Die Dichterin Mascha Kaléko über den Monte Verità

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Im Romanischen Café 1) einst galt Ascona als der Treffpunkt für Former und Reformer. Jede ‚Richtung’ war vertreten, so hieß es, von der Rohkost bis zur Religion. Das Dorado der Vegetarier und Vegetierer. Hier lebten die Sektierer ihren Idealen und Utopien, die Anhänger der Nußbutter und Nacktkultur. Man entfloh der großstädtischen Zivilisation, den diversen geistigen und kulturellen Korsetten der ‚goldenen zwanziger Jahre’. Hier fand man eine billige Unterkunft (das waren Zeiten!), man wusch sich am Steinbrunnen im Hof, unter der Aufsicht einer hölzernen Bauernmadonna, ließ sich einen fotogenen Bart stehen und trug seinen Anteil bei zur ‚pittoresken Künstlerkolonie’ im Tessin.
 


 Mascha Kaléko, aus "Novemberbrief aus Ascona", 1930-er Jahre (?)

1) Gemeint ist das Romanische Café in Berlin