Zurück

Hans Paasche (1881 - 1920)


 

 
Hans Paasche:


Gutsbesitzer,

Offizier,
Schriftsteller,
Lebensreformer,
Pazifist

Hans Paasche (1881-1920) wandelte sich vom Marine- und Kolonialoffizier zum Ankläger des Militärwesens und "Freund Afrikas". Er trat für Frieden und soziale Gerechtigkeit, für Umwelt-, Tier- und Naturschutz ein, bekämpfte den Hurrapatriotismus, die Todesstrafe und den Alkoholismus und wirkte für Bodenreform, Frauenstimmrecht und "natürliche Lebensweise". Wegen seiner Kriegsgegnerschaft wurde Paasche im Oktober 1917 inhaftiert und in ein Nervensanatorium gesteckt. Nach 1918 forderte er eine Abkehr vom Gewaltkult. Im Mai erschossen ihn auf seinem Gut rechtsradikale Soldaten - "auf der Flucht".

(Umschlagtext zu: Hans Paasche, "Ändert Euren Sinn!" Schriften eines Revolutionärs. Hg. von Helmut Donat und Helga Paasche. Mit einem Nachwort von Robert Jungk. Bremen: Donat, 1992)

Aus dem Nachwort von Robert Jungk:

Der "Verräter" wagte es, öffentlich die Selbstsucht und Feigheit der Herrschenden anzuprangern, die Kriege vom Zaun brachen und das Leben von Millionen opferten, während sie selbst weit vom Schuss blieben und sich ihrer Gewinne erfreuten. Dass er die Wahrheit sprach, dass er sie verbreitete, dass er Bundesgenosse der Verführten, der Bedrängten, der Ausgebeuteten, der Opfer auf der "anderen Seite" wurde, musste ihn zum gefährlichen Widersacher machen, den es zu beseitigen galt. ... Wo sind die Paasches der Jahrtausendwende, die eine zivile, solidarische und kreative Zukunft vorbereiten?

(Ebd. S. 263f)

Dass er als Marineoffizier selbstverständlich mit allen, die ihm unterstellt waren, von gleich zu gleich verkehrte, dass er die Afrikaner nicht als Kolonialherr behandeln wollte, dass er auf seinem Gute mit denen, die dort arbeiteten, ohne jeden Standes- oder Bildungsdünkel ins Gespräch kam und sich für ihre Interessen einsetzte, haben ihm nicht einmal seine nächsten Verwandten verziehen. ... Aber dabei bleib es nicht. Der "Verräter" wagte es, öffentlich die Selbstsucht und Feigheit der Herrschenden anzuprangern, die Kriege vom Zaun brachen und das Leben von Millionen opferten, während sie selbst weit vom Schuss blieben und sich ihrer Gewinne erfreuten. Dass er die Wahrheit sprach, dass er sie verbreitete, dass er Bundesgenosse der Verführten, der Bedrängten, der Ausgebeuteten, der Opfer auf der "anderen Seite" wurde, musste ihn zum gefährlichen Widersacher machen, den es zu beseitigen galt. ... Wo sind die Paasches der Jahrtausendwende, die eine zivile, solidarische und kreative Zukunft vorbereiten?  (Ebd. S. 263f)

Gräser-Postkarte von Hans Paasche an Fidus, vermutlich von 1914

(Fidus beteiligte sich an der Grossen Berliner Kunstausstellung dieses Jahres):

Lieber Herr Fidus - ! Wollen Sie bitte, was ausgestellt werden soll, am 1. XII. sogleich an Herrn Hans Krakau Charlottenburg 2 Knesebachstr. 80/81 pt. senden, auch die Lichtbilder. Es ist große Beteiligung. Wollen Sie am 1. XII. schon um 8 h dort sein zur Vorbesprechung? Ihnen u. Ihrer Frau, Herrn B. und Frl. P. [ = Prellwitz ?] herzliche Grüße.  Paasche.

 

Dieser Freundeskreis bildete sich im Anschluss an Gräsers Auftreten beim Freideutschen Jugendtag auf dem Hohen Meißner. Bei diesem Treffen dürfte Paasche erstmals Gräser begegnet sein. Er schreibt: „Auf dem Freideutschen Jugendtage im Herbst 1913 aber wurde mir klar, dass die Grundlagen für eine deutsche Zukunft nur geschaffen werden konnten, wenn man tiefer grub, als es mir mit meiner geistigen Ausrüstung möglich war. ... Seit 1912 kenne ich die Ernährungsfragen und die vegetarische Bewegung, seit 1913 den Pazifismus.“

Dem Friedenskämpfer Hans Paasche, der ein Opfer nationalistischer Soldateska wurde, hat Gerhart Hauptmann in seinem Epos ‚Till Eulenspiegel’ ein ehrendes Denkmal geschaffen, einen mitfühlenden Nachruf:

"Hör es, Sonne! Und höre es, Wald! Auch du, Erde, vernimm es!
Hört und rächt es, ihr Tiere und Geister des Feldes! Sie haben
meinen Bruder, den Evangelisten des Herrn Herrn erschlagen!"

(DEW 178)

Nach Hauptmann hatte der Großgrundbesitzer Paasche das urchristliche Gebot "des Herrn Herrn" durch die Tat verwirklicht. Denn er lässt ihn also sprechen:

"Jedermann steht hier jegliches frei, der mit billigem Anspruch
dem Besitzstand sich naht, welcher mein und doch wieder nicht mein ist.
 ... in Wahrheit, ich bin nur Verwalter, ich bin nur Amfortas. ...
Meine Pflüger und Mähder, Verwalter und Schäfer sind meine
Brüder. Aber ich bin der geringste von allen."                     

 (DEW 170)

Hauptmann, der selbst ins nationalistische Horn geblasen hatte, leistet hier ein Stück Gutmachung und Abbitte bei dem Verfolgten:

„Damals sollten wir faul sein,
als es hieß, das Gewehr zu ergreifen, zu rennen im Sturmlauf,
die Geschütze zu lösen, die Mördergranate zu schleudern:
solche Faulheit erforderte Mut und das Opfer des Lebens!“                                                                                                     (DEW 169)

Er macht seinen Till zum Zeugen des Anschlags auf Paasche, den er in die Nähe der Gralshüter rückt (dessen Name aber nirgends genannt wird und selbst Kennern des Dichtwerks unbekannt blieb):

Wirklich fällt nun ein Schuß in der Gegend der seltsamen Gralsburg,
die geheimnisumhüllt in das rollende Echo hinabblickt. …
„Sie haben
Park, Gehöfte und Wohnung umzingelt!“ hört Till …
„Halt!“ – Jetzt sieht er den jungen Soldaten, die Flinte im Anschlag. –
„Kehrt!“ – Er wirft sich herum. Und als wär’ ihm der Tod auf den Fersen,
 läuft der sinnlose Mann wieder dort hinauf, wo er herkam. …
„Steh!“ Schon blitzte der Schuß aus dem Rohr, ja, schon krachte ein zweiter –
dann verstummte die Welt …Es quollen die Augen
ihm voll Grauen hervor aus den Höhlen, sie bohrten den Blick in
Tillens Auge, als gält’s, ihm unnennbare Dinge zu künden.
„Bruder! Bruder!“ rief Till …

 (176 ff.)


Literatur zu Hans Paasche (1881 - 1920)

Donat, Helmut

"Auf der Flucht" erschossen... Schriften und Beiträge von und über Hans Paasche. Bremen 1981.

Donat, Helmut und Holl, Karl (Hg.)

Lexikon der Friedensbewegung. Organisierter Pazifismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Düsseldorf 1983.

Hauptmann, Gerhart

Till Eulenspiegel ...  In GH: Das erzählerische Werk. Ullstein Werkausgaben, Band 4, Frankfurt/M. 1981. Das dritte Abenteuer.

Hauptmann, Gerhart

168  Dafür sah er – es hielt sein Gehäuse am Rand eines Fischteichs - / einen angelnden Mann. Er war nackt, es verhüllte ein Schurz nur / seine Scham. …

Holl, Karl

Pazifismus in Deutschland. Edition Suhrkamp. Frankfurt/M. 1988.

Lange, Werner

Hans Paasches Forschungsreise ins innerste Deutschland. Eine Biographie.

Lange, Werner

142  Meißner ... Burg Hanstein. Es sprach auch Hans Paasche.

144 Aufführung der 'Iphigenie' im Festzelt und mit Telegrammen an den Kaiser. ... Paasche lernte auf dem Meißner den damaligen Medizinstudenten Friedrich Wolf kennen, der ihn späterhin zum Vorbild einer Gestalt in der 'Kolonne Hund' wählte. Er traf erstmals seinen treuen Freund Walter Hammer (eigentlich Walter Hösterey), mit dem er seit einiger Zeit korrespondierte und der Jahre danach immer wieder das Gedenken an Paasche wachhielt.

145  Ludwigstein ...beherbergt ...ein HP Archiv.

147  "Lebensreform ist eine Weltanschauung und führt in eine neue Welt" (HP).

171 Sieht man ab von Magnus Schwantje, der sich dienstuntauglich hungerte, so bekommt Paasche lange Zeit keinen Mitstreiter zu Gesicht.

Lütgemeier-Davin, Reinhold

Lebensreformer, Anti-Preuße, Revolutionär: Hans Paasche (1881-1920). In: Jahrb. d. dtsch. Jugendbewegung 13, 1981, S. 187-194.

Morris-Keitel, Peter

Paradiesische Zustände. Zu Hans Paasches Weltnaturschutzkonzept. In: Jost Hermand (Hg.), Mit den Bäumen sterben die Menschen. Zur Kulturgeschichte der Ökologie. Köln 1993. S. 221-240.

Paasche, Hans

"Ändert Euren Sinn!" Schriften eines Revolutionärs. Hg. von Helmut Donat und Helga Paasche. Mit einem Nachwort von Robert Jungk. Bremen: Donat, 1992.

Paasche, Hans

56   Auf dem Freideutschen Jugendtage im Herbst 1913 aber wurde mir klar, dass die Grundlagen für eine deutsche Zukunft nur geschaffen werden konnten, wenn man tiefer grub, als es mir mit meiner geistigen Ausrüstung möglich war. ... Seit 1912 kenne ich die Ernährungsfragen und die vegetarische Bewegung, seit 1913 den Pazifismus.

Schwantje, Magnus

Hans Paasche. Sein Leben und Wirken [Flugschriften des Bundes Neues Vaterland, Nr. 26/27], Berlin 1921.


Zurück