Zurück
Ausstellung: „Max Schulze-Sölde trifft Willi Lammert“
Rotes Haus, Hagen, 11. 6. - 17. 12. 2010

Der Maler, Siedler und Ökosozialist Max Schulze-Sölde (1887 - 1967) war um 1921 ein Jugendführer der Christrevolutionären Bewegung,  der auch der Gräser-Freund Alfred Daniel angehörte. Gräser könnte ihn in dieser Zeit schon kennen gelernt haben.
 
1931 schloss sich Sölde der Siedlung „Grünhorst“ von Gräsers Tochter Gertrud an. Bei der religiösen Tagung, die er Pfingsten 1930 nach Hildburghausen einberief, war auch Gräser einer der Sprecher. Zeitweise müssen sie in Grünhorst zusammengelebt haben; Gertrud Gräser verbreitete auf ihren Reisen sowohl die Schriften von Sölde wie die ihres Vaters.
 
Schulze-Sölde war Gründer der Partei der Christ-Sozialisten, die schon um 1924 ökologische Forderungen vertrat.
 

Aus dem WOCHENKURIER HAGEN:

Kommunist trifft auf „Johannes“

Spannende Künstler-Begegnung

Von Michael Eckhoff

Hagen. (09.06.10) Künstlerisch, politisch und heimatkundlich zugleich geht es am Freitag, 11. Juni, in der Kanzlei der Anwälte Stahl, Krafzik & Partner, Neumarktstraße 2c („Rotes Haus“), zu. An diesem Tag wird hier um 19 Uhr eine von Petra Holtmann zusammengestellte Schau eröffnet, in der Überraschendes aus der Osthaus-Ära zu entdecken ist: Wilhelm „Will(y)“ Lammert trifft auf Max Schulze-Sölde.

Wir schreiben die Jahre 1918 und 1919. Der Erste Weltkrieg ist endlich vorbei. Millionen von Menschen waren auf den Schlachtfeldern ums Leben gekommen. In Deutschland war der Kaiser am Ende. Die Politik auch. Die Überlebenden hatten es schwer, sich zurecht zu finden. So mancher suchte sein Heil in radikalen Parteien, wieder andere in esoterischen Bewegungen. Und etliche Städter flohen aufs Land, um ein neues Leben zu beginnen...

 

  Dieses Foto zeigt Max Schulze-Sölde circa 1919,
   als er in Hagen wohnte. Karl Ernst Osthaus
   übergab ihm damals das Atelier von Milly Steger.
                                                (Foto: Archiv Eckhoff)

„Inflationsheilige“

In dieser Phase gaben sich in Osthaus’ Hohenhof zahlreiche Künstler die Klinke in die Hand, die das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ vor einigen Jahren in einem Beitrag als „Lumpenpropheten auf dem Jesus-Trip“ und als „Gurus der Führersehnsucht“ - politisch rechts wie links - bezeichnete. Den Höhepunkt erreichte diese Entwicklung um 1922/23, als die Inflation den nächsten Angst-Schub auslöste. Aus diesem Grund sprechen Spötter heute gern von „Inflationsheiligen“.

Im Künstlerort Worpswede waren sie genauso anzutreffen wie etwa in der Kommune auf dem Monte Verità am Lago Maggiore. Oder halt bei Osthaus in Hagen, in dessen Umfeld sich damals ein Kreis bildete, der heute manchmal - um einen Begriff von Max Schulze-Sölde zu verwenden - als „Hagener Bohème“ bezeichnet wird. Hier schwang eine Zeitlang ein gewisser Ernst Fuhrmann, der spätere Testamentsvollstrecker Osthaus’, das große Wort. Typisch für diese seltsamen „Heiligen“: ein religiöses Schwärmertum, manchmal gepaart mit einem skurrilen Germanenkult, und eine ausgeprägte Zivilisationsfeindlichkeit. Einige von ihnen hofften auf einen neuen „Messias“ oder „Heilsbringer“.

„Johannes der Jugend“

Zu den damals sich in Hagen ein Stelldichein gebenden „Wanderheiligen“ zählt auch Max Schulze-Sölde - ein im Januar 1887 in Dortmund geborener Maler, der als „Johannes der Jugend“ in die Geschichte der Weimarer Republik eingegangen ist. Als Sohn des in Hamm ansässigen Generalstaatsanwalts sollte er eigentlich Jurist werden, brach jedoch dieses Studium 1910 ab und wandte sich stattdessen der Malerei zu. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, weilte er zufällig in Frankreich und wurde sogleich von den Alliierten interniert.

Aus französischer Haft heimkommend, „landete“ er recht bald in Hagen und im „Fuhrmann-Hohenhof-Kreis“. Hier bekam der Maler einerseits das frühere Atelier von Milly Steger zur Verfügung gestellt, zum anderen geriet er in Kontakt mit der seinerzeit vorherrschenden Verherrlichung des kommunistisch-ländlich-ursprünglichen Lebens - was ihn sogleich veranlasste, die Malerei erst einmal „an den Nagel“ zu hängen.

Schlüssel zum Paradies

Später finden wir ihn als Bergarbeiter im Ruhrgebiet sowie als „Jugend-Führer“ bei einer christlich-revolutionären Bewegung (daher sein Spitzname „Johannes der Jugend“), in der er überzeugt ist, „den Schlüssel zu haben, der uns das Paradies öffnet“. Max Schulze-Sölde starb 1967 nahe Soest, wo er nach dem Krieg auf Vermittlung des weithin bekannten Künstlers Viegener eine neue Heimat gefunden hatte.

Als Maler ist er heute weniger bekannt, dabei hat er durchaus sehenswerte Bilder geschaffen, wovon man sich am Freitag bei einem Besuch im „Roten Haus“ bestens überzeugen kann. Eine Zeitlang stand er stark unter dem Einfluss von Picasso - genau wie Will Lammert, dem der zweite Teil der Ausstellung gewidmet ist.

 

 

 


Max Schulze-Sölde                         Jesus

In Düsseldorf

Auslöser, diese beiden Künstler aufeinander treffen zu lassen, war die Erinnerung an eine Ausstellung vor gut 90 Jahren in der legendären Düsseldorfer Galerie von Alfred Flechtheim. Der aus Münster stammende Galerist vertrat unter anderem Künstler-Berühmtheiten wie Pablo Picasso, Paul Klee, George Grosz, Max Beckmann und Aristide Maillol. Überdies stufte er auch Schulze-Sölde und Lammert als herausragende Künstler ein. Vor den Nationalsozialisten musste Flechtheim wegen seiner jüdischen Abstammung 1933 über Paris nach London fliehen. Die nazistische Ausstellung "Entartete Kunst" zeigte in ihrer Düsseldorfer Version ein Großfoto von Flechtheim mit dem Kommentar: „Der Großmanager dieser Kunst.“

Überzeugter Kommunist

Auch Wilhelm Lammert musste 1933 fliehen. Der 1892 geborene Arbeitersohn aus Altenhagen errang seine ersten großen Erfolge in seiner Heimatstadt - mit Skulpturen an der Stadthalle auf der Springe. Gefördert von Karl Ernst Osthaus wurden Christian Rohlfs, Johan Thorn Prikker und Milly Steger seine Lehrer und Freunde. Bereits 1913 zeigte Osthaus erstmals Lammerts Werke einer breiteren Öffentlichkeit. Nach dem Ersten Weltkrieg, den er schwer verwundet überlebte, kehrte Lammert zunächst heim - mit dem Wunsch, sich dauerhaft am Stirnband niederzulassen. „Doch für mich ist es in Hagen unerträglich“, schrieb er 1920 an Osthaus. Wenig später zog er nach Essen um - zur berühmten Margarethenhöhe, wo mittlerweile eine Künstlerkolonie entstanden war und wo es Lammert zwischen 1924 und 1927 gelang, eine bedeutende „Werkstatt für Keramik“ aufzubauen; sie besteht noch heute (auf dem Gelände der Zeche Zollverein).

Lammert war Mitglied der KPD. Aufgrund seiner intensiven Parteiarbeit erfolgte deshalb 1933 eine Anklage: Hochverrat! Der Verhaftung konnte er nur durch Flucht über Frankreich in die Sowjetunion entgehen. Fast alle Werke, die er in Deutschland zurücklassen musste, wurden in den folgenden Jahren zerstört, vor allem in Essen.

1951 in die DDR

1951 kehrte er nach Deutschland zurück - allerdings in die DDR, wo man ihn 1952 zum Professor und zum Ordentlichen Mitglied der Akademie der Künste der DDR berief. Zu den wichtigsten Werken des 1957 verstorbenen Hageners zählen eine Osthaus-Skulptur (beheimatet im Hohenhof), das Thomas-Münzer-Denkmal im thüringischen Mühlhausen sowie das Mahnmal des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück.

Die im „Roten Haus“ gezeigten Werke von Lammert und Schulze-Sölde (etwa 75 Bilder aus diversen Schaffensperioden) stammen allesamt aus Privatbesitz und wurden in dieser Zusammenstellung noch nie in Hagen präsentiert. Insofern füllt das „Rote Haus“ erneut eine sowohl kunsthistorische wie heimatkundliche Lücke...

 
Hagen                  


   Seitenanfang