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Thorheiterkeit
 

 
Ja, Ihr Spiesser, zweifelsohne:
Ich bin sowas wie ne Drohne.
Ich bethon es mit Behagen,
aber, muss ich Euch mal fragen:
Könntet Ihr denn Honigwaben
ohne solche Drohnen
haben?
 
Blühtner, der Evangelimann, tauchte wieder auf ... auf dem Kopf trug er ein Laubkränzchen, eher wie ein Bacchant als wie eine Christusgestalt aussehend, trat er lebhaft heran, seinen Kranz zurechtrückend: Wir bekränzen unsern Ernst zu wenig mit Lachen ...
Gustav Naumann
 
Lasst mir die Thorheit –
aus ihren Toren schreitet das Leben, hellegeboren!
Innig entzückt
schau ich und schau ich aus ihrem Dunkeln
heimlich heitere Sterne funkeln,
und bin beglückt!
Gehet, geht mir, Ihr Kahlgescheidten,
Ihr Entdunkelten, Lärmentweihten –
Euer Verdacht,
der verdeckelt uns unsere Sonnen,
der verekelt uns unsere Bronnen,
mummelt uns ein
in Toddünkels Nacht!
*
Längere Zeit saß mir gegenüber (in der Münchner Staatsbibliothek) ein Original, das mich an den Maler Diefenbach aus meiner Knabenzeit erinnerte: in einer Art Oberammergauer Aposteltracht, mit langen Haaren, Sandalen und einem Netz über der Schulter. In diesem trug er, außer ein paar Äpfeln, immer einige gerollte Bogen farbigen Papiers, die er feierlich herausnahm und vor sich ausbreitete. Dann versank er in Nachdenken und dichtete: selten mehr als einige Zeilen am Tag – ich habe sie nie zu lesen bekommen. Er war, wenn ich mich recht erinnere, Siebenbürger und nannte sich Gras; die Polizei vermahnte ihn, daß sein Name nach den standesamtlichen Urkunden Gräser laute; aber er bestand darauf, ein Singular zu sein, und nahm die fälligen Polizeistrafen für seinen charaktervollen Ungehorsam auf sich.
Alexander von Müller
 
Wer macht die Herze springen? – Der treugetroste Mann.
Dem Ernsten kann gelingen,
was lachend leben kann.
Er lebt auf dieser Erden – froh-wacker, als zu Haus –
und flieht nit vor Beschwerden
in Schwindelgraus.
Er, er vor allen Dingen –
er macht die Herze springen!
*
Im Tiefsten wird er – wie könnte es anders kommen! – nicht recht an die Besserung der Menschen glauben; über Reformen und Vereine wird er lächeln. Sein Denken und Wollen wird aus der Sehnsucht seines Herzens fließen, Geister zu finden, die gleich ihm der Natur nachspüren, aus der Sehnsucht seines Geistes, solche Geister aus der Masse herauszuheben und ihre Fleischwerdung zu ermöglichen.                                                                                                                            Wilhelm Walther Krug, 1904
 
Komm, ist in Deiner Tat nur Mut und blutvoll frische Liebe!
Was Einer "con amore" tut, aus freilebendgem Triebe –
s'ist alles eins – s'ist alles gut,
und teilet er auch Hiebe!
*
 Auf – auch ohne Wanderschuh!
Nur dem Wager blaut die Ruh.
*
Komm! Trittit, trittit, tritt mit!
Bumm! Trarah! Willkommen!
Sattmatt ausgenommen!
*
Im 'Simplizissimus' wurde er von mehreren Gästen, die ihn offenbar schon kannten, mit Hallo empfangen. Er stieg direkt auf das Vortragspodium, sah sich im Raum um und sagte, er wolle eine kurze Ansprache halten. Er wolle über den 'Leut' sprechen.
Was ist 'der Leut'? Der 'Leut' ist der elende Durchschnittsbürger, die Einzahl der Leute, der Mensch, der sich davor fürchtet, anders zu sein als Kreti und Pleti. Und dann erging er sich in abfälligen Äußerungen über die Masse der Leute, der der eigentliche Einzelmensch gegenüber stehe, wobei er keinen Zweifel darüber ließ, daß er unter Persönlichkeiten nur solche verstanden wissen wollte, die, wie er, schon durch ihr Äußeres ihre Sonderstellung in der Welt betonen zu müssen glauben. Manche gute und zutreffende Bemerkungen, auch humoristische, die mit Beifall aufgenommen wurden, wechselten mit einem Wust krausen und überspannten Zeuges, das an seinem Geisteszustand zweifeln ließ. Zum Schluß seiner Rede erklärte Gusto Gräser, er nenne sich nicht mehr Gräser, sondern Gras, denn er sei eine einmalige Persönlichkeit und könne daher nicht mehr Gräser, sondern nur Gras heißen.
Fritz Gött
 
"Erst übebeberlegen – nachher iist noch Zeit –
dann – will ich mich schon regen!
Hahab ich erst die Sachen in Sisisicherheit –
dann – will ich es schon machen!"
Das sind die Stotterseelen – "Dann" – ist ihr Lieblingswort,
sie schleichen und sie stehlen sich aus dem Dasein fort –
sie stolpern durch die Städte, verpicket und verpackt:
"Wenn ich hähähähätte..." –
das ist ihr Stolpertakt.
Du aber, mein Geselle, Du bist von anderm Schlag,
Du lebest auf der Stelle, frischfromm mit deinem Tag ...
Du – kommst daher, geboren,
Du steckst in keinem Sack –
hahah, Du bist verloren dem
Stolperstotterpack!
*
Auf Umwegen kamen aus Leipzig die Fragmente des Protokollbuchs der Schwabinger 'Bruchgesellschaft' wieder nach München-Schwabing. Und darin findet sich mitten unter den bekannten Namen Trumpp, Prévot, Dietz u. a. unvermutet auch die Sentenz: "Durch! Das ist der Hecke Zweck!" Sie stammt von der Hand Gustav Gräsers, vulgo Gusto Gras.
Karl Spengler
 

 
"Ich ich tu mich erhenken!
Es es ist mir zu dick!" -
Mach's dünn doch – geh dich schenken!
Nein? – Nun dann da: der Strick!
*
Well wird nur Schall, wo ein Ohr ist -
Leben nur Lust, wo ein Tor ist.
*
Von den hochwohlweisen Narren –
zu den Toren, die weiser sind.
*
In der Via Romagna wurde gestern nachmittag der bekannte Propagandist der Nacktkultur Gustav Gräser verhaftet. Er trug eine allerdings im höchsten Grade auffällige "Bekleidung", die einen großen Teil des Körpers unbedeckt ließ. Obwohl wir für eine zweckmäßige Körperkultur und Natürlichkeit sehr eingenommen sind, eine derartige Herausforderung der Sitte empfinden wir als sinnlos und unmoralisch.
Tessiner Zeitung, Locarno 24. 7. 1909
 

 
Ja, sagen die Herren,
die Einfachheit, dagegen ist nichts zu haben –
ja – aber - Sandalen und sooo ein Kleid – pah –
 Äusserlichkeit!
Darüber sind wir erhaben!
Wir pflegen das Innre, wir pflegen den Geist!
So thönen die Herrn, die das Bangen beisst,
die täglich hupfen und hüpfen
am Schlips den Mann aufzuknüpfen,
die täglich, stündlich sich retten
die Freiheit mit den Mansketten.
*
Grad soviel Du willst verstecken -
grad soviel muss Dir verrecken!
*
Freilich, der Freund, der freimütig-innige Mann, nicht mehr bange zu machen, weder von Herrn Wichtig noch auch von Herrn Nichtig, weder nach rechts noch nach links scheuend, gelassen das Seine tuhend, scheint bald Sonderling unter den Leuten - scheint den Anstelligen, nach allen Seiten um ihre Stellung bangenden Standespersonen bald Fremdling, ja sogar – Feind! Feind, wie die frische Luft dem verhockten Zimperling, Feind, wie die Frühlingssonne dem Schneemann am Gartenzaun.
Gusto Gräser
 
Was Ziel? – Allhier das Lebespiel!
*
Nennt mich Narr nur oder Tor,
ihr gemachten Macher –
nur wer spielt, macht uns nichts vor!
*
Jah, ein rechter Spieler kommet wie der Witz,
zuckt durch Hirn und Herze einen Lacheblitz,
taucht dann mit Gefunkel wieder in die Nacht,
freut sich aus dem Dunkel, wie das oben lacht,
lange - lange - lacht.
*
Ich bin der Spieler, jah, im ewgen Hier.
Den, der mich grüssen kann,
den grüsst auch mir!
*
Wir jubeln neuen Ideen zu. Was nützen uns aber diese Ideen, wenn sie tot in Büchern bleiben? Wenn wir uns von den Versuchen, solche Ideen zu leben, mit Spott, wenn nicht mit Abscheu abwenden? Ein neues Leben kann nur entstehen, wenn jemand da ist, der den Mut hat, dieses neue Leben auch zu leben, der nicht nur Denker und Dichter,  sondern auch Mensch ist. ... Deshalb darf es uns mit Stolz erfüllen, daß einer dieser "Narren", die heute leben – vielleicht ist er der "närrischste Narr" – ein Siebenbürger ist.
Otto F. Jickeli, 1912
 
Hui, wirbelt das, vom ewgen Geist geschnellt:
"Fang Wildfang mich, schling mich – hehihihi – eiwasnitgar –
Faulpelz, Lahmhatsch, dich schling ich ja zuvor in unsern Reihn  - - -
Hier muss gerungen, muss geschlungen sein –
Mors con Amore, die ringen, springen hier durch gleiche Tore
und sind zugleich auch beide tiefzuhaus."
So wisperspielen tausend winzge Zungen –
steh nur verstocket nit davor, du Narr –
Gerungen ist – das ist ja schon gelungen,
ist schon erglüht zum dunkellichten Wahr – zum Narr-Thor-Paar –
aus dem Notwilligkeit, hahoh, Weltwillen quillt - - -
Ihm auf – IHM auf – so wird Glücknot erfüllt!
*
Thorheit lachet all der Beulen,
die es giebt an mancher Statt –
Klugheit fängt schon an zu heulen,
eh sie sich gestossen hat.
*
Als Gründe seiner Ausweisung aber gelten ... Seine wiederholten Gewerbevergehen ... Seine wiederholten Verkehrsstörungen ... Sein wiederholter Ungehorsam gegen die Straßenpolizei ... Sein Widerstand gegen die Staatsgewalt – deutsch: - seine Folgsamkeit gegen die Lebensgewalt in seinem Blut und Mut, die ihn als Mann und Freund gehen heißt und ihm es oft unmöglich macht, sich von Standes-"Personen", welchen Standes immer, als Knecht und Feind gängeln zu lassen.
Gusto Gräser, 1915
 
Sind, Menschenskinder, wir denn Marionetten
 des  Satan - Satz?
Es ist nichts andres böse als die Ketten!
*
Nichts anderes lebt als aus innerstem Drang -
Feind alles Blühenden ist der Zwang!
*
Ist nun aber Gräser ein Dichter, so kann man verlangen, daß seine Eigenart als der Quell seines Schaffens – wenn nicht geschätzt und gefördert – so doch wenigstens nicht bedrängt wird. Statt dessen hat die Behörde Gräser – ich weiß nicht, wie viele Male – gestraft, weil er seine Schriften ohne behördliche Erlaubnis verteile. Die behördliche Erlaubnis aber, um die G. nachgesucht hat, wurde ihm verweigert, von der Stadtdirektion Stuttgart zuletzt mit der Begründung: "Es liege kein Bedürfnis für seine Schriften vor."
Alfred Daniel, 1915
 
Tät ich euch in Schlummer singen
mit süss-säuselndem Gedicht,
tät ich zahrt mit Rosenröten
malen und mit Zephirflöten
solche Lilalyrik machen – hah -
das wär euch Leibgericht!
. . .
O wie hebt's euch, wenn mit Knicksen
Einer sich vor euch zerknackt
und mit zierlich feindressierten
Gesten und mit komplizierten
rücksichtsreichen Höflichkeiten
euch ein Breichen tut bestreichen.
euch ein bücklich Leckerl backt!
. . .
Nein, euch bleib ich hart wie Stein.
Schlagt euch eure Schädel ein!
*
In der Tat: Ist es recht und billig, einen deutschen Dichter unter Polizeiaufsicht zu halten, weil er lange Haare und wallende Kleider trägt? Trägt nicht mancher Beamte Perücke und Zopf, jeder Philister seinen Schlafrock? Und auf wievielen Köpfen baumelt nicht eine Narrenkappe? "Wo die Narrheit Norm, ist die Norm Narrheit" durfte sich G. beruhigend sagen.
Alfred Daniel, 1915
 
Hah gucke: "Wir"  -
 exakt fixfabriziert, lackiert zu Feingesindel,
zu Elegansern samt der Elegans, engros, exakt,
bis endlich doch der allbarmherzige
Urgeist uns packt -
uns Luxuslaxen an die Lebluft setzt,
drein tief ergetzt zu Kerlen wir erwachsen,
zu Wackern, hei, voll Inbrunstbrand,
durchbrennend heiss durch all die Flüchtigkeit,
zu Muttern durch, zur Notnatur und ihren Töchtern all voll Tüchtigkeit,
durch, durch heilloh, in das urheilge Land -
blind allem Neid, durchweiht, gefeiht von Seelenruh und ihrem Kind,
der ahnerkennd gönnenden, drum Leben blühen könnenden
T h o r h e i t e r k e i t !
*
Von den Mordsmoralhornissen, von der Wissensviper Bissen
 heilt uns nur Begeisterung, nur der tolle Torensprung
in des Lebens Gluten.
*
 
Wie weltenweit die Behörden von einem Verständnis G's entfernt waren, enthüllt mit greller Deutlichkeit das fast naive Wort in den Akten gegen ihn: "Er gehe keinem geordneten Erwerb nach." Allerdings! welch Vergehen, daß ein deutscher Dichter im Zeitalter des Amerikanismus nicht einem geordneten Erwerb nachgeht – womöglich mit Reklame, Schreibmaschine und doppelter Buchführung!  Dieselbe Behörde übrigens, die G. einen Strick daraus dreht, daß er nicht einem Erwerb nachgehe, hat diesen Mann viele Male bestraft, weil er "gewerbsmäßig" seine Schriften vertreibe. Wie reimt sich das?                                                                                                                                                                     Alfred Daniel, 1915
 
Wohler kann ich am braunen Brot braver
Freundschaft mich laben,
wohler ist mir bei Hungersnot und bei biederen Knaben –
als bei den Herren Matt und Kommod,
sumpfend und sudelnd im nobelen Kot,
die um Geld sind zu haben.
*
Gräser lebt mit seiner Frau in freier, staatlich nicht sanktionierter Ehe. ... Trotzdem sprechen die Akten von G's Frau als von seiner "Konkubine". ... Manche von denen, die sich über ein solches Konkubinat entrüsten, sollten erst prüfen, ob nicht ihre eigene sog. Ehe in Wahrheit nur Beischläferei ist.                                                                                 Alfred Daniel, 1915
 
Zwo Makler machen uns viel Schand
im grohsen Bund der Schlucker,
sie sind gewiss auch Dir bekannt:
die Topf-, die Sternegucker.
Die Einen finden in dem Speck des Lebens allertiefsten Zweck,
die Andern wolln sich nähren in Himmelsatmosphären - - -
Nun aber fährt durch Mark und Bein den Edelsten und Besten,
urbändig Beidem
sich zu weihn!
*
Nicht als Moralprediger kommt Gräser zu den Menschen, nicht um sie zur Nachahmung seiner Lebensweise zu bewegen; alles das liegt ihm fern. Und für das "Nachahmen" hatte er harte Worte.              Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 1916
 
Zu wem? Zu mir? - Du Wandrer du? –
Ich hetze dich mit hundert Hunden.
Erst wenn du deine Spur gefunden,
findst du auch mich in meiner Ruh.
*
Hüt Dich vor Mir –
Du komm zu Dir!
*
In der Kaserne versuchen sie es zunächst mit einer sonst beim Militär undenkbaren Geduld – er zieht die Uniform nicht an. Es muß ein merkwürdiger Anblick gewesen sein: wie der Mann in seinem Täufergewand etwa lesend mit einem Buch zwischen den exerzierenden Kameraden auf und ab geht. Die Soldaten fragen ihn: Ja ist es denn nicht recht, in den Krieg zu ziehen? Klug sind seine Antworten: 'Tu was deine innere Stimme dich heißt! Sei nur ganz wahr.' Viele werden unruhig. Da stellt ihn der General vor die Entscheidung: Entweder ziehst du jetzt die Uniform an oder du wirst morgen erschossen. 'Tut was ihr müßt' ist seine Antwort.                                                                                                              Jul Glemser, 1919
Da kracht ne Tür –
die Bäurin kommt, breit, urbehaglich, aber munter kommt sie,
erinnert sehr mich an Urmutter N O T
 behutsam bringt sie eine Trinkeschal - ich, freilich meinend,
mir nen Trunk zu spenden, streck schon die Hand -
nixda - werd abgeblitzt - und all die Wonnelabe
glitzgleitet flink hinein ins Brunnenrohr - - -
Da steh ich Depp und komm mir wahrlich sehr bedeppert vor - - -
Doch nitzulang - potzblitz, wat geht da los? - Der Schwengel fliegt -
dat Pumpzeug ziegt, ankleckt der Sog
und plätscherplaudernd in den Brunnentrog
rinnt lauter Glück -
Hinsink ich, hin - gluckschluckeschluck - und trinketrink
tiefdurstentbrannt, froh, immer frohr, Rausch, Allerinnrungsrausch
 aus dem  Urheimatborn, aus holdem Schwabenland - - -
leibseelerquickend herzentzückenden
Wildwelthumor!
*
Wer nicht hinschenkt alles –
hat verloren – alles.
*
Er ist kein Prediger in der Wüste, er drängt sich niemandem auf. Er ist ein Mensch, mit dem man scherzen und lachen kann. Er will keine Jünger werben, sondern mutig seinen Weg gehen und seine Hoffnung ist, daß andere vielleicht 'bei den Rhythmen seiner Schritte aufhorchen werden und dann ihren Weg leichter finden.' Er will kein System aufstellen, er läßt die Worte und Gedanken frei seinem Innern entströmen, so wie sie dort entstehen. In ihm ist der Protest unserer Zeit gegen die Mechanisierung und Schematisierung des Lebens verkörpert.
Otto F. Jickeli, 1912
 
Sprüh deinen Feuerquell in die Qual, feingemummt in Geflitter,
künde, zünde mit deinem Strahl in dem Kramkummer-Jammertal
lachendes Heilsgewitter!
*
Hier in dem Chaos, stark und still –
üb dein Idyll!
*
Bin freilich verrückt, sogar weit von der ins Elend rasenden Zeit, zumal mir völlig klar ist, daß diese Erde von Verrückten wimmelt, die sich nur in der Farbe unterscheiden, sodaß - sagen wir – der Durchschnitt schwarz, rot, braune Vögel, und gerade ich einen grünen Vogel hab. Aber nun kommt die Summe ...
Über ein halbes Jahrhundert trage ich meinen Grünspecht im Kopf und schaue hinein in den rot, braun, schwarzen Wahnsinn und erlebe 50 Jahre, wie das, was man die Menschen heißt, immmer toller, verrückter wird  und immer schwärzer und schwärzer ... während mein Grünspecht immer noch fidel über Wahnsinnswüsten in seine Wälder fliegt und damit mir selbst und meiner kilometerfressenden Umwelt den Beweis liefert, daß mein Vogel der gesündere ist. ...
Aber wo hat je ein Narr gelebt, der sich selbst als Narr erkannt – und wo ein Weiser, der nicht zum Gespött der Närrischen ward? ... Ihr Gräser oder sagen wir Gras.                                                                                                      Gusto Gräser, 1950
 
Vor all des Irrwahns giftrostgen Ketten,
uns fressend allen Sonnentrost wildheilger Welt,
ihn uns verzäumelähmend, vergrämend,
mit seiner Arroganz verfäulezähmend ganz –
kann, Freunde, uns allein, allein
der urtraut muttermilde, herzgottvoll vaterwilde,
allweltdurchwonnewinnende, glutgeistdurchsonnesinnende,
heissheilge  U R W A H N  retten!
*       *       *
*
Wer ihn im grellen Tageslicht in auffälliger, theatralischer Kleidung durch das Gewühl unserer Gassen gehen sieht, oder das manchmal dunkle Wortgepränge seiner Verse liest, wird nicht viel Eindruck bekommen. Aber draußen in Feld und Wald, wenn er mit seiner wohlklingenden, tiefen Stimme die Verse selbst vorträgt oder seine eigenartigen Gedanken ausspricht, da wirkt er ohne Zweifel stimmungsvoll und künstlerisch, da ist seine Erscheinung ein menschgewordener Sehnsuchtsruf nach einem verlorenen Paradies unter Gottes blauem Himmel.                                                       Emil Neugeboren, 1916
 
Nichts vor,
nichts nach, nichts daneben –
  glühn im heiligen Licht,
Alles in Eins zu weben,
in ein gediegen Leben,
ein
Weltgedicht!
*
Der Dumme hat's Glück - und vergisst es.
Der Kluge, der kennt's - und vermisst es.
Und der Weise, das ist wohl der Mann,
der's pflegt, dass es blühen kann.
Doch - einzig, von Inner hervor - ist's -
liebeblühend - der Thor.
*
The man they called Graser was declaiming in a low but resonant voice, something about mountains and clear skies and tall straight trees. But it was his presence which captivated Anna. He was completely at ease in his strange garb as if he carried his own place with him. And he was beautiful. There was a strength and a peace in his face that she had never encountered before.
Lisa Appignanesi
 
Er wagte es, ein Narr zu heißen –
und war ein Tor.
*
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