|
Protesterklärung von
Freunden aus der Jugendbewegung
an die Stuttgarter Polizeidirektion gegen Gräsers Ausweisung aus Deutschland im Sommer 1915 |
||||||
|
|||||||
Wir
bedauern aufs Tiefste, dass in Zeiten, wo sich das deutsche Volk
wirklich auf sich selbst besinnen sollte, noch die Möglichkeit
gegeben ist, den Ruf Deutschlands im In- und Auslande durch
Meisterstücke der Bürokratie, wie die Behelligung
Gräsers eins ist, zu schädigen. Wenn nicht durch die
Pressezensur der Fall Gräser nach Möglichkeit der
Öffentlichkeit vorenthalten würde, wäre eine
weitergehende Stellungnahme in diesem Sinne sicher zu verzeichnen.
– Wenn wir auch mit Gräsers Anschauungen nicht im allgemeinen übereinstimmen, uns nicht als Gesamtheit mit ihm identifizieren wollen, so müssen wir doch die Ausweisung als symptomatisch dafür betrachten, dass deutschen Behörden gegenüber ehrliche Überzeugungen rechtlos sein können, wenn sie obrigkeitlich nicht als genehm empfunden werden. Dagegen müssen wir im Interesse der Wahrhaftigkeit aufs schärfste Einspruch erheben, zumal uns Gräsers ursprünglich-naturhafte Lebensauffassung als etwas durchaus Achtbares erscheint.
|
|||||||
Die Unterzeichner Max Hodann und Jakob
Feldner Der Unterarzt Max Hodann (1894-1946) wurde später als Sozialist
und Sexualreformer eine herausragende Persönlichkeit. Als Leiter des Berliner
Gesundheitsamts und als Kollege von Wilhelm Reich am Sexualwissenschaftlichen
Institut war er durch seine Praxis und mehr noch durch seine Bücher ein führender
Sexualaufklärer der Weimarer Zeit. "Hodanns Arbeit kann in ihrer Tragweite
nicht leicht überschätzt werden. Der Kampf gegen die Unnatur der bürgerlichen
Gesellschaft auf dem Gebiet der Geschlechtsbeziehungen und die Überwindung
ihrer Heuchelei ist ein wichtiges Stück des Befreiungskampfes der
Arbeiterschaft zum Wohle der ganzen Menschheit", schrieb die Wiener
Arbeiter-Zeitung am 12. September 1928 . Hodann, auch „Hoden-Maxe“
genannt, soll bestimmenden Einfluss auf Annie und Wilhelm Reich gehabt haben. In
seinem Roman ‚Ästhetik des Widerstands’ hat
ihm Peter Weiss ein literarisches Denkmal gesetzt. Hodann war offensichtlich der Kopf der hier versammelten
Berliner Freideutschen. Er muss Gräser 1911/12, als damals Achtzehnjähriger, in
Berlin kennengelernt haben. Dort gehörte er zum linkspazifistischen Flügel der
Jugendbewegung um Ernst Joël. Zusammen mit Jakob Feldner kämpfte er in der
'Centralarbeitsstätte für Jugendbewegung' gegen die Militarisierung der Jugend.
Zusammenarbeit mit dem pazifistischen ‚Bund Neues Vaterland’,
Redakteur der ‚Schriften zur Jugendbewegung’,
Mitbegründer des Internationalen
Jugendbundes. Gemeinsam mit Walther Koch brachte er
1916 eine Flugschrift heraus: ‚Die
Urburschenschaft als Jugendbewegung’. Durch die darin betriebene
Heroisierung der „Gießener Schwarzen“, ihres Anführers Karl Follen und des
Attentäters Ludwig Sand war dies eine kaum verhüllte Aufforderung zum
politischen Umsturz. Der Demokrat Karl Follen propagierte den „Tyrannenmord“. Die genannte Schrift wollte die Jugendbewegung
in die Traditionslinie der „Urdemokraten“ stellen. Max Hodann |
|||||||
Oben Zurück |
Und das schreibt Gusto am 7. August 1915 ins Gästebuch des Geistersehers Christian Wagner in Warmbronn bei Stuttgart, der sich ebenfalls gegen seine Ausweisung eingesetzt hatte: |