Vor fünfzig Jahren, am 27.
Oktober 1958, starb der Maler, Dichter und Naturphilosoph Gustav
Arthur (genannt Gusto) Gräser in Freimann bei München. Das
Haus des Deutschen Ostens widmet dem gebürtigen Siebenbürger
Sachsen aus Kronstadt eine Veranstaltungsreihe und dokumentiert das
Leben des Weltenbummlers zwischen Siebenbürgen, Wien, der Schweiz
und Bayern. |
Im Herbst
1900
wanderten sieben junge Menschen von München über die Alpen,
um im Süden eine Kolonie der freien Liebe zu gründen.
Oberhalb von Ascona am Lago Maggiore entstand die Siedlung Monte
Verità, die zur Wiege der Alternativbewegung wurde. Ihr
Vordenker war der Dichter und Maler Gustav Arthur Gräser, der
1879 in Kronstadt in Siebenbürgen geboren wurde. Durch sein
Leben ausserhalb der Regeln der Gesellschaft wurde er zum Symbol für
Aufbruch und Neubeginn, zum Vorläufer der Friedens- und
Umweltbewegung. Der Hüne mit dem langen Rauschebart gilt
gemeinhim als der erste Aussteiger, der erste Hippie. Dichter wie
Gerhart Hauptmann und Hermann Hesse erhoben ihn in mythischen Rang.
Kulturhistoriker sehen ihn heute als „Ghandi oder Laotse des
Westens“. Als Gräser 1926 wieder mal aus Bayern ausgewiesen
werden sollte, schrieb Thomas Mann: „Dieser Mann ist reinen Herzens
und liebt Deutschland. Er meint es gut und freundlich mit uns, und
gut und freundlich sollte man ihm begegnen.“ Denn immer wieder warb
Gräser bei den Menschen für den Frieden, gegen die Rüstung,
gegen die Staatsgewalt.
Gräser hauste
im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in der Felshöhle
„Pagangrott“ bei Arcegno, ernährte sich von Nüssen und
Gemüse und ignorierte die Zwänge der Zivilisation. Diese
Radikalität ist beeindruckend, gleichwohl ist sie nur das äussere
Anzeichen für das wirklich Spannende, nämlich die innere
Gestimmtheit. Der Vordenker einer neuen Menschheit ohne Herr und
Knecht und Zerstörung der Natur, Ikone mehrerer Jugendbewegungen
und Leitfigur neugegründeter Parteien, die von heute aus gesehen
als Vorläufer der Grünen gelten können, starb 1958
vereinsamt in seiner Dachkammer in München-Freimann, ohne eine
einzige Zeile seines grossen Werkes je in Buchform gedruckt zu sehen.
Udo
Acker |