Adolf
Stocksmayr wurde am 23.7.1879 in St. Pölten geboren, im selben Jahr
wie Gusto Gräser. Gelegentlich finden sich auch die Schreibweisen:
Stocksmayer, Stocksmeier oder Stocksmayr. Er selbst hat, um sich als
Künstler abzuheben, das „e“ im ursprünglichen Familiennamen
gestrichen. Die k.k. Akademie der bildenden Künste in Wien
führte ihn von 1900 bis 1902 als Gasthörer in der Allgemeinen
Malerschule. 1904/05 hielt er sich für einige Zeit in Locarno und
Ascona auf, wie aus einer Postkarte vom 30.12.1904 an seine
Lebensgefährtin hervorgeht. Auch Johannes Nohl erwähnt ihn in einem
Brief an Fritz Brupbacher vom 8. Januar 1905.
Hansjörg Straub, Biograph und Lokalhistoriker in Überlingen am Bodensee, hat Stocksmayrs Lebensgeschichte erkundet: In den Jahren bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs wechselte er häufig den Aufenthaltsort, lebte zeitweise in Unterradlberg/Niederösterreich, war viel mit Skizzenblock, Aquarellfarben und Fotoapparat unterwegs, arbeitete in der Glasindustrie im nördlichen Böhmen, im Forst im Waldviertel Niederösterreichs als auch in Wien als Porträtmaler. 1913 hörte er in München Rudolf Steiner und wurde Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft. Beim Bau des ersten Goetheanums in Dornach wurde er in den Künstler- und Handwerkerlisten geführt. Doch schon 1914, nach Kriegsausbruch, zog er mit seiner Familie in die Täler um den Lago Maggiore, wo er eine Mustersiedlung in der Art Karl Gräsers errichten wollte. Nachdem dieses Unternehmen gescheitert war, übersiedelte er vollends auf den Monte Verità über Ascona. Stocksmayr wurde zeitweise Mitarbeiter und Mitglied Nr. 24 in der „Social-Vegetarisch-Anationale(n) Gesellschaft“ von Henri Oedenkoven. Er befreundete sich mit dem Dichterpropheten Gusto Gräser und lebte zusammen mit dessen Familie. Stocksmayr geriet in den Bann dieses seines Vorbilds, ließ Bart und Haare ungeschoren, trug eine gräserähnliche Tracht und scheint eine Zeitlang gewandert zu sein. Wie Gräser war er mit der lebensreformerisch gesinnten Freidenkerin Elena Chamier verbunden. Dass sie ihre Kinder in eine Reformschule bringen wollten, führte Stocksmayr und Chamier in die Landschulkommune Höllsteig bei Überlingen und später auch Gräser an den Bodensee. Aus der Hütte, die ihm die Freundin dort zur Verfügung stellte, wurde er freilich durch die Bevölkerung bald vertrieben. Nach dem Ende des Weltkriegs hatte sich in Ascona um die Schriftsteller Bruno Goetz und Robert Binswanger ein Künstlerkreis gebildet, zu dem zeitweise auch Mary Wigman, Werner von der Schulenburg und Friedrich Glauser gehörten. Offenbar auch Adolf Stocksmayr, denn wie andere Maler am Ort (darunter Hermann Hesse, Jawlensky, die Werefkin und Paul Klee) stiftete er 1922 Bilder für das entstehende kommunale Kunstmuseum von Ascona. Bruno Goetz, Robert Binswanger und andere zogen 1923 nach Überlingen am Bodensee. Nachweisbar ist Stocksmayrs Aufenthalt am Bodensee erstmalig 1920, aber in den kommenden Jahren hielt er sich zeitweise im Bregenzerwald, in der nördlichen Schweiz als auch in Konstanz auf. Seit 1927 lebte er bis zu seinem Tod in Überlingen am Bodensee. „Stocksmayr
lebte all die Jahre bis wenige Monate vor seinem Tod in einem Zimmer
im sog. Dorf, einem Stadtteil Überlingens. Es gibt noch eine ganze
Reihe Menschen, die sich gut an ihn erinnern, und die auch noch
Gemälde von ihm haben, weil er für gelegentliche Hilfe Bilder
verschenkte. Gemalt und gezeichnet hat er immer und überall, das ist
auch amtlich vermerkt und eigentlich wundern sich alle, weshalb
er so bettelarm geblieben ist. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit
erinnert man sich noch an seine Weltverbesserungsideen, seine wohl
manchmal verschrobene Philosophie, aber ganz besonders an seine
Freundlichkeit, mit der er allen begegnete. Diese
Freundlichkeit ist auch ein Grund, weshalb man der Stadt die
schmähliche Räumung aus dem Zimmer und die Abschiebung in ein
Barackenlager, in dem er dann einige Monate später verstarb, nur
schwer verzeiht. Mehrere Menschen erinnerten sich sofort daran, dass
er ‚verhungert’ sei, dass man die übriggebliebenen Bilder
‚verbrannt’ habe, und dass es ‚eine Schande’ sei.“
H.S.
in einem Brief an H. M.
In
einem Zeitungsartikel über Stocksmayr schrieb der Autor Theodor W.
Elbertzhagen:
„Da
bückt sich im Ueberlinger Stadtgarten ein Mann im groben Leinenanzug
über ein Polster violett blühenden Steingeflechts. Wohl zehn
Minuten lang bleibt er so stehen, als wolle er jede einzelne
der hundert kleinen Blüten betrachten. Endlich richtet er sich auf,
beugt sich aber schon wieder über ein weißblühendes Polster,
ebenso lange, und dann in gleicher Weise über den benachbarten
gelben Blütenschaum. Schließlich fährt die eine Hand des Mannes
sanft kosend über die drei bunten Kissen, und langsam steigt er den
schräg am Hang hinansteigenden Pfad hinauf, jeden Baum, jeden
Strauch, von den Wurzeln bis zum Gipfel anschauend, bückt sich
plötzlich wieder, richtet sich auf, hält suchende Umschau, holt von
einer nahen Erdbruchstelle drei Hände voll Erde und schüttet sie
sorgsam auf einen toten Sperling, den er am Wegsaum gefunden.
Das alles ist an sich nichts Auffallendes und doch ist es im tiefsten Sinne Wesenheit des Menschen und Malers A. Stocksmayr.“ Theodor
W. Elbertzhagen in der Bodensee-Rundschau vom 18.Oktober 1944, S. 3
Die
äußere Realität dieses Künstlerlebens sah weniger poetisch aus.
Dazu der Chronist Hansjörg Straub:
„Am
stärksten berührt sein Ableben. Die Geschichte, die jedem zu Ohren
kommt, der seinen Namen erwähnt, gräbt sich in die Erinnerung ein,
ist eingegangen ins Bewusstsein der Stadt. Sie erzählt von seinem
Ende im Goldbachlager, einer Barackensiedlung für die Ärmsten der
Gemeinde. Dort verwahrte man ihn in den letzten Wochen bis zu seinem
Tod. Er war bereits in hohem Alter und aß nichts mehr. In einem
Sessel saß er und sei am Ende darin nicht mehr aufgewacht. Aus
seiner Wohnung in der Aufkircher Straße war er ausgewiesen worden.
Zwangsgeräumt. Die Stadt hatte über viele Jahre hinweg die Miete
für ihn bezahlen müssen, die Einrichtung war nicht mehr
weiterverwendbar, Verwandte zu diesem Zeitpunkt nicht ausfindig zu
machen. Das Aufräumen überließ man städtischen Arbeitern. Die
Gemälde, die Mappen und die Papiere wurden aus dem Fenster geworfen
und verfeuert. Begraben wurde er drei Tage nach seinem Ableben in
einem Reihengrab im „Abteil 22“ des städtischen Friedhofes. Die
Grabstätte gibt es nicht mehr.“
Straub,
Hansjörg:
Ein feiner Mensch, aber ein armer Teufel. Der Maler Adolf Stocksmayr. In: Leben am See. Jahrbuch des Bodenseekreises. Band XXIII. Hrsg. vom Bodenseekreis, der Stadt Friedrichshafen und der Stadt Überlingen. 2006. ISBN 3-88812-524-3. S. 120 - 132
Adolf
Stocksmayr war in Ascona in engerem Kontakt mit den Gräsers. Nachdem
Gusto sich 1917 von seiner Familie getrennt hatte, rückten die in
Ascona Zurückgebliebenen noch näher zusammen. Ein Foto zeigt Rosa
Krause, die Lebensgefährtin Stocksmayrs, wie sie ihren Kindern und
der Gräsertochter Heidi aus einem Märchenbuch vorliest.
Offensichtlich wohnten die „Stocksmayrs“ nun auf dem
Gräser-Grundstück. In einem Brief an Adolf vom August 1918 spricht
Gusto von den beiderseitigen Kindern wie von einer
Familie.
Das Museo Comunale von Ascona, zu dessen Gründung er Gemälde beigesteuert hatte, zeigte in seiner Jubiläumsausstellung von 2010 auch Fotos und Werke von Stocksmayer. Andere Hinterlassenschaften des Malers und Lebensreformers befinden sich im Museum Casa Anatta auf dem Monte Verità. Stocksmayer fotografierte um 1917 Gusto Gräser, skizzierte Elisabeth Gräser und einige ihrer Kinder. Offenbar angeregt durch die Tanzschule Rudolf von Labans entstanden in dieser Zeit zahlreiche Tanzbilder. Stocksmayr nahm am „Sonnenfest“ vom August 1917 teil. Im Jahr 2010 gelingt es Hansjörg Straub einen Kontakt zu einem Stocksmayr-Enkel in Wien herzustellen, der überraschenderweise noch über eine große Anzahl Werke aus dem Nachlass Adolf Stocksmayrs verfügt. Der Künstler konstruierte während seiner Akademiezeit Türme. Links: AS Turm Knospe, Stahl, Kupfer, Glas, Fliesen. 60m Basis. Adolf Stocksmayr 1900 Rechts:
AS Turm Libell Stahl und Glas. Adolf Stocksmayr 1900 1925 war Adolf Stocksmayr in brieflichem Kontakt mit der Fa. Henry Ford, Dearborn, Michigan, der er technische Verbesserungsvorschläge vorlegte, die dann allerdings abgelehnt wurden. 1943 reichte er beim Reichspatentamt Berlin ein Patentschrift ein mit dem Titel: „Elastische Mittler zur Kraftübertragung an Windkraftwerken“. Im Nachlass fanden sich auch Illustrationen zu literarischen Werken, der er noch vor der akademischen Ausbildung schuf: AS o.T. (Der blaue Panther), Aquarell, um 1915
Weil er keine Aufenthaltsgenehmigung besaß, war Gräser im Sommer 1918 in Zürich festgenommen worden. Aus dem Justizgefängnis schreibt er an Adolf Stocksmayr: Abs.:
Gräser, Justizgefängnis /
Amt X, Zürich - 28 - 8 - 18 *
An Adolf Stocksmeier in Ascona. Du, du, du und Du - Ihr Alle seid gegrüsst! - Wie geht's? Was geht? Wo geht's? - Schreibt, dass ich, wenn ich wieder heraus komm (wann, weiss ich immer noch nicht) mich darnach richten kann. Ihr habt doch wohl Geld und Nachricht, dass ich hier im Zuchthaus bin, erhalten? - "Ungehorsam" soll das Büblein wieder mal gewesen sein! - Es war aber, Er war nur wieder zu vertrauensseelig und meinte, man hätte doch wohl an zwei oder drei Missgriffen genug und würde sich, würde mich mit weiteren verschonen. Es war zu hoch gemeint - oder halt - ich war ja noch nicht vor dem Richter. Vielleicht werd ich doch nicht nach dem freilich schwungs- und schamlosen Buchstaben, vielleicht werd ich doch vom menschlich fühlenden Urteil gerichtet. Abwarten und Wassersuppe trinken. Bist du, Stocksmeier, noch zuhause? Was tust du, was willst du tun? Wäre wohl nicht schlecht, wenn du hierher kämst, könntest vielleicht für die Herausgabe der Bilder, wofür ich, auch bei Druckerei, schon angeknüpft hab, weiterknüpfen, weiterwirken. Oder liegt dir anderes näher? Ob ich gleich nach Entlassung von hier Aufenthaltsbewilligung erhalt, weiss ich auch noch nicht. Jedenfalls will ich nun das Ansuchen darum gleich stellen. - Denn auf die heilende Zeit will ich mich nun doch nicht mehr verlassen. Mich verlangt freilich auch sehr zu sehn, was auf unsrem Grund alles grünt und reif und rund wird, wie sich die Kinder zusammenfinden und Ihr Grohsen - - ? O dass Wir doch reif zum Menschen, dass wir doch Wieder-Kinder würden, die mit Überzeugung in die Triebe treiben, mit Inbrunst in dem All-Tag bleiben. Wohlauf! Beiliegend 2275 Gramm für Euch gesparte Brotmarken; wär ich draussen geblieben, wären's mehr. * Kommentar: Ein Brief aus dem Gefängnis Vom 10. bis 12. August 1918 war Gräser beim Freideutschen Jugendtag in Tübingen gewesen. Auf dem Rückweg nach Ascona ist er in Zürich verhaftet worden. Das könnte am 15. oder 16. August geschehen sein. Am 28. August, also nach etwa 14 Tagen Haft, schreibt er an Adolf Stocksmeier nach Ascona. Warum nicht an seine Frau, waum nicht an Elisabeth? Die (freie) Ehe war zerrüttet, die Gefährten hatten sich getrennt oder standen kurz vor der Trennung. Auch aus diesem Grund war Gräser im Jahre 1918 viel unterwegs, in der Schweiz, in Deutschland. Stocksmeier (eigentlich Stocksmayr), ein Maler, der etwas später mit Paul Klee und anderen Kollegen in einer Ausstellung am Ort vertreten sein wird, hat offenbar das Haus der Gräsers während dessen Abwesenheit bezogen und lebt dort (oder in der Nähe) als eine Art Ersatzvater, mit Gräsers Kindern und seinen eigenen zusammen. Daher dessen Frage, "wie sich die Kinder zusammenfinden". Und dann die Großen. Damit ist, neben dem Ehepaar Stocksmayr, Frau Elisabeth angesprochen, die ansonsten mit keinem Wort erwähnt oder gar beim Namen genannt wird. "Du, du, du und Du" ist seine Anrede. Er vermeidet jede persönliche Ansprache, grüßt alle, und bezieht dadurch die Ungenannte, nach seiner Meinung "untreu Gewordene", mit ein. Es ist nicht sein erster Brief aus dem Gefängnis. Er hat schon früher Nachricht nach Ascona gegeben, möglicherweise an seine Frau adressiert, und er hat auch Geld geschickt aber bislang keine Antwort erhalten. Er sorgt weiterhin für seine Kinder, schickt nicht nur Geld, auch Brotmarken, die er sich vom Munde abgespart hat. Er kommt mit sehr wenig aus. Das jüngste seiner drei eigenen Kinder, Charlotte, Lottchen genannt, ist zu diesem Zeitpunkt noch keine zwei Jahre alt, Heidi ist fünf, Trudel, die Älteste, acht. Die fünf Kinder, die seine Frau aus erster Ehe mitgebracht hat, sind etwa zwischen 10 und 18 Jahre alt, können also schon mithelfen und den abwesenden Pflegevater teilweise ersetzen. Eines der Fünf fehlt allerdings. Einen der Söhne hatte die Mutter, in Gräsers Abwesenheit und angeblich ohne seine Einwilligung, von einem "Onkel" adoptieren lassen, der den großgewachsenen jungen Mann mit in die Tropen nahm, wo er neunzehnjährig starb. Dieser Vorfall soll mit zur Entfremdung der Lebensgefährten beigetragen haben. Der andere Grund, den Gräser mir gegenüber angab, war Untreue seiner Frau. Nicht mit einem anderen Mann sei sie ihm untreu geworden, sondern mit Geld. Während seiner Abwesenheit habe sie einen Betrag, den er zum Druck seiner Gedichte angespart hatte, für andere Dinge ausgegeben, veruntreut. Seine Töchter sprechen auch von anderen Gründen. Ihre Mutter habe eines Tages in den Kleidern ihres Mannes den Liebesbrief eines Mädchens gefunden. Sie habe die junge Frau zu sich bestellt und ihr klargemacht, dass der von ihr Angehimmelte ein verheirateter Familienvater sei. Von dieser Enthüllung erschüttert, sei das Mädchen ins Kloster gegangen. Wie eng von Gräsers Seite die Beziehung war, bleibt offen. Nach Aussagen der Töchter ist die Mutter nach der Trennung mit ihren Kindern in ein Haus im Dorf Ascona gezogen. Wie aus dem vorliegenden Brief hervorgeht, muss dieser Umzug nach dem August 1918 stattgefunden haben. Dies also ist Gräsers Situation zuhause: Der Boden ist brüchig geworden, er hat in der Familie keine Heimat mehr. Vor die Frage gestellt, ob sie beim Vater oder bei der Mutter bleiben wollten, hatten sich die Kinder einhellig für die Mutter entschieden. Er war damit seine Kinder losgeworden, nicht aber seine Verantwortung für sie. Der Freund, der ihm zu dieser Zeit am nächsten steht, in den er große Hoffnungen gesetzt hatte, Hermann Hesse hat sich zurückgezogen. In aller Heimlichkeit hat er einen Roman geschrieben, 'Demian', den er jedoch nicht als seinen eigenen zu erkennen gibt, am wenigsten Gusto Gräser gegenüber. Der sitzt im Gefängnis, trinkt Wassersuppe, wartet auf sein Urteil. Er hatte sich seither – zwei Jahre lang! - illegal in der Schweiz aufgehalten, deshalb die Verhaftung. Jetzt will er endlich, notgedrungen, einen Antrag auf Aufenthaltsbewilligung stellen. Er hatte gehofft, die Justiz werde an zwei oder drei "Mißgriffen" genug haben. Damit spielt er auf frühere Verhaftungen und Abschiebungen an, aus Zürich im November 16, aus Bern im Januar 17. Jetzt hofft er auf einen menschlich fühlenden Richter, der ihn nicht nach dem Buchstaben des Gesetzes richten werde. Worin er sich wiederum täuschen sollte, denn das (nicht erhaltene) Urteil lautete offenbar auf Landesverweisung zum Jahresende. Eine Hilfe erwünscht er sich von Adolf Stocksmayr. Vorsichtig fragt er an, ob der Freund nicht nach Zürich kommen wolle, um die Herausgabe der Bilder - damit sind seine Zeichnungen 'Zeichen des Kommenden' gemeint - voranzutreiben. Sie sollen gedruckt werden und ihm dann Einnahmen verschaffen. Dazu kommt es aber nicht mehr. Die Mappe erscheint erst nach dem Krieg, wird vermutlich 1924 in Dresden hergestellt. Doch zurück zu seiner dreifachen Eingangsfrage. Wie? Wo? Was? Es sind offenbar die Fragen, die ihn im Gefängnis bedrängen. Wie geht es weiter, wenn ich wieder frei komme? Werde ich noch eine Familie haben? Ist der Grund, den ich mir in Ascona geschaffen habe, zu halten? Hat es überhaupt noch Sinn, dorthin zurückzukehren? Noch sind die Dinge nicht entschieden. Noch denkt er an das, was auf seinem Grund und Boden grünt, reift und sich rundet. Aber die Ahnung des Herbstes ist da. Ein Abschied von Haus und Garten, von Frau und Kindern, von der ersten und einzigen Bleibe, die er in seinem Wanderleben gefunden hat, zeichnet sich ab. Was ihn trägt in diesen und anderen Stürmen, ist sein Verwurzeltsein im All-Tag, sein Wieder-Kindsein, sein Allvertrauen. In seinem letzten Satz mag der stille Anruf stecken, sehr zurückhaltend die Hoffnung: Wenn ihr würdet und wäret wie die Kinder, ohne Angst um die Zukunft, ohne Sorge ums Überleben, dann könnten wir vielleicht zusammen bleiben. Seht her, ich schicke euch Brotmarken und Geld, ich bin nicht der verantwortungslose Rabenvater, als den man mich hinstellt. Und wie immer sein unerschütterliches, nicht zu entmutigendes: Wohlauf! Im
Jahr 2010 zeigte das Museo Comunale D’Arte Moderna in Ascona in der
Ausstellung „1922 Le Origini della Collezione“ die von den in
Ascona um 1920 weilenden Künstlern gestifteten Arbeiten, u.a. auch
eine ganze Reihe von Adolf Stocksmayr.
Das Museum der Stadt Überlingen zeigt im Jahr 2014 unter dem Titel: Adolf Stocksmayr – Suche nach dem Eldorado – mehr als 160 Exponate aus dem Nachlass des Künstlers.
Quellen:
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