909 Dfb an
Lucidus: Nachdem
Du ebenfalls der
Meinung bist, daß mein Schreiben an Helios
vom 17.XII. die gegenteilige Wirkung auf ihn machen
mußte, als ich
gewollt, nachdem Dr.Meyer und Abels dies Schreiben als eine
"Lieblosigkeit" und "Scheusäligkeit" erklären und Helios
darauf (nach 3 Monaten!) noch keine Antwort an mich gefunden hat ...
Daß Helios
bei solchem Luderleben, das auch mir den Schlaf und jede Schaffenskraft
raubte,
mein Haus verlassen mußte ... (Tgb Nr.27) 25.
3. 1909 Dfb an
seine Schwester Elisabeth: ... Statt
dessen hat er (Helios) alles auf das Gräßlichste
verschlimmert und zum Äußersten getrieben, sodaß die Notwehr zur Erhaltung meines
Lebens seine Ausweisung erheischte.
- Zur Steigerung der Tragik seines von seiner Mutter von Grund auf
verwüsteten
Lebens fand er teilnahmsvolle Aufnahme bei einem älteren Fräulein,
Deutsch-Russin von hoher Bildung und Intelligenz, aber voller
Vorurteile gegen
mich und gehässiger Geringschätzung gegen meine Frau und gegen deren
Schwester.
Dieses Fräulein
Abels ist trotz
oder vielmehr durch ihre guten Eigenschaften zu einem entsetzlichen
enfant
terrible für Helios geworden, durch dessen Einfluß auf ihn er immer
weiter von
mir getrennt und in einer Lebensweise bestärkt wird, welche zum Ruin
führen
muß. Um nur ein Beispiel
dieses
gutgemeinten verderblichen Einflusses zu geben, erwähne ich die
Gewährung und
Billigung des entnervenden und herzlähmenden stinkenden Tabaklasters,
welches,
da "alle Männer" vom Kaiser und Papst (dem "Stellvertreter
Gottes"!) bis zum verkommensten Vagabunden ihm frönen, als förmliches
Attribut von Männlichkeit, als berechtigter Genuß, ja als "Bedürfnis"
erklärt wird ... (Tgb Nr.27) 31.
10.
1911 Tagebuch: Als eine der Bedingungen zu seiner
Rückkehr zu mir
forderte Lucidus die Änderung meiner seitherigen Stellung zu Ada Abels.
... so ließ ich
durch Mina brieflich
Frln. Abels zu einer Aussprache in meiner Wohnung einladen ... Infolge
dessen
kommt Frln. Abels fast täglich in mein Haus, teils um Mina in
Vervollkommnung
ihrer fremden Sprachen, bes. der englischen, sowie im Klavierspielen
fördernd,
teils mir in meiner Werkstätte den Verlust Maries ersetzend, wozu sie
durch
ihre hohe künstlerische Begabung und Vorübung in hohem Grade fähig und, zu ihrer eigenen
Vervollkommnung im
Malen sowie aus ihrer Empfindung für meine Kinder, sehr gerne bereit
ist. ...
so empfinde ich umso schmerzlicher die Dissonanzen ihrer allgemeinen
Welt- und
Lebensanschauung gegen die meine nach vielfacher Richtung. (Tgb
29, S.159) 21.
6.
12 Nachmittags
Abfahrt [von Stella mit Familie nach
Capri] vom Kalcherhaus
(Untergoin-Michelbach) mit der Postkutsche zur Bahn (zur Reise nach
Capri). (KB 26,
S.306; Brief
an Frl. Abels) 16.
2. 13 Dfb an
Lucidus in Grünwald aus der Villa Ceconi: ...
das unter dem Einfluß der polnischen Intrigantin Abels fortgesetzte
Rasen Helios' gegen mich ...
Helios kam 5 Tage vor Weihnachten zu mir, zuerst unter Rasen gegen mich
und
zuletzt in herzlichem Flehen mir den Untergang meines Werkes auf Capri
und
damit den seinigen vorzustellen, wenn ich nicht dorthin zurückkehrte. (Tgb
31,
S.144) 5.
7. 13 Dfb an
Frln. Ada Abels - hier: Verzeihen auch Sie
meine Belästigungen, die bald ein Ende haben werden. D.
(Tgb
31, S.430)
7.
7. 13 Dfb aus Sorrent
an Emilie Hexamer, Bad Kreuznach, 4 Uhr
morgens: Mein
Leben ist in Gefahr
und das meines unglücklichen Sohnes Helios. Die
Tragödie, welche der gemeine Geist
und die gemeine Seele der Mutter meiner Kinder über diese und über mich
verhängt hat, drängt jetzt dem Gipfel- und Entscheidungspunkte zu. Vor
3 Wochen
bin ich hierher vor dem nicht mehr ertragbaren Rasen meines zum
Werkzeug der
Rache des Weibes gegen mich suggerierten Sohnes geflüchtet. Am gleichen
Tag
verließ mich mein Secretär Beckmann mit seiner Frau, der die seit einem
halben
Jahre miterlebte Tragödie nicht mehr mitanzusehen vermochte. Allein,
ohne jede
Pflege, Hilfe und Aussicht wandte ich mich hierher, angeregt durch die
außerordentlich innige Teilnahme, welche eine vornehme Russin, die hier
bei
ihrer Freundin (Tochter des Fürsten Gortschakov) lebt
und meinen Sohn seit einem Jahre
mir zur "Versöhnung" mit diesem entgegen brachte. ... Ich
muß auf das Schlimmste gefaßt sein: Zuerst mir eine Revolverkugel ins
Herz und
dann sich selbst! Dieser Gefahr stehe ich schutz- und wehrlos
gegenüber. Im
Hotel hat natürlich niemand Kenntnis von dem wahren Zweck meines
hiesigen
Aufenthaltes ... Die fürstliche Villa ist 10 Minuten von hier entfernt
und als
Zufluchtsstätte gegen eine derartige Gefahr mir nicht zugänglich. ...
Warum ich
Dir, die Du mich nur 3mal flüchtig gesehen und gesprochen hast, dazu in
eigenem
schweren Herzeleid, all dies Gräßliche mitteile? Entscheidungsschwere
und
verhängnisvolle Frage an das Schicksal! - Alle meine seitherigen
Versuche,
meinem schreiendsten und brennendsten Lebensbedürfnis entsprechend ein
Weib
meiner Empfindungsart zu finden ... sind seither gescheitert. Mit
Schaudern und
mit VVV
zog sich
jedes daraufhin angesprochene Weib von mir zurück.
... - Da erschienst Du mir ... Du könntest,
gescheitert an Deinem Liebesglück, fähig sein, Dich an meine Seite zu
stellen?
Du schriebst mir zwar, daß Du "Hexe" genug seiest, nicht davor
zurückzuschaudern, zu mir zu kommen, mich zu pflegen und mit mir
künstlerisch
zu arbeiten, aber daß Deine Kindespflicht gegen Deine Mutter Dir
verbiete,
diese zu verlassen ... Sollte in Anbetracht meiner Lage
Deine Mutter nicht mit einer bezahlten
Dienstfrau an Deiner Stelle auskommen können?
(Tgb
31,
S.431-434) 9.
7. 13 An
Emilie Hexamer aus Sorrent:
…erklärte mir heute Frln. Abels ...
daß das sofortige Weggehen Helios'
überhaupt unmöglich sei ... Nachdem ich
selbst seine Ausweisung von Capri wie eine Art Todesurteil für ihn
empfinde,
suche ich dieselbe zu umgehen. Nachdem mir aber das persönliche
Zusammensein
mit ihm zur absoluten Unmöglichkeit geworden ist ... habe ich
beschlossen, abermals
1/2 Jahr fern von Capri zu leben und zu arbeiten, wie ich es im vorigen
Jahr,
aber vergebens, getan. Ich warte jetzt nur noch hier die Antwort von
Helios
sowie die Deinige ab, um dann sofort in der Nähe der Festung Baia (Golf
von
Pozzuoli) eine
ruhig gelegene Wohnung zu suchen,
in deren Räumen ich den großen Cyclus der vor. J. in Neapel begonnenen
Baia-Bilder aufstellen und vollenden kann. Die möglichst rasche
Vollendung
dieses Bildercyclus bietet die einzige Möglichkeit zur Überwindung der
bürokratischen und Geld-Hindernisse, in den Besitz der alten Festung zu
kommen,
der zur Lebensfrage für den Rest meines Lebens geworden ist. ... Ich
rechne so
sicher auf Dein Kommen zu mir. ... Hexe, hilf mir die Festung erobern!
(Tgb
31, S.
435f.) 11.
7. 13 Dfb. an
Frl. Adele Abels,
Capri: Da ich ohne Geld nicht nach Baia
oder sonstwo hingehen kann, kehre ich in meinen Kerker nach Capri
zurück. 11.
7. 13 Dfb an
Hexamer: Wenn Dir mein Leben lieb ist, eile mit der schnellsten
Möglichkeit zu
mir zu kommen, jeder Tag und jede Stunde kann mir einen Herzschlag
versetzen,
von dem ich mich nicht mehr zu erheben vermöchte! ... Geldnot ... Ich
brauche
ein Weib, das seelenstark und herzensweich sich zu mir stelle, ein
solches Weib
glaube ich in Dir gefunden, opferfähig eines jugendlichen Liebesdranges
nach
leiblichem Genuss und Mutterfreuden, die mein gebrochnes Alter nicht
mehr geben
kann. Das Schicksal, das nur kurzen Liebesrausch Dir gönnte und das
Dich zu mir
führte, mir Dein Seelenweh zu klagen, hat Dich befähigt und gestählt,
noch
größres Lebensweh mit mir zu teilen. (437f.) 13. 7. 13 An
Hexamer: .So furchtbar schwer und
verhängnisvoll mich der Schlag Deiner Absage in meiner ungeheuren Lage
trifft,
so sehr verstehe ich und würdige die Gründe derselben. ... Der Riese
Simson fiel
durch die Schlange Delila! Nur
ein kindlich-naives, jugendliches
(d.h. noch nicht in der pfäffischen Entgöttlichung und Verblödung
erstarrtes),
mich wie weiches Wachs umgebendes Weib vermag mir Hilfe zu bieten zu
meiner
Befreiung aus den Giftnetzen, mit welchen Wurm-Weiblichkeit - von
meiner
Schwester angefangen - mein Leben umstrickt hat. Und diese Fähigkeit
hatte ich Dir
zugetraut! (439 und 441) 24.
7. 13 An
Hexamer: Gespenster des Wahnsinns ... Wenn nicht,
wenigstens die Versicherung, daß Du telepathisch Deinen Astralleib
(kennst Du dies Hirngespinst der
"Theosophie"?) mir
zusendest. 5.
8. 13 Heute
vor einem Jahr bin ich vor der rasenden
Brutalität meines Sohnes Helios gegen
mich von hier weg nach Palermo
geflüchtet. Heute früh verließ ich nach völlig schlafloser Nacht mein
Lager in
der freudigen, belebenden Hoffnung, in einer Stunde die Bestätigung der
Aussicht zu erhalten, die mir gestern abend in der feierlichen Stille
und
Einsamkeit der Malerplatte zuteil
geworden war: ein Weib gefunden
zu haben, das zusammen mit seiner Schwester mein schreiendes Bedürfnis
nach
sympathischer weiblicher Umgebung zu befriedigen vermöchte. Nach
3stündigem
beängstigendem Warten kommt Sela
Tannenberg,
gerade in dem Augenblick, als Lilli mir
das Frühstück brachte. Der wütende Kampf ihres jungen Hundes gegen die
Katze
... sowie das feindselige Verhalten Lillis gegen den Hund und dessen
Herrin
brachten zunächst einen schrillen Mißton in meine bebende
Hoffnungsstimmung.
Wahrhaft entsetzt aber und aus dem Hoffnungshimmel, in welchem ich die
schlaflose Nacht verbracht, gestürzt wurde ich durch die Eröffnung
Selas, daß
sie wohl als Seelenfreundin, nicht aber als Weib an meine Seite treten
könne
und daß ihre Schwester ebenfalls völlig unfähig eines solchen Gefühls
für einen
Mann sei. (Geschwärzt: Sie hat seit dem Tode ihres Vaters (vor 6
Jahren)
"Stimmen" gehört und Eindrücke empfangen, nach welchen sie überzeugt
sei, daß sie von einer höheren Macht geführt werde, die sie von allem
Sinnlichen weg zu reissen ... Übersinnlichen leite. Diese Überzeugung
sei durch
die Worte, die persönlich zu ihr gesprochen
... Dr. R. Steiners so
sehr... daß sie nichts ...
abzubringen vermöge.) Auf
meine Vorstellung
ihres herzlichen, sich hingebenden Entgegenkommens vom gestrigen Abend
(das sie
schon seit 5 Tagen in mehrmaligen vergeblichen Versuchen, mich zu Hause
zu
treffen, mir bezeigen wollte) erklärte sie, daß sie sich, weil
elastischer und
impulsiver als ihre Schwester, zuerst durch meinen Antrag beglückt
gefühlt
habe, umsomehr als sie schon nach ihrem ersten gemeinsamen Besuch mit
ihrer
Schwester dieser beigestimmt habe, daß sie beide meine Klage über meine
Einsamkeit befriedigen könnten, und daß sie gestern abend, überwältigt
von der
Großartigkeit des Ortes und meiner Worte, mir an die Brust gesunken
sei; daß
sie dann aber in der auch für sie schlaflosen Nacht wieder "zu sich
selbst", d.h. wieder zum Bewusstsein gekommen sei, (geschwärzt: daß sie
ja
im Reich des Überirdischen lebe und deshalb sich keiner körperlichen
Liebe
hingeben dürfe.) Sie habe es sich zur Lebensaufgabe gemacht, ihre
leidende
Schwester zu pflegen und sei bereit, auch mir eine
mütterlich-schwesterliche
Pflege zu Teil werden zu lassen, soweit sich dies mit der Pflege ihrer
Schwester vereinigen ließe. Sie glaube aber nicht, daß ihre Schwester
sich in
meine gewaltigen Verhältnisse einzuleben und daß sie mir an
Arbeitshilfe gar
das zu bieten vermöge, was ich von ihr erwarte. Ich war
sprachlos über
solche gänzliche Ignorierung aller meiner Vorstellungen gerade über die
Heilung
ihrer kranken Schwester durch ihren Anschluß an mich, ohne welchen
diese trotz
aller aufopfernden Pflege nicht gesunden wird. (447f.) Marie
Schede, Lehrerin aus Leipzig, von Diefenbach „Eiszapfen“ genannt 5.
8. 13
Den Brief nachmittags zu schreiben wurde ich
gehindert durch den Besuch der Leipziger Lehrerin, [geschwärzt: Marie
Schede], 48
Jahre alt, humorvoll und künstlerisch
gebildet, die schon tags zuvor meine Ausstellung besichtigt hatte und
jetzt mit
höchstem Interesse in meine Werkstätte kam. Sie spielte und sang mir
vor, als
ob sie altbekannt mit mir wäre, während ich mich, essend, auf meinem
Lager
ausruhte. … Eintragung
von Marie
Schede: Brrrrr: Meister D. hatte mir eben erzählt, daß er früher alle
Menschen
"Du (?)" genannt habe. I. weil er den grammatic. Unsinn der
"Sie" Anrede und II. die darin liegende conventionelle Fremdstellung
der Menschen nicht mitmachen wollte. - M.Eiszapfen.
…
Dann
war Mme Claparède aus
Genf mit ihrer Tochter gekommen, die
ich zum "Cap Diefenbach"
führen wollte. Die Leipzigerin
schloß sich diesem Gange an ... Mme Claparède machte mehrere phot.
Aufnahmen
von mir u. Gruppen, deren Mittelpunkt m. Figur war.
Am Polyphem
erklärten alle mit Ausnahme der Tochter
von Mme Claparède und der Leipzigerin, daß ihnen der Weg zum Cap D. zu
weit und
zu gefährlich sei, worauf wir uns veraschiedeten und ich mit der
Lehrerin
allein weiter ging. Die Begeisterung über die gewaltige Natur ... das
alte
Mädchen ... daß es mich frischweg umarmte u. küßte u. mir das
"schwesterliche"
Du anbot. ... In
diesem Zustand mußte
ich noch ein kl. Bild firnißen, das Mme Claparède bei Gilli
gekauft hatte u. das diese am Montag bei
ihrer Abreise in ihrem Koffer mitnehmen wollte. Kurzfassung:
...
Eröffnung Selas, dass sie wohl als Seelenfreundin, nicht aber als Weib
an meine
Seite treten könne ....
Heilung ihrer kranken
Schwester [Tannenberg] durch
ihren Anschluss an mich ...
beschloss ich, Schafheitlin zu
besuchen ... Leipziger Lehrerin,
Marie Schede, 48
Jahre alt ... Mme Claparède aus Genf
... Polifem ... Arco-Naturale ...
(KB 449-452) Arco
naturale
Übermalte Foto-Collage von Diefenbach o.
D. Dfb an
Maria Schede,
Leipzig:... Bezüglich Deines Rates der
Hinzuziehung eines Arztes bemerke ich
... 11.
8. Enttäuschung
meiner Hoffnung auf
Anschluss der beiden Schwestern Tannenberg ... da
sie ebensowenig wie jene sich ein
Doppelverhältnis zu mir, das ich von Natur aus für möglich und
berechtigt
halte, zu denken vermag. 12.
8. Abreise
dieses so tief für mich
empfindenden Weibes (Marie Schede) ... 13.
8. Nachruf
Klara Eberts an
Dr.Bönisch ... sowie ein
photographisches Bild, wie Bönisch auf dem Himmelhof bei
Wien mich magnetisch durch
Luftstreichungen behandelt. Ich besprach die gewaltige Wirkung des
Lebensmagnetismus zwischen sympathischen rein lebenden Menschen und
besonders
zwischen den beiden Geschlechtern. 13.
8. Letzter
(?) Besuch bei den Schwestern Tannenberg (5
Seiten) 15.
8. ...
dass ich vom Hörensagen weiss, dass meine Tochter
mit ihren Kindern in der Nähe des Meeres Wohnung genommen habe und
trotz
unseres beiderseitigen Herzenswunsches mich nicht besuche, weil die
Stellung
ihres Mannes gegen mich jeden Verkehr zwischen uns unmöglich mache. 24.
8. Telegramm an Marie Schede: Kaum
kann ich mich noch halten. mögte
ein starker Geist Deine Seele erleuchten. D. (Briefe S) 30.
8. Dfb an
M. Schede aus
Capri: Liebe gute Seele! ... die bei
Deinem Aschieds-schmerze vergessenen Photogramme von
mir ... Wenn Du mich nicht als
"Maler", sondern als Menschheits-Pionier auffaßt, dessen Lebensziel
in dem Zuruf Schillers an
die Künstler ausgedrückt ist:
"Erhebet Euch mit kühnem Flügel hoch über Euern Zeitenlauf; es dämmert
schon in Eurem Spiegel das kommende Jahrhundert auf"! - dann wirst Du
an
die "Alles" überwindende Kraft meiner Seele glauben. Dfnbch. (Briefe
S) 30.
8. Dfb an
Sanitätsrat Dr.Goepel, Lpzg:
... entsprechende weibliche Umgebung
zu finden. Die Möglichkeit einer solchen glaube ich gefunden zu haben
in der
Person der 48jährigen Lehrerin Marie Schede (Lpzg-Connewitz,
Kochstr.119), seit 25 Jahren Lehrerin ... einen halbjährigen
Erholungs-Ulraub
zu erlangen ... Marie
Schede:
Dr.Göbel ließ mich kommen, sagte:
Meister D. will Sie heiraten, ich soll Ihnen ... "ich bin doch gesund
wie
eine Haselnuß" ... (Briefe S) 26.
10. 13 Diefenbach:
... Dann kam Sela, die
mir ein sehr gutes Bild von Dr. Rudolph
Steiner
mitbrachte ... Josefine Rikli ... 27.
10. 13 Tagebuch:
Nur noch meine Lebensgeschichte, kein anderer Gedanke und vor allem kein
anderes Wort mehr über meine Lippen! (Tgb 31, S. 642)
30.
10.
1913 Tagebuch:
Nachts 3 Uhr. Ich kann nicht
mehr schlafen, trotzdem ich bis 11 Uhr gestern Abend im
Convers.-Lexikon
gelesen, um mich zu betäuben. Ein schwer gedrückter Tag lag hinter mir.
Die
theosophische "Übersinnlichkeit" d.h. Überirdischkeit
Sela's, die
sie auf der einen Seite befähigt,
mir engelhaft jeden Dienst in hingebender Weise zu tun, läßt sie mich
wie eine
kalte gefühllose Sphinx anstarren, wenn ich sie umarmend küsse, was sie
geduldig sich tun läßt, ja selbst erwidert, weil es mir "Bedürfnis"
sei auf dem "irdischen Plane", auf welchem ich mich
noch
befände. Wahrlich,
dies ist der
Gipfelpunkt höllischer Schicksals-Ironie, nach solchen abstoßenden
Erfahrungen
mit dem Weib, die ich unter verzehrendem Verlangen mein ganzes Leben
hindurch
machen mußte (mit geringen Ausnahmen), jetzt ein Weib um mich zu haben,
das
außer seelischer höchster Liebenswürdigkeit und Natürlichkeit einen so
edel
gebauten Leib besitzt, daß der Künstler in mir danach verlangt,
denselben ohne
Hüllen zu schauen, mich allein durch das Anschauen zu erquicken in der
entsetzlichen Öde meines Lebendig-begraben-seins und dieses entzückend
kindlich-naive schöne Weib durch den theosophischen Wahnsinn derart
erfüllt zu
sehen, daß es sich mit heroischer Selbstbeherrschung meiner bis dahin
hingebend
geduldeten und erwiderten Umarmung entwindet, wenn jeder Nerv danach
verlangt,
es ganz zu genießen! Tantalusqualen
bei Sysiphus-Arbeit! (657) Mit
vorstehenden beiden
Schreiben hat heute morgen Sela ihren
mir durch 2 Monate hindurch
geleisteten Samariter-Dienst abgeschlossen.(661)
...
Porträt Steiners ... sein Bild lebensgroß malen möchte (662) ... 30.
10.
13 Sela
Tannenberg an
Elfriede Hartmann,
Neapel: Liebes
Fräulein, die
geplante Reise M.D's nach Deutschland hat
sich als unausführbar erwiesen und
er ist genötigt hier auszuharren und seine Verhältnisse von hier aus zu
ordnen.
Die Lage, in der sich augenblicklich befindet, ist die denkbar
schwierigste,
aber er trägt sie mit Geduld, ein Beispiel gebend denen, die ähnliches
durchmachen müssen, wie auch Sie. Es hat M. beruhigt durch Karl
Gleissner, der
in treuer Anhänglichkeit seit 1 1/2
Jahren zu ihm steht und ihn vor einigen Wochen hier auf 3 Tage besucht
hat, zu
hören, dass er in dem Hause Ihrer Herrschaft freundschaftlich verkehrt
und
dieselbe als human denkend bezeichnet.
... Seit 8 Tagen verlässt M. auf einige Stunden das
Bett und sehnt sich
darnach bald wieder schaffen zu können.
Tgb
31, S.660 30.
10. 13 Sela
Tannenberg an
Karl Gleissner,
Neapel:Sie haben wohl jeden Tag eine
Benachrichtigung über den Tag und die Stunde der Abfahrt des Meisters
erwartet.
Die Ausführung des Dädalusflugs
hat sich aber als unausführbar
erwiesen und sieht sich der M. gezwungen, trotz der denkbar
schwierigsten
Verhältnisse seiner Lage auch weiter hier auszuharren.
Tgb 31, S.660 Martha
Rogalla von Bieberstein
Rund zwei
Monate vor seinem Tod lernt Diefenbach eine
ostpreußische Gutsbesitzerin kennen, die er sofort als seelenverwandtes
Wesen
empfindet: Martha Rogalla von Bieberstein. In ihr glaubt er endlich
(und wieder
einmal) den so lang ersehnten "weiblichen Diefenbach" gefunden zu
haben. Frau von Bieberstein ist künstlerisch begabt und
begeisterungsfähig,
eine Dichterin und Klavierspielerin, zugleich souverän genug, um den
immer
stürmischen Meister in den Grenzen der Freundschaft zu halten. Sie führt zeitweise sein
Tagebuch, unterhält
und berät ihn, begleitet ihn auf seinen Spaziergängen. 31.
10. 13 Tagebuch
Nr. 31:Um 4 Uhr kam Frau von Bieberstein. Ihr
erstes nach einer warmen herzlichen
Begrüßung war, daß sie sich enthütete; dann zeigte sie mir eine große
Anzahl
selbstgemachter photographischer Bilder ihres Landgutes in Ostpreußen, mit
großartigen Wildparkanlagen und
vornehm-künstlerischen Innenräumen; Bilder von Arco, Meran und
Gardasee; dann
las sie mir einige ihrer Gedichte,
z.T. gedruckt, vor: Alles mir wie aus der Seele geschrieben, eine
reine, große,
hochbegeisterte Natur, die weder Pfaffendogmen noch theosophische
Hypothesen
braucht, um sich eins zu fühlen mit der Gottheit im
Weltenall und sich
glücklich zu fühlen auf dieser Erde. ... Wir drückten uns beim Abschied
die
Hände als nahe Seelenverwandte. Ein "weiblicher Diefenbach". (666) 1.
11.
13 Dfb an
Frau von Bieberstein: Wertgeschätzte Frau von
Bieberstein! Ihre beiden Besuche in meiner Matratzengruft haben mich
Sie als
ein mir derart seelenverwandtes Wesen empfinden lassen, daß ich nicht
fürchte
von Ihnen mißverstanden zu werden, wenn ich Ihnen meinen Wunsch
ausspreche,
jeden Tag Ihres Aufenthaltes auf Capri, wenn Ihnen möglich, Ihren
lieben Besuch
zu empfangen. Durch
mein ganzes Leben
hindurch "unter Larven die einzige fühlende Brust", d.h. unverstanden
und mißverstanden selbst von meinen Eltern bis kurz vor deren Tod und
von
meinen Geschwistern heute noch, seit 38 Jahren mißhandelt von meiner
jeweiligen
Umgebung ... empfinde ich eine mir gleichfühlende, aber glücklichere,
Seele wie
die Ihrige so intensiv, daß ich mich über die Formen der (mir sehr wohl
bekannten) conventionellen Etiquette hinwegsetze, selbst auf die Gefahr
hin,
abermals mißverstanden zu werden, um meiner Sehnsucht nach
Gedankenaustausch
mit einem "weiblichen Diefenbach" Ausdruck zu geben. Dazu kommt bei Ihnen Ihr wunderbares
Musikempfinden und Ihre
technische Ausdrucksfähigkeit, um jeden Ihrer Besuche mir zu einem
höchsten
Seelen-Labsal zu machen. (667) ... Haben
Sie Mut und Lust,
so führe ich Sie am Nachmittag zum "Cap Diefenbach", einer weit ins
Meer hinausragenden Felsenklippe, auf welcher ich viele Tages- und
selbst
Nachtstunden zugebracht, um meine von meiner häuslichen Umgebung
besonders von
meiner "christlichen" (zweiten) Ehefrau gewürgte Seele aufschreien zu
lassen. ... Fürchten Sie nicht, daß ich draußen in Gottes freier Natur
Ihnen
mein Elend vorjammere, wie innerhalb meiner Kerkermauern! Ich sehne
mich
danach, wieder einmal aufjauchzen zu können, was, von Menschen fern, in
Ihrer
Umgebung auf der einsamen Felsenklippe mir möglich ist. - Es
umarmt Sie im Geiste
"das Ungeheuer", der "Narr von Capri".
(Tgb 31, S.668) 1.
11.
13 Dfb an
Helios: Deine
Stellung zu meiner
Person wie zu der Dir anvertrauten Verwaltung meiner hier geschaffenen
Werke
vom ersten Tage Deines jetzigen Aufenthaltes auf Capri an, macht mir
ein
weiteres Zusammenleben und Wirken mit Dir unmöglich. ... Stella teile
ich gleichzeitig mit, daß da durch
das Verhalten ihres Mannes [Paul von Spaun] der Zweck ihrer
Übersiedelung nach
Capri: eine Erleichterung meines Alters und die Erziehung ihrer Kinder
in
meinem Geiste, in das Gegenteil verkehrt worden ist, ich von jetzt an seine Schulden
und keinerlei
Ausgaben für ihren hiesigen Aufenthalt zu machen vermag. ... Mich vor
weiterer
Schädigung und Mißhandlung meines Alters zu bewahren, muß ich Dich
ersuchen,
meine unteren Räume nicht mehr zu betreten ... (669f.) An
meine Tochter Stella … Da Du
mein Schreiben vom Juni weder einer
Beantwortung noch der geringsten Beachtung würdigst ... (670) 1.
11. 13 An Marie Schede:Bezüglich
der "Eifersucht" welche die
Stellung Selas zu mir bei dem Münchener Fleischklotz (Lilli) erregen
soll,
scheinst Du der Letzteren Stellung zu mir völlig zu verkennen ... (Tgb
31,
S.671) 3.
11.
13 Tagebuch: Stumm
blicken wir beide auf das Meer, das
spiegelglatt wie ein ruhendes Ungeheuer sich unter uns ins Unendliche
ausdehnt.
Große, heilige Stimmung in uns beiden, die mein Herzklopfen beruhigt
und mein
Gehirn vom Schwindel befreit. So stundenlang liegen und träumen können!
(Tgb 31,
S.675) Eugenie
von Reinke, russische Malerin und Pianistin 9.
11. 13 Diefenbach
erinnert sich an Eugenie von Reinke. Eugenie
von Reinke war mit ihrer Mutter zusammen nach Capri gekommen.
Diefenbach kannte
sie bereits seit 1910. Die als seelisch krank geltende 24jährige Russin
gerät
unter seinen Einfluss, wird seine Schülerin. Er nennt sie, die ihm für
ein
Tosca-Bild Modell steht, seine Hexe Nr. 1 – im Unterschied zu Emilie
Hexamer,
seiner Hexe Nr. 2. „Unvergeßlich
ist mir jener Tag, an dem das 24jährige hochbegabte und begeisterte,
fein und
stark fühlende Naturkind sein Seelensehnen mir aussprach und den Grund
legte zu
unserem unbeschreibbar schönen 5monatlichen Verkehr in der Villa
Mercedes
während der Abwesenheit ihrer Mutter in Petersburg unter der Obhut der
mir
vertrauenden Irrrenwärterin, die unter meinem ‚dämonischen Einfluß’ das
bis
dahin kranke, launische, meist bettlägerige Mädchen zu ausgelassener
Heiterkeit
und kraftstrotzendem genialem Seelenausdruck am Klavier erblühen sah,
sodaß sie
mich einen ‚wahren Hexenmeister’ nannte, worauf die ‚Kranke’ zu
sprachlosem Erstaunen
ihrer Wärterin mich scherzend am Bart zupfte und ausrief: ‚Ach was,
Hexenmeister, mein Hexerich ist er und ich bin seine Hexe!’ Arme,
geniale Hexe,
auch Dich hat man von mir, dem ‚Ungeheuer’, gerissen!“ Am 5. Januar 1911 schrieb er an eine
Kathi Hermann,
die ebenfalls als Lebensgefährtin in Frage kam:
5.
1. 11
Dfb an
Kathi Hermann, Guben:
Auch Frl. v. Reinke, die aus innerster
Seele sich mir gerne
anschließen möchte und mir nach ihrer Lebensempfindung und -Betätigung
so
nahesteht, wird die Rücksicht auf
ihre
Eltern sowie die Schwere meiner Verhältnisse an ihrem, von mir wie von
ihr
gewünschten Anschluß an mich hindern. Möge der Genius der Menschheit
Sie
erleuchten und leiten und möchten Sie, auch wenn Sie sich nicht zu
einem
Anschluß an mich entschließen können, Licht und Stärke genug von mir
empfangen
haben, um in Ihrem Lebenskreise für die
Verbreitung eines höheren Menschheits-Ideales zu
wirken - vor allem
diesem Ideale selbst treu zu bleiben und nachzustreben. D. (KB 29, S.
66) 25.
1. 12 Neben
der Werkstätte den Schlaf- und Wohnraum für Dfb
gerichtet - Einweihung durch wunderbares Klavierspiel der "Hexe"
(Frl. v. Reinke). Elektr. Licht eingeleitet, Ofen gesetzt. Aufatmen -
neue
Hoffnung. (Beckmann in Tgb 30, S.53) Die
„geniale junge Russin“ erfreute ihn oft durch ihr „wunderbares
Klavierspiel". So auch bei der Einweihung seiner neuen Wohn- und
Schlafstätte, die er sich im Vorraum seiner Werkstatt eingerichtet hat. In
einem Ölbild (heute im Spaun-Archiv) hat er die Musikerin als „Tosca“
dargestellt. 13.
2. 1912 Dfb an August
Püringer,
Dresden: Noch
zittert jeder Nerv
in mir über das durch die zweite Ehe Erduldete, noch habe ich keinen
"weiblichen
Diefenbach" gefunden, dessen ich bedarf, um die Wunden zu heilen, die
mir
"großen Kinde" die selbstsüchtigen Philisterseelen
"christlicher" Wurmweiber (auch die Magda Bachmann, die zu Ihrer Zeit
im Kaisergarten von Wien zu mir kam, zeigte sich als solches)
geschlagen haben
- (eine geniale junge Russin, groß
im Leben wie in der Kunst (Musik-Componistin, Malerin) kann sich in
Rücksicht
auf ihre Eltern nicht an meine Seite stellen) aber, unterstützt und
beschützt
von Helios und Lucidus, die seit Dezember nach langjähriger tragischer
Entfremdung wieder mit mir vereint sind, atme ich trotzdem erleichtert
auf,
befreit vom mich würgenden Alb "christlicher" und "emanzipierter"
Weiblichkeit. … Ich
habe mir jetzt den Vorraum meiner (großen) Werkstätte als Wohn- und
Schlafstätte eingerichtet, umgeben von den Bildern meiner Eltern,
meiner
Jugend- und meiner Manneszeit und meiner Kinder, den lebensgroßen
Bildern
Helios', wie ich ihn mir dachte als Verkörperer und Verkündiger meines
Menschheitsgedankens, Stellas zusammen mit der unvergeßlichen Katinka,
Otto
Drießens und jener jungen Russin, meinem Klavier, dem Bilde Beethovens
(mit
ihrem Bilde); das mir nach rastlosem Tagesschaffen an der Staffelei
meine
einsamen Abende durch die göttlichen Töne Beethovens - für mich die
höchste
Gottesoffenbarung der Menschheit - erleichtert und mich vor dem
Gespenst des
Wahnsinns schützt, das mich in meiner himmelschreienden Vereinsamung
angrinst.
Hätte ich nur die Kinder Stella's um mich ...
(Tgb Nr.30, S.62f.) 9.
11. 13 Diefenbach
erinnert sich: … Doch Graser trieb es noch,
unterwegs einige Aufnahmen von anderen Klippenspitzen zu machen, wovon
ich ihn
nicht abhalten wollte, und so kletterte ich allein zu dem schroffen
Felsvorsprung hinauf und hinaus, von welchem ich vor 2 Jahren das
gewaltige
Klippentor zeichnete, als Eugenie von Reinke, ihrer Mutter und ihrer
Pflegerin
(Irrenwärterin!) vorausspringend jubelnd zu mir kam, zum erstenmal und
auf dem
schroffen Felsen, auf dem kaum eines
Menschen Fuß Platz hat, sich eng an mich schmiegte, meinem Zeichnen
zuschaute
und ihrer Sehnsucht nach solcher Kunst- und Lebensbetätigung Ausdruck
gab, von
welcher Sehnsucht sie durch die Philisterhaftigkeit ihrer Eltern
seither
abgehalten worden war; einer Sehnsucht, die sie auch in zweijährigem
Aufenthalt
auf Capri nicht zu befriedigen vermochte, trotzdem sie hintereinander
alle
bedeutenderen Maler als Schülerin aufgesucht, bis sie endlich den Mut
fand,
mich anzusprechen, vor dessen Bekanntschaft ihre Mutter sie zu hüten
suchte, um
sie nicht völlig dem Wahnsinn durch meinen gefürchteten dämonischen
Einfluß
verfallen zu lassen. Unvergeßlich
ist mir
jener Tag, an dem das 24jährige hochbegabte und begeisterte, fein und
stark
fühlende Naturkind sein Seelensehnen mir aussprach und den Grund legte
zu
unserem unbeschreibbar schönen 5monatlichen Verkehr in der Villa
Mercedes
während der Abwesenheit ihrer Mutter in Petersburg unter der Obhut der
mir
vertrauenden Irrrenwärterin, die unter meinen "dämonischen Einfluß"
das bis dahin kranke, launische, meist bettlägerige Mädchen zu
ausgelassener
Heiterkeit und kraftstrotzendem genialem Seelenausdruck am Klavier
erblühen
sah, sodaß sie mich einen"wahren Hexenmeister" nannte, worauf die
"Kranke" zu sprachlosem Erstaunen ihrer Wärterin mich scherzend am
Bart zupfte und ausrief: "Ach was, Hexenmeister, mein Hexerich ist er
und
ich bin seine Hexe!" Arme, geniale Hexe, auch Dich hat man von mir, dem
"Ungeheuer", gerissen! (Tgb
Nr. 31, S. 711f.) 12.
11. 13 Als ich
mit Frau von Bieberstein und Graser durch die
schmale Gasse "Corso Tiberio" ging, wurde ich wie von einem
elektrischen Schlag berührt durch die Begegnung einer Frau, in welcher
ich Frau
von Reinke erkannte. Wir grüßten uns wortlos durch ein kaltes kaum
merkbares
Kopfneigen auf beiden Seiten. Als sie vorüber war und ich Frau von
Bieberstein
sagte, daß dies die Mutter der jungen Russin sei, von der ich ihr
erzählt und
mein Befremden darüber aussprach, dieselbe hier zu sehen, sagte Graser,
daß
Frau von Reinke mit ihrer jetzt verheirateten Tochter schon lange auf
Capri
wohne. (KB
31, 733) 21.
11.
13 Tagebuch: Die
unter meinen ungeübten Fingern hervorquellenden Töne erquickten mich so
sehr,
daß ich mein Elend leichter damit betäuben kann als mit Malen, aber um
den
Haufen Wechselschulden für mein sybaritisches Leben zu bezahlen, muß
ich mich
peitschen und spornen zum Geldverdienen. 2
Stunden später. Frau
von Bieberstein kam, sich von mir zu verabschieden, was ihr sichtlich
schwer
wurde. ... Ich begleitete sie bis an ihr Hotel, wo ich zu meinem
Entsetzen
erfuhr, daß mit der Abels auch
Helios
zurückgekommen sei, was Graser mir
aus "Schonung"
verschwiegen hatte. ... Um meinem Sohn nicht zu begegnen, schlug ich
einen
Umweg ein... (KB
31, 793f.) 22.
11.
Tagebuch: Nach einem unruhigen
Schlaf
stand ich heute um 7 Uhr auf und von da an arbeitete ich ununterbrochen
bis
jetzt an der Staffelei (Schlangen-Mädchen). ... (794) ...Grabesöde um
mich,
während in der Welt Sturmwolken sich zusammenballen, die in gewaltigem
Gewitter
die Menschheitsschändung des Pseudo-Christentums von der Erde wegfegen
werden.
Wenn ich meiner Predigten in den Centralsälen Münchens gedenke und dann
in der
Erinnerung wieder durchlebe, wie ich mundtot gemacht wurde durch die
öffentliche Gewalt und die über mich verhängte häusliche Marter, grinst
mich
der Wahnsinn an.
(KB 31, 795) 23.
11.
Tagebuch: ... ebenso zum Verderben
Helios', den
er (Paul) im Alter von 14 Jahren
zuerst als Werkzeug benutzen wollte, mich wegen "Mißbrauchs" meiner
väterlichen Gewalt durch Anzeige bei der Staatsanwaltschaft meiner
Kinder zu
berauben und mich in das Irrenhaus zu bringen ...
(KB
31, 801) 24.
11.
Tagebuch: Als ich mir heute morgen, eben erwachend, die
Schlaftrunkenheit aus den Augen
rieb, trat, unhörbar, Sela vor
mich hin. ... Sie reichte mir -
nicht die Hand sondern die beiden Briefe mit den Worten: "ich habe beim
Lesen dieser Briefe denken müssen: "es fiel ein Reif in der
Frühlingsnacht" und schaute mich dabei mit starren weit aufgerissenen
Augen an, wie angewurzelt am Fußende meines Bettes stehen bleibend.
Auch dies
hatte ich erwartet und war in Ruhe, wenn auch schmerzlich bewegt,
darauf
gefaßt. Ehe sich unser Lebensabschied vollzöge, (809) nach einer 1/4
jährigen
so innigen Stellung zueinander ... (810) ... indem ich ihr den Brief
von
Elfriede Hartmann zu lesen gab und ihr danach sagte, daß die Abels es
übernommen habe, mit derselben in
Neapel ihren Anschluß an mich zu besprechen und
in die Wege zu leiten.
(KB
31, 810) Grausamer
als ein Tiger
ist das Weib, durch Eifersucht zur Bestie geworden! Und auch Du, Sela, die
Du mich wie ein Engel vom Himmel
gepflegt hast, der ich heute noch in Gedanken die Hände küsse in
unverlierbarer
Dankbarkeit für das, was Du mir in diesen 3 Monaten als Samariterin
geboten
hast, auch Du kannst Dich nicht, trotz den höheren selbstlosen Sphären
Deines
theosophischen Wahnes, erheben über eine solche Bestien- und
Philister-Weiblichkeit! ... Die
Empfindung eines
letzten Abschiedskusses und einer letzten Abschieds-Umarmung zuckte
durch unser
beider Gehirn - im Augenblick als ich sie zum letzten Mal an meine
Brust ziehen
wollte, klopfte - ein Deus ex machina - Schafheitlin, der
Weibverächter, meinen Namen rufend
an der äußeren Türe. ... Nach einem nochmaligen vibrierenden Handdruck
ging
Sela
hinaus, um Schafheitlin zu öffnen und
zugleich dabei sich zu entfernen. (814) 3.
12. 13 33.Geburtstag
von Helios. Dfb
erinnert sich der Einzelheiten der
Geburt (in München 1880).
(Tgb
Nr. 31,
S.855) 6.
12. 13
Tagebuch: Da ich wieder seit
mehreren
Tagen nicht mehr an der Luft war und ich nicht zu befürchten brauchte,
Helios auf
der Straße zu begegnen (!)
begleitete ich Sela bis in
die Nähe ihrer Wohnung.
(Tgb
Nr.31, S.873) 7.
12. 13 Tagebuch:
Daß Helios mit
demselben Schiff zurückgekommen,
erfuhr ich durch Graser ...
Erst am Tage der Abreise Helios'
nach Ägypten werde
ich aufatmend, einen Tagesausflug
über den Monte Solaro ... (Tgb
Nr.31,
S.877) 7.
12. 13 Dfb an
Frau Mina Diefenbach. Wien:
Im Auftrage Dfbs ... durch seinen
Sohn in Cairo zu
veranstaltende Ausstellung ...
(Tgb
Nr.31; S.878) 9.
12. 13 Abends.
Tagebuch: Als ich gestern Sela den
Brief an Elfriede H.
diktiert hatte, war ich so müde im
Kopf, daß ich nicht aufzustehen vermochte. Sela nahm den Aufsatz mit
nach Haus,
um ihn dort ins Reine zu schreiben. Nach meinem Mittgessen verfiel ich
in
bleiernen Schlaf, nach welchem ich mich aufraffte, um wenigstens noch
eine
Stunde zu malen. Der
Sturm heulte mit
immer steigender Wut, das ganze Meer war mit Schaumwellen bedeckt, der
Wind
blies durch die geschlossenen Fenster und Türen hindurch, sodaß der
Aufenthalt
in meiner Werkstätte höchst ungemütlich war. Es
trieb mich zum Meer
hinunter zur Nordseite, wo die Brandung am heftigsten sein mußte. Auf
die Arme
der beiden jungen Leute gestützt sprangen wir im Laufschritt die
Treppenstraße
hinunter, zum Kopfwackeln der uns begegnenden Capresen und Fremden. Auf
der
ebenen Straße erklärte ich Gleißner des
"Faust"
dritten Teil von Deutobald
Allegorowitsch Symbolizetti Mistifizinski, den er sich kaufen will. Auf den
einsamen Wegen
zwischen Gartenmauern lief der Riese Spener wie
ein kleiner Junge einem Hund nach,
der heulend vor dem Ungeheuer das Weite suchte. Gleißner zeigte
mir das Haus, in welchem Stella mit
ihren Kindern den Sommer über
gewohnt hat, während das obere Haus leer stand; es habe nur 100 L.
gekostet.
Mich kostete es mehr. Den
schmalen Fußpfad zum
Meer hinunter mußten wir hinter einander gehen. Als wir zum letzten
Teil der
steilen Standtreppe kamen, packte uns der Sturm von unten her derart,
daß wir
uns kaum aufrecht halten konnten. Das Meer bot das gewaltigste
Schauspiel
entfesselter Naturgewalten. In langen schweren Zügen rollten die Wellen
heran,
um an den Trümmern des alten Tiberius-Palastes
schäumend zu zerschellen. Auch
der Contrast der Farben war großartig: gegen Ischia der noch glühende
Reflex
der untergegangenen Sonne, vor uns der weiße Gischt des tobenden
Meeres, das
sich schwarz-grün heranwälzte und hinter uns stand der Mond fast voll
am
Himmel. Villa Imperiale
(Tiberius-Palast)
Ausschnitt Ich
bedauerte, die
Schwestern Tannenberg nicht
eingeladen zu haben zu diesem
Schauspiel und beschloß, dies noch jetzt zu tun, um im
Mondschein nochmals denselben Weg mit ihnen
zu machen. Auf der Piazza trennte sich Graser von
uns, der wieder den Küchenjungen
spielen mußte. Gleißner fror,
daß er schlotterte; er hatte
keinen Mantel bei sich. Von den
Schwestern
Tannenberg war
nur die jüngere zu Haus, die uns
einlud, in das geheizte Nebenzimmer zu kommen und sich förmlich
schüttelte, als
ich den Zweck meines Kommens aussprach; sie wähle sich, um die Brandung
zu
sehen, einen ruhigeren Tag; vielleicht würde ihre Schwester mitgehen,
die sei
aber bei Frln. Huber. Wenn
auch nicht unfreundlich, so war
das Wesen der jüngeren Schwester doch nicht derart, daß ich Sela
erwarten wollte. Über meine Schilderung,
wie ich schon als Knabe die entblößte Brust dem Sturme auf dem eigens
dazu
erstiegenen nächsten Berge der Umgegend entgegengehalten, schüttelte
sie den
Kopf - ein mit jeder Faser mir widerstrebendes Philister-Wesen, während
Sela,
wäre sie nicht so sehr von dem Wahn der Theosophie
durchdrungen, mit mir durch Dick und
Dünn gehen würde. ... Der
Sturm tobte die ganze
Nacht, daß ich nur wenig schlafen konnte. Eiskalt bläst der Wind durch
meine
Werkstätte und meinen Wohnraum, die Türen klappern, das Feuer wird als
stinkender Rauch aus der Aschentüre herausgeblasen - da soll ich in
meinem
Zustand das Bett verlassen und malen! Die Katze wärmt meine eiskalten
Füße. Ich
erwarte Sela zum
Schreiben weiterer drängender
Briefe, die ich vom Bett aus diktieren kann. (887f.) - 9. XII.
Abends. Sela kam
erst gegen 11 Uhr, sich
entschuldigend, sie sei schon seit 9 Uhr unterwegs und habe einen Gang
machen
müssen, über welchen sie nicht reden könne (!), der sie so lange
aufgehalten.
Ich wollte die kurz bemessene Zeit nicht zu einer Inquisition benutzen
und ließ
deshalb diese auffallende Bemerkung für jetzt unbeachtet. ... An dem
Bild für
Herrn von Blücher war
noch die Schlange und einige
Schatten an dem Körper des Kindes auszuführen, was mir bis 5 Uhr
gelang. ...
Wie zu meiner Belohnung kam Sela in dem
Augenblick, als ich den letzten
Pinselstrich gemacht, sodaß sie das Bild noch vor Dunkelheit kritisch
betrachten konnte. Ihr Schweigen mußte ich mir als Zeichen deuten, daß
sie
jetzt nichts mehr an dem Bild auszusetzen fand. Wieder um einen Stein
leichter,
verließ ich, auf ihren Arm gestützt, meinen Kerker; noch begleitet von
Gleißner, dem
Helios oben
seine Mißbilligung ausgesprochen,
daß ich bei so schneidend scharfem Nordwind ausgehe bei meinem
Brustleiden; er
glaubte Gleißner sei
die Veranlassung zu diesem
"unvernünftigen" Gang, worüber dieser ihn aufklärte. Er ahnt nicht,
wie er mir meine Werkstätte zum Kerker, zur Grabeshöhle gemacht hat,
aus der es
mich mit Gewalt hinaustreibt in die freie Natur, und gar zu dem
gewaltigen
Schauspiel heftigster Meeresbrandung, dem Sinnbild meines
Lebenskampfes. Es war
dunkler wie
gestern, poetischer und der Mond günstiger. Sela war
noch nie am Bagno di Tiberio,
worüber Gleißner sich
wunderte. Er ahnt nicht, welche
ernste Pflichtnatur Sela ist.
Als wir auf dem schmalen Fußpfad
hintereinander gehen und dabei abwärts steigen mußten, wurde mir
schwindlich,
und als uns am Rand des Meeresufers der Sturm packte, mußte mir Sela
die Hand
reichen, um ohne Gefahr die steile Treppe hinunter zu kommen zum
Strande. Bei
jeder Biegung machten wir halt, um auszuruhen,und
dabei das Toben unter unseren Füßen zu betrachten. Wenn auch nicht mehr
ganz so
heftig wie gestern, bot das Meer uns unten am Strand, wo ich mit Sela
mich an
eine antike Mauerruine anlehnte, während Gleißner noch
weiter kletterte, auch heute ein
gewaltiges, aufregendes Schauspiel. Wie aus einem Munde sprachen wir es
aus,
ohne Meer nicht mehr leben zu können. Sela ist am
Meeressstrand in Rußland
geboren und groß geworden. Wir
standen lange
schweigend neben einander; ich küßte ihr beim Weggehen still die
Stirne. Sie
war heute schwarz gekleidet und verschleiert wie eine Nonne. (891f.) 10.
12.
13 Tagebuch: In
jähem Aufraffen stand ich heute morgen
schon eine Stunde an der Staffelei, als Sela um 1/2
10 Uhr kam. Ich gab ihr den Brief
meiner Jugendfreundin Wagner zu
lesen und danach Informationen zu
dessen Beantwortung ... Als sie
den Brief
vollendet, sagte ich ihr, daß ich unbedingt mit Abels sprechen müsse,
welche,
da sie nach Helios'
Weggang die Ausstellung verwalten
wolle, jetzt die Vermittlung der nötigen geschäftlichen Abmachungen
zwischen
mir und Helios übernehmen müsse, worauf sie mir sagte, daß Helios bei
jeder
Zusammenkunft äußere, er müsse mit mir persönlich das Unternehmen für
Kairo
besprechen, andernfalls sei dasselbe
unmöglich. Sie habe ihm darauf erklärt, daß jede seiner Begegnungen mit
mir
mich derart aufrege, daß ich unfähig
werde zum Reden und zum Arbeiten; er solle ihr das
Wesentliche kurz
aufschreiben und erklären, damit sie es mir übermitteln könne, was sie
gerne
tue; er habe dies versprochen, aber nicht gehalten. Sie habe ihm
gesagt, daß
Abels ihn
überschätzt habe, daß er ein
schwacher Charakter und jetzt so leidend sei, daß auch ihn jede
Begegnung mit
mir aufrege und zur Heftigkeit verleite, welche ich nicht mehr ertrüge
und
deshalb für uns beide vermieden werden müsse. ...
Aus dem selben
Grund
sowie aus Vorkommnissen über welche zu reden sie kein Recht habe (!),
halte
sich auch Abels seit
einigen Tagen von ihm fern. -
Welch'
heillose
Situation!
(Tgb
Nr.31, S.897) 11.
12. 13 Tagebuch: Gegen 5
Uhr kam Sela mit
der Abels,
welcher ich sagte, daß ich sie jetzt in
der Dämmerung hätte aufsuchen wollen, da ich sie dringend sprechen
müsse. Sie
fühlt sich elend, übermüdet, unfähig mit Helios weiter
zu verhandeln. Sein Rasen lähmt
Alle. Ich müsse direct mit ihm verkehren, wenn mir
dies persönlich nicht
möglich sei, dann schriftlich durch Graser (!) . (Tgb
Nr.31, S.899)... Als ich
zur
Charakterisierung und Erklärung der Trotz-Stellung Helios' gegen
mich seit 22 Jahren die
Handlungsweise seiner Mutter in der Nacht vor seiner Geburt schildern
wollte,
wurde ihr übel; sie lief, meine Begleitung abwehrend, hinaus, von Sela
gefolgt, die gleich darauf zurückkam,
ein Glas Wasser zu holen. Mit
zitternder Hand mußte
ich bei fast völliger Dunkelheit noch einige durch den Besuch
unterbrochene
Pinselstriche an dem kleinen Bilde machen, um Härten nicht antrocknen
zu
lassen. Mein Kunstschaffen seit 38 Jahren! Und dabei solche Kritik
meiner
Rückständigkeit gegen "Fidus"! Es
ist zum Wahnsinnig-Werden. Nach
kurzer Zeit kamen
die beiden Freundinnen wieder in meine Werkstätte zurück, jede ihr
Päckchen
holend. ... Sela
versprach, heute morgen
wiederzukommen. Ja, ich "verbrauche viele Menschen"! - Mir
drehte sich alles um
mich. Ich ließ mir durch Graser die
Schuhe wechseln, den Wintermantel
umhängen und suchte, gestützt auf seinen Arm, Erholung im Freien von
der
Höllenmarter meines Hauses. Ein großartiger Himmel -
Nachsonnenuntergang und
spiegelglattes Meer ließ mich den Weg zur Piccola Marina ...
[unleserlich] ... nehmen. Allein mit
mir und ... [unleserlich] ... zu Bett! (Tgb Nr.31, S.900 -
letzte Eintragung von der Hand Dfbs!) 11.
12.
Sela Tannenberg an Johannes
Vogler, Dresden: Als
Pflegerin Dfbs
während seiner 3monatlichen Bronchitiserkrankung ... und dies gerade an
dem
Tage an dem ich seiner Frau nach Wien
geschrieben hatte, dass sie sich
gedulden müsse bis er das Monatsgeld für sie und ihre Schwester
anderweitig
aufgetrieben haben würde. ...
Sela
Tannenberg (Tgb
Nr.31, S.901 - ENDE) 15. 12. Stirbt an Darmkrebs Überführung des Leichnams auf einer Barke nach Neapel. Einäscherung in Rom. Urne im 2.Weltkrieg verschwunden. Telegramm
von Helios: 6 Uhr
unser vater ist entschlafen ... Helios. 15.
12.
Telegramm
von Helios an Frl. Schede, Leipzig: = 6 uhr
unser vater ist
uns entschlafen seine seele bleibt ewig mit uns = helios diefenbach. LZ 16.
12.
Todesanzeige:
[Bruder?] Friedrich Diefenbach.
Frankfurt/M, Rhönstr.26. Witwe Pauline
D., geb. Fischer; Elisabeth Wassmannsdorff, geb. D., Schwester; Carl D.
und Kinder,
Capri. Mappe "Gedrucktes" 4. F-Kartei.1 22.
12. 1913
Schafheitlin an Maria Schede: Ja, was
haben wir verloren! Und wäre unser Freund wenigstens dahingegangen, wie ein
schöner Sonnenuntergang; aber ach, sein Tod war, wie sein Leben, ein Sturm:
unter plötzlich auftretenden, gewaltigen Schmerzen.
Nur vier Tage war D. krank, aber wie! Und doch fiel in seinen schrecklichen Todeskampf noch ein Sonnenstrahl. Eine zufällig hier anwesende freiwillige Krankenpflegerin aus Danzig, deren Bekanntschaft ich schon vor 4 Wochen gemacht, war die letzten Tage um ihn. Zu ihr sagte er noch: "Ich werde wohl diesmal nicht durchkommen; dann drücken Sie mir die Augen zu!" Und dies wird das herrliche Mädchen wohl auch getan haben. Ausserdem war noch um ihn die treue Seele, Frl. Tannenberg, und auch Helios. Am 10. Dezember ging der kaum von einer Bronchitis Genesene bei furchtbarem Nordoststurm an den Hafen herunter, als echte Künstlernatur das grossartige Schauspiel des empörten Meeres zu geniessen. Zwei Tage darauf brach die Krankheit aus. So ward der arme Freund ein Märtyrer seiner Künstlernatur. Ein heftiger Darmkatarrh und wohl auch Bauchfellentzündung ging über am zweiten Tage in unstillbares Erbrechen von Galle (und Schlimmerem). Am Montag früh fing er an, bewusstlos zu werden, am Abend starb er in völliger Erschöpfung. - Ich glaube, unser Freund ward auch ein Märtyrer seiner extremen Vegetarier-Idee. Ich werde den Verlust unseres Freundes nie verschmerzen. Der Sohn Lucidus kam aus München; Stella mit ihren beiden ältesten Söhnen aus Positano, wo sie jetzt wohnen. Der Mann soll gegenwärtig in Oesterreich sein. - Ich habe in der Leichenhalle auf dem protestantischen Teil des Friedhofes an der Bahre die öffentliche Ansprache gehalten, und glaube so, meinem Freunde noch ein Zeichen meiner Verehrung und Liebe gegeben zu haben. Die irdische Hülle Dfbs soll in Rom oder Mailand durch Kremation aufgelöst werden. Ihre liebreichen und humorvollen Briefe, deren einige mir Diefenbach zu lesen gab, waren für ihn immer eine große Freude. Sie haben seine letzten Tage erheitert. Mag Ihnen dieser Gedanke Trost sein in dem großen Schmerze! Auf meinen Rat wurde ein Bildhauer aus Neapel beordert und die Totenmaske aufgenommen. Sie ist gut gelungen, aber ach, wie schmerzvoll. Wir wollen ihn nur sehen, wie wir ihn gewohnt waren: strahlend in Kraft und Lebenslust, ein Held. Seien Sie, liebes Fräulein, freundlichst gegrüßt Von Ihrem ergebenen Adolf Schafheitlin
17.
4.
1914
Schafheitlin
an Maria Schede Anacapri, d. 17 April
1914 Liebes Fräulein! Ihren freundlichen Osterwunsch… Daß Sie fürchten, und mit
Recht, Helios möge
leiden unter den Tagebuchblättern Diefenbachs, daran erkenne ich einmal
wieder
das weibliche Herz mit seinem zarten Gefühl. Diese Zartheit hatte
leider
Diefenbach gegenüber seiner Familie nicht immer; freilich konnte er ja
nicht
wissen, dass jene Tagebuchblätter so (früh?) schon in die Hände seiner
Familie
(gelangen) könnten. Mir gegenüber war D. stets von äußerster Zartheit.
Ich
könnte Ihnen da Züge
erzählen, woraus Sie erst umso
besser meine Überzeugung mitfühlen könnten: Diefenbach war nicht nur
ein großer
Künstler, sondern auch ein großer, edler Mensch! – In
unseren beiderseitigen
Lebensansichten standen wir uns zwar diametral oft gegenüber, das haben
wir uns
Beide mehrmals lachend eingestanden. Dessen ungeachtet respektierte
doch Einer des Andern
Überzeugung. Diefenbach wusste ja vom ersten
Moment an, dass ich ihn auf halbem Wort verstand, auch wenn ich ihm
nicht
beipflichten konnte. War doch jede Äußerung von ihm Frucht eines
langen,
wohlüberlegten Nachdenkens. Und eben das ist Größe. Helios sehe ich kaum … Diefenbachs
Asche ist
noch in Rom, wie ich höre. Es soll erst das Monument auf der
‚Malerplatte’
hergestellt werden, das sie bergen wird. Ich vernahm, das durch
Vermittelung des
Konsuls vom deutschen
Hilfsverein in Neapel ca. 4000 Mk den Kindern Diefenbachs vorgeschossen
worden.
Damit soll im Herbst eine Ausstellung der Bilder in Berlin vorgenommen
werden. Helios will erst die Saison hier mitnehmen, was ja ganz verständig ist. Bewundert werden die Bilder auch genug, ob aber auch gekauft, weiß ich nicht. Am meisten zu beklagen sind die beiden Frauen in Wien, die Gattin und die Schwägerin, die beide leidend. Sie stehen ja jetzt mit Diefenbachs Kindern in gutem Einvernehmen; bevor aber kein bedeutender Bilderverkauf stattgefunden hat, hilft das nicht viel. Hoffen wir, dass im Herbst ein glänzender Erfolg in Berlin eintritt, wodurch mit einem Schlage das Blatt sich wendet.
Hinter
den Diefenbachartikel in dem Buch 'Sonderlinge' von E. Stemplinger schreibt Stella von Spaun in
den Fünfzigerjahren: Von
1899 bis zu seinem am
13. Dezember 1913
erfolgten Tod war mein Vater auf Capri,
wo er nach schwierigem Anfang in wenigen Jahren eine große Ausstellung
schuf,
die von fast allen deutschen Fürstlichkeiten, die Capri besuchten,
aufgesucht
wurde. Meines Vaters Bilder fanden endlich Verständnis und Anerkennung
und
erzielten hohe Preise. Bei seinem Tode waren circa 200 vollendete und
300
unvollendete Gemälde vorhanden, welche von Sachverständigen auf Grund
der
Preise der in den
letzten Jahren
verkauften Bilder auf eine Viertelmillion Reichsmark geschätzt wurden.
Die
Ausstellung war im Baedeker mit 2
Sternchen bezeichnet und war oft
an einem Tage von 200 Personen besucht! Die
Preise der in dieser
Zeit verkauften Bilder bewegten sich zwischen ein- und zehntausend
Lire, sodaß
Diefenbach jahrelang einer der besten Steuerzahler Capris war. Diefenbach
war eine der
populärsten Gestalten von Capri, vom Volk geliebt und als einer der
schöpferischen Verkünder von der Schönheit und Gewalt der herrlichen
Insel von
den Gebildeten geschätzt. Bei der Nachricht seines Todes erhob sich der
zufällig zusammengerufene Stadtrat von den Sitzen und ehrte den
Heimgegangenen
durch zahlreiche Beteiligung am Leichenbegängnis. Damals war Diefenbach
kein
Verschollener; erst der Krieg hat seine Spuren verwischt und die
nachfolgende
Kriegsnot deren Aufdeckung verhindert. 21.
12. 13 Gedicht auf D. in
Frankfurter Zeitung von "Diogenes".
(In Helwig 231)
Das
Gedicht stammt höchstwahrscheinlich von einem Freund und
Nachbarn Diefenbachs, dem Maler Adolf Schafheitlin.
Zum Tode K. W. Diefenbachs Capri, 15. Dezember 1913 Bist du vor mich hingetreten, Feierlich in der Gebärde Und im Kleide des Propheten: Eines leidgeprüften Mannes Furchen im Gesicht, dem schmalen, Ein gealterter Johannes, Schrittest du auf den Sandalen. Unterm Grün der Feigenbäume, Ewig kindlich im Entzücken, Spannst du deine Frühlingsträume Zeitlos um den Inselrücken. Ließt die Neugier spähn und spotten, Freund und auch – Verächter aller: Überm Blau der Capri-Grotten Schlicht und schäbig, wie ein Waller. Und die Brüder mit dem eilgen Lobgehudel, eilgen Schelten Ließen heute dich als „Heilgen“, Morgen nur als „Narren“ gelten. Ich – ich will dein Bild bewahren In der blühnden Auen Mitten: Wie vielleicht vor tausend Jahren Durch das Feld die Jünger schritten. Flügelnd trägt des Todes Schwinge Nun auch dich, den Arbeitsmatten, Seltsamster der Sonderlinge, In das ewge Reich der Schatten. Losgelöst vom Erdenleide, Mohn in deinen langen Haaren, Wanderst du im härnen Kleide Zu der Patriarchen Scharen. Ungerufen, ungeladen Trittst du den Geweihten näher, Grüßest du wie Kameraden Nazarener und Essäer. Was auf Erden scheucht’ und schreckte, Ist für immer überwunden: Längst vergessner Zeit und Sekte Sohn, du hast nach Haus gefunden. Diogenes
Frankfurter Zeitung 21. Dezember 1913 Maria
Miradois in
Villa Monacone
"La Casa dei Pazzi", S.26: Es ist
eine Baltin aus
alter vornehmer Familie, die durch die furchtbare russische Revolution
ihr
ganzes Vermögen verloren hat ... Sie (Sela
Tannenberg) war
eine Freundin des bekannten Malers
und Naturphilosophen Diefenbach, bei dessen Todesstunde sie zugegen war
und auf
dessen Wunsch Beethoven
spielte. 30.
12.
1913 Sela Tannenberg an Marie Schede: Zuletzt,
in der
allerletzten Stunde sprach er ja kaum, ob er da den Ernst der Situation
erfasst
hat, wer weiss es? Am Montag Morgen
sagte er mir noch
"was glaubst Du, wie lange werde ich denn
dieses Mal wieder liegen müssen? Vor einer Woche
wird kaum daran zu
denken sein, dass ich vor meiner Staffelei stehen kann. Und ich habe
doch so
dringende Arbeiten! " - -
(LZ) |