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Lebenslauf |
Dokumente |
Ein ausführlicher
Bilder-Lebenslauf mit zugeordneten Werken findet sich in
der
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Siebenbürgen Gustav Arthur Gräser wurde
am 16. Februar 1879 zu Kronstadt (heute Brașov) in
Siebenbürgen geboren. Schon früh regte sich sein
Widerstand gegen die Enge seiner Umwelt. Gymnasium,
mehrere Lehrherren und die Kunstgewerbeschule in Wien
konnten ihn nicht halten.
Kirchenburg in Siebenbürgen |
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Himmelhof An Ostern 1898 trat er in die Lebensgemeinschaft des Malers und Sozialreformers Karl Wilhelm Diefenbach ein. Aber auch hier empört er sich gegen seinen Meister. Er verlässt ihn, wirft seine Bilder auf die Straße, begibt sich auf die Wanderschaft. |
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Im Herbst 1900 begründet er mit seinem Bruder und anderen bei Ascona die Siedlung Monte Verità. Von dem Usurpator Oedenkoven vertrieben, zieht er sich zeitweise in eine Felsennische im Gebirge zurück, setzt dann seine Wanderungen quer durch Europa fort. Ab 1907 tritt er in deutschen Großstädten mit Tänzen, Reden und Gedichten an die Öffentlichkeit. Häuser auf dem Monte Verità im Bau |
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Nach 1910 zieht er mit Weib und Kindern im selbstgebauten Wohnwagen durch Deutschland. Er spricht beim Freideutschen Jugendtag auf dem Hohen Meißner, ein 'Freundeskreis für Gusto Gräser' wird durch den Ausbruch des Weltkriegs zerschlagen. Gräser wird aus Sachsen, aus Baden und Württemberg ausgewiesen, verweigert zum zweiten Mal den Kriegsdienst.
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Dichterbund Nach einer Leidenszeit in Gefängnissen und Irrenhäusern kehrt er im Herbst 1916 auf den Monte Verità zurück. Es beginnt eine Zeit intensiver Gemeinsamkeit mit Hermann Hesse, dem er seine TAO-Dichtung anvertraut. Hesse setzt ihm ein Denkmal in „Demian“ und anderen Meistergestalten. |
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Aus der Schweiz vertrieben, spricht Gräser in der Münchner Revolution für Gewaltlosigkeit. Er wird von Spartakisten niedergeschrieen, von der Konterrevolution ins Gefängnis geworfen und ausgewiesen. Sein Freund Muck Lamberty zieht mit einer 'Neuen Schar' singend und tanzend durch Thüringen, Tausende schließen sich an. Gräser spricht an ihren Lagerfeuern. Er wird verhaftet und ausgewiesen, verbringt zwei Jahre in der Schweiz.
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Antikriegsmuseum Als er 1926 nach München zurückkehren will, um Vorträge zu halten, wird er wiederum verhaftet. Durch das Eintreten Thomas Manns wird seine Ausweisung aus dem ganzen Deutschen Reich noch einmal abgewendet. Gräser zieht nach Berlin, arbeitet im Antikriegs-Museum, hält monatelang Vortragsreihen, die er 'Öffentliche Gespräche' nennt. Warnt vor einem kommenden Waldsterben. Seine Freunde gründen eine 'Deutsche Gandhi-Bewegung'. |
Texte zur Ausweisung aus Deutschland,
München Dezember 1926:
1928: 1929:
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Hausboot und Eselwagen Die Siedlung "Grünhorst" seiner Tochter Gertrud wird zu einem Treffpunkt der Wandervögel, der Biologischen Bewegung und des sich formierenden Widerstands gegen NS. Seine Landfahrten im Eselwagen enden 1933 mit der Verhaftung seines Fahrtgenossen Otto G. im KZ. Die Nazis erteilen ihm Schreibverbot. Sein Hausboot auf dem Langensee bei Berlin muss er aufgeben. Nach mehreren Verhaftungen flieht er nach München, wo er die Jahre des Terrors, halbverhungert, übersteht. |
1931 - 1942:
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Flatterblätter Während
des Krieges, von Verhaftung bedroht, verlässt er 1942
Berlin. Vom Münchner Rathausturm lässt er seine
Flugschriften auf den Marienplatz flattern. Oder er steckt
sie in das Astwerk eines Baumes im Englischen Garten. In
der Staatsbibliothek schreibt er am ‚Siebenmahl’ und am
‚Brieflein Wunderbar’. Sein Lebenswerk bleibt ungedruckt.
Völlig vereinsamt stirbt er unbemerkt im Oktober 1958 in
Freimann bei München und wird in einem Armengrab
beigesetzt.
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1942 - 1958
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Brief von Maria Hermann, einer Großnichte Gusto Gräsers, an dessen Tochter Heidi Stuttgart-Riedenberg,
Eichenparkstr. 50, 4.I.1959
Liebe
Heidi!
Das Leben geht eigenartige Wege. Es gibt Verwandte, die man nur vom Hören-sagen kennt, mit denen man auch nie zusammenkommen kann, und dann wieder solche, wo das Schicksal ganz plötzlich einen Weg zum Kennenlernen öffnet. Und dieser Weg hat sich für uns schicksalsmäßig geöffnet. Ich bin eine Verwandte zu dir und stamme aus Mediasch, Siebenbürgen. Meine Großmutter väterlicherseits und dein Großvater waren Geschwister. Vielleicht hast Du ja von diesen noch in Siebenbürgen lebenden Verwandten gehört. Vor 2 1/2 Jahren kam ich wieder nach Stuttgart und bin mit Tante Klemi, der Frau von Onkel Ernst Graeser, täglich beisammen gewesen. Von ihr bekam ich nach vielen vielen Jahren wieder etwas auch über deinen Vater zu hören. Onkel Ernst verstarb ja im Jahre 1944. Immer wieder kam die Rede darauf, daß ich Onkel Gusto, also deinen Vater, gelegentlich einer Reise nach München besuchen möge. In letzter Zeit kränkelte Tante Klemi, und wir waren dann doch sehr überrascht, wie sie am Charsamstag 1958 nicht mehr erwachte. Außer diesem Todesfall kam noch der Tod meiner lieben Mutter in der Heimat hinzu, so daß ich keine Zeit fand, an Onkel Gusto zu schreiben. Erst im August konnte ich dieses Vorhaben unternehmen, nachdem ich in Besitz seiner Anschrift gekommen war. Ich schrieb einen langen ausführlichen Brief an ihn und stellte darin verschiedene Fragen an ihn. Leider erhielt ich keine Antwort auf diesen Brief. Nach Wochen, anfangs Oktober war es, wurde ich aus München vom Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen angerufen, wobei mir mitgeteilt wurde, man habe deinen lieben Vater in der Wohnung tot aufgefunden. Bis zum Tage der Beerdigung konnte keine Anschrift von Euch Kindern ermittelt werden, und so habe ich als einzige Verwandte daran teilgenommen. Ich fürchtete, überhaupt die Einzige zu sein, die Onkel Gusto das letzte Geleit geben würde, war dann aber angenehm überrascht, als ich noch etwa 30 Teilnehmer, lauter Verehrer und Anhänger deines Vaters, neben mir stehen sah. Die Einsegnung und die Abschiedsrede hielt ein ev. Pfarrer, die neben einigen zynischen Bemerkungen doch menschlich zu nennen war. Nachdem der Sarg bereits zugeschlagen war, konnte ich Onkel Gusto nicht mehr sehen. – Inzwischen hatte sich herumgesprochen, daß unter den Trauernden auch eine Verwandte sei. Es kam nach der Beerdigung ein Herr auf mich zu und stellte sich als Angestellter der Staatsbibliothek München und guter Bekannter von deinem Vater vor. Wir besprachen was zu unternehmen wäre, und ich rief daraufhin das Nachlassenschaftsgericht an und bat um Öffnung des Zimmers, darin dein Vater wohnte, denn es war seitens der Polizei amtlich verschlossen worden. Da ich noch selbigen Tages zurückkehren mußte, ließ sich nichts mehr unternehmen. Von dem Nachlassenschaftsgericht kam dann eines Tages die Mitteilung, daß keine Erbmasse vorgefunden wurde, wohl aber stünde bei der Stadt München eine Schuld an Fürsorgegeldern in Höhe von DM 8.500 - zu Buch. Mit Dr. Müllerott, so heißt der Herr von der Staatsbibliothek, wurde eine erneute Reise meinerseits nach München besprochen, zu dem Zweck, was Brauchbares und Wertvolles an Schriftstücken, Gedichten und sonstigen geistigen Arbeiten zu sichten und zu schlichten und dann sortiert aufzuheben. Unvorstellbare Unordnung herrschte in dem Zimmer; in der kurzen Zeit, die uns zur Verfügung stand, konnten wir kaum eine wesentliche Arbeit leisten. Herr Müllerott und eine mit Onkel Gusto bekannte Dame hatten sich erbötigt, diese Arbeit gelegentlich fortzusetzen. Die Stadt München hatte in Erfahrung gebracht, daß wir die Schriften u. auch Sonstiges zu uns nehmen wollten und belegte als Gläubigerin alles mit Beschlag, obwohl zuerst gesagt ward, es sei nichts Wertvolles dabei. Nun liegt der größte Teil der Gedichte, Manuskripte u.s.w. bei der Stadt und soll bei der Handschriftensammlung einen ehrenden Platz erhalten. Onkel Gusto hat in Stuttgart aus früheren Jahren noch einige Freunde, so Herrn Willi Bauer, der ihn zeitweise auch unterstützt hat. Frau Condula, die noch in allerletzter Zeit von Onkel Gusto Bilder anfertigte, hat uns, nachdem die Stadt das für sie Wertvolle weggeschafft hat, noch 3 Pakete mit Schriftstücken zugeschickt, und Herr Bauer und ich sind darum bemüht, alles durchzusehen und nach Wert- und Brauchbarem zu sortieren. Immer und immer wieder haben wir nach Anschriften von Euch Ausschau gehalten, leider aber gar keinen Anhaltspunkt gefunden. Diese Anschrift von dir übergab mir Herr Bauer, ob sie noch zutrifft wollen wir sehen. Ich wäre natürlich dem Schicksal recht dankbar, wenn diese Zeilen dich erreichen würden, aber nicht nur das, ich erbitte baldigst auch eine Antwort von dir, damit ich weiß, ob du und auch deine anderen Schwestern damit einverstanden sind, was ich bis jetzt eigenmächtig getan habe und was weiterhin zu geschehen hat. Auch bitte ich dich, du mögest deine beiden Schwestern auch verständigen, nachdem doch anzunehmen ist, daß du die Anschriften hast. Irgendwelche Wertgegenstände oder Geld ist nicht gefunden worden. Der Anlaß unseres Kennenlernens ist wohl ein trauriger. Das Schicksal hat es nicht anders gewollt. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn du mir nebenbei auch etwas von dir erzählen würdest, damit ich mir von dir und deinem Leben eine Vorstellung machen kann. Auch für das Leben deiner beiden Schwestern habe ich Interesse. Von mir zum Schluß auch noch ganz kurz. Ich arbeite in der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen als Geschäftsführerin. War im Jahre 1944 auf einer Reise und konnte nicht mehr zurück in meine Heimat. Meine Geschwister leben heute noch unter sehr sehr schweren Verhältnissen in Siebenbürgen. Ich grüße dich herzlichst Deine Großtante Maria Hermann |
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