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Karl Buschhüter (1872-1956)

     

Gedenkstein im Ehrenhain von Burg Waldeck     Karl Buschhüter (1872-1956)

Architekt, Lebensreformer, Pionier ökologischen Bauens

Die Siedlung Dürerheim. Angeregt durch den Maler Diefenbach, der ein sehr naturhaftes Leben führte, erwarb der Architekt Karl Buschhüter im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts ein Gebiet von ca. 2 ha Land am Stadtrand von Krefeld. Um ihn scharten sich Menschen aller Richtungen, „Bewegte und Künstler“. Alles sollte eigen gestaltet werden. Steine wurden aus der Erde gebrannt und Häuser gebaut, die einen eigenen Baustil aufwiesen. Die Kleider, die aus einer braunen Kutte bestanden, wurden selbst gewebt. Der Kreis von Idealisten, der hier zusammengeströmt war, verzichtete auf jede Formalität, jede Satzung, er lebte auf rein kommunistischer Basis.

In der Blütezeit der Unternehmung kannte man keine wirtschaftliche Not. Buschhüter malte und modellierte, die Stadt gab Aufträge an die Künstler und unterstützte sie mit Geld- und Sachspenden. Es wurden Tagungen und Vorträge organisiert. Ihre freie und revolutionäre Gesinnung fand jedoch nicht die Zustimmung aller Krefelder Bürger. Kurz vor Beginn des Krieges wurde Buschhüter in einen Prozess verwickelt, bei dem man ihn als „nicht voll zurechnungsfähig“ freisprach.

Elisabeth Fleiner

Das Werk wirkt. Wenn der Geldgeber längst vergessen ist und der Wertgeber längst vermodert, wirkt es noch“ (Karl Buschhüter). – Die Bauten des Sonderlings von einst gehören heute zu den gerühmten Sehenswürdigkeiten des Rheinlands.

           

Postamt am Westwall                  Buschhüterhaus in Krefeld         Alte Post in Krefeld (erbaut 1904)

Buschhüter (rechts) mit den Brüdern Oelbermann und Gustav Wyneken

Die Rheinische Jugendburg

Schwer brannte in ihnen die Frage: Wer schafft uns den Bauplan zur Burg? Und siehe da, sie kamen an einem Haus vorbei, das ihnen gefiel, sie klopften an, und vor ihnen stand ein Mann, in weißem Bart und grauem Haar, doch in seinen Augen sprühte Jugendglut, und als er zu uns sprach mit seiner wohlklingenden männlichen Stimme, uns von seinem Leben erzählte und uns seine Werke zeigte, da wussten wir, dass wir zusammengehörten und dass dasselbe Werk uns in Arbeit und Kampf zusammenschmieden würde. So fanden wir Karl Buschhüter, unseren Baumeister.

Robert Oelbermann

Burg Waldeck. Entwurf von Karl Buschhüter


Es war mir immer schon ein Rätsel, so schreibt Hermann Müller: Wie kam der arme Karl Gräser zu einem so ungewöhnlichen, geradezu luxuriösen Fenster an seinem Haus auf dem Monte Verità in Ascona– großflächig, halbrund, geometrisch durchkonstruiert? Kann er das erfunden haben? Wie passt das zu den Schnörkeligkeiten seines Mobiliars? Wer hat überhaupt seinen Hausbau entworfen? Er selbst?

Das Rätsel scheint gelöst.  

Auf Umwegen bin ich auf eine weitere Verbindung von Gusto zur Jugendbewegung gestoßen, wenn auch auf eine mehr indirekte. Nämlich durch den Architekten Karl Buschhüter. „Karl Buschhüter (* 3. September 1872; † 21. August 1956 in Krefeld) war ein deutscher Architekt und Lebensreformer. Er gilt als ein Wegbereiter des ökologischen Bauens.“ (wikipedia)

Über die Beziehung von Gusto zu Buschhüter ist zwar (bislang) wenig bekannt. Ich kenne jedoch ein Flugblatt des Architekten, in dem er sich 1915, aus Anlass von Gräsers Ausweisung aus Deutschland, vehement für ihn einsetzt. Er war damals bei ihm in Stuttgart, hat ihn begleitet, als Gräser von der Polizei zum Bahnhof gebracht wurde.

G u s t o  G r ä s e r , den deutschen Dichter,
den lachenden Siebenbürger Sachsen,
hat der Staat nach Wien ins
Gefängnis geschleppt!
Wie ein König hat er unter den Schergen gestanden!
Wenn er gemordet würde!!

Der einzige Gräser,
der treue, deutsche, goldige Mensch,
dessen Gedichte
wie duftiges Brot und sonnige Frucht sind,
ohne Bitterkeit und ohne jeden Hass,
dabei wahr, wahr und nochmals  w a h r ,
der muss in den Kerker!

Heil dem deutschen König!
16./8./15                   Karl Buschhüter.

 Er hat ihn zum deutschen König, zum Gegenkönig von Wilhelm und damit zum Friedenskönig der Deutschen ausgerufen. Buschhüter scheint Gräser schon seit 1904 oder früher gekannt zu haben. Muck-Lamberty druckte 1913 ein Gedicht von ihm ab. Aus Artikeln in Freideutsche Jugend von 1916 geht ausserdem hervor, dass er im Wandervogel als ein radikalisierter Geistesverwandter von Gräser angesehen wurde (Max Hodann). Buschhüter hat sich als Architekt und Denker auf Fidus und Diefenbach berufen. Dass G. und B. in ihren lebensreformerischen und zivilisationskritischen Anschauungen übereinstimmten, darf angenommen werden. Nur war Gräser nicht entfernt so streitsüchtig und rechthaberisch wie Buschhüter.

Sein Verständnis von bildender Kunst sah er in erster Linie von Fidus und Karl Wilhelm Diefenbach verwirklicht“ (Wikipedia). Angeregt durch das Vorbild Diefenbachs schuf Buschhüter am Stadtrand von Krefeld die Siedlung Dürerheim, gegen die sich der Widerstand eines Teils der Bevölkerung regte mit der Folge, dass der Künstler und Reformer gerichtlich für „unzurechnungsfähig“ erklärt wurde – wie sein Vorbild in Wien.. Mit der gebotenen Vereinfachung könnte man sagen: Die Siedlung Dürerheim und die Siedlung Monte Verità waren Töchter der Mutterkommune Himmelhof.

Als Architekt wird B. heute hochgeschätzt als ein Pionier ökologischen Bauens. Seine Häuser stehen sämtlich unter Denkmalschutz. Dass er der Erfinder der Rheinischen Jugendburg und zum Teil der Burg Waldeck war, ist allgemein bekannt. Einer seiner Schüler war der Architekt Paul Evertz, der am Dürerheim mitbaute, dann auf den Monte Verità zog, wo er das Haus von Karl Gräser entwarf, das 1906 fertig wurde. Dieses Haus zeigt die typischen buschhüterischen Stilelemente. Evertz war in Ascona als Architekt sehr erfolgreich, soll um die 50 Häuser entworfen haben, auch die Villa des Schriftstellers Emil Ludwig.

Burg Waldeck im Hunsrück und das Gräserhaus auf Monte Verità entstammen also einer gemeinsamen, diefenbach-buschhüterischen Wurzel. Es ist darum alles andere als ein Zufall, dass in den Siebzigerjahren Burg Waldeck zum Ort der Begegnung von Alternativ- und Jugendbewegung wurde – wie jenseits der Alpen die Felsen von Arcegno. Es passt in diesen Zusammenhang, dass Buschhüter im selben Jahr wie der Monte Verità „wiederentdeckt“ wurde: mit der Monographie von Walfried Pohl über den Künstler (1978 und 1987). In den Waldeckfesten hat der Wandervogel, kurzzeitig und punktuell, den Anschluss an die Gegenwart gefunden.

Mit einem Schuss stolzer Übertreibung könnte man sagen: Die Kunst haben den Bündischen die Diefenbacher geliefert: Fidus die Malerei, Buschhüter die Architektur, Gräser die Dichtung.

Wohlauf!


Aus dem ‚Lexikon der Weltarchitektur’:

Karl Buschhüter, Architekt, Lebensreformer; Vertreter eines extremen Regionalismus bei Ablehnung der üblichen Heimatarchitektur. Initiator der modernen Backsteinarchitektur am Niederrhein unter Prägung eines individuellen Typs des Einfamilienhauses von hoher Dynamik mit Ziegelpfeilern, steilem Krüppelwalmdach und Ziegeltexturen. Buschhüter trat gegen den Historismus für Materialgerechtigkeit im Sinne einer organischen Architektur ein und entwickelte eine Theorie des biologischen Funktionalismus. Er strebte eine allgemeine Lebensreform mit Ablehnung der industriellen Technik und Hinwendung zur persönlichen Autarkie an. Trotzdem verwendete er Eisenfachwerk im Wohnungsbau: Buschhüter-Haus in Krefeld (1899), Haus Kamp, Süchteln (1902). Vorläufer des Ökologischen Bauens. Utopische Idealentwürfe für das „Gotteshaus der Schönheit“, das „Haus der Sammlung“, Weihetempel und Ehrenmale. Dabei kühne Grundrisse: Spiralhäuser und azentrische Kuppeln.

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