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Widerstand in Hermannstadt | ||||||
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Ich wurde auf Gusto 1912 aufmerksam, als er, in der Tracht der Fischer etwa vom See Genezareth, in Charlottenburg das vegetarische Restaurant "Freya" (in dem gelegentlich auch Else Lasker-Schüler zu sehen war) betrat. Weder war mir damals sein Name bekannt, noch ahnte ich, dass ich es in ihm mit einem Landsmann zu tun hatte. Erst als er mich 1916 in der von mir geleiteten Redaktion der "Deutschen Tagespost" besuchte, war mir nicht mehr unbekannt, dass er, wie ich, Siebenbürgen seine Heimat nannte. Was bei dieser ersten Begegnung den stärksten Eindruck auf mich machte, war seine wunderbar volltönende Stimme, einem tiefen Glockenton vergleichbar. Gräser besuchte mich, weil er in Hermannstadt einen Vortrag zu halten beabsichtigte und sich dafür meine Unterstützung sichern wollte. Es ließ sich alles gut an. Der Bürgermeister hatte ihm den ansehnlichen Rathaussaal, dessen eine Wand ein Bildnis des Kaisers Leopold und eine alte Gesamtansicht von Hermannstadt schmückte, zugesagt. Die Zusage wurde wenige Tage später jedoch zurückgezogen. Wir hatten Krieg, und vielleicht hatte man im Bürgermeisteramt in der Zwischenzeit erfahren, welchen Schwierigkeiten Graeser vorher in vielen Städten Deutschlands zu begegnen gehabt hatte. Er war hier überall ausgewiesen worden, obwohl Johannes Schlaf, Richard Dehmel und Gerhart Hauptmann sich nachdrücklich für ihn eingesetzt hatten. Die Stadtverwaltung glaubte überdies besonders vorsichtig sein zu müssen, bestand sie doch in einer Stadt mit damals noch überwiegend deutscher Bevölkerung, deren Haltung stets besonders argwöhnisch beobachtet wurde. Nacheinander versagten sich auch andere Institutionen, die über geeignete Vortragsräume verfügten. Es war, wie die Dinge lagen, ein Beweis besonderen Mutes, dass schließlich der Direktor eines Bankinstitutes seine Privatwohnung für einen Vortrag zur Verfügung stellte, in der sich freilich nur eine weitaus geringere Anzahl von Zuhörern (dreißig dürften es gewesen sein) zusammenfinden konnte.
Oskar
Kraemer in einem Brief an Martin Müllerott, um 1963.
Original in der Siebenbürger Bibliothek auf Schloss Horneck, Gundelsheim Gräser sprach am 4. April 1916 im Haus der Familie Arz von Straussenburg |