Übersetzungen des Tao Te King
gibt es zu Dutzenden. Meist sind sie nebulös und
kaum verständlich, weil sie sich von der
Denkwelt des Chinesischen nicht lösen können.
Gusto Gräser, selbst Einsiedler und
Erdenwanderer in härenem Gewand, konnte aus
eigener Erfahrung schöpfen und so eine
Nachdichtung schaffen, die nicht an Worten klebt
sondern aus dem Geist des TAO lebt. Durch ihn
und in ihm ist der Chinese Laotse ein Deutscher
geworden. Gräsers
Nachdichtung
überzeugt durch die Klarheit und Einfachheit der
Sprache, durch ihren würdevollen Gang und ihr
kraftvolles Pathos. Der Sinn wird sinnlich, wird
hörbar, plastische Poesie. Die Weisheit des
Chinesen bleibt nicht länger eine ferne Sage,
sie wird Forderung des Tages, Anruf und Mahnung
zur Wandlung. Wir sind gemeint, Menschen des 21.
Jahrhunderts. Die Gelehrsamkeit fällt weg, das
Wort des großen Alten wird wieder jung. Gräser
war
ein Wanderer, lebte auf und von der Straße,
schlief in Wäldern, wohnte in Felshöhlen. Der
frische Wind seines sturmbewegten Lebens fegt
den Staub vom vergilbten Pergament. Mit einem Nachwort von Hermann Müller
Broschur, 143 Seiten
mit zahlreichen Abbildungen - 5. verbesserte
Auflage - ISBN: 9783937726007 - EUR
14,00 Umbruch Verlag Recklinghausen
Gusto
Gräser
Gedichte des Wanderers
Herausgegeben von Frank Milautzcki,
Klingenberg
Limitierte und numerierte Ausgabe
Der
Monte Verità bei Ascona, von Gusto Gräser
mitbegründet, wurde zu Beginn des Jahrhunderts ein
geistiges Zentrum, das schöpferische Kräfte
aus ganz Europa an sich zog. Jahrzehntelang
hat der "Stromer", der "Vagabund", der
"lachende Siebenbürger" in deutschsprachigen
Großstädten "öffentliche Gespräche"
abgehalten, hat auf Spruchkarten und
Flugblättern, vor allem aber im Gespräch
seine Mitmenschen aufzurütteln versucht.
Seine Gedichte wollten nicht "Kunst" sein,
sind immer Ansprache und Mahnung. Sein Lebenswerk
ist ungedruckt geblieben. Seine Zeitgenossen
kannten nur Bruchstücke, Vorläufiges,
Zufälliges. Heute erst, mit dieser Auswahl,
hat der Leser die Möglichkeit, sich ein
eigenes Urteil zu bilden. Besser aber:
teilzuhaben an einem Vermögen, teilzunehmen
an einer Befreiung. Es handelt sich um eine
Auswahl, eine Zusammenstellung von Gedichten
und Sprüchen, wie sie der Dichter selber nie
gegeben hat und wohl nie gegeben hätte.
Gräser hat seine Goldkörner zwischen Sand
und Kiesgeröll vergraben. Sie auszusieben
und blankzureiben wäre ihm als Verzerrung
der Wirklichkeit erschienen, der
Wirklichkeit, die immer auch banal, unrein,
gemischt und schlicht alltäglich ist. Mit
wunderlicher Fremdheit schauen uns diese
Texte an, lassen uns zurückschaudern vor so
viel brausender Bejahungskraft.
Herausgegeben von Hermann Müller
Diese erste und
einzige Lebensbeschreibung des Dichterpropheten
bietet auf 145 Seiten die wichtigsten
Originaltexte und Fotos, die zu seinen Lebzeiten
entstanden sind. Mit einem Kapitel
über seine Jugend bei Diefenbach und mit Bildern
aus der Alternativ-Siedlung „Grünhorst“ bei
Berlin. Mit ausführlichen Literaturangaben und
zahlreichen Fotos und Faksimiles.
Umbruch Verlag
Recklinghausen, € 15.00. ISBN
978-3-937726-07-6
Weiterführende Literatur in
Auswahl zu Arthur Gustav Gräser
Grundlegende Schriften fett
geschrieben
Weiterführende
Literatur ist auch in den jeweiligen
Kapiteln zu finden
(siehe auch Karl
Wilhelm
Diefenbach)
Andratschke, Thomas (Hg.)
Mythos
Heimat. Worpswede und die europäischen
Künstler-kolonien. Sandstein
Verlag, Dresden 2016.
Zitat:
Hermann Hesse … zog es zu Gusto Gräser, den
er in seiner Höhle in Arcegno besuchte, um
etwas von ihm zu lernen, was in seinen
Büchern immer wieder eine Rolle spielt: den
Rückzug in die Einsamkeit, das
Ausgesetztsein in der Natur, die Askese, die
radikale Außenseiterrrolle.
Appignanesi, Lisa
Dreams of Innocence.
London: HarperCollins, 1994.
Aschenbeck, Nils
Reformarchitektur.
Die Konstituierung der Ästhetik der
Moderne. Verlag Birkhäuser, Basel
2016.
Aschenbeck führt die Entstehung der modernen
Architektur auf die Licht-Luft-Hütten der
Lebensreformer und ihre Sanatoriumsbauten
zurück. Ihr Ideal der Einfachheit und
Ursprünglichkeit habe zu einer Reduktion des
Hauses auf seine Urform geführt: die Hütte.
Damit hätten sie einen neuen Beginn gesetzt.
Zitat: „Das um 1900 auf dem Monte Veritá und
an anderen Orten etablierte neue
Architekturverständnis, das das
Architekturverständnis des 19. Jahrhunderts
auf den Kopf gestellt hatte, war
unmittelbare Ursache für einen
weitreichenden architektonischen Wandel
weltweit. Das moderne Appartementgebäude,
das auf den ersten Blick sowohl einem
Sanatorium als auch einem Schnell-dampfer
glich, gründete auf der Reformbewegung. Es
ist – bis heute – der Standardtyp der
Wohnarchitektur geblieben, wird kaum
verändert von Trondheim bis Sydney gebaut.
Wir sehen, dass die moderne Architektur, das
Neue Bauen, die Neue Sachlichkeit, die
Moderne oder auch die Zweite Moderne
Weiterungen und Fortentwicklungen der Reform
sind. Erst die Reform hat das Denken
etabliert, das dieser Architektur zugrunde
liegt.“ (S. 283)
Below, Jürgen
(Hg.)
Hermann Hesse „Der
Vogel kämpft sich aus dem Ei“ Eine
dokumentarische Recherche der
Krisenjahre 1916-1920
Igel Verlag, Hamburg 2017
Bermbach, Udo
Richard Wagners Weg zur
Lebensreform Wagner
in der Diskussion, Bd. 17
Königshausen und Neumann Verlag,
Würzburg 2018 ISBN
9783826064708
Gebunden, 256 Seiten
Udo Bermbach, von Haus
aus Politologe und Wagnerforscher, hat ein
Buch zur Geschichte der Lebensreform
geschrieben, das manches Kompendium zum
Thema in den verdienten Schatten stellt.
Anschaulich und plastisch, weil er sich
konzentriert auf ... Weiterlesen
Dans: Esprit
gandhien avant la lettre de 1890 à 1918
et réception de Gandhi de 1918 à 1945 en
Allemagne.
Par Danielle
Bernard, professeure agrégée d'allemand,
Edition de novembre 2000 corrigée et
complétée en mars 2022.
(Gandhianische und
nicht-gandhianische Aspekte von Gusto
Gräser, einem Wahrheitssucher,
Eklektiker, reisenden Künstler,
Einzelgänger, Anarchisten und
Rebellen.
In: Esprit gandhien avant la lettre de
1890 à 1918 et réception de Gandhi de
1918 à 1945 en Allemagne.
Von Danielle Bernard, Professorin für
Deutsch, Ausgabe vom November 2000,
korrigiert und ergänzt im März 2022.)
Berlinische Galerie (Hg.)
Visionäre
der Moderne. Paul Scheerbart, Bruno Taut,
Paul Goesch. Scheidegger &
Spiess, Zürich 2016.
Zitat:
„Das ist letzten Endes, das was wir wollen:
die Utopie!“ formulierte Walter Gropius
begeistert.
Bodmer, Hans-Caspar (Hg.)
Monte Verità. Landschaft, Kunst,
Geschichte. Frauenfeld Stuttgart
Wien 2000, Verlag Huber.
Bollmann,
Stefan
Monte
Verità 1900
Der Traum vom alternativen Leben beginnt
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2017
Blankenstein,
Christian
Gusto
Gräser – der europäische "Gandhi"
Unter dieser Überschrift zeichnet
Christian Blankenstein, ein
altkatholischer Theologe in Wien, ein
kurzes Lebensbild von Gusto Gräser. Es ist
enthalten in seinem Buch: Die
Merk-würdigen von Gestern und ihre Spuren
im Heute. 15 Portraits aus Österreich,
erschienen im Verlag Traugott Butz,
Nordhausen 2011; dort auf den Seiten
146-160.
Blankenstein
bietet ein gründlich recherchiertes (wenn
auch nicht fehlerfreies) Portrait, das sich
vor allem, nach seiner eigenen Aussage, auf
die Gräser-Webseite stützt. Er kann also dem
hier bewanderten Leser, außer in seinen
Akzentuierungen, wenig Neues bieten. Darum
dürfte es genügen, jene Abschnitte hier
anzuzeigen, die relativ eigenständig sind
oder einen Aspekt besonders hervorheben.
Blankenstein geht einigermaßen ausführlich
auf die familiäre Herkunft Gräsers ein:
Anhand der von Daniel Gräser 1885
zusammengestellten „Graeser-Biederfeldschen
Familienchronik“ gelingt es leicht, sich ein
Bild jenes geistigen Umfeldes zu machen, das
Gräser hervorgebracht hat. Am Anfang steht
die Legende von der dickköpfigen
Aufrichtigkeit jenes Ahnen, der im
Chorgestühl der Schäßburger Bergkirche
Beleidigungen gegen den Magistrat verfasst
hatte.
Vor die Alternative gestellt, zu widerrufen
oder auszuwandern, wählte er letzteres und
geht in die Gegend des Dorfes Mediasch.
Gesichert jedoch ist das Faktum, dass
bereits vor dem Jahre 1664 dort Angehörige
der Familie Graeser sesshaft waren und
Stephan Graeser 1664-1686 das Amt des
Bürgermeisters bekleidete. Übte man in der
Graeser’schen Familie zunächst das
Schneidergewerbe aus, so wird Daniel
(1752-1833), der in Jena Theologie studiert,
Pfarrer und als Siebzigjähriger zum Bischof
der Evangelischen Kirche in Siebenbürgen
bestellt. Die Familie Graeser weist
schließlich ein weites Spektrum von Berufen
auf, das vom Berufssoldaten,
Kommunal-Politiker, Kirchenmann, Historiker
und Juristen bis hin zum Dichter und Maler
reichen wird. Eine geistige Elite in
Siebenbürgen also! Im Geburtsjahr Gusto
Gräsers 1879 weist die „Allgemeine Deutsche
Biographie“ gleich drei Vertreter der
Familie auf. Schule und Kirche sind die
beiden Grundfesten der Siebenbürger Sachsen,
die sie zwecks Aufrechterhaltung ihrer
Identität stets hochhielten. Waren sie doch
ethnisch wie religiös eine Minderheit. So
werden diese beiden Anker des Volkstums auch
in der Familie Graeser von Generation zu
Generation weitergegeben. (S.147)
Über Gräsers Rebellion gegen die Schule
berichtet Blankenstein:
Noch schlimmer wird es für ihn, als er am
30. August 1890 an das Brukenthal-Gymnasium
nach Schäßburg [Hermannstadt!] wechselt und
er der Enfernung wegen zu Fremden – noch
dazu Lehrern – in Kost und Logis muss!
Glücklich erweist sich der Umstand letztlich
dennoch, als Gusto am 1. November 1891 in
das Haus des Malers Carl Dörschlag
(1832-1917) zieht. Dieser, ein bedeutender
Portrait- und Landschaftsmaler, fungiert
gleichzeitig als Zeichenlehrer am Gymnasium.
Er war es, der als erster die künstlerische
Ader des Jungen fördert. Dies bringt Gusto
einerseits Erfüllung, ändert aber nichts an
seinem Desinteresse an der Mathematik. So
kommt, was kommen muss: der Spross einer
bekannten Akademiker-Familie fällt durch und
verlässt das Gymnasium. (148)
Über „die Kolonie auf dem Monte Verità“ von
Ascona, von den Brüdern Gräser im Herbst
1900 zusammen mit andern begründet,
räsonniert der Theologe:
Ein Berg begegnet uns immer wieder in den
Religionen der Welt, denken wir
beispielsweise an den Berg der
Gesetzestafeln des Moses oder die
Bergpredigt des Jesus von Nazareth. Von oben
sieht die Welt nicht nur anders aus – die
veränderte Perspektive vermag auch das
eigene Denken zu verändern, neue Maßstäbe
werden bedeutsam. Gräser und seine Gefährten
glaubten den richtigen Platz für einen
Neuanfang gefunden zu haben: eine
Kontrastgesellschaft soll aufgebaut werden,
Gräser sieht in ihr eine Art Liebeskommune,
die Aussteiger aller Art mit offenen Armen
aufnehmen soll. Nachdem Gräser inzwischen
jede Art von Reglement und äußerer Ordnung
ablehnt, soll es ein Ort werden, wo sich der
Mensch entfalten kann.
Vordergründig irritiert die Bezeichnung
„Monte Verità“, denn es geht dort weniger um
die „Wahrheit“, sondern um die Möglichkeit
„wahrhaftig“ zu leben und den Zwängen der
Geschäftswelt und den Regeln der
Gesellschaft zu entfliehen. (151)
Blankenstein zitiert auch aus dem Bericht
von Carlo Arnaldo, dem ersten Chronisten des
Monte Verità:
In seinem Artikel „Die Naturmenschen“, der
am 20. August 1903 in San Francisco
erscheint, heisst es: „Ich fuhr über den
Lago Maggiore und bestieg den Heiligen Berg
der Göttin Natur, den seine seltsamen
Bewohner Monte della Verita – Berg der
Wahrheit - nennen … Weiter oben trafen wir
den ersten Naturmenschen (Anm. Karl bzw.
Gusto Gräser). Er war gerade beim Bau eines
kleinen Steinhauses … Noch nie habe ich
einen so schönen Mann gesehen, nicht nur im
ästhetischen Sinn, sondern auch nach den
charakteristischen Zeichen wahrer
Gesundheit. Er trägt die Haare lang und
einen kurzen Bart; eine leichte Tunika, an
der linken Seite aufgehängt, lässt die Arme
für die Arbeit frei und entblößt bis zur
Mitte einen hageren muskulösen Körper
praxitelesker Volkommenheit. Ich sagte mir,
so müssten die Bewohner der Erde ausgesehen
haben, als unsere Zivilisation die Rasse
noch nicht verdorben hatte…“ (152)
Blankenstein befasst sich ausführlich mit
Hermann Hesse und dessen „lebenslanger
Bewunderung und Freundschaft zu Gräser“. Er
zitiert eine wenig bekannte Stelle aus dem
‚Glasperlenspiel’:
Hermann Hesse schildert … seine Eindrücke
auf dem Monte Verità folgendermaßen: „Bei
der Ankunft gegen Abend blickte eine kleine
grüne Oasenlandschaft ihn freundlich an, er
sah Bäume ragen und hörte eine Ziege
meckern, glaubte im grünen Schatten die
Umrisse von Hüttendächern zu entdecken und
Menschennähe zu wittern … Mit Einbruch der
Dämmerung kam er in die kleine Siedlung. Es
wohnten hier, ähnlich wie in einem Kloster,
sogenannte Zurückgezogene … aus
verschiedenen Städten und Ortschaften, die
sich hier in der Abgeschiedenheit eine
Unterkunft geschaffen hatten, um ungestört
sich einem einfachen, reinen Leben der
Stille und Kontemplation zu ergeben.“
(152f.)
Aus einem Flugblatt des Wanderpropheten
teilt Blankenstein einen ebenfalls kaum
bekannten Auszug mit:
In Berlin, wo die Familie ein Jahr bleibt,
verteilt Gräser 1912 Flugschriften mit dem
Titel „Heimat“ und „Ein Freund ist da“. In
letzterem ist seine heftige
Gesellschaftskritik unverkennbar: „O, Ihr
blutlosen Anstandspuppen! Hüllt Euch nur
weiter in Eure mit tausend hüpschen Phrasen
verbrämten Mäntelchen – Ihr über alle
Äusserlichkeiten Erhabenen! Macht nur
weiter, Ihr Macher! … Geht, Ihr Memmen! …
Oder wollt Ihr hüpsch sittsam beim Alten
bleiben, beim guten alten, doch so
christlichen Mietmenschentum? … Trottet also
nicht mehr nach der sittsamen Lüge,
öffentliche Meinung genannt, sonst verdient
Ihr Trottel, nicht aber Menschen zu
heissen…“ (153f.)
Blankenstein bewertet den Einfluss, den
Laotse auf Gräser gehabt hat, hoch und
widmet dieser Frage eine ausführliche
Betrachtung, die den gelernten Theologen
verrät – der sich allerdings hier auf ein
Neugebiet wagt:
Nachdem Gräser bereits 1912 in Stuttgart
über Laotse und das Tao spricht, ist davon
auszugehen, dass er wahrscheinlich schon in
seiner Höhlenzeit begonnen hat, sich mit
diesem Thema intensiv zu beschäftigen. Nach
der Lektüre von Gräsers Nachdichtung
schreibt Hesse im einem Brief im Sommer
1919: „Die Weisheit, die uns nottut, steht
bei Laotse, und sie ins Europäische zu
übersetzen, ist die einzige geistige
Aufgabe, die wir zur Zeit haben.“
Um Gräsers Werk und Absicht verstehen zu
können, muss man zunächst einen Blick in die
Religionsgeschichte werfen, was das alte
China angeht. […] Laotse hat im 6.
Jahrhundert v. Chr. mit seinem Buch
„Tao-te-king“, einer Zusammenfassung von 81
Rätselworten, etwas geschaffen, das heute zu
den Perlen der Weltliteratur gehört. … Die
Botschaft des Tao-te-king, die Besinnung auf
das Eine, Unendliche, Wesentliche, das allem
Werden und Wandel zugrundeliegt, das
Loslösen vom Kampf der menschlichen
Leidenschaften, von Krieg, Herrschsucht,
Wissen, Scheintugend, also von all den
Äußerlichkeiten, fasziniert Gräser.
Der Leser soll seine Gedanken hinlenken auf
die Stille, die Himmel, Erde und Menschen
trägt. Es ist also letztlich jener Zustand
als Ideal anzustreben, der eine abgeklärte
Gelassenheit und zugleich eine innige
Verbundenheit mit allen Wesen und Dingen
bedeutet. Nur wenn der Mensch loslässt (vgl.
den Mystiker Meister Eckhart), wird er frei
und glücklich. […] Was die Rätselworte
angeht, so müht sich Gräser nicht um eine
Übersetzung, sondern um eine Neubelebung
ihrer Botschaft in moderner Sprache. Er
macht sich also an die Arbeit der
Nachdichtung und liest den Erfolg seiner
Arbeit einem ausgewählten Kreise vor. Laotse
steht für die Ernsthaftigkeit und Einsamkeit
eines abgehobenen Gelehrten, Gräser, der als
„der lachende Siebenbürger“ bezeichnet wird,
zeigt sich als dem Leben zugewandter
Philosoph, den Hermann Hesse im Steppenwolf
folgende Devise prägen lässt: „Du sollst
leben und das Lachen lernen.“ (156)
Blankenstein findet treffende Worte für das
Verhältnis der beiden Philosophen, bringt
auch einige Beispiele aus Gräsers Tao-Buch.
Indem er allerdings viel über den alten
Chinesen und über das eigene dichterische
Werk des Siebenbürgers fast gar nichts sagt,
verschiebt er die Gewichte gewaltig. Denn
dieses Werk ist keine Nachahmung sondern aus
eigener Erfahrung geschöpft, aus der Not und
dem Kampf eines freiwillig Armen, der in der
Katastrophenzeit des zwanzigsten
Jahrhunderts seine einsame Stimme erhebt.
Seine Worte sind ebensowenig „Rätselworte“
wie die des Meisters Lao, sondern klare,
verständliche, ja erleuchtende Botschaften,
Schlüsselworte zu den Geheimnissen des
Daseins. Gräser hat zwar Anregungen von
vielen Seiten dankbar aufgenommen, aber er
ist ein „Schüler“ nur des eigenen Selbst.
Die Arbeit von Blankenstein ist sachlich im
Ton, klar und verständlich geschrieben,
durch passende Zitate anschaulich gemacht
und trotz einiger Missverständnisse und
Ungenauigkeiten im großen und ganzen
zuverlässig. (Einen „Bruder Otto“ von Gräser
hat es nie gegeben, und ein „KZ Großöhmig“
wird man in den Geschichtsbüchern vergeblich
suchen!) Da der Verfasser auf Gräsers
eigenständiges dichterisches Werk nicht
eingeht, kann dessen bleibende Bedeutung
nicht sichtbar werden. Trotz solcher
Einschränkungen bietet Blankenstein auf kaum
fünfzehn Seiten eine informative, angenehm
zu lesende Einführung in den Lebensgang des
großen Siebenbürgers.
Blum, Iris
«Monte Verità am Säntis – Lebensreform
in der Ostschweiz 1900–1950»
VGS Verlagsgenossenschaft St.Gallen,
St.Gallen 2022; 352 Seiten, Hardcover mit
zahlreichen SW-Abbildungen
Die Lebensreform ist das
innovatorische Epochenphänomen um 1900.
Naturheilkunde, neue Formen der
Lebensgestaltung und Lebensweise, der
Ernährung, der Pädagogik, Alternative
Ökonomie und nachhaltiges Handeln haben
bis heute nicht an Brisanz verloren.
Iris Blum beleuchtet in ihrem Buch die
Lebensreformbewegung der Ostschweiz in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die
Historikerin und versierte Archivarin
spürt in sieben Kapiteln den
Lebensentwürfen beinahe vergessener
Reformer und Utopisten, Visionären und
Idealisten nach und legt ein
wissenschaftlich fundiertes und spannend
erzähltes Buch vor.
Aus dem Inhalt:
• Kehrt zur Natur zurück! ‒ Kuranstalten
mit Licht- und Lufthütten
• Vorwärts zur Natur! ‒Vegetarische Lokale
und Reformhäuser
• Unendlich viele betreiben Yoga ‒
Lebensschule Mazdaznan
• Preiswürdige Häuschen und Landgütchen ‒
Gartenstädte und Künstlerkolonien
• Das Atelier Rietmann ‒ Bildgedächtnis
der Lebensreform
• Marktwirtschaft ohne Kapitalismus ‒
Freiland und Freigeld
• Schmetterlinge ohne Sinn und Verstand ‒
Jaques-Dalcroze-, Loheland- und
Laban-Schule
• Paradiese mit Gleisanschluss ‒
Landerziehungsheime
Anhang: Endnoten, Person
Ein Sammelband zum Gedankengut der
"radical traditionalists". Der
amerikanische Kulturhistoriker Gordon
Kennedy kommt in seinem Beitrag zu
dem erstaunlichen Ergebnis, dass die
Wurzeln der amerikanischen Hippie-Bewegung
weniger in Indien liegen als in der
deutschen Lebensreform, die schon seit
1900 durch Auswanderer in die Staaten
gebracht wurde:
"What a devastating blow to find out
that it wasn't the Hopis, Hindus,
Tibetans, or some universal 'all-is-one'
doctrine that inspired the hippies - it
was Germany after all."
Gordon würdigt Gusto Gräser als
Hauptfigur dieser Bewegung und bietet
Bilder von Gräser, Hesse, Fidus und
Diefenbach.
Canottiere,
Lorena
Verdad
Banoe Books. Wien 2017
Ein Comic
„Sie versuchten, den neuen
Menschen zu erschaffen. Dieser sonnige Hügel, der Monte
Verità von Ascona, bleibt für viele der Abglanz
eines Traumes.“
(Lorena Canottiere)
"... Hesse,
ergriffen von dem Wunsch nach einer
Lebensweise, die der Wirklichkeit neue
Farben verleihen würde, bewies seine
geistige Verwandtschaft mit Gräser,
indem er dessen Einladung annahm,
ihm auf den Monte Verita oberhalb von
Ascona zu folgen. ..."
Carnelli, Silvia
Die
Heimkehr des Ikarus. In: Gusto
Gräser, TAO. Das heilende Geheimnis.
Recklinghausen 2016, S.103-106.
Zitat:
Als Gegenstück zur radikalen
„Dekonstruktion“ der Gegenwart entwirft
Gusto Gräser die Konstruktion einer neuen
Menschheit … Gusto Gräser bietet auch sein
ureigenes Menschenideal an. Jener Mensch,
der dem Weg seines Taos folgt – im
Sichfreimachen von sozialen Vorschriften, so
wie der Dichter selbst sich freimachte -,
wird „helfend heilend“ … Er wird ein Tänzer
und ein Tor, ein weiser Narr
Carstensen, T. u. Schmid, M. (Hg.)
Die
Literatur der Lebensreform. Kulturkritik
und Aufbruchstimmung um 1900.
Transcript Verlag, Bielefeld 2016.
Zitate:
Der Monte Verità … ist ein Ort der
Gegenbewegung, ein Ort der Verlangsamung,
welcher der Beschleunigungserfahrung um 1900
etwas entgegenzusetzen versucht. Man sehnt
sich nach Befreiung von etablierten Normen …
(195).
Niemand verkörperte das Aussteigertum in dem
um 1902 eröffneten Sanatorium besser als
Gusto Gräser. (18)
Cepl - Kaufmann, Gertrude
"Die
Boheme zwischen Lebensreform und
Lebensflucht", Aufsatz in
"Nomadische Existenzen", Tagungsband des
Fritz-Hüser-Instituts 11. Mai 2007, S.
55-73, Herausgegeben von Walter Fähnders,
Klartext Verlag, Essen 2007, ISBN
978-3-89861-814-4 Auszüge
Coccia,
Emanuele
Die
Wurzeln der Welt - Eine Philosophie
der Pflanzen
Ein italienischer Denker, von der Biologie
herkommend, lehrt uns die Welt mit anderen
Augen sehen.
Eine Schwäche hat allerdings sein
bahnbrechendes Werk: Begriffe wie „Mischung“
und „Atmosphäre“, die er in den Mittelpunkt
stellt, sind viel zu farblos und zu
alltäglich, um seine Weltsicht attraktiv und
einsichtig zu machen. Auszüge und Kommentar
Gibt es einen Dichter, der ihm auf die
Sprünge hilft? Ist dies Gusto Gräser?
Emanuele
Coccia: Die Wurzeln der Welt. Eine
Philosophie der Pflanzen, München, Carl
Hanser Verlag, 5. Auflage 2018
Silvio Gesell in München 1919.
Erinnerungen und Dokumente aus der Zeit
vor, während und nach der ersten
bayerischen Räterepublik. Hann.
Münden 1986.
Erl, Veronika
Monte
Verità - Sanatorium der Utopien
Auszug aus Gelebte Utopien -
Siedlungsprojekte der Lebensreform - 2021,
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Ferentschik, Klaus
Gustav Arthur Gräser. In:
Harald Szeemann, Wunderkammer
Österreich,Wien/New York 1996, S. 245.
Gajek, Bernhard
Der Prophet und der Dichter.
Gusto Gräser, Hermann Hesse und der
Monte Verità. In: Schweizer
Monatshefte, Zürich. 59. Jg., 1979, Heft
7, S. 639-643.
Green,
Martin
Mountain
of Truth. The Counterculture begins.
Ascona, 1900-1920. Hanover and London:
University Press of New England, 1986.
Green, Martin
Prophets of
a New Age. The Politics of Hope from
the eighteenth through the
twenty-first Centuries.New
York: Scribner's, 1992.
Ascona ist für
Green der zentrale Leuchtturm, die
"Stadt auf dem Berge", die das NEUE
ZEITALTER ( NEW AGE) keimhaft und
symbolhaft verkörpert. Wer immer auch in
seiner umfassenden Zusammenschau der
alternativ-grünen Bewegungen auftaucht – ob Gandhi
oder Tolstoi, ob Gary Snyder, Kerouac,
Lawrence oder Max Weber, ob Tagore oder
Bernard Shaw, ob Rushdie, Shelley oder
Rikli, ob Hesse oder Hildegard von
Bingen - wird als „Asconan“ bezeichnet
oder in kontrastierende Beziehung zu
„Ascona“ gesetzt. „Asconan“
oder „asconesisch“ ist eine Idee, eine
Weltsicht, eine Gesinnung. Und es ist
die Weltsicht von Gusto Gräser. Die
arbeitet er heraus.
Greiner, Steffen
Die Diktatur der Wahrheit. Eine
Zeitreise zu den ersten Querdenkern.
Klett Cotta, Stuttgart 2022, 272 Seiten
Besprechungen dazu >>>>> Hier!
Grohmann, Adolf
Die Vegetarier-Ansiedelung in
Ascona und die sogenannten Naturmenschen
im Tessin.Halle
a. S.: Carl Marhold, 1904. - Nachdruck:
Edizioni della Rondine, Ascona 1997.
Guerra, Gabriele (Herausgeber)
Tra
ribellione e conservazione. Monte Verità
e la cultura tedesca.
A cura die Gabriele Guerra, Roma, 2019
(Zwischen Rebellion und Bewahrung. Der Monte
Verità und die deutsche Kultur.
Herausgegeben von Gabriele Guerra, Rom,
2019)
Mit Beiträgen in deutscher Sprache und in
italienischer Sprache.
Heelas, Paul
The New Age
Movement. The Celebration of the Self
and the Sacralization of Modernity.Blackwell Publishers, Oxford and
Cambridge (USA) 1966.
Hermand, Jost
Grüne Utopien in Deutschland. Zur
Geschichte des ökologischen Bewußtseins.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M.
1991.
Heuer, Gottfried M.
Freud’s
outstanding Colleague / Jung’s ‚Twin
Brother‘. The suppressed psychoanalytic
and political significance of Otto Gross.
Routledge, London and New York 2016.
Zitat: Ascona was then the countercultural
capital of Europe, a nodal point where
advocates of radical innovative ideas – from
nutrition, vegetarianism, nudism, and modern
dance, to alternative spiritualities,
including theosophy and the occult, as well
as communism and anarchism - congregated. It
was the centre forLebensreform, reform of
life in every aspect … „It is easy to link
it with Berkeley, the Paris May, the Berlin
communes, the peace movement, women’s
emancipation, the gay movement, and the
greens … Half a century later, Ascona is
everywhere“ (George Devereux).
Considering Ascona’s impact from the today’s
post-modern perspective, we might rather
speak of an espace culturel
positiviste … thus considering a
geographical place simultaneously as a
psycho-topos – a place in the soul: there is
an Ascona within each of us‘. (121-123)
Heydt, von
der, Erich
etc.
Ascona
und sein Berg Monte Verità
Gebundene Ausgabe, 1979, Verlag Arche 176
Seiten
von Eduard von der Heydt (Autor), Erich
Mühsam (Autor), Jakob Flach (Autor), Richard
Seewald (Autor), Eduard von Erdberg (Autor),
Rudolf Jakob Humm (Autor), Friedrich Glauser
(Autor), Peter Schifferli (Herausgeber),
Andreas Schifferli (Fotograf), Lis Boehner
(Illustrator)
Hlade, Josef L.
Auf
Kur
und Diät mit Wagner, Kapp
und Nietzsche
Wasserdoktoren,
Vegetarier und das kulturelle Leben
im 19. Jahrhundert: Von der
Naturheilkunde zur Lebensreform
Taschenbuch, ibidem
Verlag, 2015,348 Seiten
Es
war
Mitte September 1851, als Wagner
die erste von seinen zahlreichen
‚Kaltwasser-Kuren' antrat. Von
da an war er begeisterter
‚Wasserfreund', der täglich
verschiedene Wasseranwendungen
praktizierte und auch auf eine
strenge Diät achtete.
Wasserfreund blieb er sein Leben
lang. Als Wagner seine Ideen für
eine mögliche Regeneration
präsentierte, zeigte er sich
schließlich auch als Anhänger
des Vegetarismus, der sich in
Deutschland aus der Wasserkur
heraus entwickelte. Es ist
anzunehmen, dass Wagner sich bei
dieser Idee zur Erneuerung an
Konzepten der Lebensreform
orientierte, in deren Zentrum
Wasserheilkunde und Vegetarismus
standen. Es kann sogar behauptet
werden, dass Wagners sogenannte
‚Kunstreligion' in ungeahnter
Weise von naturheilkundlichen
bzw. vegetarischen Ideen
beeinflusst wurde. In diesem
Sinne verglich bereits Friedrich
Nietzsche das Erlösungskonzept
der Lebensreformer mit dem von
Wagner. Josef Hlade lädt den
Leser dazu ein, ihm in die
faszinierende Welt des 19.
Jahrhunderts und seiner immer
noch aktuellen Themen zu folgen.
Begleiten wir Wagner beim
Versuch, ein ‚Naturmensch' zu
werden, und gehen wir mit
Nietzsche auf ‚Gesundheitsjagd'
- und lernen Ernst Kapps
amerikanische Kolonie Sisterdale
kennen, die zeigt, dass Ideale
der Wasserheilkunde mit Ideen
des utopischen Sozialismus Hand
in Hand gingen.
Hofmann, Ida
Hofmann, Ida
Vegetabilismus!
Vegetarismus! Blätter zur Verbreitung
vegetarischer Lebensweise
Büchlein von Ida Hofmann, 1905 Ein Gründungsdokument des MV, muss 1901
geschrieben worden sein, zu einer Zeit
also, als noch Gemeinsamkeit im Denken und
Handeln unter den Gründern vorhanden war,
vor der Spaltung, vor dem Auszug der
Sezessionisten, als die Hoffnung noch grün
war und die hohen Ideale noch nicht von
der Praxis beschädigt. Ein feurig
flammender Aufruf zweifellos. und eine
Darlegung der Grundgedanken der Siedler in
der Ausrichtung und aus der Perspektive
von Ida: FEMINISMUS + LEBENSREFORM +
patriarchaler Sozialismus + eine Prise
Freireligion. der letzte Punkt wurde
bisher meist übersehen. hier ist jetzt zu
beobachten, wie aus ursprünglich
urchristlichen Vorstellungen – bei
Tolstoi, bei Guttzeit, bei Baltzer und
anderen – eine neue art von
SPIRITUALISMUS/IDEALISMUS/RELIGIONSPHILOSOPHIE
herauswächst. Stichwort: WAHRHEIT oder
SUCHE NACH DER WAHRHEIT. Der krönende
Unterschied, der den Monte Verità aus den
profanen Naturheilanstalten heraushebt.
Hofmann, Ida
Monte Verità.
Wahrheit ohne Dichtung.
Aus dem Leben erzählt, 1906 Beschreibung der Gründung und der ersten
Jahre der Naturheilanstalt Monte Verità und
der damit verbundenen Personen, insbesondere
auch Karl und Gusto Gräser.
Holbein, Ulrich
Fünf
ziemlich radikale Naturpropheten.
Christian Wagner aus Warmbronn, Karl
Wilhelm Diefenbach, Gustaf Nagel, Arthur
Gustav Gräser, Willy Sophus Ackermann.
Synergia, Basel, Zürich, Roßdorf 2016.
Zitat:
Laotse befreite sich erst nach lebenslanger
Beamtenlaufbahn, als Pensionär, aus seinen
beruflichen Banden. Henry David Thoreau
lebte bloß zwei Jahre in den Wäldern, statt
zwanzig oder mehr. Rousseau folgte seinem
eigenen „Zurück zur Natur“ nur sehr in
Maßen.
Gusto Gräser lebte viel rousseauhafter und
taogemäßer als Rousseau und Laotse. (94)
Korol, Martin
Dada, Präexil und Die Freie
Zeitung – Der deutsche "Steppenwolf"
Hugo Ball, der Tänzer Ernst Bloch und
ihre Frauen, Weggefährten und Gegner in
der Schweiz 1916-1919.
Bremen-Tartu-Sofia-Freudenstein 2002.
Kuschel,
Karl-Josef
Thematisiert u.a. Hesses Aufenthalt im Wald
von Arcegno („Wüste Thebais“)
Format 14x22 cm, ca 712 Seiten
Teil A. »Näher bei Laotse als bei Buddha«
Hermann Hesses Suche nach einem eigenen Weg
zwischen Christentum, Buddhismus und
Taoismus
Prolog I: Erinnerungen an ein Leben mit
Indien, China und Japan
I. Im Bücherreich des »Zauberers«
II. »Sehnsüchtige Blicke nach Osten«:
»Asien« in Europa um 1900
III. Selbstversuche im Geiste Buddhas und
der »Wüstenväter«
IV. Buddha und die Suche nach dem eigenen
Weg
V. Die Asien-Reise: Karambolage mit der
Wirklichkeit
VI. Die große Krise: der Krieg und die
Folgen
VII. Eine Buddha-Dichtung zur Befreiung vom
Buddhismus
VIII. Die Entdeckung des Taoismus
IX. Überleben in chaotischer Zeit: Laotse
und das »Taoteking«
X. Späte Liebe: Zen – eine Verbindung von
Indien und China
Teil B: Kunst als Beitrag zur Lebenskunst
Laotse und Buddha – Modellfiguren des
Verhaltens: Bertolt Brecht
Prolog II: Chinas und Japans Spuren deuten:
Ein Gang durch Brechts letzte Wohnung
I. Brecht und die Wende zum Marxismus
II. Was man von Asiens Kunst und Künstlern
lernen kann
III. Schreiben in rastloser Bewegung: Die
Svendborger Polyphonie
IV. Brecht und der Buddhismus
V. Ein »Gleichnis vom brennenden Haus«: Das
große Buddha-Gedicht
VI. Brecht und der Taoismus
VII. »Das Harte unterliegt«: Das große
Laotse-Gedicht
VIII. »Laotse«, Benjamin und die deutsche
Emigration
IX. »Buddha« und »Laotse« in den
»Kalendergeschichten« (1949)
Epilog: »Was ist das mit dem Wasser?« Hesse
und Brecht im Vergleich
Im Fluss
der Dinge
Hermann
Hesse und Bertolt Brecht im Dialog
mit Buddha, Laotse und Zen
Patmos Verlag, Ostfildern 2018
Kommentar:
Der Tübinger Theologieprofessor Karl-Jofef
Kuschel behandelt in seinem Buch auf den
Seiten 114 bis 168 sehr ausführlich Hesses
Noviziat bei Gusto Gräser im Frühjahr 1907.
Es ist die erste umfassende Darstellung der
lange unbekannt gebliebenen religiösen
Grunderfahrung des Dichters. Sie ereignete
sich im Wald und in den Felsen von Arcegno,
in der von Hesse so genannten „Wüste
Thebais“. In der oberägyptischen Wüste bei
Theben hatten die frühen Christen die
einsame Gewissensentscheidung von Jesus
nachzuvollziehen versucht. So hoffte nun
auch Hesse in der kargen Einöde des Gebirges
im Südtessin auf Erlösung aus tiefer
Depression: „Ruhe, Befreiung und Einswerden
mit der Natur“. Allerdings erhoffte er sie
nicht vom alttestamentarischen Jahwe sondern
von der Natur, und sein Prophet hieß nicht
Johannes sondern Gusto Gräser. Diesen
Wanderer und Dichter aus Siebenbürgen haben
viele mit dem Täufer verglichen. Auch
Kuschel weiß ihn gegen Missverständnis und
Vorurteil zu verteidigen:
Gräser,
angetan mit einer lang hängenden Tunika,
die Haare mit einem ledernen Stirnband
zurückgebunden, barfuß oder höchstens
Sandalen an den Füßen, seinen gesamten
Besitz in eine Tasche gestopft,
verkörpert nicht einfach den Typus des
„Landstreichers oder Bohemien“, sondern
eher den eines „Mönchs und Propheten“.
Als solchen hat Hesse ihn wahrgenommen.
(Kuschel 120)
Als solchen, als Propheten, hat Hesse ihn
wahrgenommen! Für Kuschel ist es kein
Zufall, „dass der Monte Verità gerade auch
solche Menschen magnetisch anzieht, die
einen besonderen religiösen Weg gehen wollen
… Der Berg hat in vielen Religionen einen
sinnstiftenden Symbolcharakter“ (117). Die
Berge stellten die Nähe zu den göttlichen
Mächten dar. Diese Nähe suchte dort auch der
schon erfolgreiche aber seelisch
unbefriedigte Schriftsteller aus Calw.
Von
Anfang April bis Anfang Mai 1907 hat
Hesse gut vier Wochen auf dem
„Wahrheitsberg“ verbracht … Einzelheiten
lassen sich den „Notizen eines
'Naturmenschen'“ entnehmen, die Hesse
ein Jahr später, am 1. April 1908, im
„März“ unter dem Titel „In den Felsen.
Notizen eines 'Naturmenschen'“
erscheinen lässt. (121)
Als „Naturmenschen“ wurden die Brüder Karl
und Gusto Gräser bezeichnet, unter diesem
Namen waren sie damals bis nach Californien
und Batavia bekannt. So nannte sich nun auch
der Schriftsteller in seinem intimen
Bekentnisbericht.
Hesse
präsentiert sich seinen Lesern in einer
verschlüsselten Buddha- und
Wüstenväter-Rolle. Sie hatte er auf dem
Berg ausprobiert. „Das dreißigste Jahr,
in dem ich stehe“, schreibt er nach der
Rückkehr vom „Berg“ Ende Juli 1907, „hat
mir eine heftige Krise gebracht,
zunächst körperlich mit Kranksein, Kur
und langsamer Heilung, dann aber auch
innerlich. Wenn ein bis dahin
sinnenfroher Mensch auf Tafel und
Becher, Zigaretten und Kaffee
verzichtet, will er es nicht gezwungen
tun, sondern macht sich eine
entsprechend Philosophie dazu“.
Hesse versteht sich freilich nicht als
Wüstenvater, eher als Wüstensohn, und schon
gar nicht als Buddha, sondern als Lehrling
eines solchen, als „Novize“. Er folgt einem
näheren Vorbild.
An das
Lebensmuster des Buddha erinnert der
Rückzug in völlige Einsamkeit und die
radikale Entschlossenheit, durch
Kontrolle des Körpers den Geist in Zucht
zu nehmen … Buddha hatte es nicht anders
gemacht. Schon er war in die Wälder zu
den Wanderasketen gezogen und hatte sich
strengster Askese unterzogen. Diese
„Rolle“ probiert jetzt auch Hesse aus.
Der Schriftsteller musste sein Vorbild nicht
in Büchern suchen, der „Wanderasket“ stand
lebendig vor ihm, hatte ihn in Gaienhofen
besucht und nach Ascona gelockt. Hesse bezog
zwar eine Wohnhütte in der Kuranstalt von
Oedenkoven auf dem Monte Verità, aber sein
eigentliches Ziel war ein anderes: der
„Felsenberg“ von Arcegno. Diese Landschaft
schildert er in den „Notizen“ unter dem
Titel „In den Felsen“.
An das
Lebensmuster der Wüstenväter erinnert
vieles in den „Notizen“. Wie sie lebt
Hesse ja bewusst „in den Felsen“. Wie
sie hatte er das äußere Leben auf ein
Minimum reduziert ... Wie sie unterzieht
er sich radikalem Fasten, ernährt sich
streng vegetarisch, erträgt Hitze, Kälte
und Nässe ... Wie beim Eintritt in ein
Kloster legt der „Novize“ auch hier alle
Kleider ab. Symbolisch ein Bruch mit dem
Gewohnten, ein Rückgang zur Urschöpfung
… Und wie ein Wüstenvater lebt man hier
in einer felsigen Gegend … Er ist jetzt
der Mann im Fels, der Felsenmann!
(122ff.).
Noch einmal: Dieses Leben im Fels spielte
sich nicht, wie Kuschel irrtümlich annimmt,
auf dem „Monte Verità“ genannten Hügel ab
(wo es gar keine Felsen gibt), sondern im
Wald von Arcegno, oberhalb von Losone, auf
dem Monte Barbescio, wo sich Gräsers Grotte
befindet. Kuschel fährt fort:
Nach
der Rückkehr vom Monte Verità taucht
Hesse noch einmal in die Welt
frühchristlicher Eremiten ab, in die
Welt der Männer mit den härenen
Kleidern. „Dieser Tage habe ich wieder
eine Legende geschrieben“, teilt er
Jakob Schaffner am 30. September 1907
mit, „ … Diese Welt ist mir merkwürdig
vertraut und ich wandle in der Wüste
Thebais heimischer als am Bodensee“. …
„In
der Wüste Thebais heimischer als am
Bodensee“? … Deutlicher kann man sich
mit eigenen, tiefsitzenden Wünschen kaum
„outen“. (126f.)
Es sind nicht nur Wünsche, es handelt sich
um eine tiefgehende Erschütterung, die
Hesses Leben für immer durchstimmen wird.
Sein Urerlebnis von 1907 schlägt z. B. in
„Siddharta“ unübersehbar durch, wie der
Verfasser zeigt.
Kuschel wendet sich dann der Erzählung
„Freunde“ zu, in der sich Hesses
Gräser-Erfahrung noch deutlicher spiegelt
als in den „Notizen“. Er zitiert ausführlich
die Gespräche zwischen dem „bäurischen
Denker“ Heinrich Wirth und dem um seine
Freundschaft werbenden Besucher Hans Calwer,
in dem wir sofort den aus Calw stammenden
Verfasser erkennen.
Hans
gibt seine Stadtwohnung einschließlich
Klavierspielen auf und zieht zu Wirth
aufs Land. Wirth hat eine innere
Freiheit erreicht, also gibt Hans seine
Freiheit auf, um sich ganz bewusst Wirth
zu unterwerfen, um „einmal von unten auf
zu dienen“. (163)
Hier deutet sich der spätere „Knecht“ schon
an. Durch seine Dichtung wollte Hesse seinem
Meister dienen. Durch sie hat er die
Botschaft des Einsiedlers in den Felsen in
der ganzen Welt verbreitet – namenlos, wie
es sich für einen taostisch-buddhistisch
Denkenden von selbst versteht. Zunächst
aber:
Hesse
lässt sein alter ego Hans Calwer
scheitern, so wie er selber auf dem
Monte Verità gescheitert ist. (164)
Warum scheiterte Hesse? Weil er
den
„Gleichmut“ vom Erkennen her hatte
erzwingen wollen. Denn „Gleichmut“,
„wunderbare Seelenstillle“ und die
vollkommene innere Ruhe erreicht man
gerade nicht durch ein äußeres „Du
sollst“, „Du musst“. Im Gegenteil. Diese
aufgesetzte moralische Forderung ist der
entscheidende Grund, warum Hans Calwer
bei der Imitation seines Freundes
scheitert, scheitern muss. (164)
Es handelt sich um eine „Imitatio“, die im
ersten Anlauf nicht gelingt. Hesse wird neun
Jahre später, durch Leiden gereift und
politisch bedrängt, einen zweiten Versuch
unternehmen und zu einer tieferen Erkenntnis
seines “Freundes und Führers“ gelangen.
Im Frühjahr 1907 verlässt er Gusto Gräser
nach wenigen Wochen, zieht sich wieder ins
bürgerliche Leben zurück. Kuschel hebt in
seiner feinsinnigen Analyse zwar heraus,
dass „Hesse mit Heinrich Wirth erstmals in
seinem Werk eine Figur in deutschem Kontext
entwirft, die den Weg des Buddha konsequent
gehen will“ (165), aber er weiß auch und
betont, dass dieser Wirth nur „beinahe
Buddhist“ ist, also kein wirklicher. Dass er
andere Wege gelten lässt: „Askese, Jesus,
Tolstoi oder sonst etwas“ (166). Eben wie
Gusto Gräser, der sich nie als Buddhist oder
Taoist verstanden hat sondern als er selbst:
als der „Freund“, der „Mann“, der
„Erdsternsohn“. Der immer gelehrt hat, wie
sein dichterisches Ebenbild, dass „die
Imitation eines fremden Wegs Ausdruck ist
einer Selbsttäuschung, einer
Fremdbestimmung“ (166). Dessen Losung
lautete: „Hüt Dich vor Mir – Du komm zu
Dir!“
Kuschel arbeitet das Verhältnis Hesses zu
Gräser sorgfältig, gründlich und überzeugend
heraus. Es ist die typische Beziehung
zwischen Lehrer und Schüler oder vielmehr
von Meister und Jünger. Eine archetypische
Situation. Dies umsomehr, als sie auf einem
Berg, in Wald und Felsen sich abspielt. Der
„Felsenberg“ von Arcegno, der Monte
Barbescio, wird zu Hesses Weltenberg.
Aber nun die Überraschung, die paradoxe
Behauptung von Kuschel: dass Gräser der
Lehrer von Hermann Hesse war, sei „durch
nichts belegt“ (121)!
Das ist sehr wohl belegt!! Wenn denn dieses
Offenkundige überhaupt noch „belegt“ werden
muss! Kuschel, der sich sonst so gründlich
in die Quellenlage eingearbeitet hat,
scheint ausgerechnet die einschlägige
Hauptquelle nicht zu kennen: die Aussage
nämlich von Hesses Sohn Heiner, die
abgedruckt ist in dem Buch von Michael
Santen: „Auf den Spuren von Hermann Hesse.
Notizen einer Tessin-Reise. Meerbusch 1987“.
Darin erzählt Heiner Hesse über seines
Vaters Zusammenleben mit Gusto Gräser in der
Felsgrotte bei Arcegno:
„Sie haben einige Tage zusammen in der Höhle
von Arcegno verbracht“ (in Santen, S.46).
Dieser eine Satz genügt. Damit erledigt sich
Kuschels Versuch, Hesses Einsiedelei im Wald
von Arcegno abzulösen von der Wirklichkeit
des Propheten aus Siebenbürgen. Hesse folgte
Gräser nach Ascona und begab sich in dessen
Höhle. Wer war hier der Lehrer und wer der
Schüler? War etwa Hesse ein wandernder
Prophet und Einsiedler und unterrichtete nun
den geistlich unbedarften, bürgerlich
abgesicherten Gusto Gräser in der Kunst der
Meditation? Oder verhielt es sich vielleicht
doch umgekehrt? Die Erzählung 'Freunde' sagt
deutlich genug, wer hier der Gebende war und
wer der Empfangende. Und ein ganzer Kranz
von Erzählungen, oft in Legendenform,
erzählt die selbe Geschichte in vielfältigen
Variationen: Den Gang des Hermann Hesse in
die Felsgrotte von Gusto Gräser, der ihn das
Fasten lehrt und die Versenkung und ihn
einführt in die heiligen Bücher der Inder
und Chinesen.
Kuschel selbst gibt eine ausführliche Probe.
Er analysiert Hesses erste „indische
Dichtung“: die Königslegende von 1907 (S.
142-145). Gemeint ist die Erzählung „Vom
indischen König“. Der Dichter habe damit
„erstmals in seinem Werk eine 'Buddha'-Figur
beschrieben, einen Buddha avant la lettre!“
(144). Hesse lässt seinen meditierenden
König „das erreichen, was ihm versagt blieb.
Nach der Erleuchtung nackt in die Wälder zu
gehen und namenlos darin zu verschwinden,
motivisch ein Vorgriff auf die Vasudeva-Fgur
in Hesses „Siddharta'“ (145).
Wer war dieser meditierende König? Wer ging
nackt in die Wälder von Arcegno und Losone?
Wer ist darin so namenlos verschwunden, dass
ein Jahrhundert nach jenem Geschehen gewisse
Gelehrte immer noch behaupten wollen, es
habe ihn – als Lehrer von Hesse – gar nicht
gegeben? Das sei „nicht belegt“, meint
Kuschel. Nur weil die beiden Freunde
dummerweise versäumt haben, nach Locarno zum
Notar zu gehen und sich, samt Amtsstempel
und Unterschrift, einen Beleg ausstellen zu
lassen, dass sie nun Freunde geworden seien.
Schlimmes Versäumnis! Zum Glück gibt es das
Zeugnis von Heiner Hesse, der sich auf einen
Brief seines Vaters beruft. Als ob das noch
nötig wäre! Als ob nicht jeder Schuljunge
erkennen könnte, dass zwischen jenem
Einsiedler in der Felsgrotte von Arcegno und
dem runden Dutzend Erzählungen und Legenden
Hesses aus dieser Zeit ein unverkennbarer
Zusammenhang besteht. Dass Hesse in diesen
Werken, ja in seinem ganzen künftigen
Lebenswerk, immer wieder die Geschichte
seiner Freundschaft mit Gusto Gräser
erzählt! Als ob es nicht die Notiz im Archiv
von Harald Szeemann gäbe, dass Hesse im
April 1907 mit Gräser in Locarno zusammen
war! Nicht zu reden von der Fortsetzung
dieses Noviziats in den Lehrjahren von 1916
bis 18. Als ob Hesse seine „Buddha“-Figuren
hätte erfinden oder aus alten Scharteken
hätte herausdestillieren müssen, wo doch ein
erleuchteter Wanderer und Einsiedler ihm
lebendig und leibhaftig vor Augen stand!
Genug des Unsinns. Es bleibt das Rätsel,
welcher Dämon den gelehrten Herrn Professor
in die Wüste der Verirrung geführt hat. Es
bleibt zum Glück aber auch, und sicherlich
etwas länger, sein Verdienst, die Geschichte
von Hesses Jüngerschaft ein Stück weit
erhellt zu haben. Dafür sei dem Verfasser
Dank!
Hermann Müller
Nachsatz:
Die Behauptungen von Kuschel
sind widerlegt durch das Buch
von
183 Hesse
sucht mehr als einen
angenehmen
Sanatoriumsaufenthalt. Er
sucht etwas Extremes,
Erneuerndes, er sucht nach
einer tiefgreifenden
Erfahrung. Deswegen
zieht
er sich in Gusto Gräsers
Höhle in Arcegno zurück
und lebt
allein wie ein Einsiedler im
Wald.
195 Hesse
beschäftigt dieser Gräser
sehr, er versucht ihn zu
fassen, ihn zu bannen.
233Hermann
Hesse
arbeitet sich in
seinen Erzählungen auch nach
Jahren an
einer Erfahrung ab, die
er auf dem Monte Verità
gemacht hat und die für
sein Leben grundlegend
geworden ist. Er kann
diese Gemeinschaft nicht
vergessen ...
369 Hesse
träumt in seinem Buch
'Demian' von der neuen
Gemeinschaft und sein
Vorbild ist der Monte
Verità.
Michalzik
weiss auch sonst über Gusto
manch Gutes zu sagen:
60
Gräser hat keine
Schüler, aber er wird
viele Menschen auf
seiner Wanderschaft
beeinflussen und
berühren. Er wird
Vorbild, europaweit
bekannt, auch wenn er
nie für sich die
Werbetrommel rührt.
67
Er hat sich vollkommen
vom Leben in der
Gesellschaft abgewendet,
er führt ein
Wanderleben, er hat
überhaupt keinen Besitz,
ein vollkommen armer und
freier Mann.
73
Bei Gräser bedeutet das:
Entsagung. Nur wenn man
sich von der
Gesellschaft, den
Normen, Vorstellungen
und Wünschen, die in ihr
gelebt werden, lossagt,
kann man eigentliches
Dasein finden. Man muss
daran arbeiten, sich
unabhängig von äußeren
Einflüssen zu machen, um
zu sich und zu einem
menschenwürdigen Leben
zu gelangen. Armut und
Bedürfnislosigkeit sind
dabei
selbstverständlich, ohne
sie gibt es keine
Freiheit.
74
Lehrmeisterin soll
allein die Natur sein.
Wer sonst?
Das
Wichtigste ist ihm ...
die Verehrung alles
Lebendigen. Es ist nicht
nur barbarisch, ein Tier
zu töten, es ist genauso
mörderisch, Blumen zu
pflücken. Jede Form von
Aggression ist ihm
zutiefst zuwider. Es
geht so weit, dass er
auch nicht für seine
Anschauungen kämpft. Er
glaubt, dass sich das
neue Paradies von selbst
bilden wird, wenn die
Menschen mit sich und
der Natur im Reinen
sind. Nur Einsicht kann
die Entstehung des
Paradieses bewirken, die
aber wird kommen, da sie
unausweichlich in der
Natur selbst liegt.
So
sind für ihn die Natur,
die Schöpfung … das Ziel
seines Denkens.
Gusto
ist ein eigenartiger
Mensch. Er redet von
solchen Dingen nicht
nur, er lässt sie auch
gleich Wirklichkeit
werden. Er lebt genau
so, wie er es für sich
formuliert hat, wandert
umher, ohne Geld, ohne
Besitz, ernährt sich von
dem, was ihm begegnet.
Wie wenn die Natur schon
dafür sorgen würde, dass
alles von selbst einen
guten Verlauf nimmt. Aus
dieser Radikalität
wächst seine Kraft.
Selbstverständlich
wird
er auf seinen
Wanderungen ausgelacht
und verspottet, aber das
spornt ihn eher an und
bestärkt ihn in seinen
Überzeugungen. Er spürt
eigene Kraft und
trainiert diese Kraft.
Außerdem begegnen ihm
viele Menschen
nachgerade mit
Ehrfurcht. ... Er
erinnert an einen
Apostel, mit seinem
Stab, seiner Kutte,
seinen Sandalen, seiner
Würde.
78
Er hat es in puncto
Bedürfnislosigkeit am
weitesten gebracht, er
braucht am wenigsten
bürgerliches Leben und
Sicherheit, und vor
allem, er ist der Natur
am nächsten.
80
Ich gehe meiner Wege,
sagt er.
81
„Es geht darum, sein
Leben rein und sich
selbst unabhängig zu
machen. Man muss vieles
einfach lassen, man darf
sich nicht an die
irdischen Dinge hängen
und verlieren. Es geht
bei jedem um sein
eigenes Leben.“
85
Mit seinem Hirtenstab in
der Hand geht Gusto
nicht, nein, er gleitet!
Kinder knien vor ihm
nieder!
Michalzik
geht ein Schrittchen weiter
in Richtung Wahrheit, aber
auch nur ein Schrittchen.
Immerhin lüftet er ein wenig
den Mantel der Verleugnung.
Linse, Ulrich
Ökopax und Anarchie.
Eine Geschichte der ökologischen
Bewegungen in Deutschland. München:
Deutscher Taschenbuch Verlag, 1986.
Linse, Ulrich
Asien als Alternative? Die
Alternativkulturen der Weimarer Zeit:
Reform des Lebens durch Rückwendung zu
asiatischer Religiosität. In:
Hans G. Kippenberg und Brigitte Luchesi
(Hg.), Religionswissenschaft und
Kulturkritik. Marburg: diagonal, 1991. S.
325-364.
Mehr als
ein Dutzend bekannter
Literaturwissenschaftler hat ein Buch über
Aussteiger bei Hermann Broch geschrieben;
im Grund ist es ein Buch über Gusto
Gräser. Die Entdeckung, dass der
Siebenbürger das Urbild für mehrere
Aussteigergestalten in der Dichtung von
Broch gewesen ist, dürfte der Anlass zu
diesen Untersuchungen gewesen sein.
Kennedy, Gordon
Gordon
Kennedy lebt auf einer kalifornischen
Biofarm.
Children of
the Sun. A Pictorial Anthology. 'From
Germany to California. 1883-1949’
Das Buch
enthält 144 Abbildungen, darunter 13 zu
Gusto Gräser; Auszüge in englischer
Sprache hier. Seine
These, dass die amerikanische
Alternativbewegung von deutschen
Einwanderern um und nach 1900 angestossen
wurde, wird durch andere Quellen bestätigt
und ergänzt.
Meng, Guofeng
Begegnung
mit dem Eremiten Zur Thematik des Einsiedlertums im
Werk von Hermann Hesse. Bamberger Studien
zu Literatur, Kultur und Medien 25,
University of Bamberg Press, Bamberg,
2019.
"... Hesse
distanzierte sich bewusst von dem
Meister Gräser … Aber er transferiert
diesen Prototyp – quasi unbewusst
verehrend ..."
Michalzik, Peter
1900 Vegetarier,
Künstler und Visionäre suchen nach dem
neuen Paradies
DuMont Buchverlag, Köln 2018
„Gräser ist der kreativste
Kopf, ein vollkommen armer und freier
Mann.“ (Peter Michalzik)
Mohr, Hubert
Ascona / Monte Verità. In:
Auffarth, Christoph u. a. (Hg.):
Metzler-Lexikon Religion, Stuttgart Weimar
1999, Band 1, S. 95-98.
Mühsam, Erich
Ascona
83 Seiten, gebunden mit Illustrationen,
Verlag Klaus Guhl, 1982
Müller,
Erich Siegfried
Helden und Harlekins des
Höchsten. Gralsburg Verlag,
Kaiserslautern, 1928. Erstauflage. 80
Seiten, Format ca. 14 x 19 cm
Erich
Siegfried Müller (1902-31), Pfarrer und
Schriftsteller, Stadtvikar in Ludwigshafen
und Kaiserslautern, Pfarrer in Winterbach,
gehörte der sog. Evangelisch-Kirchlichen
Friedensvereinigung an, war Anhänger der
Gralsbewegung und mit Max Braun
Herausgeber der Zeitschrift "Die Gralsburg
- Blätter für geistige Erneuerung".
Er war
mit Artur Streiter befreundet. Starb durch
Ertrinken. Christ-Revolutionäre /
Inflationsheilige, ähnlich dem Uracher
Kreis um Karl Raichle / Gregor Gog / Th.
Plievier (Weltwende), oder der
anarchistischen Boheme-Siedlung im Roten
Luch /Brandenburg (1921-1936) um Artur
Streiter (Zarathustras Wiederkehr).
Müller, Hermann
Der Dichter und
sein Guru. Hermann Hesse - Gusto Gräser -
eine Freundschaft.
Werdorf, Gisela Lotz, 2. Aufl. 1979.
Müller, Hermann
Was ist's mit Gusto Gräser?
In: Durchblick, zur Gegenwart der Zukunft.
Stuttgart 1980, Nr. 6. S. 64-68.
Müller, Hermann (Hg.)
Monteveritana.
Mitteilungen aus dem Monte Verità-Archiv
Freudenstein. 1986-1999.
Müller, Hermann
Gusto Gräser. Ein Prophet aus
Siebenbürgen. In: Siebenbürgische
Semesterblätter, 2. Jg., München 1988,
Heft 1, S. 42-58.
Müller, Hermann
Feuertanz und Orgie. Otto Groß,
Gusto Gräser, C. G. Jung und der Monte
Verità von Ascona. Freudenstein:
Deutsches Monte Verità Archiv, 1998 und
1999.
Müller, Hermann
Güte der Seele und Dämonie des
Lichts. Ernst Bloch auf Monte Verità.
Freudenstein 2000.
Müller, Hermann
Propheten und Dichter auf dem
Berg der Wahrheit. Gusto Gräser, Hermann
Hesse, Gerhart Hauptmann. In: Kai
Buchholz u. a. (Hg.), Die Lebensreform.
Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und
Kunst um 1900. Darmstadt 2001. Band 1, S.
321-324.
Müller, Hermann
(Hg.)
Der Eremit von Ascona. Hermann
Hesse in Wald, Fels und Höhle.
Freudenstein: Deutsches Monte Verità
Archiv, 1998 und 1999.
Münzel, Uli
Erinnerungen an Hermann Hesse.
In: Hermann Hesse in Augenzeugenberichten.
Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1987. S. 280-284.
Phillips,
Glenn; Kaiser, Philipp; Chon,
Doris; Rigolo, Pietro (Hg.)
Harald
Szeemann, Museum der
Obsessionen
In Zusammenarbeit mit The Getty
Research Institute, Los Angeles:
Verlag
Scheidegger
& Spiess, Zürich 2018
Carolyn
Christov-Bkargiev
(CCB) zu Gräser in „Museum der
Obsessionen“:
Diejenigen,
die
tanzten
… Armand
Schulthess ist nur ein Glied in
einer Kette von Figuren, die wir
bis zu Gustav „Gusto“
Gräser (1879-1958),
dem Dichter und Pazifisten,
zurückverfolgen können und
weiter bis zum Philosophen
Friedrich Nietzsche (1844-1900)
und noch weiter zurück zu
Dionysos, dem alt-griechischen
Gott des Weines und der
rituellen Ekstase. (201)
Nietzsche war
auch ein Bezugspunkt für die
Bedeutsamkeit von Tanz (Rudolf
von Laban, Mary Wigman, etc.)
und Vegetarismus. Abgesehen von
Anarchie und Theosophie wurzelt
Monte Verità auch in Nietzsches
Vorstellungen vom Dionysischen.
… Es war Nietzsches
revolutionärer Indivi-dualismus,
der im frühen 20. Jahrhundert
für so viele radikale Aussteiger
und Kommunitaristen wie Gräser
und Schulthess zum Modell wurde.
(209)
Gustav Gräser
war visueller Poet und
Prophet, ein früher
Naturschützer und Ökologe
sowie Pazifist,
ursprünglich beeinflusst von
Karl Wilhelm Diefenbach, einem
Sozial-reformer und
Kummunitaristen, aber auch von
Walt Whitman und Nietzsche.
Skeptisch gegenüber dem
Gemeinschaftsleben, zog Gräser
ab 1904 [1902!] in eine Höhle
auf dem Nachbarberg. Um 1911
[1909!] verliess er die Gegend
endgültig und zog nach Berlin.
Er hatte starken Einfluss auf
Hermann Hesse (u. a. bei der
Gestaltung von Siddharta),
nachdem
die beiden zwischen 1906 und
1907 einige Zeit gemeinsam in
der entlegenen Höhle über dem
Monte Verità verbracht hatten.
(208)
Szeemann
hielt für den Rest seines Lebens
an seiner Liebe zum Monte Verità
fest. (143)
Auszüge
aus einem Interview von Kia
Vahland mit der Kuratorin der
documenta 13, Carolyn
Christov-Bakargiev, genannt
CCB, in der Süddeutschen
Zeitung (2012):
Sie
vertritt eine nachhumanistische
Weltsicht und fordert das Wahlrecht
für Bienen und Erdbeeren.
Schließlich ist Carolyn Christov-Bakargiev
davon überzeugt, dass sich in einer
wahren Demokratie alle äußern
dürfen. Ein Gespräch mit der
künstlerischen Leiterin der
Documenta. Interview: Kia Vahland.
Sie
lässt es grünen und blühen. Es
gibt einen Kräutergarten, es gibt
ein Wasserbecken mit
Gerste-Umrandung, es gibt eigens
gepflanzte Apfelbäume, künstliche
Hügel, auf denen Johannisbeeren
wachsen. Außerdem gibt es Hunde,
nicht nur Darsi, die gerade mal
wieder entfleucht ist. Es
gibt Esel, Ameisen,
Schmetterlinge, dazu viele Felsen
und Steine.
Es gibt vieles, was keine Kunst ist,
sondern Natur. »Aber das ist ja
gerade der Unsinn«, sagt CCB. »Viele
meinen, es gebe da einen Unterschied
zwischen Kultur und Natur. Aber den
gibt es nicht.«
Warum
sollten nicht auch Tiere wählen
dürfen? Und können nicht auch Steine
etwas fühlen? Welches Bild hat Darsi
von der Welt? Solche Fragen sind es,
die CCB umtreiben. Natürlich zucken
da viele zurück, rufen Esoterik!
Magisches Denken! Animismus! »Das
hat mit Esoterik nichts zu tun«,
sagt CCB, und ihre Stimme wird mit
einem Mal sehr klein. »Ich weiß, man
wird mir vorwerfen, den
intellektuellen Diskurs zu verraten,
ausgerechnet mir, die so lange für
den Feminismus, für eine aufgeklärte
Gesellschaft gestritten hat.« Doch
unerschrocken wagt sie sich auch in
dieses Minenfeld vor: Sie will das
kritische Bewusstsein, um das doch
sonst alles kreist, zurückstellen.
Denn wenn diese Documenta eine
Botschaft hat, dann diese: Der
Mensch ist nicht der Mittelpunkt.
SZ:
Kann
alles auf der Welt Kunst sein?
Christov-Bakargiev:
Alles
kann Material für Kunst sein. Die
Definition von Kunst, so wie ein
Künstler über Kunst denkt, ist nicht
in den Grenzen der Disziplinen zu
denken. Ich
denke nicht, dass die Werke der
Menschen besser sind als andere
Werke.
Auch Ihr Körper steckt voller
Bakterien, ist besetzt von anderen
Lebewesen, Sie sind von anderen
Realitäten durchdrungen. Ich teile
nicht die Weltsicht der Moderne seit
der Aufklärung, immer Kategorien
bilden zu müssen. Den Impuls,
Unterschiede zu definieren, teile
ich nicht.
SZ:
Ich
bin ich und damit anders als meine
Umwelt, ist dieser Impuls nicht
Grundlage der Subjektivität und
damit auch des
kreativen Schaffens?
Christov-Bakargiev:
Nein!
Ich bin Feministin, ich glaube, das
Subjekt ist ein kontinuierliches
Sich-Durchdringen mit anderen, die
sogenannten Subjekte sind auch
Objekte. Nicht
der Fußballer ist das Subjekt, der
Ball entscheidet die Richtung, in
die er fliegt. Sie sprechen vom
Standpunkt der westlichen
Philosophie aus, die interessiert
mich aber nur bis zu einem
bestimmten Punkt. Ich weiß nicht, ob
ich ein Subjekt bin.
Poley, Stefanie
Bericht über
die Veranstaltung des “Freundeskreis Paul
Goesch e. V.“ im Jahr 2016.
Sonderdruck, Köln 2016.
Polster, Bernd
Das wahre
Bauhaus
Wie eine kleine deutsche Hochschule, die
es nur wenige Jahre gab, weltweit zur
Legende wurde. Mit Zeichnungen von Bernd
Polster. Kempen 2019
Rindlisbacher, Stefan
Lebensreform in der
Schweiz (1850-1950) - Vegetarisch essen,
nackt baden und im Grünen wohnen
Die Dissertation ist 2022 im Peter Lang
Verlag in der Reihe "Zivilisationen und
Geschichte" erschienen.
Immer mehr Menschen achten heute auf eine
ausgewogene, möglichst vegetarische
Ernährung mit biologisch hergestellten
Lebensmitteln, sie trainieren ihren Körper
mit Yoga, Gymnastik und Achtsamkeitsübungen
und vertrauen auf naturheilkundliche
Behandlungsmethoden. Ihre Freizeit
verbringen sie am liebsten in der freien
Natur bei Sport, Wanderungen und Bergtouren
und auch ihr Zuhause soll möglichst im
Grünen liegen oder zumindest über einen
grossen Garten verfügen. Die vorliegende
Studie untersucht die historischen Ursprünge
dieser Suche nach einem gesunden und
naturverbundenen Lebensstil in der modernen
Gesellschaft. Sie erzählt und analysiert die
Geschichte der Lebensreform in der Schweiz
zwischen 1850 und 1950.
Hermann Hesse und die
fernöstliche Philosophie. In:
Hermann Hesse und die Religion. Hg. von
Friedrich Bran und Martin Pfeifer. Bad
Liebenzell 1990, S. 17-31.
Sánchez, Marcela
Sánchez, Marcela
Schmid, M.,
Carstensen, T. (Hg.)
Die
Literatur der Lebensreform. Kulturkritik
und Aufbruchstimmung um 1900. >>> Siehe
oben unter Carstensen.
Schroeck, Otfried
Die
Siedlung Grünhorst im Roten Luch – das
„grüne Herz Deutschlands“ (1930 bis 1936).
In:
Landkreis Märkisch-Oderland - Jahrbuch 2016,
Paperback, 216 Seiten
Zitat:
In der Siedlung Grünhorst fanden sich die
verschiedensten Strömungen der
Reformbewegung (Siedler, Wandervögel,
völkische Sozialisten, Jugendbewegung,
Vegetarier, Kommunisten) zu-sammen.
Prominenteste Vertreter dieses für Grünhorst
typischen Spektrums waren neben Gusto Gräser
der Biosoph und Philosoph Ernst Fuhrmann,
der Historiker der Naturheilbewegung Hugo
Hertwig, der anarcho-sozialistische
Schriftsteller Franz Jung, der Wandervogel
und politische Schriftsteller Karl-Otto
Paetel, der Maler und Christsozialist Max
Schulze-Sölde, der Wandervogel und
Unternehmer Friedrich Muck-Lamberty, Otto
Großöhmig, der 1979 in der BRD die Partei
„Die Grünen“ mitbegründete, Harro
Schulze-Boysen, später ein führender
Widerstandskämpfer innerhalb der „Roten
Kapelle“, und andere. Mit der
Machtergreifung der National-sozialisten
wurde der lose Bund um Grünhorst zerschlagen
und 1936 die Siedlung angezündet.
Schupke, Kai
u. Schreiber, Daniel (Hg.)
BRÜCKE und die
Lebensreform. Buchheim Stiftung,
Feldafing 2016.
Zitat:
Anders als Diefenbach sammelt Gräser keine
Anhänger und fordert auch keine
Unterwerfung, sondern will durch sein
Beispiel wirken. Was damit gemeint ist,
drückt der Frühromantiker Schleiermacher am
besten aus:
„ […] an einer heiligen Person ist
alles bedeutend. So mögen sie denn das Wesen
derselben darstellen in allen ihren
Bewegungen […] die heilige Innigkeit, mit
der sie alles behandeln, zeige das auch bei
Kleinigkeiten. Die majestätische Ruhe, mit
der sie das Große und das Kleine
gleichsetzen, beweise, dass sie alles auf
das Unwandelbare beziehen, und in allem auf
die gleiche Weise die Gottheit erblicken […]
der immer rege und offene Sinn, dem das
Seltenste und das Gemeinste nicht entgeht,
zeige, wie unermüdet sie das Universum
suchen und seine Äußerungen belauschen. Wenn
so ihr ganzes Leben und jede Bewegung ihrer
inneren und äußeren Gestalt ein
priesterliches Kunstwerk ist, so wird
vielleicht durch diese stumme Sprache
manchen der Sinn aufgehen für das, was in
ihnen wohnt.“ ( 22f.)
Schwab, Andreas
Schwab, Andreas und
Lafranchi, Claudia (Hg.)
Steinke, Klaus
„Ein
wunderbarer Mann, der jeder
Aufmerksamkeit wert ist“. (Klaus
Steinke)
Teehaus,
Tanz und Berg der Wahrheit Zeitreisen
rund um die Stuttgarter Weissenburg
Silberburg-Verlag, Tübingen 2018
Auszug:
Hermann Hesse und
der Monte Verità
Es ist der
Dichter und Schriftsteller Hermann Hesse,
der schon Jahre zuvor nachhaltig von Gusto
Gräser beeinflusst ist, als er sich im
Frühling 1907 von Gaienhofen aus auf den
Weg zu seiner persönlichen
„Morgenlandfahrt“ macht. Er pilgert auf
Einladung seines Freundes Gusto Gräser,
den er seit mehreren Jahren kennt, auf den
Monte Verità, den Berg der Wahrheit, der
sein Zauberberg bei Ascona im Tessin
werden wird. Schon sein erster Roman,
'Peter Camenzind' (1904), der ihm den
„Durchbruch“ brachte, war von Gräser
inspiriert gewesen.
Einige Wochen lebt
Hesse auf dem Monte Verità ein
Eremitenleben abseits des Hüttendorfes und
Sanatoriumsbetriebs in Gräsers eigener
Felshöhle und Laubhütte. Hesse trinkt
Quellwasser, fastet, meditiert, klettert
in den Felsen, gräbt sich bis zum Hals in
die Erde ein, führt Gespräche, und
versucht in der Wildnis eine Visionssuche
und Bewusstseinserweiterung in Gang zu
setzen. Die gedankliche Auseinandersetzung
mit dem Lebensvorbild Gusto Gräser steht –
von Hesse unausgesprochen – hinter vielen
wesentlichen Büchern Hesses, die
Kultbücher für die rund siebzig Jahre
jüngeren „Enkel“ der Reform-Kolonisten von
Ascona werden: Siddharta, Demian,
Steppenwolf und das Glasperlenspiel. Sie
werden in millionenfacher Auflage,
weltweit übersetzt, zur Offenbarung für
die Generation der Aussteiger aus der
modernen Konsumgesellschaft, und Gräser
tritt als literarisches Vorbild darin auf:
„Dieser einfache, kindliche Mann machte
Eindruck auf Reichardt. Er predigte nicht
Haß und Kampf, sondern war in stolzer
Demut überzeugt, daß auf dem Grunde seiner
Lehre ganz von selbst ein neues
paradiesisches Menschen-dasein erblühen
werde, dessen er selbst sich schon
teilhaftig fühlte. Sein oberstes Gebot
war: „Du sollst nicht töten!“, was er
nicht nur auf Mitmenschen und Tiere bezog,
sondern als eine grenzenlose Verehrung
alles Lebendigen auffaßte“ (Hermann Hesse:
Der Weltverbesserer, 1910).
„Er war weder alt noch jung,
er sah nicht wie ein Lehrer noch wie ein
Soldat aus, er sah aus wie ein Mensch –
der Mensch, als wäre er soeben aus der
Dunkelheit des Werdens gestiegen, der
erste von seiner Art“ (Hermann Hesse:
Zarathustras Wiederkehr, 1919).
„Kinder
knien vor ihm nieder“
Es
ist ein einfacher Grashalm, den Gusto
Gräser gerne in seiner bedürfnislosen
Lebensweise als Visitenkarte benutzt.
Seine lebensreformerische Grundeinstellung
basiert auf einem lebens-frohen, zugleich
genügsamen Lebenswandel: Verzicht auf
Fleisch und überflüssigen Besitz, ein
praktizierter Liebeskommunismus, der Mut,
der eigenen Natur gemäß zu leben und Tiere
und Pflanzen als gleichberechtigte
Lebewesen anzuerkennen. Er lebt von
Vorträgen, Einladungen und dem Verkauf von
Gedichten und Spruchkarten. „Bloßfüssig
oder mit Sandalen an den Füssen schreitet
er dahin, ein Täschchen mit dichterischen
Ergüssen umgegürtet, einen Hirten-stab in
der Hand. Kinder knien vor ihm nieder,
denn sie meinen, der Heiland erschiene
ihnen“ (Ida Hofmann-Oedenkoven, 1906).
Seine nächsten literarischen Verwandten
sind wohl Henry David Thoreau und Walt
Whitman.
„Gusto
Gräser verkörperte die radikale
Alternative des Ausbruchs aus der
technisierten und militarisierten
europäischen Zivilisation. Er lebte auf
der Straße oder in einer Höhle, lehnte
regelmäßige Arbeit und jeglichen Zwang ab,
predigte Gewaltlosigkeit und Vegetarismus
aus Verehrung vor allen Formen des Lebens,
befasste sich mit den kontemplativen
Lehren des Laotse und verkündete als
simples Lebensmotto, das Edle und Gute
neben dem Bösen aufbauen zu wollen. Sein
moralischer Anspruch und sein
außer-gewöhnlicher Lebensstil trugen ihm
heftige Gegenreaktionen weniger radikaler
Reformer ein. ... Gräser, der 1958 als
einsamer Poet in München starb, nachdem er
die Zeit des Nationalsozialismus als
marginalisierter Vagabund überstanden
hatte, kann mit seinen pazifistischen und
ökologischen Ideen von einer Erneuerung
des Lebens fernab von Militarisierung und
Industrialisierung als ein – wenn auch
vergessener – Vorläufer der
Alternativbewegung … angesehen werden,
deren Ziele er in seiner Lebensweise
verkörperte, lange bevor sie formuliert
wurden“ (Elisabeth Ries in „Pioniere,
Propheten, Professoren“, 2004, S. 25).
Hermann Müller's Rede zum
Buch
„Teehaus, Tanz und Berg der Wahrheit“,
so hat Klaus Steinke sein Buch
benannt. „Berg der Wahrheit!“ Ist etwa
die Weissenburg ein neuer Berg Sinai,
ein Berg Tabor? Das wäre wirklich eine
Neuigkeit! Nein.
Gemeint
ist
ein Hügel über Ascona, der 1900 Monte
Verità getauft wurde, Berg der
Wahrheit. Und gemeint ist zweitens
eine legendenhafte, Erzählung von
Hermann Hesse. Sie berichtet
dichterisch vom Zug einer Schar von
Wanderern und Tänzern, die auf dem Weg
ins Morgenland sind, auf dem uralten
Menschenweg in die Heimat des Lichts.
Diese Wanderer kommen vom Monte
Verità, sie bewegen sich auf Stuttgart
zu, und ihr Anführer, der „Oberste
ihres Bundes“, ist Gusto Gräser.
Wer
ist
dieser Gusto Gräser? Und was hat er
mit Stuttgart zu tun?
Der
Dichter
und Denker aus Siebenbürgen hat im
Herbst 1900 die Aussteigersiedlung auf
dem Monte Verità von Ascona begründet.
Er lebte dort zeitweise in einer
Felsgrotte in den Bergen. Dort hat ihn
1907 der junge Schriftsteller Hermann
Hesse besucht. Er hat einige Wochen
mit ihm zusammengelebt, als Einsiedler
im Wald, fastend, nackt gehend und
meditierend, als Schüler des Eremiten
Gusto Gräser. Der hat ihn die
Meditation gelehrt und den Tanz.
Hesse, der pietistische Schwabe, war
zwar offen für die Meditation, nicht
aber für den Tanz, schon gar nicht für
den ekstatischen Nackttanz, den Gräser
mit Freunden in Mondschein-nächten im
Wald von Arcegno vollführte. In einer
Erzählung erschlägt er den
Waldheiligen mit dem dritten Auge, der
seine Schüler zum Tanzen antreibt, und
flieht aus dem Wald. Hesse kehrte ins
bürgerliche Leben zurück.
Für
den
Eremiten Gusto Gräser gab dies den
Anstoss, ebenfalls den Wald zu
verlassen und zu den Menschen in die
Städte zu gehen. So kam er 1907 nach
Stuttgart. Hier hat er seine ersten
Freunde gefunden: einen Dichter, einen
Maler und einen Kaufmann. Sie
sammelten um sich eine „heilige
Schar“. Und nach dem Krieg zogen sie
mit Gräser singend und tanzend durch
Thüringen. „Ganz Thüringen tanzt!“,
schrieb damals der Verleger Eugen
Diederichs, Zehntausende tanzten. Tanz
war die Botschaft, freier, spontaner
Ausdruckstanz war die Botschaft des
Monte Verità.
Gräser
hatte
ihn 1900 in Paris bei Raymond und
Isadora Duncan kennen gelernt. Er
brachte ihn nach Ascona und
entwickelte daraus eine neue, noch
freiere, wildere Form: Ein
ekstatischer, regelloser, expressiver
Ausdruckstanz, in dem die Menschen ihr
eigenes Selbst entdecken sollten. Eine
körperliche Selbstbefreiung mit Toben,
Stampfen, Stöhnen und Schreien, eine
frühe Urschreitherapie. Sein Landsmann
Rudolf von Laban hat diesen frühen
Ausdruckstanz professionalisiert und
1917, im sogenannten „Sonnenfest“, vor
Gräsers Höhle zelebriert. Wenige Jahre
später hat Laban seine Schule nach
Stuttgart verlegt. Ob Ida Herion bei
ihm gelernt hat, wissen wir nicht.
Aber sie konnte ihn sicher nicht
übersehen, und ihr eigener Stil war
dem von Laban so nahe verwandt, dass
heute einige ihrer Nackttanzszenen dem
Monte Verità zugeschrieben werden.
Gusto
Gräser
also war der Vortänzer, sozusagen der
Urtänzer des freien Ausdruckstanzes.
Um
es
kurz zu machen: Gräser hat 1913 bis
1915 in Stuttgart nicht nur seine
Taodichtung vorgetragen, er hat
allsonntäglich Waldandachten bei der
Schillereiche auf dem Bopser gehalten.
Er wurde ausgewiesen, wie so oft,
Stuttgart konnte ihn nicht ertragen.
Er kam zu früh. Aber er kam wieder,
1919, 1929, 1931 und öfter. Er kam vor
allem zurück in den Dichtungen von
Hermann Hesse. Hesse hat ihn zu seinem
Meister erwählt und ihn als solchen
dichterisch gefeiert.
Als
er
nämlich von dem triumphalen Tänzerzug
der Neuen Schar von 1920 erfuhr,
schämte er sich. Er bereute seine
Flucht und fuhr nach Stuttgart, um
sich zu informieren. Aus den Berichten
eines hiesigen Zeugen entstand dann
seine mythische Erzählung 'Die
Morgenlandfahrt'. Hesses
Morgenlandfahrer sind besitzlose
Wanderer, sie singen, sie spielen und
tanzen, sie ziehen durch Schwaben, sie
lagern sich bei Urach. Es ist ein
Tänzerzug. Es war ein Tänzerzug. Auf
der Lichthöh über Leonberg haben sie
im Wald getanzt. Schülerinnen der
Herionschule waren sicher dabei. Sie
zogen weiter nach Indien.
Und
noch
einmal kam der Wahrheitsberg nach
Stuttgart, als nach dem zweiten Krieg
Hesses 'Glasperlenspiel' erschien.
Dieses Werk gipfelt in dem
zeremoniellen Nackttanz eines
Jünglings, eines Wanderers, Läufers
und Naturburschen, in dem ohne
weiteres das Vorbild Gusto Gräser zu
erkennen ist. Für diesen Tänzer, der
die aufgehende Sonne festlich
begrüsst, opfert sich Knecht, opfert
sich Hermann Hesse. Der Dichter aus
Calw feiert den ekstatischen
Ausduckstanz, er erhöht ihn zum
religiösen Ritual.
Mit
Gusto
Gräser, mit seinen Wanderfreunden, mit
Rudolf von Laban, mit der
'Morgenlandfahrt' und dem
'Glasperlenspiel' kam der Berg der
Wahrheit nach Stuttgart. Er hat Spuren
hinterlassen. Das Buch von Klaus
Steinke deckt einige davon auf.
Ich
danke
Ihnen.
Grußrede
von
Hermann Müller zur Buchpräsentation im
Marmorsaal
der
Villa Weißenburg am 18. März 2018
Szeemann,
Harald
Museum der
Obsessionen von/über/zu/mit Harald
Szeemann
Berlin,
Merve Verlag, 1981
Darin
schreibt Szeemann:
„Ich bin ein sogenannter 'wilder'
Denker, der sich am mythischen und
utopischen Gehalt der Hervorbringungen
menschlichen Geistes und menschlicher
Tätigkeit labt“ (20).
Diese Neigung führte ihn zum Monte
Verità. Ihm schwebte vor, nicht mehr in
einem Museum „sondern direkt in der
Landschaft und wenn immer möglich auf
einem Heiligen Berg auszustellen. MONTE
VERITA. Der Berg der Wahrheit als Summe
von Ideologien in einer mütterlichen
Landschaft“ (177).
Harald
Szeemann im sogenannten 'Elisarion' auf
dem Monte Verità von Ascona
Vinzenz,
Alexandra
Vision
'Gesamtkunstwerk'
Performative Interaktion als künstlerische
Form
Verlag: transcript, 1. Auflage 2018, ISBN:
978-3-8376-4138-7
Seit Richard Wagner meint der Begriff
'Gesamtkunstwerk' die Einheit aller
künstlerischen Disziplinen. Im Zuge
ganzheitlicher Bestrebungen in der Kunst des
19. und 20. Jahrhunderts nimmt das Konzept,
dem die Möglichkeit der Transformation der
Gesellschaft zugeschrieben wird, eine
zentrale Position ein.
Anhand zahlreicher Beispiele, die vom
Umkreis der Anthroposophischen Gesellschaft
bis zum Bauhaus, von Hermann Nitsch bis
Joseph Beuys reichen, zeigt Alexandra
Vinzenz, dass die Verbindung von Ästhetik
und Politik trotz ihrer visionären Anlage
nicht an Reiz verloren hat.
Dr. phil. Alexandra Vinzenz, geb. 1983, ist
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut
für Europäische Kunstgeschichte der
Universität Heidelberg. Vorher war sie u.a.
am Kunstgeschichtlichen Institut der
Philipps-Universität Marburg beschäftigt.
Sie promovierte am Institut für
Kunstgeschichte der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz und erhielt
dafür ein Promotionsstipendium des Landes
Rheinland-Pfalz.
Wagner,
Christoph
Lichtwärts!
Lebensreform, Jugendbewegung und Wandervogel
– die ersten Ökos im Südwesten (1880–1940)
Verlag regionalkultur, Bahnhofstraße 2,
76698 Ubstadt-Weiher, 2026,
www.verlag-regionalkultur.de
Um 1900 entstand in
Deutschland ein erstes
Bewusstsein für die Schattenseiten des
industriellen Fortschritts: Die Jugend- und
Wandervogelbewegung begehrten gegen
„Naturfrevel“ und krankmachende
Lebensbedingungen auf. Vegetarier,
Naturfreunde, idealistische
Siedler, Reformpädagogen,
Alkoholgegner, Licht-, Luft- und
Sonnenanbeter sowie Anhänger von
Kleiderreform und
Naturheilkunde machten sich für eine
umfassende Lebensreform stark, die
alternativ-utopische
Lebensmodelle, ein anderes
Naturverständnis und ein neues
Körperbewusstsein umfasste.
Im Südwesten war die
Lebensreformbewegung besonders
rührig. In zahlreichen
Vereinen, Bünden, Verlagen,
Zeitschriften, Reformhäusern,
Naturheilsanatorien, alkoholfreien Cafés,
vegetarischen Speisehäusern, Versuchsschulen
und Aussteigersiedlungen wurden neue Ideen
erprobt, die auf ganz Deutschland
ausstrahlten.
Christoph Wagner zeichnet die Geschichte
dieser ersten Ökos im Südwesten in ihrer
ganzen Vielfalt nach, wobei auch die
düsteren Seiten (Irrationalismus,
Rassenlehre, Antisemitismus) nicht
ausgespart bleiben.
Watson, Peter
Das Zeitalter des
Nichts. Eine Ideen- und Kulturgeschichte
von Friedrich Nietzsche bis Richard
Dawkins. C. Bertelsmann,
München 2016.
Zitat:
Der Nietzscheanismus war dort [auf dem Monte
Verità] allgegenwärtig, allerdings weniger
in seiner „Wille zur Macht“-Ausprägung als
durch das Dionysische und das Ziel einer
ekstatischen Dynamik. … Die Kolonie verfügte
tatsächlich über all die Elemente der
Gegenkultur, die sich später vor allem in
Amerika entwickeln sollte. … Das
entscheidendste … Element der
Monte-Verità-Idee war der Rückzug aus dem
urbanen Leben, um einen „neuen
Menschenschlag“ zu erschaffen, einen
nachchristlich-säkularen, der das Menschsein
in all seiner Fülle und Gestalt einer
gelebten „Vagabondage“ sowie durch Tanz zum
Ausdruck bringen sollte. (61 f.)
Weidermann,
Volker
„Gusto Gräser ist dabei,
eine Art Weltstar zu werden. Es
ist der Name 'Demian',unter
dem er berühmt werden wird.“
(Volker Weidermann)
Träumer
- Als die Dichter die Macht übernahmen
1919, Revolution in München – und alle sind
vor Ort: Ernst Toller, Thomas Mann, Erich
Mühsam, Rainer Maria Rilke, Gustav Landauer,
Oskar Maria Graf, Viktor Klemperer, Klaus
Mann ...
Kiepenheuer
& Witsch, 2017, 288 Seiten, gebunden
Auszug:
Gusto Gräser als
Demian
Aus „Träumer“
von Volker Weidermann
Am
nächsten Abend gehen sie
[Oskar Maria Graf und der
Maler Georg Schrimpf] zu
einer Versammlung, auf der
Gusto Gräser reden soll.
Und er
redet.
„Der Saal war
ziemlich voll. Geraucht
sollte nicht werden. Wir
rauchten. Es ging auch
bereits laut zu. Vorne
saßen schwärmerische
Mädchen mit
Gretchenfrisur, alte
Jungfern, Wandervögel,
idealistische
Sonderlinge und
dergleichen.“ Und
Spartakisten. Und Volk.
Es wird
grauenvoll. Gräser predigt
vom Geist der
Gewaltlosigkeit. „Ach was,
Geist! Schnaps brauchen
wir!“ kräht Graf. Einer
schreit: „Ziegenbock!“.
Gräser macht segnende
Handbewegungen. Er preist
die Natur. „Grasfressen und
faulenzen ist sinnwidrig!“
ruft Graf. Ein anderer
„Nieder mit der Natur! Es
lebe die Technik!“
Gräser
predigt weiter. Die Menge
höhnt und lacht und tobt.
„Wir sind keine Menschen
mehr!“ ruft Gräser. „Nein,
Viecher!“ brüllt Graf. Ein
Spartakist erobert die
Bühne. Hält die übliche
Propagandarede. Die Zuhörer
amüsieren sich prächtig.
Nach
der Veranstaltung kehrte
Gräser zum Schorsch zurück.
Schorschs Freunde
verspotteten ihn, grob,
gemein und verletzend. Er
sei doch nur für die Natur.
Also: „Morgen bitte Lager
nehmen im Englischen
Garten“, befahl Graf ihm.
Zwei
Tage später ging er dann
wirklich. Man sah ihn
weiterhin tagsüber durch die
Straßen Münchens ziehen,
meist verfolgt von einer
Horde grölender Kinder. Es
hieß, er habe Unterkunft in
einem Ziegenstall gefunden.
Doch Gusto
Gräser ist gerade dabei,
eine Art Weltstar zu werden.
Er weiß es nur noch nicht.
Und auch nicht unter seinem
eigenen Namen Gusto Gräser,
sondern in literarischer
Verkleidung, als einer, der
Menschen auf dem Weg nach
innen führt, zu einem neuen
Gott, zu sich selbst. Es ist
der Name „Demian“, unter
dem er berühmt werden
wird. Eine Erzählung
unter diesem Namen ist
soeben in der Zeitschrft
„Neue Rundschau“ des S.
Fischer Verlages als
Vorabdruck erschienen. Im
Februar der erste Teil, in
der April-Nummer der zweite.
Geschrieben hatte die
Erzählung ein gewisser Emil
Sinclair, niemand kannte
ihn, weder der Verleger
Samuel Fischer noch der
Lektor Oskar Loerke wussten,
wer der junge Debütant war.
Dieser Emil Sinclar schreibt
die Geschichte seiner
Wandlung, aus der
Orientierungslosigkeit der
alten Vorkriegszeit in ein
neues Leben, ein neues
Licht. Er folgt einem
sonderbaren Freund und
Führer, zusammen mit dessen
Mutter schließen sie einen
Bund. Der sonderbare Freund
Max Demian ist ein weiser,
unschuldiger Prediger.
„Hundert und mehr Jahre
lang“, erklärt er seinem
staunenden Freund Sinclair,
„hat Europa bloß noch
studiert und Fabriken
gebaut! Sie wissen genau,
wieviel Gramm Pulver man
braucht, um einen Menschen
zu töten, aber sie wissen
nicht, wie man zu Gott
betet, sie wissen nicht
einmal, wie man eine Stunde
lang vergnügt sein kann.“
So und
so ähnlich sind Max Demians
Ansprachen an den
sehnsüchtig Lauschenden.
„Was die Natur mit dem
Menschen will, steht in den
Einzelnen geschrieben, in
dir und mir. Es stand in
Jesus, es stand in
Nietzsche. Für diese allein
wichtigen Strömungen – die
natürlich jeden Tag anders
aussehen können, wird Raum
sein, wenn die heutigen
Gemeinschaften
zusammenbrechen.“
Max
Demian sieht den kommenden
Krieg voraus, den Rausch,
der die Menschen
zusammenschweißen wird. „Es
wird vielleicht ein großer
Krieg werden, ein sehr
großer Krieg. Aber auch das
ist bloß der Anfang. Das
Neue beginnt, und das Neue
wird für die, die am Alten
hängen, entsetzlich sein.“
Etwas
Neues, etwas nie Dagewesenes
kämpft sich frei, in den
Schlachten Europas, so sieht
es dieser wunderliche
Prophet. „Es kämpfte sich
ein Riesenvogel aus dem Ei,
und das Ei war die Welt, und
die Welt mußte in Trümmer
gehen.“ Um neu zu werden,
ganz und gar neu. „In der
Tiefe war etwas im Werden.
Etwas wie eine neue
Menschlichlichkeit.“
Das
Buch wird in Deutschland und
Europa ein fantastischer
Erfolg werden, der Autor
wird als Führer der Jugend
gefeiert. Als Thomas Mann
die Erzählung einige Wochen
später liest, ist er
begeistert, fragt sich, wie
sich alle fragen, wer nur
dieser Emil Sinclair sein
könne, und stellt erstaunt
fest, dass es geradezu ein
geschwisterliches Buch zu
dem von ihm wieder
begonnenen „Zauberberg“ sei.
Auch hier bricht der
Weltkrieg „als Lösung“ am
Ende in das Romangeschehen
ein.
Dieser
Emil Sinclair wird für den
Text noch im selben Jahr den
Fontane-Preis für das beste
deutsche Erstlingswerk
erhalten. Und erst im
nächsten Jahr muss der Autor
ihn wieder zurückgeben. Denn
er ist kein Debütant. Und er
heißt auch nicht Sinclair.
Der Autor ist Hermann Hesse,
damals 41 Jahre alt, und er
war mit Büchern wie „Unterm
Rad“ und „Peter Camenzind“
längst eine Berühmtheit in
der Welt der Literatur.
Früh
schon war er Gusto Gräser
begegnet. 1907 war er dem
Wandernden auf den Monte
Verità im Tessin gefolgt. In
einer Holzhütte wohnend,
verbrachte er mehrere Wochen
in der Nähe des Freundes,
lebte selbst für einige Zeit
in den Felsen bei der Höhle
von Arcegno, nackt, fastend
und meditierend.
Doch
Hesse kehrte in sein
bürgerliches Leben zurück,
verspottete Gräser bald
schon in seiner höhnischen
Erzählung „Doktor Knölges
Ende“ als einen in den
Bäumen hängenden Gorilla.
Im
Krieg kam es zu einer neuen
Annäherung. Hesse wurde zu
Gräsers „dichterischem
Verkünder“. Seine
Reformsiedlung auf dem Monte
Verità wurde für Hermann
Hesse zu einer „Trauminsel
der Erfüllung“, Beispiel und
Vorbild „einer anderen Art
zu leben“.
Doch
als der Krieg zu Ende war,
das Ei also in Trümmern lag
und allen voran München sich
bereit zu machen schien für
eine neue Menschlichkeit,
gingen die beiden Männer
unterschiedliche Wege.
Anfang 1919 schrieb Gusto
Gräser an Hermann Hesse in
Bern: „Der BAUM des Lebens
keimt und kommt ja doch nur
von Selber. - Er gründet ein
und grünet auf, wenn die
Eisblöcke der Verstandes-
und Gegenstandswirtschft Ihm
nicht mehr beklemmend im
Wege stehn. - Drum Tauwind
ins Winterland, TAO-wind in
die hirnfrostig verfrorene
Welt.“ Er war unterwegs in
die neue Wärme, zur neuen
Menschlichkeit und schönen
Gemeinschaft, die er in
München für sich und die
Seinen erhoffte.
Und er
hoffte wohl, vielleicht war
er auch sicher, dass auch
der Freund ihm nach
Deutschland, nach München
folgen würde. Viele in
Deutschland dachten so.
Hermann Hesse, der
schwäbische Kriegsgegner in
der Schweiz – wohin sollte
er denn, wenn nicht nach
München?
Doch da
täuschten sich alle. Hesse
hat seinen Demian nach
München geschickt. Er selbst
flieht in die andere
Richtung. ...
Der
sonderbare langhaarige
Freund mit den Sandalen und
den Texten im Ledersäckchen,
der Hesse so vieles
vorgelebt und vorgeredet
hatte, hat einen anderen
Plan. Er redet, sammelt
Menschen um sich, lässt sich
verhöhnen in der Stadt der
Träumer und Weltverbesserer.
Die Liebe wollen beide auf
ihre Weise in die Welt
tragen.
Aus Volker
Weidermann: Träumer. Als
die Dichter die Macht
übernahmen Köln 2017,
S. 186-191
Weise, Otto
Hermann Müller: Der Dichter und
sein Guru. In: Jahrbuch des
Archivs der deutschen Jugendbewegung. Burg
Ludwigstein: Stiftung Burg Ludwigstein,
1978, S. 196-199.
Szittya, Emil
Das Kuriositäten-Kabinett.
Konstanz 1923. Neudruck Berlin 1979.
Wyrwoll, Karl
Ernst Moritz Engert.
Monographie Dokumentation Katalog.
Ernst-Moritz-Engert Museum der Stadt
Hadamar, 1988.
Robert Landmann
(eigentlich Werner Ackermann) 1892 in
Antwerpen geboren, Verfasser mehrerer Romane,
Stücke und Hörspiele, Journalist in Genf,
Ascona, Berlin, Saint Tropez, Istanbul und
Antwerpen. 1923 hat Landmann in Ascona zusammen
mit seinen FreundenHugo Wilkens und William
Werner die von Henri Oedenkoven gegründete
Siedlung Monte Verità erworben und 1925 an
BaronEduard von der Heydt verkauft.
Ein Kompendium
des
Wissens um den Wahrheitsberg, ein Lexikon
zum Nachschlagen. Alles ist da: das
Spirituelle, das zeit- und
kulturgeschichtliche, das Alternative und
Ökologische. Und zugleich das
Faktisch-Reale mit einer Genauigkeit und
Vollständigkeit, wie sie noch nicht da
gewesen ist, bis auf
die Grundstücksnummern im Kataster.
Die Bändchen im Format A5 (je
etwa 100-120 Seiten, viele Abbildungen, je CHF
15.-) im Selbstverlag des Verfassers werden in
der Rezeption des Hotels Monte Verità und in der
Casa Anatta angeboten.
Edité aux
PPUR (Presses polytechniques et
universitaires romandes),
collection "Le savoir suisse". 142 p.,
2011, 10,90 € (17,50 francs suisses).
Das Buch von Kaj
Noschis bietet die bisher beste
Einführung in die Geschichte des Monte
Verità. Ich kenne kein anderes Werk zum
Thema, das auf so wenigen Seiten eine
solche Fülle von - zum Teil neuen -
Informationen böte: von den ersten
Anfängen bis zur Gegenwart, von den
Pionieren bis zu den Gelehrten von
Eranos. Es wäre sehr zu wünschen, dass
dieses Buch ins Deutsche übersetzt
würde.
Unglücklicherweise
steht seinen großen Vorzügen ein großes
Manko gegenüber: Noschis verkennt die
Hauptperson, den eigentlichen
Geistgründer des Wahrheitsbergs: den
Dichter-propheten Gusto Gräser. Er
scheint dessen Lebenswerk nicht zu
kennen und ihn auch nicht sonderlich zu
schätzen. Dazuhin ist seine Darstellung
in diesem Abschnitt voller faktischer
Fehler. Weil nun aber der eigentliche
Inspirator dieser Siedlung nicht erkannt
wird, muss Noschis trügerischen Ersatz
suchen, um die Kreativität und
Attraktivität des Ortes zu erklären. In
seiner Not verfällt er auf die Idee, in
einem fiktiven „genius loci“ den Grund
für die außerordentliche
Ausstrahlungskraft von Ascona zu suchen.
Ein absurder Einfall! Nicht Landschaften
schaffen Ideen sondern Menschen.
In einer zweiten
Auflage müsste das Kapitel „Gusto
Gräser“ völlig neu bearbeitet werden.
Dann könnte dieses sonst so
verdienstvolle Buch zu einem wirklichen
Standardwerk werden.
Zu der Beziehung
Gräser-Hesse sagt Noschis u. a.: „Gusto, der Pilger, der
seine Friedensbotschaft verkündet,
beeindruckt den Schriftsteller und führt
ihn auf den Monte Verità (62). – Die
Gestalt des Gusto Gräser hat sich in die
Vorstellungswelt von Hesse
eingeschrieben (64). – Gewisse
Hauptgestalten seiner Bücher sind
geprägt von jenen Menschen, die er in
Ascona beobachtete: wie sie sich
abmühten in ihrem Suchen, in ihrem
Hören auf die Natur, wie sie ihre
Weltschau mitteilen wollten und zugleich
litten an ihrem unaufhebbaren Anderssein
(68f.).“
Hermann Müller
Bereits
vor 100 Jahren (und vorher) wanderten,
statt Hundertausende, einige
abzählbare, markante Frühhippies durch
die Welt, barfüssige Weltverbesserer,
Wanderprediger, verspottet als
Kohlrabi-Apostel und
Kartoffel-Christusse, die mit dem
‚Zurück zur Natur’ ernst machten und
das ganze Programm von 1967 bis 1976
bereits draufhatten: Pazifismus, freie
Liebe, Technikkritik,
Spiesserverachtung, lange Haare,
Nudismus, Vegetarismus. Einerseits
gerieten selbst die wichtigsten
Gestalten von damals sehr in
Vergessenheit, andererseits erhielten
sich viele Text- und Bilddokumente,
von denen sich einiges in diesem Buch
wiederfindet.
Der
Webmaster
meint:
Schon oberflächliche
Lektüre
des G. Gräser
gewidmeten Teils
dieses Buches
zeigt allerdings,
dass so manches aus
der Luft gegriffen
oder masslos
übertrieben ist und
damit ein verzerrtes,
negativ gefärbtes Bild
entsteht. Quellenangaben
fehlen.
Diese autobiographische
Erzählung
kommt den Erfahrungen Hesses im
Jahre
1907 näher als 'Der Weltverbesserer'.
In der Gestalt des Heinrich Wirth ist
Gusto Gräser zweifelsfrei zu erkennen.
DIE DUNKLE
UND WILDE SEITE DER SEELE
Hermann
Hesse.
Briefwechsel mit seinem Psychoanalytiker
Josef Bernhard Lang. Darin eine weitere
Bestätigung für die enge Verbundenheit der
Familien Gräser und Hesse. Gräsers Familie
wohnte 1919 im Haus von Mia Hesse in
Ascona.
“Mit Hermann Hesse
durchs Tessin – Ein Reisebegleiter von
Regina Bucher”
Was mit einem Kuraufenthalt 1907 auf dem
legendären Monte Verità begann,
entwickelte sich für Hermann Hesse zu
einer lebenslangen Faszination: 1919
siedelte er nach Montagnola im Tessin
über und lebte dort bis zu seinem Tod
1962. Seiner Begeisterung für diese
abwechslungsreiche Seen- und
Berglandschaft mit ihren pittoresken
Dörfern hat er in zahlreichen
Erzählungen, Briefen und nicht zuletzt
in seinen Aquarellen Ausdruck verliehen. Zehn
Spaziergänge führen den Leser
auf die Spuren Hesses.
José Morella, in spanischer
Sprache, in LUKE nº 169 Febrero 2016 Como caminos en
la niebla (Wie Wege im
Nebel)
José Morella wurde 1972 in Ibiza geboren. Er hat
einen Abschluss in Literaturtheorie und
vergleichender Literaturwissenschaft. Er lebt
derzeit in Barcelona, wo er Spanisch unterrichtet.
Er veröffentlichte die Romane La fatiga del
vampiro (2004) und Asuntos propios, Finalist des
Herralde-Preises für Romane im Jahr 2009. Er ist
auch der Autor der Gedichte Tambor de luz (2001).
Er hat auch die Dichter Ferreira Gullar und
Douglas Dunn ins Spanische übersetzt.
... und
LUKE-Mitarbeiter
Morella
schreibt
über Gusto (Original in
spanisch hier):
Gusto Gräser, der
berühmte „Naturmensch“ des Monte Verita, schrieb
ein halbes Leben lang an einer neuen Version des
Tao te King von Lao Tse. Gusto konnte kein
Chinesisch, er übertrug das Buch nur nach der
Übersetzung von Richard Wilhelm. Der
Grundgedanke dieses Buches besteht darin, die
Wirklichkeit nicht zu zwingen, nicht mit zu viel
Anstrengung darauf zu bestehen, dass das
geschieht, was wir uns wünschen, und dass nicht
geschehe, was wir nicht wollen. Eine
traditionelle chinesische Erzählung erklärt das
so:
Ein Pilger sieht aus der Entfernung,
wie ein heftiger Gewittersturm eine Holzbrücke
mit sich nimmt. Deshalb fallen ein Alter und ein
junger Mann ins Meer. Das Wasser ist sehr
bewegt. Einige Sekunden später sieht der Pilger,
wie der Alte ganz nah am Strand auftaucht und
ans Festland schwimmt. Der junge Mann taucht
niemals auf und ertrinkt. Der Pilger geht zu dem
Alten und fragt ihn: Wie ist es möglich, dass
der Junge es nicht geschafft hat herauszukommen
und Sie hier so ruhig stehen und ihre Kleider
auswinden, als sei nichts geschehen? Der Alte
antwortet ihm: Dieser Junge hat zu viel
Widerstand geleistet, er hat zu viel Kraft
darauf verwendet herauszukommen. Er hat
gestrampelt und mit den Armen gegen die Strömung
gerudert, die unendlich mächtiger war als er und
ist dann ertrunken. Ich habe das Gegenteil
getan. Ich habe mich ergeben, habe alle Muskeln
entspannt wie ein Säugling, der von seiner
Mutter gestillt worden ist. Ohne Anstrengung.
Die inneren Strömungen haben mich an die
Oberfläche getragen, so wie eine Katze eine
Spinne auf ihrem Rücken trägt. Ich habe nichts
getan um zu überleben. Deshalb lebe ich auch
noch.
Gusto flüchtete sich in die Natur und
versuchte nur mit dem Allernotwendigsten zu
überleben, weil er fühlte, dass die Zeit, in der
er leben musste, dem, was Lao Tse vorschlug,
diametral entgegengesetzt war. Eine Welt, in der
es die Norm war, die Wirklichkeit zu zwingen:
Die Produktion auf dem Land und in den Fabriken
wurde mechanisiert, der Gebrauch von Chemikalien
in der Landwirtschaft eingeführt; die Eisenbahn
verkürzte die Entfernungen in einem für die
damalige Zeit unvorstellbaren Maße. Henry Ford
war dabei, das erste Fließband einzurichten.
Gusto misstraute dem, was für andere
unbezweifelbare Verbesserungen waren. Er sagte
den Ersten Weltkrieg voraus, in dem auch die
Fähigkeit zu töten mechanisiert wurde und
Tausende an einem einzigen Tag starben. Als sie
ihn rekrutieren wollten, erklärte er sich als
Pazifist und Wehrdienstverweigerer. Sie
verurteilten ihn zum Tode. Nach drei Tagen, in
denen er jeden Augenblick damit rechnete
erschossen zu werden, erreichte er die
Einlieferung in eine Irrenanstalt, indem er
vorgab verrückt zu sein. Dann kehrte er mit
seiner Familie zurück zum Monte Verita und lebte
dort weiter wie zuvor: nackt, barfuß, ohne zu
heiraten und zog seine Kinder selbstständig
groß, ohne sie in die Schule zu geben. Auf Geld
verzichtete er ganz und gar und ernährte sich
von dem, was er anbaute. Ein einfaches Leben,
wie es einfacher nicht sein konnte. Oft besprach
er seine Version des Tao, an der er unablässig
arbeitete, mit dem Schriftsteller Hermann Hesse.
Hesse, ein Vielgelesener, intelligenter und
talentierter als Gusto, scheute sich in keiner
Weise, ihn als seinen Meister anzuerkennen. Er
hätte es ihm gerne nachgetan, hatte aber nicht
den nötigen Mut, den Wunsch nach Aufstieg und
Erfolg aus seinem Leben zu verbannen. Gusto nahm
nie Rücksicht darauf, was andere von ihm
dachten. Keiner der Intellektuellen oder
Bohemiens des Monte Verita hatte im
Entferntesten seine Bescheidenheit, noch seinen
Mut.
Er wollte die Welt ebenso verändern wie
Otto [Gross],
aber auf andere Art und Weise. Seine Veränderung
war innerlich und ruhig, die Ottos dagegen
voller Unrast, Eifer und Angst. Einen Text von
Lao Tse gab er folgendermaßen wieder: „Tao, du,
Heimat aller! Die Behäbigen und Satten finden
dich nie. Aber denen, die es vorziehen, durstig
und hungrig umherzuziehen, denen öffnest du die
Türen voll und ganz: ihnen blühen die Bäume,
ihnen lächeln glänzende Früchte, die von
übervollen Zweigen hängen. Den Schnellen, die
ohne Verzögerung alles öffnen und wissen wollen,
denen schließt du dich zu“.
Grundlegende Biografie über die
Puppenmacherin Käthe Kruse, auch über ihre
Zeit auf dem Monte Verità. Es wird klar,
dass die Aussteiger um die Brüder Gräser
ihr Anstoss und Möglichkeit zu
Selbstfindung und Entfaltung ihrer
kreativen Fähigkeiten gaben.
Frank Milautzcki Reinhard
Goering
- ein Unbekannter auf dem Berg der Wahrheit
54 Seiten, 10 Abb., € 7.80, Verlag Proberaum 3,
Trennfurter Straße 14, 63911 Klingenberg. E-mail:
wuestenschiff@t-online.de Rezension
von
2006/7 über paradiesische
Gärten, Schöpfungsmythen und Sozialutopien enthält
auch eine Darstellung des Monte Verità mit
Bildern von Gusto Gräser.
Im Katalog sind viele seltene Bilder in
hervorragender Qualität . Mit Kapiteln über den
Monte Verità und dessen Ableger auf Kabakon
in der Südsee . 211 Seiten
Konsumismus,
Angst
vor Überfremdung, Kampf der Frau um ihre
Rechte, Burn-out des Mittelstandes,
Genetik: Die großen Fragen des Jahres
2009 versetzten schon 1909 die Europäer
in einen Taumel.
Cultural, economic and political life before
the First World War. This was a time in which
old certainties broke down and many people lost
their bearings. At the heart of this vibrant
Europe, was a contradiction that would cause its
collapse: the new, modern world of mass
production, urban life, technological warfare
and a rapidly growing working class that was
still ruled by men who preferred the image of
dashing cavalry officers to the prosaic
slaughter of the machine gun, and national
mythology to political cohesion and democracy.
Wolfgang
Wackernagel
MYSTIQUE, AVANTGARDE ET MARGINALITÉ DANS LE
SILLAGE DU MONTE VERITÀ
In: Mystique: la passion de l’Un, de l’Antiquité à
nos jours Edité par Alain Dierkens et Bénoit Beyer de
Ryke. Éditions de l'Université de Bruxelles.
Problèmes de l'histoire des religions, tome XV.
Bruxelles 2005, S. 175-186. Sieben Fotos von
Gräser und Monte Verità nach S. 160
Wegkreuzungen.
Dreizehn Lebensbilder Hans Bergel hat
große Bücher geschrieben, und er hat
liebenswerte Bücher geschrieben. Neben das
Riesenepos „Die Wiederkehr der Wölfe“ von 2006,
das ich in der Nachbarschaft von Tolstois „Krieg
und Frieden“ sehe, stellte er jetzt die „Wegkreuzungen. Dreizehn
Lebensbilder“. Das Buch nahm
mich durch das angenehme Format und die Eleganz
der Aufmachung sofort nach Erhalt schon vom
Äußeren her gefangen.
... Die
Charakterstudie über Deutschlands „lachenden
Apostel“, den 1879 in Siebenbürgen geborenen
Gustav Arthur Gräser, gerät ihm zum geistvollen
Exkurs in die Kulturgeschichte Europas der
vorletzten Jahrhundertwende. ...
Rythme et
civilisation dans la pensée
allemande autour de 1900 Thèse de Doctorat Discipline : Etudes
germaniques Présentée par Olivier
HANSE
UNIVERSITÉ RENNES 2 – HAUTE BRETAGNE
Unité de Recherche GRAAL JE 2314
Ecole Doctorale : Humanités et
Sciences de l’Homme Année de soutenance : 2007
Français
English
Deutsch
Autour
de
1900 en Allemagne, l’ « arythmie »
des individus est présentée par un
certain nombre d’auteurs comme le
symptôme d’une civilisation malade,
qu’il faut à tout prix sauver du
déclin. La disparition du rythme,
constatée dans un grand nombre de
disciplines, semble par ailleurs
accuser le triomphe d’une vision
matérialiste et « microscopique » du
monde, qui rend l’homme aveugle aux
miracles du vivant, tandis que dans
les écoles et dans les universités
s’impose un modèle de formation
utilitariste, qui privilégie les
savoirs techniques au détriment de
l’intuition, de l’esprit de synthèse
et de la créativité. Parallèlement à
ce diagnostic, le même concept de
rythme, que l’on suppose avoir joué,
à l’origine, un grand rôle dans la
socialisation de l’être humain et
dans le développement de la culture,
se retrouve au centre de projets
utopiques fondés sur la gymnastique
et la danse, qui visent à
retransformer un corps social «
mécanisé » et « disloqué » en une
communauté saine et fraternelle.
Par-delà les conflits de
terminologie et de méthode qui
opposent les différents
représentants du « mouvement du
rythme », cette étude tente
d’éclairer les motivations
individuelles et collectives de ce
discours, de faire ressortir les
mécanismes psychosociaux qui le
traversent, ainsi que les causes de
son succès, tout en le replaçant
dans le contexte historique, social
et culturel qui lui a donné
naissance.
Around
1900
in Germany, people’s “arrhythmia”
was presented by a certain number of
authors as the symptom of a sick
civilisation that absolutely needed
to be saved from decline. The
disappearance of rhythm observed in
a large number of fields seemed
moreover to affirm the triumph of a
materialistic and “microscopic”
vision of the world which blinded
man to the miracles of life, while
in schools and universities a model
of utilitarian tuition was being
asserted that favoured technical
knowledge to the prejudice of
intuition, sense of synthesis and
creativity. Concurrently to this
diagnosis, the same conception of
rhythm that is supposed to have
initially played a great role in the
socialization of mankind and in the
development of culture, is to be
found at the heart of utopian
undertakings based on gymnastics and
dance aimed at retransforming a
“mechanised” and “dislocated” social
body into a healthy and fraternal
community. Beyond conflicts of
terminology and method opposing
different representatives of the
“rhythm movement”, this study
endeavours to enlighten individual
and collective motivations of this
discourse, to bring out the
psychosocial mechanisms that
traverse it, as well as the reasons
for its success, while repositioning
it in the historical, social and
cultural context that engendered it.
"Hauptziel
dieser Arbeit ist es, die Grundlagen
des Rhythmus-Diskurses in den Jahren
1880-1925 aufzudecken und im Sinne
einer 'Sozialgeschichte der Ideen'
herauszuarbeiten, inwiefern er
gesellschaftliche Sachverhalte
widerspiegelt bzw. durch den
kulturellen und sozialgeschichtlichen
Zusammenhang seiner Entstehung und
Verbreitung beleuchtet werden kann.
Der 'Rhythmus' soll dabei nicht auf
eine bestimmte Definition reduziert
werden, sondern es soll vielmehr
begriffsgeschichtlich gezeigt werden,
inwiefern er über seine primäre
Bezeichnungsfunktion hinaus
'kommunikatives Eigengewicht' gewinnt
und seine konkrete Verwendung, so
vielfältig sie auch sein mag, die
Ängste und Hoffnungen einer bestimmten
sozialen Schicht artikuliert."
Claudio
Rossetti, von 2002 bis 2011 Direktor der
Fondazione Monte Verità setzte während
dieser Zeit viele Ideen und Visionen um, die
er im Buch “Raggi di cultura – A Spectrum of
Culture” festhält: 120 Seiten und viele
Fotografien ermöglichen einen Einblick in
die kulturellen Ereignisse. Erhältlich ist
das zweisprachige Buch (Italienisch und
Englisch) für CHF 20.- beim Centro Monte
Verità (Tel . 091
785 40 40, E-Mail
info@monteverita.org). Der Erlös geht an das
“Forum Diritti Umani”.
Luschner in "Raggi di
Cultura - A Spectrum of Culture":
‚Die
deutsche
Seele’
von
Thea
Dorn und Richard Wagner. Albrecht Knaus
Verlag, München 2011. 560 Seiten, viele
Abbildungen. € 26.99
Aus
dem Vorwort:
„Wir machen uns keine
Sorgen, dass Deutschland sich abschafft. Wir
sehen nur, dass es sich
herunterwirtschaftet. Sein Gedächtnis
verliert. Die einen haben die deutsche
Scham, die keiner ablegen kann, der diesem
Land entstammt, zum Schuldpanzer verhärtet,
hinter dem sie sich verschanzen. Die
Verbrechen des Nationalsozialismus sind
ihnen weniger Schmach und Schmerz als der
Beweis, dass alles Deutsche mit der Wurzel
ausgerissen gehört. Die anderen tummeln sich
in dem Kahlschlag, den die wohl-meinenden
Nashörner angerichtet haben. Ihnen fehlt
nichts, solange der Fernseher läuft und im
Kühlschrank genügend Bier steht. Und dennoch
spüren wir ein wachsendes
Deutschlandsehnen.“
Ein
wichtiges
Buch! Hier folgen einige Auszüge, die
Diefenbach und Gräser betreffen. Die
Verfasser sind allerdings sehr im Irrtum,
wenn sie glauben, der Monte Verità habe
nicht mehr als Hüllenlosigkeit zu bieten
gehabt. In Wirklichkeit erlebten hier die
Emigranten aus Alteuropa – Reformer,Dichter und
Künstler –eine
„Revolution der Seele“, eine Ausweitung und
Befreiung nicht der deutschen Seele allein,
aber gerade auch der deutschen, hin zu einem
weltumgreifenden, menschheitumfassenden,
anationalen, kosmopolitischen „Reich der
Seele“, das Indien und China, Russland und
Amerika genauso in sich schloss wie die
besten deutschen Traditionen. „Es gab hier
einfach alles, was im übrigen Europa nicht
existieren konnte, verboten wurde, die
Menschen nicht zu leben wagen konnten. Hier
wurde es versucht; vorgelebt, existierend,
nicht bloß theoretisch angeschaut“, schrieb
damals der Dramatiker Reinhard Goering.
„Entschieden, man war ja jenseits von
Europa.“ Und ein anderer Gast und
Gräserfreund, Hermann Hesse: „Hier war Liebe
und Seele, hier lebte das Märchen und der
Traum“.
„Schick“
war
das Leben dieser Aussteiger-Siedler nicht im
geringsten, vielmehr härteste Realität:
Arbeit und Hunger, Kampf und Gefahr. Nicht
Wenige sind daran zerbrochen, starben durch
Selbstmord oder im Irrenhaus. Erst im
ahnungslosen Nachschmecken des Feuilletons
wurde daraus ein „schicker Mythos“.
Aufrufe von Gusto
Gräser, um 1914
Raus!
Raus aus den verpesteten Städten! Raus aus den
engen Gassen! Raus aus dem „stahlharten
Gehäuse“ von Bürokratie und Industrie, von
Technik und Geldwirtschaft! …
Rousseau
ist seit über hundert Jahren tot – doch nie
und nirgends fíndet sein Ruf „Zurück zur
Natur!“ ein kräftigeres Echo als im
deutschsprachigen Raum an der Wende vom 19.
zum 20. Jahrhundert.
Am
wörtlichsten nehmen das große
anti-zivilisatorische „Raus!“ jene, die
glauben, die Kluft zwischen Leib und Seele,
zwischen Kosmos und Mensch, zwischen Reich und
Arm schließen zu können, indem sie die Hüllen
fallen lassen.
Der
erste Nudist aus Überzeugung ist der Maler
Karl Wilhelm Diefenbach. Seine Konversion zum
Lebensreform-Glauben geschieht in den 1870er
Jahren: Nach einer Typhus-Erkrankung muss er
operiert werden, sein rechter Arm bleibt
verkrüppelt. Diefenbach ist überzeugt,
Naturheilkunde und fleischlose Kost hätten ihn
kuriert, weshalb er zum Verkünder einer
vegetarisch-naturnahen Lebensweise wird.
Barfuß, mit wildem Haarwuchs und in eine Kutte
gekleidet wandelt er durch München und predigt
gegen den „Verzehr von Tierfetzen“. Obwohl man
im Schwabing jener Jahre esoterische
Exzentriker gewohnt ist, kommt es zu
regelmäßigen Zusammenstößen zwischen dem
„Kohlrabiapostel“ und der Obrigkeit. 1887
zieht sich Diefenbach nach Höllriegelskreuth
ins Isartal zurück – und gründet dort in einem
stillgelegten Steinbruch die erste Kommune, in
der nach seinen Vorstellungen gelebt werden
darf bzw. muss. Der Aussteiger entpuppt sich –
wie manch einer nach ihm - als autoritärer
Guru: Fleisch, Tabak, Alkohol, Privatbesitz
und bürgerliche Ehe sind tabu, der Meister
bestimmt, wer wann mit wem in welcher Weise
verkehren darf oder auch nicht. Gemeinsam wird
ein Körperkult zelebriert, der auf „Licht,
Luft, Sonne, Nacktheit und Beschwingtheit“
fußt.
Weltanschaulich
nicht
weniger aufgeladen, aber deutlich mondäner
gibt sich die Künstler-Kolonie „Monte Verità“,
die 1900 auf einem Hügel oberhalb des
schweizerischen Ascona
u. a. von Gusto Gräser gegründet wird. Seine
ersten Erfahrungen mit alternativem Leben hat
der siebenbürgische Dichter bei Diefenbach
gesammelt. Der Friede zwischen Pazifisten und
Anarchisten, Nudisten und
Ausdruckstänzerinnen, Anthroposophen und
Psychoanalytikern, Veganern und Vegetariern
ist zwar stets ein wackliger, dennoch
existiert die Kolonie in ihrer ursprünglichen
Form bis 1920. (Und kann heute noch als
Hotel/Museum/Konferenzcenter besucht werden.)
Prominente Gäste wie der dadaistische Künstler
Hans Arp, der Philosoph Ernst Bloch oder die
Schriftsteller Gerhart Hauptmann und HermannHesse machen den
„Wahrheits-Berg“ zum radikal schicken Mythos.
Aus
Thea Dorn, Richard Wagner: Die deutsche
Seele, S. 153-155
Siedlung
in der Schweiz
Kapitel:
Monte
Verità, Freidorf BL, Wasserhaus,
Werkbundsiedlung Neubühl, Pantli, Cité du
Lignon, Gurten-Gartenstadt.
Künstlermuseum Kapitel:
Monte
Verità, Städtische Galerie im
Lenbachhaus, Kügelgenhaus - Museum der
Dresdner Romantik, Altes Rathaus -
Städtische Galerie für moderne Kunst,
Kunstmuseum Pablo Picasso Münster,
Liebermann-Villa, Albrecht-Dürer-Haus,
Magritte Museum, René Magritte Museum,
Liste von Künstlermuseen,
Künstlerkolonie Worpswede, Sir John
Soane's Museum, Museum Het
Rembrandthuis, Käthe-Kollwitz-Museum,
Villa Stuck, Rubenshaus,
Josef-Hegenbarth-Archiv, Wilhelm Busch -
Deutsches Museum für Karikatur und
Zeichenkunst, Künstlermuseum Beckers
Böll, Otto Dill, James-Ensor-Haus,
Horst-Janssen-Museum, Max-Ernst-Museum,
Münter-Haus, Leonhardi-Museum,
August-Macke-Haus, Georg-Kolbe-Museum,
Franz Marc Museum, Marfa, Ernst Barlach
Museum Ratzeburg, Fundació Joan Miró,
Overbeck-Museum, Musée Rodin,
Frans-Hals-Museum, Purrmann-Haus,
Ernst-Barlach-Haus,
Antoine-Wiertz-Museum,
Braith-Mali-Museum, Ernst-Barlach-Museum
Wedel, Paula Modersohn-Becker Museum,
Feuerbachhaus, Haus und Garten Claude
Monet, Museum Stangenberg Merck, Musée
Picasso Antibes, Künstlermuseum
Heikendorf, Haus Paula Becker, Museum
Lothar Fischer, Constantin Meunier
Museum, Museum Künstlerkolonie
Darmstadt, Walchensee-Museum, Museu
Picasso, Wilhelm-Morgner-Haus,
Lettl-Atrium, Teatre-Museu Dalí,
Schilling-Museum, Günter-Grass-Haus,
Jan-Matejko-Haus, Mucha-Museum,
Rungehaus, Otto-Pankok-Museum,
Ernst-Barlach-Stiftung.
Auszug (aus beiden Büchern):
Der Monte Verità (dt. Wahrheitsberg) ist ein
Hügel über Ascona, im Kanton Tessin,
Schweiz, der in den ersten beiden
Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts der Sitz
einer lebensreformerischen Künstlerkolonie
war, die heute als eine der Wiegen der
Alternativbewegung gilt. In ihr sammelte
sich der Widerstand gegen die patriarchale
militaristische Kultur und Gesellschaft der
Zeit. Monte Verità wurde ein Zentrum neuer
Bewegungen: Lebensreform, Pazifismus,
Anarchismus, Theosophie, Anthroposophie,
OTO, Psychoanalyse, östliche Weisheit,
Ausdruckstanz. Zugleich war der Monte Verità
eine Zitadelle des politischen Widerstands
gegen die autoritären und chauvinistischen
Regime des späten 19. und frühen 20.
Jahrhunderts. So war der Kanton Tessin im
19. Jahrhundert unter anderem Anlaufpunkt
verschiedener russischer Intellektueller,
speziell bedeutender Anarchisten. Neben Graf
Pjotr Alexejewitsch Kropotkin (1842-1921)
hielt sich in den Jahren 1873/'74 Michail
Bakunin (1814-1876) in Locarno-Minusio und
Lugano, also in direkter Nähe zu Ascona,
auf. Auch nach der Gründung des Sanatoriums
Monte Verità 1900 blieben Anarchisten und
Pazifisten Gäste auf dem Berg. Als Beispiel
sei hier nur auf Erich Mühsam verwiesen. Der
politische Aktivist und Antimilitarist
befreundete sich während seiner Aufenthalte
zwischen 1904 und 1908 mit dem Siedler Gusto
Gräser. Vor und während des Ersten
Weltkriegs sammelten sich dort die
Pazifisten, Verweigerer, Emigranten und
Flüchtlinge aus den kriegführenden Staaten:
so Hans Arp, Hugo Ball, Ernst Bloch, Hermann
Hesse, Ernst Toller und viele andere. Durch
Hermann Hesse, der seinen Freund, den
Mitgründer Gusto Gräser, in den
Meistergestalten seiner Dichtungen
verewigte, durch Gerhart Hauptmann, Bruno
Goetz, Reinhard Goering, Emil Szittya und
andere, vor allem aber durch die Person und
das Werk von Gusto Gräser selbst, wurde der
Berg zu einem Mythos. Casa AnattaGründer
dieser Kolonie waren die Brüder Karl
(1875-1920) und Gustav Arthur Gräser
(1879-1958) --> weiterlesen (Wikipedia)
Picus
Verlag, Wien 2022
ISBN 9783711721204
Gebunden, 232 Seiten
Er
ist einer der schillerndsten
Vertreter der Lebensreformbewegung
imspäten 19.?Jahrhundert: Der
Maler Karl Wilhelm Diefenbach
predigt seine Heilslehre von
Rohkosternährung,
Nacktkörperkultur und freierLiebe
als viel geschmähter
»Kohlrabiapostel« auf Münchens
Straßen. Dass er selbst von
wiederkehrenden heftigen Magen-
undGliederschmerzen geplagt wird,
schwächt weder seine Überzeugung
noch seine Ablehnung der
konventionellen Medizin. Zu
gesundheitlichengesellen sich
regelmäßig finanzielle Nöte, die
der begabte Maler durch
Auftragsarbeiten immer wieder
knapp abwenden kann. In
einemverlassenen Steinbruch in der
Nähe von München gründet er in den
1880er Jahren eine Kommune, doch
damit beginnen seine Probleme
erstrichtig …Felix Kucher erzählt
von einem, der die Welt radikal
verändern will und an seinen
eigenen hehren Ansprüchen immer
wiederscheitert.
»Der
Mann hat eine Mission: Nichts
weniger als der neue Mensch soll
essein: sich fleischlos ernährend,
auf die Naturmedizin vertrauend,
der Ehe und anderen Zwangssystemen
entsagend. Felix Kucher erzähltmit
Verve und kritischer Empathie von
den Aufschwüngen und
Niederschlägen des Karl Wilhelm
Diefenbach.«Günther
Steinke,Schaefer Bücher
Felix
Kucher, geboren 1965 in
Klagenfurt, studierte Klassische
Philologie,Theologie und
Philosophie in Graz, Bologna und
Klagenfurt. Er lebt und arbeitet
in Klagenfurt und Wien. Im Picus
Verlag erschienen seineRomane
»Malcontenta«, »Kamnik« und »Sie
haben mich nicht gekriegt«
(2021).
felix.kucher.at
Rezensionsnotiz
zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.04.2022
Karl Wilhelm Diefenbach
war Maler, Lebensreformer, Vegetarier,
Pazifist und Impfgegner, erinnert
Rezensent Martin Lhotzky. Eine Weile
geriet er in Vergessenheit, der
Schriftsteller Felix Kucher hat ihm
jetzt einen Roman gewidmet, der für
Lhotzky auch eine mit Anekdoten
angereicherte Biografie ist.
Allerdings blickt Kucher nur auf die
Lebensjahre zwischen 1880 und 1892,
fährt der Kritiker fort, der hier von
allerhand Verführungen des
verheirateten Verfechters der "freien
Liebe" oder seinem eigenwilligen
Auftreten in München liest. Dass
Kucher meist in altmodischem Ton
erzählt - und seinen Helden offenbar
nicht immer ganz ernst nimmt - stört
den Rezensenten nicht allzu sehr.
Vergnüglich findet er den Roman
trotzdem.
Interessant,
mitreißend, aber etwas merkwürdig. Das
hatte ich mir schon bei der Leseprobe
gedacht und doch hat die Geschichte
mich in seinen Bann gezogen. Manchmal
las sich das Buch wie ein verlängerter
Wikipediaartikel - in jedem Fall
spricht das dafür, wie extrem gut das
Buch recherchiert zu sein scheint. Ich
habe viel gelernt und man stellt fest,
wie gewisse Trends - Vegetarismus,
eine Abneigung gegen das Impfen - in
bestimmten Gruppen immer wieder
auftaucht. Diefenbach war wohl eine
faszinierende Persönlichkeit,
keinesfalls aber eine sympathische,
was manchmal etwas anstrengend war.
Und trotzdem habe ich "Vegetarianer"
an einem Tag gelesen.
Mir war leider bis zu
diesem Buch der Autor Felix Kucher
unbekannt, aber das hat sich nun durch
diesen für mich ungewöhnlichen,
biografischen Roman über einen Mann,
namens Diefenbach, der seinen Weg bis
zum Ende geht, geändert. Von dem Buch
habe ich anhand des Titels, Cover und
Leseprobe etwas ganz anderes erwartet.
Nämlich einen Roman über Vegetarier
und ihr Leben. Erhalten habe ich aber
definitiv etwas Besseres.
Januar
2023,
Hermann Müller schrieb:
Ja,
das Buch liest sich leicht, ist
geschickt komponiert, der Verfasser
hat gründlich recherchiert und hält
sich dicht an die biografischen
Fakten. Er enthält sich eigener
Werturteile, gibt sich sachlich und
neutral. Bei genauerem Hinsehen aber
gibt er ein Bild von Diefenbach, das
einer Karikatur ziemlich nahekommt.
Nach seiner Darstellung ist der Maler
und Reformer ein unaufhörlicher
Schwätzer und hauptsächlich mit
Geldfragen und Sex beschäftigt. Der
Verfasser weiß ganz genau, dass sich
Frau Diefenbach im Bett wie ein
„reitender Inkubus“, wie ein
„ungestümer Nachtmahr“ benimmt und
dass der Meister sich tagtäglich mit
Maja vergnügt. Woher weiß er das? War
er dabei? Nein, das sind die Fantasien
des Autors. Solche Szenen und die
ewigen Geldprobleme stehen aber bei
ihm im Vordergrund. Völlig
unterbelichtet bleibt dagegen das
religiöse Ringen von Diefenbach, seine
scharfe Kritik an der katholischen
Kirche und ihren Dogmen. Geradezu
skandalös ist, dass er Diefenbachs
Durchbruchserlebnis auf dem
Hohenpeissenberg kläglich banalisiert,
sein visionäres Sonnenaufgangs-Gedicht
nicht einmal erwähnt!! Nach Kucher hat
er – gegen alle Wahrscheinlichkeit und
mir bekannte Befunde - in dieser
qualvollen Entscheidungsnacht
Listen seiner Vortragsthemen
zusammengestellt! Sein erschütterndes,
vergeistigtes, tiefernstes
Kruzifixusbild von Höllriegelskreuth
soll er mit Blick auf den Geldgewinn
gemalt haben. Das sind bösartige
Unterstellungen! Seine schweren Leiden
werden ebenso banalisiert. Da ist
immer nur von „Gliederweh“ die Rede.
Das wort „Syphilis“ kommt dem Autor
nicht über die Lippen, von Darmvorfall
und anderen Unaussprechlichkeiten ist
ohnehin nicht die Rede.
Kurz: Kuchers Bild von
Diefenbach ist eine recht konservative
Flachzeichnung, ohne Einfühlung und
Sympathie für den schweren Kampf, den
dieser mutige Pionier gegen
Macht und Vorurteil seiner Zeit
auszufechten hatte. Dass der Verfasser
im ganzen anschaulich, unterhaltsam
und einigermaßen zuverlässig über
seinen Lebensweg informiert, ist
anzuerkennen. Dennoch: Diefenbach hat
eine bessere Würdigung verdient, eine,
die ihn wirklich ernst nimmt.
La
otra piel (Die
andere Haut)
Roman
in spanisch von
Marcela Sanchez
Mota
"Deine Mutter ist
Sophie Lenz. Sie
lebte in Ascona".
Dies ist das
letzte Geständnis
von Mirellas
Vater, einem
Kunsthistoriker,
für den die
Wahrheit über ihre
Herkunft der
Beginn einer Suche
ist, die sie dazu
bringt, den
Aufstieg und Fall
der
anarchistischen
Kommune von Ascona
in der Schweiz zu
entdecken. Auf
ihrer
halluzinatorischen
Reise findet sie
die Spuren derer,
die sich
entschlossen
haben, am Rande
der Gesellschaft
zu leben, vor der
Entfremdung von
Körper und Geist
zu fliehen, die
sanften Barrieren
zu überwinden, die
uns von unseren
Albträumen und
unseren wildesten
Sehnsüchten nach
Freiheit trennen,
selbst wenn dies
zu Verlust, Gewalt
und Wahnsinn
führt. Ein
historischer und
zugleich intimer
Reise- und
Introspektionsroman,
in dem die
Geheimnisse einer
mexikanischen
Familie der
Schlüssel zur
Entschlüsselung
der Geschichte der
anarchistischen
Kommunen zu Beginn
des 20.
Jahrhunderts
sind."
Gammeln
verboten; Gusto Gräser
wird in der
Vegetabilistenkommune
auf dem Monte Verità
zur Eile angehalten -
und wirbelt im Wald, Fotos:
Edition Mode
Basler
Zeitung
Montag, 4.
November 2019
Die
Spinner vom Monte Verità
Comic
In «Der
Berg der nackten Wahrheiten»
vermischt der Basler Zeichner
Jan Bachmann reale Geschichten
mit absurden - und lässt diese
von einer Ziege kommentieren.
Hans Jürg Zinsli
Was für
ein Tempo: Erst vor Jahresfrist
veröffentlichte der Basler
Zeichner Jan Bachmann sein
Comicdebüt über Erich
Mühsam, jenen deutschen
Anarchisten und Querdenker,
der um 1910 in
der Westschweiz zur Kur
weilte. Und der sich in
seinem Tagehuch da-rüber
ausliess, wie ihm die
Berge die Sicht nähmen und
wie es um seinen Stuhlgang
bestellt sei. während er sich
zwischen
sexuellen Abenteuern als
Dichter zu profilieren
versuchte, Bachmann gewann der
Reise dieses Bohemien ein
Hochstmass an Skurrilität ab,
indem er dessen
Tagebuchtexte mit knalligen
Farben, kühnen Perspektiven
und feinironischen Dialogen
unterlegte.
Bachmanns zweiter Streich fusst
auf ähnlich kuriosen Tatsachen:
«Der Berg der
nackten Wahrheiten» spielt
1900, also zehn Jahre vor
dem Mühsam-Comic, und es
kommt hier ebenfalls
zu einem Kultur-Konflikt:
Oben auf dem Monte Verità
gründen Vega-ner
(beziehungsweise
vegetabi-listen, wie sie damals
hiessen) eine Kommune, in
der man sich gerne nackt
bewegt - was
auswärtige Spanner anzieht.
Unten in Ascona kommen sich
währenddessen junge deutsche
Anarchisten und
die ärmliche
Dorfbevölkerung in
die Quere. Und dann torkelt
auch noch ein baltischer
Schnapsbaron durch die
Gassen, der, um
nicht enterbt zu werden,
heiraten sollte: jedenfalls
schwärmt er von
der örtlichen Wäscherin,
möchte aber dem Alkohol
keinesfalls entsagen.
Nusswerfende
Anarchisten
Sonderlinge also,
wohin man blickt - das scheint
sich als Bachmanns Spezialität
zu entpuppen, und trotzdem
wundert man sich, wenn der
Autor als
Mittelsfigur ausgerechnet
eine sprechende Ziege
wählt, die von Ascona
aus den Hügel erklimmt,
«Ich wollte mir nur einmal
ansehen was ihr Spinner
hier oben so treibt»,
sagt das Tier und bleibt
bei Gustav «Gusto» Gräser,
einem Kommunenmitbegründer,
dessen Handlungen (wenig) und
Meinungen (viel) sie fortan
kommentiert. Mit gutem
Grund: Im Tal unten
würde die Ziege bloss
verwurstet werden.
Aber oben herrscht Aufruhr: zum
einen, weil der Kommunengründer
Henri Oedenkoven
eine verdächtige Käserinde
gefunden har und den Sünder
ausfindig zu machen sucht.
Zum anderen, weil lauernde
Anarchisten plötzlich
mit Walnüssen werfen, als
die Vegetabilisten-Vordenkerin
Ida Hoffmann einräumt, dass man
hier ja bloss vom Geld der
reichen Industrielleneltem lebe,
«um einem Haufen
Drückeberger ein
paar gemütliche Jahre zu
finanzieren». Gusto (der
später in einer Höhle zu
Losone hausen und dort
mit Hermann Hesse Laotse
lesen wird) entgegnet cool:
«Was bringt mir eine
tragfähige Wirtschaft, ln
der ich nicht gammeln
darf?»
Bei aller Komik und Absurdität:
Hier wird der Comic insofern
spannend, als er von einer
Zeit erzählt, in der es
durchaus denkbar schien, dass
sich neben dem Kapitalismus
und dem Kommunismus eine dritte
Weltanschauung herausbilden
könnte, die von solchen
Alternativbewegungen ausging,
Bachmann hält sich
da abermals eng an die
Quellen, mehrmals wird zum
Beispiel auf Harald
Szeemanns Ausstellungskatalog zu
dessen
berühmter Monte-Verità-Ausstellung
von 1978 verwiesen,
«Kein
Jesus im Predigen»
Und die Ziege? Die
arme Dorfbevölkerung fordert
natürlich Bezahlung für das
Tier, worauf Gust:o munter ln
die Dorfkirche reinstolziert, um
kundzutun, dass die Ziege ja
freiwillig zu ihm gekommen sei.
Er bietet dann allerdings einen
Handel an, der sogar
den Pfarrer verblüfft:
Statt Geld, das Gusto nicht
hat, offeriert er
einen selbst
choreografierten Sonnentanz auf
dem Marktplatz - woraufhin es in
der Kirche zu Prügeln kommt. und
die Ziege
merkt nachdenklich an:
«Also ein Jesus im Predigen
ist er nicht gerade!»
Spätestens hier wird deutlich,
wie sich Bachmann nicht
nur zeichnerisch, sondern
auch erzählerisch stark an Joann
Sfars Comic-Klassiker «Die
Katze des Rabbiners»
orientiert. Dort, bei Sfar,
debattiert die titelgebende
Katze gerne über
religiöseThemen im
Allgemeinen und übers Judentum
im Speziellen.
Bei Jan Bachmann bleibt die
erzählende Ziege wortkarger;
dafür formt und färbt
Bachmann die Körper von
Mensch und Tier auf so
abenteuerliche Art,
dass man sich in einer
expressionistischen Märchenwelt
wähnt. Zugleich sind wir Teil
einer Gesellschaft, die ebenso
ernst wie lachhaft
erscheint in ihren Bemühungen,
vom vorgespurten Lebensweg
abzuweichen. In dieser Hinsicht
ist «Der Berg der nackten
Wahrheiten» eine einzigartige
Erfahrung.
Bedauerlich bloss, dass einige
orthografische Fehler das
Lesevergnügen schmälern. Und
schade auch, dass die Erzählung
nach 80 Seiten bereits
abbricht und ein längerer
Epilog folgt, wie
der deutsche Bankier (und
spätere Nazi) Eduard von
der Heydt 1926 den Monte
Verità erwarb. Lieber hätte
man den Ansichten der Ziege
(«Ich würde mein
Verhältnis zu dieser
Gemeinschaft als
kritisch-solidarisch
bezeichnen») noch etwas
länger gelauscht.
Jan Bachmann; Der
Berg dar nackten Wahrheiten. Edition Moderne,
Zürich 2019. 112 Seiten,
ca. 30 Franken.
Berkel, Christian, Der Apfelbaum.
Roman. Berlin 2018
Die
Familie des Schauspielers Christian
Berkel bietet tollen Stoff, das ist für
Felix Stephan keine Frage: Der Großvater
war anarchischer Nudist auf dem Monte
Verità und Liebhaber von Erich
Mühsam, die Großmutter kämpfte mit den
Internationalen Brigaden in Spanien, die
Tante arbeitete für Hermes in Paris und
die Eltern verloren sich in der
Nazizeit, um sich erst in den Fünfziger
Jahren wieder in Berlin zu
begegnen.
(Perlentaucher)
Zitat
S. 92:
In
die längst zur Neige gehende Romantik
hineingeboren, in die aufstrebende
Industriewelt, in die sie sich nicht
fügen konnten und wollten, waren sie aus
allen Himmelsrichtungen hierher
gekommen, mit ihrer Sehnsucht, ihrer
Hoffnung, ihrem Willen, etwas Neues zu
wagen. Eine Lebensreform sollte es
werden. Ein Paradies. Eine Gegenwelt für
all jene, die nicht geschaffen waren,
das auszuhalten, was war, was noch
kommen sollte, was keiner vorhersah. Ein
Utopieraum für Künstler und Parias, eine
neue Kultur, die dem Patriarchat den
nackten Hintern ins Gesicht streckte,
die alle Autoritäten, die bürgerlichen
Institutionen, den rapide wachsenden
Kapitalismus verachtete.
Das Buch von
Marie-Laure de Cazotte behandelt das Leben
des Psychoanalytikers Otto Gross
(1877-1920). Als Nebenfigur, wie es zunächst
scheint, tritt auch Gusto Gräser auf. Als
meditierender Druide, der Laotse rezitiert
und vor allem als Tänzer bildet er im
Hintergrund ein Leitthema des Romans und
zugleich ein Leitbild für Otto Gross. Der
Psychiater wird zum Tänzer gemacht. Der
biographischen Wirklichkeit entspricht das
nicht. Der Kopfmensch Gross war eher
leibfeindlich, schämte sich seines Körpers,
vernachlässigte ihn, er tanzte nicht.
Cazotte gibt in ihrer Erzählung ein
ergreifendes Bild der Leiden des
Psychoanalytikers. Zugleich idealisiert sie
ihn. Der radikale Revolutionär wird mit
Gusto Gräser amalgamiert, gewinnt Mäßigung
und Milde. Es entsteht ein
monteveritanischer Zwitter: Otto-Gusto, der
tanzende Theoretiker der sexuellen
Revolution.
Von Eleusius
nach Denderah, die unterdrückte
Evolution Auszüge aus dem Roman im Internet
(2003) von Pierre (?) Arnim (?)
Der Roman handelt vom Weg zur Erleuchtung
und geistigen Entwicklung der Menschheit.
Eine Station auf diesem Weg ist der
Monte Verità. Die - vermutlich
biografisch fundierte - Lebensgeschichte
eines Arnim genannten Deutschen, der mit
den Wandervogel-Idealen
aufwächst, sich für Gusto Gräser, Rudolf
von Laban und den Monte Verità begeistert.
Gusto Gräsers Goldmedaille an der
Weltausstellung in Budapest 1896 und als
Maler Möckel.
Lang, Thomas, Immer nach
Hause. Roman. Berlin Verlag, Berlin
2016.
Zitat: "Der gute Hirte geht vorbei.Er weidet
mich auf einer grünen Aue und führet mich
zum frischen Wasser. … Der närrische Jesus
ruft den Kindern in sehr deutsch klingendem
Italienisch etwas zu, worauf diese noch
lauter johlen. Plötzlich wirkt das Ganze wie
ein eingeübtes Spiel. Jesus wandelt
ungerührt die Promenade hinab …" (85)
"… der Gedanke, nicht länger Staat und
Geld untertan zu sein, sondern innere
Freiheit zu gewinnen durch den Verzicht auf
weltliche Güter. Gelegentlich bei den Leuten
zu arbeiten, um etwas zu essen zu haben.
Spott und Feindschaft friedfertig zu
begegnen, sind weitere Parallelen. Aber
Franziskus folgte einem göttlichen Gesetz,
Gräser folgte eher seinen eigenen Regeln."
(159)
Szittya, Emil (1925), Klaps oder Wie
sich Ahasver als Saint Germain entpuppt.
Roman. Gustav Kiepenheuer Verlag, Potsdam.
Prange, Oliver, Das Sonnenfest,
Roman, Edition D, Zürich 2016.
Zitat: "Er hatte alles vorausgesagt,
vorausgemalt, vorausgesungen mit seiner
prophetischen Kraft … Gusto hatte mich
aufgerichtet, mein Bewusstsein geschärft,
war mir aber nie ein Meister geworden, kein
Führer, aber – ein Freund.
Er hatte nach Wahrheit gesucht und Wahrheit
nicht nur gefunden, sondern auch
geschaffen." (310)
>>>>> Weitere
Auszüge und Kommentar, hier!
Szittya,
Emil, Die
Internationale der Außenseiter.
Roman. Ts. im DLA Marbach.
Drei
Frauen
um Gusto
Drei
Frauen haben sich in Gusto verliebt:
Marie-Laure
de Cazotte, die Französin; Marcela
Sánchez, die Mexikanerin; Véronique
Rizzo, die Französin sizilianischer
Herkunft.
Film:
Gusto Gräser:
Der Eremit vom Monte Verità (1879-1958) / L'eremita del
Monte Verità (1879-1958)
Kann
bei
bestellt werden. E-Mail-Adresse bitte
abtippen.
Si
può ordinare
da .
Scriva l'indirizzo.
Film documentario sulla figura di
Gusto Gräser "L'eremita del Monte Verità"
girato nel 2006 dal regista svizzero Christoph
Kühn. Il documentario ripercorre la vita di
questo eremita, visionario, pacifista e
fondatore della comunità di Monte Verità. Per
l'occasione la Televisione Svizzera TSI ha
prodotto il doppiaggio in lingua italiana.
Nach
einer
göttlichen Eingebung verbrannte der noch junge,
bereits erfolgreiche Maler Gustav Arthur Gräser
aus Siebenbürgen seine Werke und wurde zu dem
glühenden Naturverehrer Gusto Gräser. Fernab der
Städte mit ihren zivilisatorischen Auswüchsen
gründete er mit anderen Aussteigern um die
Jahrhundertwende in der Südschweiz die Landkommune
Monte Verità oberhalb Asconas, deren legendärer
Ruf weit über die Landesgrenze drang und
Neugierige aus allen Ländern anlockte.
Damit
beginnt die bewegte Geschichte des Wanderdichters
und „barfüssigen Propheten“ Gusto Gräser (1879),
in dessen Leben sich alle wichtigen sozialen,
kulturellen und politischen Strömungen des 20.
Jahrhunderts treffen: Gräser war Vegetarier und
Kriegsgegner, Vordenker einer neuen Menschheit
ohne Herr und Knecht und Zerstörung der Natur,
Ikone mehrerer Jugendbewegungen und Leitfigur
neugegründeter Parteien, die von heute aus gesehen
als Vorläufer der Grünen gelten.
Einer
von Gräsers Verehrern war Hermann Hesse, der
seinen Freund und Meister in dem Bestseller DEMIAN
als Verheisser eines kommenden irdischen
Paradieses porträtierte und ihn damit für die
Nachwelt unsterblich machte.
1958
starb
Gräser vereinsamt in seiner Dachkammer in
München, ohne eine einzige Zeile seines grossen
Werkes gedruckt zu sehen.
Im
Film von Christoph Kühn zeichnen Freunde und
Familienmitglieder den Weg dieses unbeugsamen
Aussenseiters nach, der zu Unrecht in
Vergessenheit geraten ist. Gräsers Spruchbilder,
reiches Fotomaterial und Ausschnitte aus seinem
poetischen Werk runden dieses berührende Portrait
eines „Lao-tse des Westens“ ab.
Film: Wo sind wir mit dem Sozialstaat gelandet ? Leben am Rand der
Gesellschaft
Ein Film von Laura und Ingo
Wilkenshoff. Aufruf zum kulturellen
Neuanfang.
Der Film zeigt die
gesellschaftliche Entwicklung in den letzten
150 Jahren an Hand der Entstehung der
Wohnungslosenhilfe und der Gründung des
Sozialstaates. Er gibt Einblicke in die
Vagabundenkultur der letzten 150 Jahre, von
Peter Hille bis zu Charlie Chaplin, den
Anarchisten und der Entstehung der
Arbeiterbewegug. Er zeigt
die Gandhi-Bewegung im Deutschland der 20er
Jahre und den Vagabundenkongress mit Gusto
Gräser, dem Guru Herman Hesses. Es ist auch
eine Diskussion über soziale Ausgrenzung,
Vermögensumverteilung und den Bruch durch die
Gesellschaft, Finanzkrise, Harz4, vererbte
Chancenlosigkeit und Bildungsdefizite. Die
sozialen Organisationen beklagen den Rückzug
des Staates aus dem Sozialen und die Abkehr
vom Grundgesetz.
Die Premiere fand am
17.12.2010 im Big Buttinsky, Osnabrück
statt.
DVD hier erhältlich: 10 Euro + Porto.
Einfach eine Email mit Lieferadresse an freie_kuenstler@hotmail.com
schicken. Per Nachnahme bezahlen.
Jawohl, jawohl, wir
Stromer, wir strömen, dass es
braust, durch Winter und durch
Sommer, nur frischer, freiher,
frommer, weil Euer Sumpf uns graust, weil sonst, Ihr
Kummerhöcker, Euch nichts zur Sonne
lockt und Ihr wie Haubenstöcker,
wie krumme Sündenböcker noch ganz in Staat
verstockt! Wohlauf, Ihr Praven, Guten,
mit uns zur Flamme fluten, so wohnen wir mit Euch, so
blüht Urheimatreich!
Wohin des Wegs? – Wohin? O mein – hinein, Geselle, nur
hinein! In meinem Auge hab ich
nichts als in dem Glanz des jungen
Lichts treu meines Wegs zu
schreiten – mit all dem Grünen, all dem
Blühn, so zieh ich Tritt um Tritt
dahin und frag nach keinen
Weiten. Komm mit auch Du statt
immerzu nach Zielen auszuschauen. Wohin hinaus? Im Erdenhaus
blühn wonnigliche Auen. Die Ziele hab ich all
durchschaut – erst hinter ihnen blüht und
blaut das Leben aller Weiten. Komm, Du! Das Glücke hat
nicht Stand, wohlauf, und lass uns
unverwandt und treuer, guter Dingen mit ihm ins Leben springen!
Hei, so ein Stromer,
alleweltdurchreisend, durchwanderwohnend, wie die
Sterne kreisend, voll seelgen Schwungs, mit
Welle, Wolk und Thau fallwallend durch und durch
ins ewge Blau – mit dem Urstromer unser,
der die Welt in ihrer Schwerwucht
Wunderschwebe hält, wildstill durchblitzend sie
von Pol zu Pol, durchströmend
sie
mit urgewaltgem Wohl, Allvatermutter - hah – Allsternenwohl ! *
Wandern, wohin? Wohinaus, wohinein? Wandeln
Allhier! Das,
Gesell, wird das Heitre sein! *
Weitere
Filme:
Der größte
Vogel kann nicht fliegen, Ascona
Film von Wilfried
Schöller und Peter de Leuw.
(Hessischer
Rundfunk, Wiesbaden?)
Gesendet am
Mittwoch, 16.August 1978 in der ARD,
23.15 bis
0.15
Monte Verità
Film von Harald
Szeemann und Ludy Kessler.
45', TV
Svizzera italiana, Lugano 1978
Jugend und
Natur
Südwestfunk
Baden-Baden. Sprecherin Karin Howard,
Sendung des
ARD am Sonntag, den 13.August 1978,
11.15 bis 12
Uhr
Zwischen
Bakunin und Birchermüsli
RIAS Berlin,
Blende 1, 1978
Laban's Dance Festival
Von Renzo
Bottinelli. 1988 in RTSI (RadiotelevisioneSvizzera)
Monte Verità
Von Henry
Colomer. Fernsehfilm des Senders Arte.
Sendung am
10. 12. 1997, 20.45-21.50
„Monte Verità“ heißt ein
Dokumentarfilm von Henry Colomer über eine
Aussteigerkolonie der radikalökologischen Art:
Auch zu Beginn dieses Jahrhunderts schon
wollten die Freunde der Natur dem Lärm und dem
Dreck der Großstadt entfliehen, den Wäldern
und Wiesen Tag und Nacht verbunden sein, den
Körper der Sonne darbieten, ohne die
Öffentlichkeit zu erregen, barfuß über die
Moose gehen und zwischen den Bäumen tanzen. Um
ein mehr oder weniger phantastisches Paradies
auf Erden aufbauen zu können, ließ sich eine
Gruppe der in Deutschland entstandenen
Bewegung, die sich den neuen Lebensformen
verschrieben hatte, auf einem Hügel oberhalb
von Ascona in der italienischsprachigen
Schweiz nieder. In nur wenigen Jahren wurde
der „Berg der Wahrheit“ im Tessin zu einem
Zentrum für europäische Schriftsteller, Tänzer
und Musiker. Redéfinir les
conditions du bonheur sur terre, fuir les
grandes villes, la misère, la pollution et
tout reprendre à partir de zéro, tel est le
programme d'une poignée de colons qui
s'installent au début du siècle sur une
petite colline de la Suisse italienne, Monte
Verità, où ils fondent une colonie utopique.
Anarchistes, nudistes, végétariens, ils sont
l`'avantgarde d'un réseau qui s'est
développé en Allemagne sous le nom de
"mouvement de réforme de la vie". En
quelques ans Monte Verità devient un modèle
de vie alternative, qui attire les plus
grands noms de l'intelligentsia européenne:
peintres, hommes politiques, écrivains,
danseurs et musiciens passent un jour ou
l'autre à Monte Verità. Parmi eux: Erich
Mühsam, anarchiste en première ligne au
moment de la révolte spartakiste de 1918,
Rudolph von Laban, choréographe et
rénovateur de la danse moderne, Otto Gross,
psychanalyste et pionier de la libération
sexuelle et enfin Gusto Gräser,
"poète aux pieds nus",écrivain inspirateur et modèle de
tous les vagabonds de Hermann Hesse. Violentes,
contrastées, les destinées de ces quatre
révoltés font apparaître Monte Verità comme
un laboratoire où se sont articulés les
thèmes de la révolte et du retour aux
sources. Ils ont en commun d'avoir séjourné
à Monte Verità en même temps que les
fondateurs et surtout d'avoir assumé une
dimension prophétique représentative de la
colonie.
Monte Verità
Kulturfilme von
Werner Weick
RSI, Schweiz,
gezeigt im Centro Culturale Monte Verità,
Dezember 2000
Monte
Verità
Spielfilm
Regie: Stefan Jäger
Drehbuch: Kornelija Naraks
Besetzung: Maresi Riegner, Max Hubacher, Julia
Jentsch
2021, 1 Stunde 56 Minuten
Anfang des 20.
Jahrhunderts machten sich einige Aussteiger
auf die Suche nach dem Paradies und fanden es
schließlich auf dem Schweizer Berg Monte
Verità. Dort gründete Ida Hofman (Julia
Jentsch) ein Sanatorium. Die zweifache Mutter
Hanna Leitner (Maresi Riegner) macht sich
bereits kurz nach der Eröffnung des
Sanatoriums auf den Weg von Wien in die
Schweiz, um endlich aus ihrer bürgerlichen
Rolle auszubrechen und Abstand von ihrem
Ehemann zu gewinnen, der sie sexuell
belästigt. Doch was ihre Angstzustände
ausgelöst hat, erfährt sie erst bei ihrer
Therapie mit dem Psychoanalytiker Otto Gross
(Max Hubacher). Was sie nicht weiß: Ihr Arzt
hat ein großes Drogenproblem und ist auf dem
Berg, um von den Substanzen wegzukommen.
Hermann Hesse (Joel Basman), die Tänzerin
Isadora Duncan, die Berliner
Bürgermeistertochter Lotte Hattemer (Hannah
Herzsprung), die sich ebenfalls im Sanatorium
aufhalten, und Ida fordern von Hanna immer
wieder, sich endlich ihrer eigenen Stimme
bewusst zu werden. Hanna ist in der
Zwickmühle: Eigentlich ist sie in die Schweiz
gegangen, um wieder geheilt zu ihrer Familie
zurückzukehren, doch seit sie hier ist,
verstärkt sich ihr Wunsch, sich als Künstlerin
zu verwirklichen ...
Hanna wünscht
sich nichts sehnlicher, als aus ihrer
bürgerlichen Rolle auszubrechen. Sie
hinterlässt ihre Familie und flieht ins
Sanatorium Monte Verità. Sie wird vor eine
Entscheidung gestellt: Kann sie zu ihrer
Familie zurückkehren, ohne sich selbst
aufzugeben?
Der Monte
Veritá war ein mythischer Ort, an dem vor 120
Jahren begann, was heute noch die
Alternativszene prägt. Ein neuer Film erzählt
die Geschichte einer Frau, die sich dort
mithilfe eines drogensüchtigen Arzts aus der
Enge ihrer bürgerlichen Ehe befreien will
Es war
paradoxerweise der technische Fortschritt, der
den Aufstand der „Naturmenschen“ gegen den
technischen Fortschritt ermöglichte. Durch den
Bau des Gotthardtunnels 1880 war Ascona im
Tessin näher an die Zentren der
deutschsprachigen Länder herangerückt. Erst
dieser Anschluss ans europäische Eisenbahnnetz
machte den Ort in der italienischen Schweiz
zum Sehnsuchtsziel von Aussteigern aller Art.
Die Pioniere
waren noch zu Fuß aus München gekommen, wo sie
in der Schwabinger Intellektuellenszene die
Idee eines vegetarischen Gemeinschaftsprojekts
entwickelt hatten und dann, nach einer langen
Wanderung, in der italienischsprachigen
Schweiz auf einem Hang oberhalb des Lago
Maggiore den idealen Ort dafür entdeckten und
ihn Monte Verità – Berg der Wahrheit –
nannten. Dagegen kommt Hannah Leitner (Maresi
Riegner) schon per Zug aus Wien. Sie sucht auf
dem Berg Erlösung von ihren bürgerlichen
Neurosen und wird in Ascona gleich von einem
einheimischen Knaben in Empfang genommen, der
sich offenbar darauf spezialisiert hat, solche
touristischen Sinnsucher zu führen und dafür
ein kleines Geld zu kassieren.
Selbstverwirklichung
Hannah
ist eine der wenigen fiktiven Gestalten in dem
Film „Monte
Verità. Der Rausch der Freiheit“, den der
Regisseur Stefan Jäger nach einem Drehbuch von
Kornelija Naraks gedreht hat. Die anderen sind
reale prominente Figuren der vor dem 1.
Weltkrieg vor allem in Deutschland, aber auch
der Schweiz und Österreich blühenden
Alternativszene: Der Psychiater Otto Gross
(Max Hubacher), der die Lehren Freuds als
Anleitung zum Drogenmissbrauch und freiem Sex
missversteht. Die Pianistin und
Frauenrechtlerin Ida Hoffmann (Julia Jentsch),
die zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dem
belgischen Industriellensohn Henri Oedenkoven
(Michael Finger), das Grundstück für die
Utopie entdeckt, gekauft und ausgebaut hat.
Die Aktivistin – wie man sie heute nennen
würde – Lotte Hattemer (Hannah Herzsprung),
eine Mitbegründerin des Monte Veritá, die aber
nicht recht in den im Grunde kommerziellen
Sanatoriumsbetrieb, den Hoffmann und
Oedenkoven eingerichtet haben, passt. Und der
gerade berühmt werdende Schriftsteller Hermann
Hesse (Joel Basman). Auch die legendäre
Ausdruckstänzerin Isadora Duncan schaut mal
vorbei.
Sie alle sind
Teil dessen, was Historiker heute unter dem
Begriff Lebensreform zusammenfassen. Das war
eine große kulturelle und quasireligiöse
Aufbruchsbewegung, die in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts begann und an Bedeutung
mit Reformation und Romantik zu vergleichen
ist. Der
Monte Veritá und andere Projekte, die sich
rundherum in Ascona ansiedelten, sind
Symbolorte für die Lebensreform – ein
bisschen so wie Woodstock und San
Francisco für die Hippies der 1960er Jahre.
Die
Lebensreform und wir
Die
Lebensreform ist heute weitgehend
unbekannt, obwohl sie massiv bis in die
Gegenwart nachwirkt. Der ganze esoterische
und alternative Teil des aktuellen
Geisteslebens – von Müsli bis Impfskepsis,
von fleischfreier Ernährung bis zu
befreiter Sexualität, von Freikörperkultur
bis hin zu allen möglichen neoreligiösen
Weisheitslehren – hat hier seine Wurzeln.
Dies ist der
geistesgeschichtliche Hintergrund für Hannah
Leitners Flucht aus den Bedrängnissen ihrer
Ehe, in der ihr Ehemann, ein erfolgreicher
konventioneller Porträtfotograf, sie an der
beruflichen Entfaltung hindert und sie sexuell
ausbeutet – er will nach zwei Töchtern
unbedingt einen Sohn, sie will gar nicht mehr
mit ihm. Auf dem Monte Verità findet sie zu
sich selbst und wird zur fotografischen
Dokumentaristin der „Balabiott“, der
Nackttänzer, wie die skeptischen Einheimischen
die Aussteiger nennen.
Das alles ist
ungemein schön anzuschauen. Die Kamerafrau
Daniela Knapp lässt den Berg und seine Natur
lockend leuchten, die Schauspieler glänzen und
die Moral von der Geschichte ist einwandfrei. Dennoch
verzwergt hier eine Sternstunde der frühen
Moderne zum Dekor einer recht banalen aus
gegenwärtig feministischer Perspektive
erzählten Selbstverwirklichungsgeschichte.
Inflationsheilige
Die
ganze hochinteressante Widersprüchlichkeit
der Proto-Hippies von Ascona wird
weitgehend ausgeblendet: Diejenigen, die
aus dem Monte Veritá eine utopische
Kommune machen wollten – wie der
faszinierende bärtige Wanderguru Gusto
Gräser – waren zu der Zeit, in der Film
spielt, längst vertrieben. Ida und
Henri führten ein wirtschaftlich betriebenes
Sanatorium, auf dem eine betuchte Kundschaft,
mal eine Zeit lang den Zwängen ihrer Existenz
entkommen konnte, um anschließend umso besser
zu funktionieren. Hermann Hesse kam, weil
seine Familiengründung zu einer Schreibhemmung
geführt hatte. Max Weber (nicht im Film)
wollte mit vegetarischer Kost einfach
abnehmen.
Nur
angedeutet wird auch, welche Kosten die freie
nicht-eheliche Sexualität vor allem Frauen
auferlegte. Lotte Hattemers Tod
–wahrscheinlich durch Einnahme eines Gemischs
aus Kokain, Opium und Alkohol herbeigeführt –
war nicht der einzige Selbstmord einer, die es
nicht mehr recht aushielt. Und Gross wurde
schließlich von seinem Vater in eine
Irrenanstalt gesteckt.
Den meisten Kinogängern dürfte das
vermutlich egal sein. „Monte Veritá. Der
Rausch der Freiheit“ erhebt ja nicht den
Anspruch einer Dokumentation. Und als
psychologisches Kammerspiel, als eine Art
Ibsen light mit Happy End, funktioniert der
Film ja. Wer mehr wissen will, sollte das
Monte-Veritá-Kapitel in Andreas Schwabs gerade
erschienenem Buch „Zeit
der Aussteiger“ lesen. Er
mag sich dann fragen, ob die Geschichte im
Kino nicht noch interessanter geworden wäre,
wenn sie ein paar mehr Härten und Lügen aus
der Wirklichkeit übernommen hätte.
Eine weitere kritische
Beschreibung, Analyse und Kommentar von
Petra Brixel:hier klicken!
Il Monte di
Hetty
Dokumentarfilm
von
Theo Buvoli und Alfio De Paoli
über den Monte Verità und Gusto Gräser
Radiotelevisione svizzera RSI, Schweiz, 2. Nov.
2009, 21:00, 43'
Regie:
Teo Buvoli und Alfio di Paoli: von der
Lebensreform zu den beiden Weltkriegen, von den
Sechzigerjahren bis zum neuen Jahrtausend, war
und ist Hetty Rogantini Hüterin einiger
sensationeller Kapitel der Ereignisse im
Zusammenhang mit dem Hügel von Ascona. Im
Elternhaus hat Hetty diese berauschende und
überwältigende Atmosphäre voller Utopien und
gelebter Ideologien der Rückkehr zur Natur
eingeatmet.
Im Jahr
1900 kauften fünf junge Leute einen Hügel in der
Südschweiz, den sie den Monte Verità (Berg der
Wahrheit) nannten. Hier gründeten sie ihre
eigene Gesellschaft und forderten die aktuellen
Werte ihrer Zeit heraus. Sie nahmen Abstand von
der Verbrauchergemeinschaft, waren Vegetarier,
erstellte eigene Standards für Kleidung,
Frisuren und Zusammenleben und versammelten die
wichtigsten Künstler und Humanisten der Zeit.
Ein Dokumentarfilm über die alternative
Bewegung im frühen 20. Jahrhundert sie für
uns heute bedeutet.
Mit Hilfe
von alten Fotografien entstehen stilisierte
Inszenierungen, Animationen, Stimmen und Klänge.
Regisseur Carl Javér schuf eine kreative Geste
einer spirituellen Revolution, die auffallend
ist und viel mit unserer eigenen Zeit gemeinsam
hat. Viele der Hauptkünstler des frühen 20.
Jahrhunderts, Schriftsteller und Philosophen
verbrachten Zeit auf dem Monte Verità - darunter
Otto Gross, Martin Buber, Rudolf von Laban, Mary
Wigman, Hermann Hesse, Carl Jung, Erich Maria
Remarque und Paul Klee.
Mary Wigman.
Die Seele des Tanzes Von Christof
Debler und Norbert Buse
Arte,
Sonntag, 24.07.11, 11:10 - 12:00
Früher am
23., 26. und 29. Juni 2008
In der Tanzkunst ist ihr Stil bis
heute lebendig: Mary Wigman - Tänzerin und
Choreographin. Das Porträt zeigt ihre
berühmtesten Tänzen sucht Stationen ihres
Lebens von Hellerau bis zum Monte Verità auf
und lässt Choreographen zu Wort kommen.
Es war Anfang der 30er Jahre, als der
Stern der Mary Wigman auch in Amerika aufging.
Ihre ersten Auftritte in der neuen Welt waren
durch eine glänzende PR vorbereitet und die
Säle ausverkauft. Denn auch in Amerika wollte
man wissen, was es auf sich hatte mit der
neuen Bühnensensation aus Deutschland. In
jedem Fall war sie für das Publikum
gewöhnungsbedürftig, denn Mary Wigman tanzte
alleine, mit nackten Füßen und nur von ein
paar Trommelrhythmen begleitet. Ihr Gastspiel
war dennoch ein sensationeller Erfolg. Die
amerikanische Presse nennt sie die
"Hohepriesterin" des "German Dance". Mit 44
Jahren hat es "die Wigman" endlich geschafft:
Sie ist die erste deutsche Choreographin und
Tänzerin mit Weltgeltung.
Das verdankte sie neben ihrer
ungewohnten Art zu tanzen auch ihrem
unwiderstehlichen Charisma und ihrer
bezwingenden Bühnenpräsenz. "Ich lebte wie in
einem Taumel. Es schien, als ob alle
Journalisten des Landes auf mich einstürmen
würden. Es gab Tage, an denen ich aufwachte
und fürchtete, einen Fotografen unter meinem
Bett zu finden", schrieb sie in ihr Tagebuch.
Und dabei war es noch gar nicht lange her,
dass sie in Deutschland noch in leeren
Theatern vor nur zwei Familienangehörigen
auftreten musste.
Der Einfluss der Mary Wigman auf die
Entwicklung des modernen Tanzes sollte
gewaltig werden. Überall beruft man sich auf
sie, wenn man die Wege des etablierten
klassischen Tanzes verlassen will. Hanya Holm
bringt den Ausdruckstanz endgültig nach
Amerika, indem sie die erste Wigman-Schule in
New York eröffnet. In Asien wird ihr Schüler
Takaya Eguchi zum Lehrer von Kazuo Ohno. Und
in Deutschland entsteht das "Tanztheater", das
ohne den Einfluss der Wigman nicht vorstellbar
ist. Dabei war ihre Erfolgszeit nur kurz. Die
Nazis ließen sie bei der Eröffnung der
olympischen Spiele die Massen choreografieren,
später galt aber auch sie als Vertreterin der
"entarteten Kunst". Dies bedeutete das Ende
ihrer Karriere. Nach dem Krieg wirkte ihre
expressive Tanzform schon nicht mehr
zeitgemäß.
Aber wie konnte Mary Wigman werden,
was sie wurde? Der Film zeigt den Weg der
Tochter eines Fahrradhändlers aus Hannover,
die sich auf die Suche nach einer eigenen
körperlichen Ausdrucksform macht und dabei den
Tanz revolutioniert. Er zeigt die prägenden
Stationen ihres Lebens, von Hellerau bis zum
Monte Verità. Die Dokumentation bietet
Ausschnitte aus ihren berühmtesten Tänzen,
unter anderem dem "Hexentanz" und dem Zyklus
"Schwingende Landschaft" sowie aus einer
zeitgenössischen Hommage von Susanne Linke an
Mary Wigman mit dem Titel "Wandlung". Auch
wenn Wigman-Tänze heute nicht mehr zum
Repertoire der Tanzkompagnien gehören, so
sieht man doch, wie sich die
unterschiedlichsten Choreografen, von Murray
Lewis über Susanne Linke bis zu Sasha Waltz,
auf sie berufen.
Europa ist bekanntlich nichts für
schwache Nerven. Geht die eine Krise, kommt
die nächste. Scheint man endlich auf dem Weg,
nationale Egoismen überwinden zu können,
ergreift irgendwo auf dem Kontinent ein
besonders chauvinistischer Quälgeist das Wort.
Und ewig droht der Kollaps. Das ist heute so,
das war vor über 100 Jahren so.
Damals, in den Nullerjahren des letzten
Jahrhunderts, traf sich eine Gruppe
europa-begeisterter und zugleich europamüder
Intellektueller in Riva am Gardasee, um sich
im Reform-Sanatorium des berühmten Dr.
Hartungen kurieren zu lassen. Kafka und Freud
waren hier ebenso Stammgäste wie Rudolf
Steiner und Karl May. Der Kontinent drohte
auseinanderzubrechen, bei Dr. Hartungen wurde
die erhöhte Reizbarkeit der sensiblen Europäer
und darbenden Geistesgrößen behandelt.
Neurasthenie, Nervenschwäche, Überforderung
mit den schnellen Veränderungen der Zeit, so
lautetet der Befund des Homöopathen. Er
verordnete Wasserbäder und Trennkost, bei
Tisch wurde Esperanto gesprochen.
Alternativmedizin gegen die große europäische
Depression, Kunstsprache gegen die europäische
Kakophonie.
Der
europäische Patient
Unter den Gästen im Sanatorium befand sich
auch Thomas Mann, der neben seinem Unbehagen
mit der Zeit auch sein Unbehagen mit den
schlechten Kritiken zu seinem ersten Roman
"Die Buddenbrooks" auszukurieren gedachte. Er
hatte damit sogar Erfolg; in Riva fasste er
die Idee zu seinem "Zauberberg", jenes dann
erst 1924 erschienenen Opus Magnum über den
europäischen Patienten, der fernab allen
ideologischen Getöses feinnervig das eigene
Selbst auslotet.
"Sanatorium Europa" heißt treffend eine
Dokumentation auf Arte, die die gegenwärtige
Krise des Kontinents zum Anlass nimmt, um
aufzuzeigen, wie Künstler und Intellektuelle
vor über 100 Jahren auf die Krise am Vorabend
des Ersten Weltkrieges reagierten.
Desorientierung, Überreizung und der Verlust
von Verbindlichkeiten, der Mensch im
Allgemeinen und der Geistesmensch im
Besonderen kamen einfach nicht mehr zurecht
mit den Beschleunigungs- und Verfallsprozessen
der Zeit.
Im Film sagt die Politologin Ulrike Guérot:
"Man kann es rückkoppeln zu heute, wo wir mit
dem Burn-out-Begriff eine ähnliche
Zeitkrankheit versuchen zu erfassen von
Leuten, die offensichtlich in ihrer
Arbeitssituation in Überforderung geraten und
sich in der heutigen Zeit nicht mehr verorten
können."
Doch die Doku von Julia Benkert beschreibt
nicht nur einen verzagten Rückzug aus einer
Welt, die sich selbst aus den Fugen hebt, sie
beschreibt auch soziale Gegenentwürfe. Etwa
die der beherzten Lebensreformer auf dem Monte
Verità. Der Erste Weltkrieg war schon
ausgebrochen, da suchten die Anthroposophen
und Anarchisten, die Nudisten und Okkultisten
auf dem Hügel im Schweizer Kanton Tessin nach
neuen, heute würde man sagen: nachhaltigen
Gesellschaftsmodellen.
Nackt jäten,
Fallobst sammeln
Unter ihnen war auch der Schriftsteller
Hermann Hesse, der anfänglich noch Spaß am
nackt jäten und Fallobst einsammeln hatte, dem
bald aber die alternativen Lebensentwürfe nur
noch wie ein dümmlicher romantischer Atavismus
vorkamen. Oder wie er selbst es formulierte:
"Vegetarier, Vegetarianer, Vegetabalisten,
Rohkostler, Frugivoren und Gemischtkostler -
der Versuch des Menschen, sich zum Affen
zurückzubilden."
Gleichwohl fühlte sich Hesse stark von dem
Guru Gusto Gräser angezogen, der nackt in
einer Höhle lebte. Radikale
Selbsthinterfragung, Naturmystik und biblische
Heils-lehren gingen bei der
Aussteiger-Avantgarde à la Gräser Hand in
Hand. Bei Hesse heißt es später, inspiriert
von Gräser und dessen Grotten-Individualismus:
"Es gab keine, keine, keine Pflicht für
erwachte Menschen als die eine: sich selber zu
suchen."
Ein Satz mit ambivalenter Botschaft: Einklang
mit sich und der Welt, Ego auf Crashkurs, den
Satz kann man als Aufforderung zu dem einen
wie dem anderen lesen. Er würde auch ganz gut
ins Therapieprogramm stressgeplagter
Selbstoptimierer und Supermanager von heute
passen. Aber natürlich, so legt die Doku nahe,
ist das Ich-Ich-Ich bei Hesse eines, das einer
größeren Idee untergeordnet ist, das sich
unter dem europäischen Sternenkranz zu
entfalten hat.
Filmautorin Benkert verweist auf die
Offenbarung Johannes, die auch auf Hesse
großen Eindruck gemacht hat. Es geht darin um
die Erscheinung einer Gebärenden, über ihrem
Haupt strahlt ein Kranz von zwölf fünfzackigen
Sternen. Hier wird ein biblischer Urmythos zum
Symbol eines neuen, eines mütterlichen
Europas.
Hat aber nichts mit der mächtigsten
Politikerin des Kontinents zu tun, die gerne
"Mutti" genannt wird, sondern mit einer Idee,
die größer ist als jede einzelne Person. Und
die allen Burn-outs zum Trotz die letzten 100
Jahre überstanden hat.
Gusto Gräser – Diogenes aus Schwabing
Dokumentation
(43 min, in Bearbeitung)
Regie, Buch,
Schnitt: Frank Fiedler
(*1945), Absolvent der Deutschen Film- und
Fernsehakademie Berlin.
Der Schwede Viking Eggeling
entwickelte 1917 in Ascona, zusammen mit
dem französischen Lyriker Yvan Goll, später mit dem
Dadaisten Hans Richter, die ersten
abstrakten Filme... SYMPHONIE DIAGONALE
PAR VIKING EGGELING
Capri-Revolution
von Mario Martone Eine Verbindung zum Monte Verità
Nach den Filmfestspielen
von Venedig 2018 kam der Film Capri-Revolution in
die Kinos. Hier versuchen wir, den Kontext
zu rekonstruieren, in dem der Regisseur die
Erfahrung des Monte Verità neu erfand, eine
grundlegende historische Tatsache für die
Entwicklung des modernen Tanzes.
(Italienisch)
Videos:
Videodokumentation
Monte Verità: L'utopie d'un
nouvel age / Utopien einer
neuen Zeit Ausdruckstanz,
Frankreich 1996 Dauer / duration:
53', Band / tape: 880
Choreographie /
choreography: Rudolf
Laban, Mary Wigman Regie / direction:
Henry Colomer Tanz / dancers: Rudolf
Laban, Mary Wigman Musik / music:
Cécile LePrado Produktion /
production: AMIP; La Sept/Arte;
Pathé Télévision; Periplus Ltd.; TSI Televizione
Svizzera Italiana
So freuet
Euch, hah, feuert, feuert
Euch – aufs neue wird
gegründet, entzündet neu Menschsein im
Erdsternreich herzgottentfacht – aus dem nahfern
urtraulich schimmerlacht die: ERDSTERNZEIT – Weltheimkehrzeit, wo müheseelig
allbereit der Mensch sein winzig
Lebenslicht einflicht mit
Herzenswonnepflicht zum Himmel aller
Himmel: „Selbstheimatsein“ des – Schlüssel –
der – Verzicht! *
Monte Verità - Träume
eines anderen Lebens
Zuerst ein Spaziergang im Park mit
szenischen Überraschungen, dann ein
Theaterstück mit viel Musik und Tanz und als
Abschluss ein vegetarisch-anarchistisches
Buffet. Der verzaubernde
Freilichstspiel-Abend auf dem Monte Verità
geht den Spuren der Geschichte dieses
magischen Ortes nach.
Eveline
Hasler,
die im Tessin lebende Schriftstellerin, kennt
die Höhle in ihrer Nähe. Sie ist keine Fiktion.
Genau wie auch Hesses Erlebnisse dort als
Einsiedler keine Fiktion sind. Es ist das
Kapitel aus seinem Leben, das bis heute das
unbekannteste geblieben ist. Und dabei ist es
eines der wichtigsten, die Hermann Hesse besser
verstehen lassen. Die Erfahrungen in der Höhle
in der Nähe des Monte Verità, in die er mehrere
Male in seinem Leben zurückgekehrt war, sie
erzählen die Begegnung und Freundschaft Hesses
zum Naturmenschen Gusto Gräser. Hermann Müller
beschreibt in seiner genialen Arbeit von 1972
"Der Dichter und sein Guru" wie Gräser das Motiv
der Führergestalt in sämtlichen folgenden Werken
Hesses wird - und mitunter so stark wie kaum die
Figur des Demian begründet. Hesse selbst hatte
diese "peinliche" Freundschaft mit dem
Rohkostler und Tao Te King-Übersetzer oft
geleugnet; zu bösartig waren die Reaktionen von
Freunden darauf. Diese Arbeit Hermann Müllers
nimmt Hasler für ihre Erzählung zur Grundlage.
Sie entwirft verwoben mit Originaltexten Hesses
ein feinsinnig psychologisches Portrait einer
entscheidenden Existenzerfahrung. Wir hungern
mit Hesse in der Felshöhle und erwachen mit ihm.
Radiosendung vom
16.11.1985
Bayerischer Rundfunk
Gusto Gräser "Beruf
Naturmensch" Ein Porträt von
Michael Skasa
The Field - Monte Verita
from 101 Underworld
Am 03.04.2016 veröffentlicht "High Tech
German Electro Music?" -
Discover Sounds From Deepest Part of Underworld -
Come down to us
Auf der Insel Kabakon wirkte der Naturschwärmer August
Engelhardt, der dort einen „Sonnenorden“ gründete und für
Naturkost und Nudismus eintrat. Die Plantagenbesitzerin Emma
Forsayth, Tochter einer Samoanerin und eines amerikanischen
Pflanzers, war offenbar von dem langhaarigen Deutschen
angetan und stellte ihm das Land zur Verfügung. Dreißig
Mitglieder soll Engelhardts „äquatoriale
Siedlungsgemeinschaft“ in ihren besten Zeiten gehabt haben.