Drei Frauen um Gusto
Drei Frauen haben sich in Gusto verliebt:
Marie-Laure, die Französin; Marcela, die Mexikanerin; Véronique, die Französin, die eigentlich, von ihrer Herkunft her, Sizilianerin ist.
Die Journalistin Marie-Laure de Cazotte schrieb einen Roman 'Mon nom est Otto Gross', in dem Gross zwar die Hauptperson ist, aber in mancher Hinsicht Schüler von Gusto, nämlich im Tanz. Und das gegen den biographischen Befund, da von Gross nicht bekannt ist, dass er jemals getanzt hätte. Gusto lehrt ihn tanzen. Nicht nur das. Er lehrt ihn auch die Meditation:
Otto ferme les yeux, inspire et expire profondément par le nez une dizaine de fois, comme Gusto Gräser le lui a appris à Monte Verità. „Chasse ta frayeur, ami, retire-toi du monde, écoute ton âme. Cherche sa mémoire, son énergie, accueille-la.“
Otto schließt die Augen, atmet ein dutzendmal durch die Nase tief ein und aus, wie Gusto Gräser ihn das auf dem Monte Verità gelehrt hat. „Wirf deine Angst von dir, mein Freund, zieh dich von der Welt zurück, höre auf deine Seele. Erinnere dich an sie, an ihre Energie, sammle sie.“
Zuviel
der Ehre! Es ist Gusto leider nicht gelungen, den exzentrischen
Psychiater von seiner Sex- und-Drogensucht zu heilen. Aber
Marie-Laure traut ihm das zu. Sie wünscht sich das.
Marie-Laure
de Cazotte: Mon nom est Otto Gross. Roman. Paris 2018
Der Wolf verkörpert eine ungeheure Energie, sexuelle sowohl wie potenziell aggressive. Aber dieser Wolf Gusto ist „inofensivo“, ist ungefährlich, verkörpert geballte aber gebändigte Kraft. Sánchez verschliesst nicht die Augen vor dem Bedrohlichen und Erschreckenden, das von Gusto ausgeht, sie malt diese Potenzen schamlos und drastisch aus. Dass sie dennoch in dem Verfolgten und Armen ein Symbol des Kampfes für Gerechtigkeit sieht, einen Leidenden und Märtyrer, der in der Reihe der Opfer von Inquisition und Revolution steht, das macht die Größe dieses Erzählwerks aus. Sánchez' Roman hat eine Tiefe und Spannweite, die an Goethes 'Faust' und an die 'Divina Commedia' erinnert: Nichts Menschliches ist dieser Erzählerin fremd, gerade im Aussermenschlichen lässt sie es aufleuchten.
Einige Sätze aus 'La otra piel'
Había
quienes lo consideraban casi un santo; otros lo tachaban de loco, de
enajenado. Algunos afirmaban que era una especie de hombre-lobo … Yo
estaba embelesada de ver a aquel hombre tan hermoso … Gusto no era un
jovencito, era un anciano. Y lo peor es que lo amaba con toda mi alma a
sabiendas de que atrás de ese hecho imperaba una total sinrazón.
Manche
betrachteten ihn beinahe als Heiligen, andere nannten ihn einen Narren,
einen Geistesgestörten. Es gab welche, die behaupteten, er sei eine Art
Wolfmensch … Ich war entzückt, jenen so schönen Mann zu sehen … Gusto
war aber kein Jüngling, er war ein Greis. Und das Schlimmste ist: Ich
liebte ihn mit ganzer Seele und wusste dabei dass sich hinter dieser
Tatsache der nackte Wahnsinn versteckte.
Eran los del Lebensreform, los reformadores de la vida. Clamaban: no al capitalismo y no al socialismo. … En Monte Verità se dio una extrana conviviencia de anarquistas radicales, libertarios naturistas y misticos teósofos. (96)
Es waren die von der Lebensreform, die Lebensreformer. Sie riefen: nein zum Kapitalismus und nein zum Sozialismus! … Auf dem Monte Verità ergab sich ein einzigartiges Miteinander von anarchistischen Radikalen, libertären Naturisten und mystischen Theosophen.
… la desbordante necesidad de los habitantes de la comuna de cambiar al mundo y, por lo tanto, su gran simpatía por todo aquello que fuera contra los racionalismos, contra las acendradas normas sociales y morales. (184)
… der überschäumende Wille der Bewohner der Kommune, die Welt zu verändern und, noch besser, ihre große Sympathie für alles, was gegen die Rationalismen ging, gegen die verstaubten sozialen und moralischen Normen.
En el suelo estaba pintado un círculo blanco, casi perfecto, en cuyo centro, un tanto desdibujada, había una estrella de 5 picos; se trataba de una estrella flamigera, usada por los esotéricos. Una estrella protectora y de sabiduría divina. (185)
Auf den Boden war ein weisser Kreis gemalt, fast perfekt, in dessen Mitte, etwas verschwommen, sich ein Stern mit 5 Spitzen befand. Es handelte sich um einen flammenden Stern, wie er von den Esoterikern vewendet wird. Ein Stern des Schutzes und der göttlichen Weisheit.
El corrido tendría la forma de una serpiente que se muerde la cola, es decir, un camino que volvería sobre sí mismo de manera infinita. En algun lado había encontrado ese símbolo proveniente del imaginario de los gnosticos, lo llamaban Uruboros. (187)
Das Gezeichnete sollte die Form einer Schlange haben, die sich in den Hals beisst, will sagen, ein Weg, der sich unendlich in sich selber dreht. Irgendwo hatte er dieses Symbol gefunden, das aus der Bildwelt der Gnostiker stammt und Uroboros genannt wird.
Marcela Sánchez erzählt auch vom weissen Tiger. Gräsers Fünfstern, das Pentagramm ist sein Symbol. Die Autorin weist dieses Zeichen einer anderen Person zu. Die Spiritualität eines Gusto ist ihr noch fremd, macht ihr Angst. Sie kann dieses Bild aber auch nicht unterdrücken. Insgeheim wartet die Erkenntnis auf sie, dass der dunkle Wolf, den sie liebt und verehrt, in Wirklichkeit ein weisser Tiger ist.