Zurück | |
Das Sonnenfest Labans
Kultspiel vor Gräser Pagangrott im August 1917
„Licht
der Freiheit! … Brechet aus! Aus den Gefängnissen des steinharten
Zwanges … mit
eurem Schrei … dem starken Odem des Kommenden.“ (Dörr TTW 36f.) Rudolf
von Laban, der seit 1913 auf dem Monte Verità seine Tanzschule
installiert
hatte, erlebte in diesen Jahren einen Durchbruch, sieht „neuer Welten
kommende
Lande“ (TTW 37). „Die verlogene (väterliche) Ordnung soll gestürzt und
durch
eine ‚neue’ heroische Gemeinschaft von ‚wahrer Menschenart’
(Brüdergemeinschaft)
ersetzt werden“, schreibt seine Biografin (TTW 29). Er feiert den
neuen, den
Feuermenschen Fiur, den „Anarchos“ und „Orgiastos“, und „das heilige
Fest“ (TTW
25). Während des „Anationalen Kongresses“ im August 1917 inszeniert er,
mitten
im Mordgetümmel des Weltkriegs, das dreiteilige „Sonnenfest“. Es begann
mit dem
Sonnenuntergang am Abend, hatte seinen Mittelpunkt um Mitternacht vor
der
Grotte Gusto Gräsers, und endete mit Wiederaufgang der Sonne am anderen
Morgen.
Ein
steinerner Altar war errichtet und ragte
in den westlichen Himmel, der sich dehnte in Klarheit und Sehnsucht
über den
dunkler werdenden See; die Gestalten schritten und tanzten und
frohlockten mit
den feierlichen Worten des Dichters zum Lobpreis der lebenspendenden
Sonne vor
dem lichten, natürlichen Hintergrund, wie ihn kein Theater bieten kann
- im
Kreise saß Hans Arp und nickte Beifall. (Flach 18) Nicht
nur Hans Arp saß im Kreise, auch Hugo Ball und Emmy Hennings,
höchstwahrscheinlich
auch Hans Richter und Ernst Bloch und andere aus der Dada- und
Emigrantenszene. Später, gegen
Mitternacht, die Grillen sägten
unentwegt, die Nachtschwalbe surrte wie ein Spinnrad, da wachten die
Faune auf,
die bocksfüßigen, die ziegengehörnten, die zottigen, Kicherer,
Meckerer. Die dionysischen
Trabanten huschten durch das Dunkel des Parks, brachen aus dem
Bambusdickicht,
rissen Efeu von den Ruinen, um sich zu bekleiden, zu bekränzen,
trommelten auf
hohlen Stämmen, bliesen auf der Syrinx und durch die Finger, huschende
Lichter,
Irrlichter, hüpfen und bocken. Auf der Wiese hinten im Sonnenbad
flackerte ein
Feuer; die Sonne schlief, die Sonne war tot, die Unterirdischen
triumphierten,
die neckischen Dämonen tanzten und gellten mit Fackeln um den lodernden
Brand,
mit Bambusspeeren, mit leeren Bechern, auf Händen und Füßen zum
klatschenden,
donnernden, rasenden Trommelschlag - ein Wirbel, ein Strudel, ein Sturm
und
Zyklon... (Flach 18) Nicht
auf der Wiese im Sonnenbad, wie Flach sich fehlerinnert, sondern auf
der Wiese
vor Gräsers Felsengrotte vollzog sich das Mitternachtsspiel. In einem
langen
Fackelzug durch Wald und Fels, über Stock und Stein, begleitet von
Flötengesang
und Trommelklang waren Spieler und Gäste zu den Felsen im Wald von
Arcegno
geführt worden. Hermann Hesse war eingeladen, hatte sich aber
ferngehalten.
Dafür spielte sich sein Freund und Schützling, der junge Jakob Flach,
in den
Mittelpunkt des Geschehens. Wenn aber
jemand über das polternde Orchester
Auskunft verlangt, dann komme ich an die Reihe: Ich war der Dirigent
dieser
nachttrunkenen Spielleute mit Pfeifen, Tamburin, Trommeln und Rasseln.
Das
große Tamtam, fast eine Pauke, schlug ich; barfuß und ohne Hemd, fast
ein
Bantu, mit nichts im Kopf als Rhythmus und Ekstase, feuerte und trieb
ich die
unterdirdischen Wesen zum Höchsten, zum Letzten, riß einen Feuerbrand
aus der
Glut und tanzte rasend von Sinnen um die Flammen - bis ein letzter
mörderischer
Schrei des Knaben Totimo den Wahnsinn brach zu totengleicher Stille - Frühmorgens,
als die Sonne aufging, begrüßte
ein süßes Flöten, ein Saitengezirpe, ein Elfentanz, leichtfüßig,
barfüßig im
taufrischen Gras den neuen Tag - ein Morgenbalsam, ein Vogelsingen, ein
reines
Herz, offen der ganzen Welt... (Flach
19) Dieses
dionysische Fest, eine Feier zu Ehren der Sonne und des Gusto
Orgiastos, war
Höhepunkt und Abschluss des anationalen Friedenskongresses von 1917 -
Botschaft
des Berges an die in Schlachtfesten sich erschöpfende Welt. Maske
von Marcel Janco, der die Verkleidungen
der Tänzer geschaffen hat. |
|
Zurück |