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Aus
einem Brief von Heidi Christeller*)
an Dr. Martin Müllerott vom 12. Februar 1959 Es liegt mir dringend
am Herzen, das Leben meines geliebten Vaters im rechten Licht erstehen
zu lassen. Sein durch und durch
aufrichtiges Wesen erfühlte
schon in den frühen Jünglingsjahren die Irrtümer der Menschen und das
sich daraus entwickelnde menschenunwürdige Leben. Aus dieser Erkenntnis
heraus hat er, immer bescheiden bleibend, den ersten Schritt aus der
Gesellschaft heraus getan, indem er sich entschloss, seine Bekleidung
nicht mehr nach der
Mode zu richten. Aus seiner großen Achtung der Schöpfung Gottes
gegenüber ließ er Haupt- und Barthaare ungeschoren. Als kleines
Knäblein fragte er einmal seine Mutter:
“Warum machen sich alle Männer Frauengesichter?“ Mit erhobenem Haupt,
bescheiden und gut, ging Vater seinen Weg, trotz Anpöbelung und
Unverstand der breiten Masse, denn da und dort fanden sich immer wieder
gute Freunde, die gerne lauschten und mit ihm plauderten. So
wuchs mehr und mehr das Verlangen, den Menschen aus ihrer Trübsal zu
helfen, ihnen den Weg zu weisen zu einem hohen, schönen Menschentum.
Viele Jahre hindurch war
mein Vater auf Vortragsreisen durch ganz Deutschland. Seine zum Teil
auch mit Lichtbildern ausgeschmückten Vorträge wurden von allen
Schichten gerne besucht. Um 1908 lernten sich
meine Eltern kennen und lieben. Drei Mädchen wurden geboren und in
einer märchenhaft reinen Welt, ganz ohne Schule, großgezogen. Meine
liebe Mutter konnte mit den Jahren die Strapazen der Reisen mit den
Kindern nicht mehr mitmachen. Es entstand zwischen den Eltern um 1918
eine Trennung, aber ohne die geistige Verbindung ganz zu lösen. So
wuchsen wir mehr an der Seite unserer treuen, guten Mutter auf, und
dann und wann nur kamen wir mit unserem Vater zusammen. Vor zehn
Jahren, bevor ich nach hier fuhr, habe ich mal wieder mit viel Freude
das innige Wesen meines Vaters erlebt. Die vertraute schöne Baßstimme
ließ in mir Kinderträume wach werden, die mein Leben hindurch tönen wie
eine schöne Musik. Wesenszüge meines
Vaters sind: Loslösung von allem
üppigen Schlemmertum, weil dieses Leben stumpf und träge macht. Zurück zum einfachen
Leben, zur freigewählten Armut, die nichts zu tun hat mit Ärmlichkeit. *) = Heidi Christeller - Gräser (amtlich Grete Christeller - Streng) Gustos zweite Tocher - 27.1.1913 (Bad Sulza, Thüringen) << >> 29.5.2007 (Pratteln BL, Schweiz) |