Diefenbach, das vergessene Vorbild von Fidus (Hugo Höppener):

   

Berühmt ist das Gemälde „Lichtgebet“ von Fidus (links); es gilt als Ikone der Jugendbewegung und zugleich der Lebensreform. In jedem zehnten Haushalt soll früher eine Kopie gehängt haben. Es stand für das Lebensgefühl einer Epoche, für den Jugendstil um 1900. In verschiedenen Ausstellungen wurde es immer wieder gezeigt, so auch 2013 im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg im Rahmen der Ausstellung „Aufbruch der Jugend“.

Völlig unbekannt ist dagegen die Plastik seines Lehrers Karl Wilhelm Diefenbach (rechts), die ihm als Anregung und Vorbild gedient haben könnte: der „Sonnenknabe“, der die Hände verehrend dem Tagesgestirn entgegenstreckt. (Sein dichterisches Gegenbild hat er im „Sonnensohn“ Gusto Gräsers.) Weder in den Ausstellungskatalogen der Münchner Stuck-Villa (2009) oder der Wiener Hermes-Villa (2011) noch in wissenschaftlichen Abhandlungen wird diese Statue erwähnt. Allerdings ist sie, in einem Nebenraum der Certosa auf Capri abgestellt, für die Öffentlichkeit so gut wie verschollen. Auch wissen wir nichts über den Zeitpunkt ihrer Entstehung. Sollte sie erst parallel zu den Gemälden von Fidus entstanden sein, so hätten  wir in ihr immerhin ein plastisches Gegenstück. Unzweifelhaft ist in jedem Fall, dass Fidus das Bildmotiv von seinem ehemaligen Meister geerbt hat.