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An die Freunde des Siebenbürgers und alle, die seine Gedichte gustieren wollen
 
Gusto Gräser, Gedichte des Wanderers

Ausgewählt, herausgegeben, mit Linolschnitten und einem Nachwort versehen von Frank Milautzcki.

Dies ist – merkwürdig genug – die erste Sammlung von Gräsers frühen Gedichten überhaupt, eine kleine feine Auswahl kürzerer, spruchartiger Texte, so etwas wie eine erste Einführung. Eine bibliophile Ausgabe in nur 37 Exemplaren, nummeriert und vom Herausgeber signiert, von hinten bis vorn handgemacht, jeder Umschlag ein vom Künstler bemaltes Unikat, eine Ausgabe, die deshalb nicht billig sein kann: 48 €. Eine Rarität für Liebhaber.

Franck Milautzki, Schreiender

Sie stellt sich als leichter zugängliches „kleines Fahrzeug“ den schon früher erschienenen gewichtigen aber leider nicht mehr greifbaren Bänden TAO – DAS HEILENDE GEHEIMNIS (im Antiquariat zu finden) und ERDSTERNZEIT ergänzend zur Seite.

Das Büchlein, kartoniert, geheftet, 40 Seiten A5 mit 52 Gedichten und 4 Linolschnitten von Frank Milautzcki, kann bezogen werden durch den

Verlag im Proberaum 3 - Trennfurter Str. 14 - 63911 Klingenberg


Stefan Otto

Poetischer Besuch beim Eremiten
Eine Auswahl der Gedichte Gusto Gräsers

In: Die Berliner Literaturkritik vom 2. 11. 2006

Für die meisten seiner Zeitgenossen war Gusto Gräser ein seltsamer Mann. Er war Bettler, Pazifist und konsequenter Kriegsdienstverweigerer – und er folgte dem Dao, jener Philosophie, die Laotse vor mehr als zweitausend Jahren begründete. Gräser wurde 1879 in Siebenbürgen geboren; zeitlebens malte, dichtete und wanderte er. Frank Milautzcki hat nun den schmalen Band „Gedichte des Wanderers“ mit weitgehend unveröffentlichten Gedichten von Gräser herausgegeben. Manche fanden sich im Nachlass Gräsers - er starb 1958 in der Nähe von München - andere Gedichte waren auf Postkarten und Flugblätter gedruckt, die er auf seinen ausgedehnten Reisen durch Mitteleuropa verteilte.

Ausbruch aus der Zivilisation

Die Mehrzahl der Gedichte des Bandes haben nur wenige Zeilen und folgen einer schlichten Poetik. Gräser benutzt kein strenges Versmaß. Seine Texte erinnern bisweilen an Laotse, dessen Übersetzungen ins Deutsche ähnlich knapp und aphoristisch ausfallen. Während des Ersten Weltkrieges fertigte Gräser eine eigenwillige Nachdichtung von Laotses Werk „Tao Te King“ an. Vermutlich berief er sich dabei auf die Übersetzung des christlichen Missionars Richard Wilhelm aus dem Jahr 1910. Herausgekommen ist eine Nachdichtung, die vor allem ein Bekenntnis seiner Weltanschauung ist. Gleiches gilt für seine Gedichte. Oftmals spiegeln sie eine pauschale Ablehnung der Zivilisation wider: „Wohin die Hatz? Das Leben blüht am Wege / ein Rappelhans läuft dürren Zwecken nach / vorbei an Freundschaft wonnigem Gehege“, heißt es spöttisch in einem Gedicht aus der Zusammenstellung Milautzckis. Ein Impuls des Abgrenzens und Ausbrechens ist in seinen Gedichten unübersehbar und neben dem Bekenntnis zur Natur und dem Dao eine stets wiederkehrende Komponente.

Zeitlebens blieb Gräser ein Außenseiter, zweifellos war das ein selbst gewähltes Los. Schon seine Erscheinung war auffallend: Er hüllte sich in Leinengewänder, hatte einen schwarzen Bart und bis in den Nacken reichendes Haar. Seine Augen blickten ernst, und schwere Falten verschatteten das Gesicht. „Es ist ein Haupt, das man sich auf den Schultern Johannes des Täufers denken könnte, der Kopf eines wirklichen Propheten, der in der Menschenwüste wandelt und schwere, ungelenke, primitive und schon sehr, sehr alte Gedanken hinter seiner mächtigen Stirne wälzt“ schreibt die „Vossische Zeitung“ 1928 ebenso bewundernd wie skeptisch.

Mit Hesse im Elfenbeinturm

Bei vielen seiner Zeitgenossen hinterließ er einen nachhaltigen Eindruck, Hermann Hesse war einer von ihnen. Im Frühjahr 1907 folgte Hesse dem Eremiten auf den Monte Verità ins Schweizer Tessin und lebte mit Gräser in einer Grotte. Gemeinsam versuchten sie sich wochenlang fastend und nacktlaufend als Einsiedler in den Felsen. In vielen Belangen war Gräser für Hesse ein Lehrmeister, aber folgen wollte der berühmte Kollege ihm nicht, denn dies hätte unweigerlich einen dauerhaften Bruch mit der Gesellschaft bedeutet. Ihr Kontakt riss wieder ab, und erst während Hesses Lebenskrise in den Jahren 1916/17 – ausgelöst durch den Tod des Vaters, die psychische Erkrankung seiner Frau und den Krieg – suchte der Dichter abermals die Begegnung mit Gusto Gräser.

Literarisch sind diese Zusammentreffen der Nachwelt erhalten geblieben, denn wann immer Hesse in seinen Werken geistige Führer einsetzt, erinnern diese an seine Freundschaft mit Gusto Gräser. Über diese literarische Verewigung hinaus sind dem heutigen Leser die Gedichte Gräsers erhalten geblieben. Frank Milautzcki hat eine kleine Sammlung zusammengestellt und seinen Band mit Grafiken versehen. Eine Werkauswahl sei das nicht, die hätte weitaus umfassender sein müssen, schreibt er im Nachwort. Das ist schade, denn so sind lediglich 52 Gedichte versammelt, von denen nur wenige mehr als einen Gedanken tragen. Und bisweilen mutet es doch schal und leblos an, die Texte losgelöst von Gräsers Vita zu betrachten. Beinahe scheint es, als würden die Gedichte nach einem bärtigen Eremiten verlangen, der sie aus tiefster Überzeugung mit einer sonoren Stimme vorträgt.

von Stefan Otto

Literaturangaben:
GRÄSER, GUSTO: Gedichte des Wanderers. Herausgegeben von Frank Milautzcki. Verlag im Proberaum 3, Klingenberg 2006. 37 Bl., Ill., 48 €.

© Die Berliner Literaturkritik, 02.11.06