Urach Als ich aus Deutschland ging, nahm ich mit mir ein Bild, oft sucht mein Auge jetzt, festzuhalten sich dort, wo inmitten der Hügel Urach liegt … In meinem Holzhaus flieg ich nach Deutschland und laß mich nieder dort, nicht weit von Urach. (J. R. Becher)
Am Grünen Weg bei Urach hatte sich 1919 eine lebensreformerisch-anarchistische Landkommune gebildet mit drei ehemaligen Marinesoldaten: Karl Raichle, Gregor Gog und Theodor Plievier. Später kam auch Johannes R. Becher hinzu – und Gusto Gräser.
In südlichen
Duft-Lüften durfte ich ausruhn, süß gestillt zum Fest der Laubhütten auf den Hügeln der Kanaan-Traube… (J. R. Becher) Becher hat im Moskauer Exil seine Uracher Zeit in einem epischen
Gedicht – ‚Der Wanderer aus Schwaben’ - verewigt: Es kamen welche, die nur barfuß
gingen,
und die sich Kränze in die Haare hingen. … Vom Vogelhof her kamen sie in Scharen, die dort als Siedler „neue Menschen“ waren. Johannes R. Becher mit Mia Bittel auf der Erms Die Kolonie beim Baden Der Vogelhof war eine
lebensreformerische Siedlung auf der Schwäbischen Alb, mit der die Uracher in
Verbindung standen. Man wanderte dorthin, man übernachtete bei den „neuen
Menschen“, man pflegte Nacktkultur. Lebensreform und politische Revolte
verbündeten sich, nicht zum wenigsten durch das Erscheinen Gusto Gräsers im
Herbst 1919. Unter seinem Einfluss wurde Karl Raichle zeitweise zum Wanderer, wandelte sich Gregor Gog zum „Bruder von der
Landstraße“ und der Schriftsteller Plievier zum „Propheten“: „Mit dem Rebellen
von einst war inzwischen eine Wandlung vor sich gegangen, die auch ihren
äußeren Ausdruck suchte. ... Die äußeren Formen: der mönchskuttenähnliche
Mantel, die Sandalen an den bloßen Füßen und der ‚Prophetenbart’ bildeten sich
dabei wie von selbst heraus. Sie gehörten zu dem Drang, an Straßenecken und ‚manchmal
auf Straßenlaternen’ über ‚den Untergang des Abendlandes, den Aufbruch des
Nihilismus oder ähnliche in der Luft liegende Themen’ als moderner Savonarola
zu sprechen, wie die Flügel zum Schmetterling.“ (Harry Wilde: Theodor
Plievier, S. 80 f.) Nach einigen Jahren hatte
Johannes R. Becher aus der ursprünglich anarchistischen Siedlung eine
kommunistische Kolonie gemacht. Als Gräser eines Tages wiederkommt und den
sesshaft gewordenen Karl Raichle zum Wandern bewegen will, wird er von diesem –
auf Drängen Bechers – hinausgeworfen. Der Wanderer aus Siebenbürgen wollte den
„Wanderer aus Schwaben“, wie Becher seinen Freund Raichle nannte, aus seinem
„Grab“ befreien: Und
einer kam: "Ich hab dich nicht vergessen.
Es sind zwar viele Jahre unterdessen Ins Land gegangen, wie man sieht. Ich hab Damals gehört den Wanderer aus Schwaben. Es hat die Zeit ihn seinerzeit begraben, Und nun besuch ich ihn in seinem Grab. Wohlan! Es soll ein Wunder uns geschehen! Ich laß den Wandrer wieder auferstehen! Ich bin - der Führer! Und ich hab die Kraft! Durch Blut und Schlamm, durch Tränen und durch Flammen, So wandre ich voran, mit dir zusammen! Das ist der Sinn der neuen Wanderschaft! Der Wanderer sprach: "Das Wunder zu vollbringen, Wird dir, ich zweifle nicht, vollauf gelingen. Das Wunder - staune! - wird sofort vollbracht. Als Wanderer aus Schwaben, wie ich heiße, Werd ich an dir das Wunder tun, und schmeiße Dich aus dem Haus, dazu hab ICH die Macht!" In seinem Gedicht hat Becher
eine Prophezeiung ausgesprochen. Er sieht den Wanderer aus Schwaben während der
Nacht des Nazismus als Schlafenden im Berg - wie Barbarossa im Kyffhäuser -,
von wannen er eines Tages wiederkommen und sein Licht auf die Erde bringen
werde. Er meint zwar den heute vergessenen Karl Raichle. Seine Vision dürfte
weit eher für den gelten, der von ihm selbst aus der Kommune am Grünen Weg
vertrieben wurde. Und Deutschland war... Es geht
auch eine Sage:
Ein Wanderer ist. Er schläft im Berg bei Tage, Und wandert nachts. Die Nacht ist lang, so lang. Er wandert über Gräber und Ruinen. Seht da, ein Licht! Der Wandrer ist erschienen! Da – hört des Wanderers heiligen Nachtgesang. |
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An der Schönheit der Natur im roten Winkel hat sich nichts geändert, nur die Künstler sind längst weggezogen. Foto: Thomas Kiehl Uracher Wasserfall Karl Bittel-Häuschen an der Erms |
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