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Das Treffen in Veldes Hier entstand der Gedanke zur Gründung des Monte Verità |
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Veldes und Veldeser See
(slowenisch Bled, Blejsko jezero) "Den 31sten hat Ernst seine große Reise nach Veldes zu seinen Brüdern angetreten. Sie waren in Triest, Venedig, Verona. Es ist ihnen gut gegangen. Ernst und Karl sind den 16ten August wieder in Tekendorf eingetroffen. Auf Ernst hat diese Reise einen tiefen, wie es scheint, auch bleibenden Eindruck gemacht. Karl hat durch den Aufenthalt in Veldes durch Naturheilkraft die Gesundheit gefunden und ist in seinen Anschauungen vom Leben der zweite Gust geworden." So Mutter Gräser im August 1899 in ihrem Tagebuch (S.38). Was sagt uns die Notiz? Ihr jüngster Sohn, der erst
fünfzehnjährige Ernst Heinrich, ist Ende Juli 1899 in den
Kurort Veldes in Kärnten (heute Slowenien, slowenisch Bled)
gereist, um seine älteren Brüder, Karl und Gustav Arthur, zu
besuchen. Karl, der österreichische Berufsoffizier, machte
dort wegen rheumatischer Beschwerden eine Kur in der Naturheilanstalt von Arnold Rikli. Warum gerade in dem von
Siebenbürgen weit entfernten Veldes? Nur der schönen
Landschaft wegen? Der Hauptgrund dürfte ein anderer gewesen
sein: Sein Bruder Gusto war im Vorjahr Schüler von Diefenbach
gewesen, und der Lehrer und Helfer für den jungen
schwerkranken Malstudenten Diefenbach war einst der
Naturheiler Rikli geworden. Ihm schrieb er einen über 40
Seiten langen Bericht über seine Leiden, ihm vertraute er sich
wie einem Beichtvater an. Und der Rat des „Sonnendoktors“
scheint ihm geholfen zu haben. Von Rikli übernahm er das
Barfußlaufen, das Nacktgehen, die Licht- und Lufttherapie,
letztlich seinen ganzen künftigen „naturgemäßen“ Lebensstil.
Rikli hat ihn gerettet. Arnold
Rikli
(1823 - 1906), Naturarzt, Begründer der Licht- und
Lufttherapie
Davon wird er seinem Jünger Gusto erzählt haben, und der wiederum wird seinen Bruder an Rikli verwiesen haben. Ob er selbst ebenfalls sich einer Kur unterzog, wie man aus den Angaben von Mutter Gräser entnehmen könnte, ist unklar und sehr unwahrscheinlich. Die Mittel dazu wird er nicht gehabt haben und auch gar nicht den Bedarf. Genug, er hielt sich ebenfalls in Veldes auf, vielleicht herbeigerufen von seinem Bruder Karl. Denn der hatte dort zwei interessante Badegäste kennengelernt: den belgischen Unternehmersohn Henri Oedenkoven und die österreichische Musiklehrerin Ida Hofmann. Sie hatten sich angefreundet, und aus gemeinsamen Leiden und gemeinsamen Idealen war der Plan entstanden, etwas Ähnliches wie die Kuranstalt von Rikli ins Leben zu rufen, eine gemeinsame Ansiedlung, die freilich mehr als nur medizinische Zwecke verfolgen sollte, nämlich, ganz im Sinne von Diefenbach, die Schaffung einer Keimzelle für eine andere, naturehrende Kultur. Da Karl seine Ideen von seinem Bruder Gusto bezogen hatte und eine Siedlung eine Mehrzahl von Teilnehmern brauchte, lag es nahe, dass er diesen herbeirief, um über das in Aussicht genommene Projekt zu beraten. Jedenfalls waren die beiden älteren Brüder schon am Ort, und nun wurde der jüngste herbeigerufen, sicher in der Hoffnung, dass er sich früher oder später dem Unternehmen anschließen werde. Um die Gemeinsamkeit zu festigen, Erfahrungen zu sammeln, vielleicht schon nach passendem Gelände Ausschau zu halten, unternimmt man eine gemeinsame Wanderung oder Reise nach Italien bis nach Triest, Venedig und Verona. Etwa vierzehn Tage sind sie unterwegs, dann kehren Karl und Ernst nach Siebenbürgen zurück. Karl offenbar mit dem Entschluss, aus dem Militärdienst auszuscheiden. Gusto bleibt der Heimat fern. Er scheint im Anschluss an dieses Treffen den großen Sprung aus der gesellschaftlichen Ordnung vollzogen zu haben, die Zerstörung seiner Bilder, den Gang in die Hauslosigkeit. Möglicherweise und sogar wahrscheinlicher hatte er diesen Schritt schon im Frühjahr getan und war als besitzloser Wanderer in Veldes nur vorbeigekommen, um seinen Bruder Karl ebenfalls aus Besitz und Beruf herauszureißen, ihn herauszurufen zum großen Aufbruch. Es dauert dann noch ein ganzes Jahr, bis der Plan gereift ist und zur Ausführung kommt. Gusto wandert über Triest und Südtirol nach Zürich, wo er den Winter verbringt. Er muss dann, nach Aufenthalten in Basel, wo er möglicherweise schon den Buchhändler und angehenden Schriftsteller Hermann Hesse kennen lernte, nach Paris gewandert sein. Dort befreundete er sich mit der amerikanischen Tänzerin Isadora Duncan und ihrem Bruder Raymond, der zu seinem ersten Schüler wurde Erst im Oktober 1900 treffen sich die Brüder Karl und Gusto mit Oedenkoven und Hofmann in München, um von dort aus die Suche nach einem geeigneten Siedlungsort in Gang zu setzen. Nachdem eine junge Berlinerin, Lotte Hattemer, sich ihnen angeschlossen hat, wandert die Fünfergruppe über die Alpen. Nach längerer Suche im Gebiet der oberitalienischen Seen entdecken die Brüder Gräser den Weinberg über Ascona als geeigneten Standort. Die übrigen Teilnehmer schließen sich ihrem Urteil an. Der Berg wird gekauft, die Siedlung gegründet. Sie erhält den Namen Monte Verità, „Berg der Wahrheit“. In Veldes, im Hause des Sonnendoktors Rikli, war diese Wahrheit geahnt, bedacht und entworfen worden. Die ersten „Luft- und Sonnenbäder“ führte Mitte des 19. Jahrhunderts im früher österreichischen Veldes der Schweizer Arnold Rikli ein. Mit Riklis Naturheilanstalt begann die Rückkehr der Städter in die Berge und in die Wälder, begann die „Gesundung“ der Zivilisationskranken in „intakter“ Natur. Mit Rikli begann das versinnbildlichte Abschütteln der Zivilisation, das Entfernen einengender Kleidung und autoritärer Ideale. In Veldes lebten die Patienten eingehüllt in leichte, leinene Kleider, im Tagesablauf konzentriert auf die „Lichtkur“. Die
Erkrankten, die genug Geld hatten, um in die Berge zu fahren,
bildeten eine eigene, fast gleiche Schicht. Sie gehörten
vornehmlich zum Bürgertum, häufig zum Bildungsbürgertum. Viele
junge Kranke kamen in die Sanatorien, bevor sie ihre
Weltanschauung gefestigt hatten. Sie suchten zwischen
Krankheitsbehandlung und Spaziergang nach neuen Werten, die
tiefer und greifbarer waren als Geld und Wohlstand.
(Eberhard
Mros: Phänomen Monte Verità. Band 1: Die Siedler. Ascona 2007)
In der Mitte des 19.
Jahrhunderts machte der Naturheiler Arnold Rikli Bled
(deutsch
Veldes) zu einem modernen Kurort. Hier seine Werbebroschüre von
1894An Naturheiler Arnold Rikli schieden sich die Geister. Seine ganzheitliche Therapieform mit Nacktbaden verwirklichte er in einer eigenen Heilanstalt. Nicht in der Schweiz, sondern im heutigen Slowenien. Das inspirierte, denn der Monte Verità geht letztlich auf Rikli zurück. So schreibt Michael von Orsouw, promovierter Historiker, Bühnenpoet und Schriftsteller auf der Webseite des Schweizerischen Nationalarchivs. Mehr (in slowenischer Sprache)
in dem 360 Seiten starken Buch:
Zavodnik, Vojko, Po Sledeh Arnolda Riklija, Bled, Slowenien, 2018, zu bestellen bei rikli.info@gmail.com Nach mehr als einem
Jahrhundert Verfall sah Riklis unrettbar dem Verfall
preisgegebene Kurhaus im Frühjahr 2019 so aus:
Fotos: Reinhard Christeller
Zu den Suchenden gehörte auch der junge Leutnant der k.u.k. Armee Karl Gräser. Sein Bruder Gusto, damals bei Diefenbach auf dem Himmelhof bei Wien, hatte ihn schon im Vorjahr aufgefordert, sich ihm anzuschließen: Wien
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Mein
Bruder!In klaren und unantastbaren Worten will ich dir sagen, was ich bin, nach was ich strebe. … Meine Lebensstellung ist geistig getrennt von der Gesellschaft, die sich hoch cultiviert nennt. Ich habe sie als das Gegentheil wahrer edler Kultur erkannt, und damit ist es meine Pflicht geworden, ihr völlig zu entsagen … Die heutige sog. Menschen-Gesellschaft lebt in Irrthum und Unnatur, ist entartet in jeder ihrer Handlungsweisen … Heute müßte die Menschheit ein göttlich Dasein führen, wenn die bisherige Cultur die rechte wäre. Jede Krankheit, jedes Übel ist die Folge der Naturwidrigkeit des Lebens. Das jetzige Christenthum vertritt das Gegentheil von dem, was der Mensch mit göttlichem Geiste gelehrt hat. Es ist die ganze Menschheit auf Mißverständnis und Irrthum aufgebaut, und die Folge davon muß ein völliger Zusammenbruch sein, anders nicht möglich, anders nicht denkbar! … Mit fast jedem Ereignis unserer Erde sehe ich, wie die Herdenmenschheit abwärts schreitet und sich das Gute vom Bösen scheidet, ein neues Reich zu gründen. … Darum, Bruder, was wir leiblich sind, sollen wir auch geistig sein und bleiben. Ich erwarte dich mit allen, die um mich sind. Dein Bruder Gust. Karls damalige Krankheit mag
auch ein Ausduck der inneren Kämpfe gewesen sein, die seiner
Entscheidung vorausgingen. In diesen Wochen in Veldes,
schreibt seine Mutter, „ist Karl in seinen Anschauungen vom
Leben der zweite Gust geworden“.
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