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Gusto Gräsers „Brieflein Wunderbar“ an die Stadt Stuttgart |
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Flieg B r i e f l e i n W U N D E R B A R funk schür entzückezünd F R O H G E I S T E R S T R E I T vielleicht vielleicht der Dunder gar E R D S T E R N S D O C H B L Ü T H E Z E I T ! + + + + + + + + + Gusto Gräsers Sendbrief an seine Freunde in Schwaben, entstanden im Winter 1955/56, in ausgewählten Blättern, Bildern und begleitenden Texten. Inhalt:
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Aus "Siebenbürger Zeitung" vom 1.5.2012:
Am 30. März referierte Hermann Müller aus Freudenstein bei Maulbronn im Stuttgarter Haus der Heimat über „Gusto Gräser – Wanderer und Waldgeist“. Dabei präsentierte der Germanist und Philosoph, der Gräser persönlich kennenlernen durfte, dem interessierten Publikum an diesem, wie er sagte, „historischen Tag“ eine Botschaft Gusto Gräsers an die Stadt Stuttgart. Ein historischer Tag deshalb, weil genau auf den Tag vor 56 Jahren Gusto Gräser ihm den Auftrag gegeben habe, der Stadt Stuttgart sein „Brieflein Wunderbar“ zu übermitteln. Dieser Postbotenpflicht wolle er hiermit verspätet nachkommen. Gusto Gräser, 1879 in Kronstadt geboren, der „Normierungs-, Verdummungs-, Knechtschafts- und Kriegsdienstverweigerer“, ein Aussteiger, Philosoph, Maler, Schriftsteller und Andersdenkender, der von Hans Bergel im selben Vortragsraum vor ziemlich genau zwei Jahren als Deutschlands erster Grüner bezeichnet wurde, hatte eine ganz besondere Beziehung zur Stadt Stuttgart. 1913 weilte er zusammen mit seinem Bruder, dem Maler Ernst Gräser, erstmals in Stuttgart. Es entstanden im Angesicht des Ersten Weltkrieges kriegskritische Zeichnungen. Gusto Gräser hielt im Zeichen des Freiheitsdichters Friedrich Schiller unter der Schillereiche im Bopserwald seine Waldandachten, zu der seine Anhänger aus ganz Württemberg anreisten. Gräser vertrat die Ansicht, dass im Schwabenlande, wo die großen deutschen Dichter und Denker wie Schiller, Hölderlin und Uhland, aber auch seine Freunde Hermann Hesse, dessen Mentor er war, und Martin Heidegger ihre Wiege hatten, „auch ich den Nährboden für meine Gedanken finden werde“. |
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Doch Gräser wurde mit der Begründung „Erregung
öffentlichen Ärgernisses" (während seiner Vorträge auf den Marktplätzen
kam es zu Menschenaufläufen und außerdem verkaufte er seine Schriften
ohne Gewerbeschein) des Landes verwiesen. Er wurde wegen
Kriegsdienstverweigerung zum Tode verurteilt und wartete in der
Todeszelle im österreichischen Innsbruck drei Tage auf seine
Hinrichtung, ohne zu widerrufen und sich damit das Leben zu retten.
Nach drei Tagen wurde er schließlich in ein Irrenhaus entlassen. Das Schwabenland aber trug er im Herzen als die „Herzgegend Deutschlands“. Das Symbol Gräsers ist der Baum oder auch der „Weltbaum“. So fand man ihn auch meistens in einer Astgabelung sitzend: schreibend, zeichnend oder meditierend. Gräser war „kein Untergangsprophet, sondern das krasse Gegenteil, er kämpfte für eine neue Blüte der Menschheit“. Und Stuttgart traute er zu, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen. Im Stuttgarter Schlossgarten haben sich, so Müller, vor eineinhalb Jahren Menschen an die Bäume gekettet und dort gewohnt, ganz nach dem Lebensmotto Gräsers: „Ich bin im Baum“. Und just in Gräsers geliebtem Stuttgart ging letztes Jahr seine grüne Saat auf und wir haben in Winfried Kretschmann den ersten grünen Ministerpräsidenten Deutschlands. Auch bei uns Siebenbürger Sachsen scheint sich eine gewisse gedankliche Öffnung aufzutun, war doch der Grüne Winfried Kretschmann immerhin Schirmherr unseres letzten Verbandstages im November 2011 in Gundelsheim. Doch zurück zu Gusto Gräser: Ein anderer großer Landsmann, Oskar Müller, sagte über ihn: „Wir wären damals alle für ihn durchs Feuer gegangen“. |
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Entwurfsblätter Entwurfsblätter zum ‚Brieflein Wunderbar’ von 1956 |
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Aus gutem
Grund fielst grade Du mir ein,
uns, Uns, ernstschwerer Schwab - und Uns ein Stein vom Herzen. Ist doch der Grundwaltrin T R E U allerste Wehr das heilge Schwer, vor dem die Schwierighex, die Schläu - Allbrunnvergifterin - hinweichen muss! Hah, Wackerschwab, wer hat, die Trugpest auszumerzen, rundum im Land mehr als wie Du dat Zeug dazu? Da fällt mir ein: Kommst vor mir heut in unsrer Wüstenzeit, drein 's Herz als wie ein Hirsch nach Wasser schreit, wie jener Pumpebronn im Ländle Dein - - - So'n Halbjahrhundert ist's wohl her. Heiss brannt Hochsommerglut, mir Wandersmann dörrend das Blut, den Mut - - - da endlich, endlich, in uralter Bäume Schatten ein Bauernhof und mittendrein der Brunn, der Dir so ähnelt. Ich , von dem Anblick schon erfrischt , hub freilich an mit aller Kraft draufloszupumpen - doch wehoweh - nichts, nichts - kein Tröpflein trieft er mir, der doch so traut vertraunerweckende Alteichenstumpen - - - Da kracht ne Tür. Die Bäurin kommt, breit, urbehaglich, aber munter kommt sie, erinnert sehr mich an Urmutter N O T - behutsam bringt sie eine Trinkeschal - ich, freilich meinend, mir nen Trunk zu spenden, streck schon die Hand - nixda - werd abgeblitzt - und all die Wonnelabe glitzgleitet flink hinein ins Brunnenrohr - - - Da steh ich Depp und komm mir wahrlich sehr bedeppert vor. Doch nitzulang - potzblitz, wat geht da los? Der Schwengel fliegt – dat Pumpzeug ziegt, ankleckt der Sog und plätscherplaudernd in den Brunnentrog rinnt lauter Glück! Hinsink ich, hin - gluckschluckeschluck - und trinketrink tiefdurstentbrannt, froh, immer frohr, Rausch, Allerinnrungsrausch aus dem Urheimatborn, aus holdem Schwabenland - - - leibseelerquickend herzentzückenden Wildwelthumor! |
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O Sänger Du, der wie auch krank, sich doch und doch hinein ins Weltherz schwang, du Tiefempörter, Geistkämpfer, Spieler, du unerhört wildedler Schwab, Weltadler Schiller! - Bist doch nicht tot, so heut wie je im ewgen Morgenrot glüht dein Gedicht voll Schöpferglück, voll Wahrheitheil, und was Wir sind, sind wir dank deinem Mut. * "Dass der Mensch zum Menschen werde, stift er einen heilgen Bund gläubig mit der frommen Erde, seinem mütterlichen Grund!" - Das klingt nach Mann, klang längst aus schwäbschem Mund voll Urgemüt, durch seinen Dichter ward es längst uns kund - - - Kam nit von Rechts, von Links, aus Halbheit, Schiefe, denn aus Weltmitteltum, aus - R I N G S - gelang's, aus Inbrunsttiefe, grundeignem Drang - und hätt die Welt schon damals heimgesungen, geschwungen, hah, wär ihm von seiner Höh, der blaublutkühlen, was wen'ger gscheidt, dafür voll Freundesfühlen, voll Freundblutröte, heruntherunter Herr Hofrat Goethe wacker beigesprungen - - - Hei, hätt das Weltherz da - Uns - g'sundgelacht! Doch halt - verzeiht - wärwär - hätthätt - zu flau gedacht - - war noch nit reif, die Zeit, heut aber ist sie's - und weh - wenn überreif, dann fäult, vermiest sie's: Ihr Heilmahl - Hochzeitmahl - der Hirn und Herzen G r u n d g e i s t e s k o s t ! Wohlauf, hier, dort, in Nord - Süd - West und Ost - voran im Schwabenland - geniessend sie zum Allgeist zu genesen durch seines Notlieds Trost! Voll der Stillgewalt Siegesklang, wie's jenem Sänger an die Freude, nur weil noch Ganznot schlief - nit - ganz – gelang. Hah, Freunde, jah - ein Blitzgottfunk, ein ahnungsgrohser - und in Mannherz alldrein schwingt weiter wieder der uraltjung neuneugeborene Geistkämpfer, Spieler: W e l t a d l e r S c h i l l e r ! - Ist doch nit tot. Im ewgen Morgenrot glüht sein Gedicht, das heut wie jeh uns sprosset, sprüht und spricht - uns allealln, die herzganz hingegeben, kindhaftig rein mit ihrer Seel, mit ihrem Vöglein leben ins Blau hinein, heiho, trutz allem Graun ins Grüne traun. Freiwiegewag hinein hinein in den allpaarend donnersonnigen, den trutziglicht, dornrosenwonnigen, den treugetrosten Jungäonentag! * |
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Schillereiche, 31.3. 2012
Hah, Freunde, jah – ein Blitzgottfunk, ein ahnungsgrohser - und in Mannherz alldrein schwingt weiter wieder der uraltjung neuneugeborene Geistkämpfer, Spieler: Weltadler Schiller! Ist doch nit tot. Gusto Gräser: Brieflein Wunderbar |
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Ich nicht - Du nicht - Wir leben, o Freund, wir Alle nur wirken die Wirklichkeit! Wer könnte sterben, da doch kein Einzelner lebt? Schau den Lebendigen - sich innig verwendend starrt ihm kein Ende, stört ihn kein Tod. Aufgehend im Eben lässt auf ihn das Leben blühn, weil er Ihm traut, ist Es ihm grün. "Dein bin ich, ich bin dein", raunt es durch Wald und Hain - "Ich auch, ich auch, ich auch!" jauchzt es von Baum und Strauch: Horch - auch - in - Dir! * |
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* Herz - ist - bereit - Es führt den Tanz - Herzgegend nur beginnet RrrEingang ins heitre Ganz! Drum seid gegrühst, ihr Herzgeselln im Württemberge! Wär's nit das best, tiefbass allbest zu unsrem Notwendwerke, Gemeingedeihn, hieda zusammzusein - - - ba - keine - Frag! Stuttgart- nach all dem Trauertran, dem öden Trümmern, fiel's froh mir ein, dass du ja immernoch in deinem Heimtal kauerst, und immerdoch, nur was getrutzger wohl, drein dichtest, trachtest, spinnst und baust und bauerst - - - Horchmal - sagmal - fühlst du nit auch - - - ha, Dunder - keine Frag - Stuttgart! - Allwelt - ihr Notmund ruft: Bist uns berufen, heimlich auserlesen, Gutstart zu sein, RINGHORT zu sein dem notgen Weltgenesen: "Heimkehr zur Wirklichkeit!" * |
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"Nichts anderes lebt als aus innerstem Drang - Feind alles Blühenden ist der Zwang!" Jah - der ist Mord, ist Starrrecht, Störrecht, Vergewalt - doch D R A N G voll unergründlichem Grundwurtselfassen ist tiefgelassen sonnige Gewalth - Frohwaltekraft, fern aller Schriftlichkeit, aus Redlichkeit flammt sie, voll Blutsaftkraft blüht Geistgestalt! Hah, Schwab, du Ehrlichhaut, musst du nit auch so aus Heilinbrunst leben, darfst noch so weiter kleben an der Statutesstotterei, dem Stuss, als lebtest du zur Straf, zum Sklav verbannt, zu Herrn von Dieblumpat beordert, wo Manngeist dein doch Freundsein von Dir fordert? Der Dunder, Du - dat bist doch satt - hetscht wirklich dirftig needigers zu daun als Kratebäbbele ond 's Vegele dei verhongrelongre lau! Buu, Spass beiseit, den Stuss den Schlappschlaraffen! Hah Du, dass endlich Menschenwürde uns gedeiht, trutz Sklavgeschlaich, trutz Staatsgesindelzucht, brennt's zu erkennen, zu entzeugenzücken, trutz all dem Statusteich, das Jungäon mit seinem R I N G R U H R E I C H ! * * * * * |