Zurück


Nicht Rache sondern Liebe!
Briefe zur Artamanen-Tagung


Der Dichter und Wanderredner Georg Stammler (1872-1948) hatte Gräser freundschaftlich nahegestanden, in den Zwanzigerjahren aber sich zunehmend zur nationalistischen Rechten hin orientiert. An Pfingsten 1929 war er Festredner bei einer Tagung der völkischen Artamanen auf Schloss Gauernitz. Gräser schickte seinen Schwiegersohn, den Schriftsetzer Henry Joseph, zu der Tagung. Er sollte prüfen, ob man mit Stammler und seiner Gruppe noch eine Gemeinsamkeit haben könne. Dessen Antwort ist ein eindeutiges: Nein! Sein Schreiben, das ein anderer Gräserfreund, der Maler Max Schulze-Sölde, an Stammler weiterleitete, bedeutete das Ende dieser Verbindung, zugleich Absage an den völkischen Nationalismus und Revanchismus.

In der Siedlung Grünhorst bei Berlin um 1933. Von links: Henri Joseph, Gertrud Gräser, Max Schulze-Sölde, Heidi Gräser.

In der Siedlung Grünhorst bei Berlin um 1933
Von links: Henri Joseph, Gertrud Gräser,
Max Schulze-Sölde, Heidi Gräser

27. Mai 1929 Max Schulze-Sölde schreibt an Georg Stammler über die Pfingsttagung der Artamanen und schickt ihm dazu einen Bericht von Henry Joseph, dem Schwiegersohn Gusto Gräsers.

Max Schulze-Sölde an Georg Stammler:

Der Verfasser nachfolgenden Berichts über die G a u e r n i t z e r T a g u n g ist ein jugendbewegter Proletarier. Er hat, in ähnlicher Weise und aus ähnlichen Motiven wie heute die A r t a m a n e n , im Jahre 1923 mit mir zusammen bei Bauern gedient. Er ist seit Jahren mit mir verbunden und bekennt sich zu den Gedanken des Ordens vom Sonnenkreuz. Er hat auf meinen Wunsch an der Tagung teilgenommen.


27. 5. 1929
Max Schulze-Sölde

Henry Joseph an Max Schulze-Sölde:

Lieber Max! Will versuchen, Dir in Kürze meinen Eindruck über die Tagung zu geben. Leider hatte sich das Bild etwas verschoben, denn von den angekündigten 700 Artamanen war noch nicht die Hälfte erschienen. Desto mehr Stahlhelm, Wotansgläubige, Jugend-Turnerbund u.s.w., also, ich will es mal so ausdrücken: "säbelrasselnde Jugend!" - Das Wort " R a c h e " das oft ausgesprochene Wort. Ich habe darunter gelitten, wie ich am Pfingstfeuer die vielen Racheschwüre mit anhören mußte. Nicht auszudenken, was wird, wenn sich diese Gedanken vermaterialisieren sollten. ...

Gut war die Tagung, indem man sah - - - so geht es n i c h t , und hier stimmten meine Freunde bei (die auch bei unserer Berliner Aussprache zugegen waren). - Nicht R a c h e sondern L i e b e ! Und wenn wir nicht die Kraft finden, ihnen diese zu bringen, sind auch sie für die neuwerdende Gemeinschaft verloren. ... Herzliche Grüße

Dein Henry Joseph

Henry Joseph an Friedrich Muck-Lamberty:

... Der Unterdrückte hat ein Recht, sich zu wehren. Daß der Prolet [gemeint: die Kommunisten] es jetzt noch auf eine falsche Art macht, ist ja letzten Endes die Schuld derer, die sich heute verpflichtet fühlen, für die deutschen Belange einzutreten [gemeint: die Nationalisten und Nationalsozialisten]. Sie haben ja den Haßgedanken hochgezüchtet (in Kirche, Schule usw.). Ich setze das als bekannt voraus. Der Materialismus hatte da den besten Nährboden. Heute ist es noch nicht viel besser geworden, wird es auch nicht, solange die N.S.D.A.P. und die damit Verbundenen die "Tradition" hochhalten und damit nicht zu der sich auswirken wollenden geistig-seelischen Kraft der Jugendbewegung kommen.

Heute heißt es nicht: Gewalt gegen Gewalt! Sondern die Gewaltlosigkeit, wie wir sie von "Gandhi" und Christus her kennen, scheint mir die einzig mögliche und wirksame Waffe zu sein. ...

Wir können das Abendland nur dann retten, wenn wir den richtigen Weg gehen, der uns vorgeschrieben ist in der Jugendbewegung, durch Religion - durch Erkennen der Wahrheit über den Christus-Geist.

Dieses ist, glaube ich, uns als Deutschen anvertraut worden und darum haben wir volksbewusst zu denken, nicht aber chauvinistisch-national, wie es bei den N.S.D.A.P.-Leuten leider immer noch der Fall ist. Wir haben durch unsere Liebes- und Geisteskraft das Vaterland zu retten, nicht aber durch die Kraft der Bajonette, wie man es auch noch in "Gauernitz" glaubte. ... Nicht Soldaten für die Gewalt und den damit verbundenen Glauben an den Materialismus brauchen wir, sondern Soldaten, die den Glauben an die Kraft des Geistigen haben!

Berlin, Zellestr. 11 Henry Joseph

(In: Die Kommenden, Folge 31, Juli 1929, S. 362)

Oben

Zurück

Auch im 21. Jahrhundert ist die braune Gefahr nicht gebannt:
2006:
"Frei und Stolz - Wir sind frei und stolz ..." CD "Artamanen -Same"