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Mia bei
Elisabeth, Elisabeth bei Mia Frau Hesse und Gusto Gräser's Partnerin in Ascona |
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Elisabeth Streng, geborene Dörr, Gusto Gräser's Partnerin mit ihren Töchtern und
Schwägerin 1919 in Ascona
Von der Freundschaft zwischen Hermann Hesses Frau Maria, genannt Mia (1868-1963), und Gräsers Lebensgefährtin Elisabeth Dörr (1876-1955) wissen wir aus Erzählungen der Gräsertöchter. Ihr Bericht wird ergänzt und bestätigt durch Erwähnungen in Briefen von Hesse und anderen, zuletzt in Hesses Briefwechsel mit seinem Psychoanalytiker Josef Bernhard Lang (2006) und im dritten Band der Briefausgabe von Volker Michels: ‚Hermann Hesse. Die Briefe 1916-1923‘ (2015). Ganz kurz erwähnt auch Bärbel Reetz diese Beziehung in ihrem Buch ‚Hesses Frauen‘ (2012). Hier einige Auszüge: Hermann Hesse an Emil Molt, 27. 3. 1919: Daß ich nicht nach Ascona oder in jene Gegend will, liegt daran, daß in Ascona im letzten Herbst meine Frau bei Freunden war und dort ihre ersten Anfälle hatte. Ich kenne dort zuviel Leute, und habe an diese Gegenden monatelang mit so viel Sorge, Schrecken und Hoffnungslosigkeit denken müssen, daß dieser liebe Winkel mir fürs Erste nur schlimme Mahnungen böte. Darum will ich bei Lugano zu suchen anfangen. Frühsommer 1919: MIA zur Haussuche in Ascona. Reetz,
S. 404
HH an Schwarzenbach, 4. 8. 1919: (Erfahre von) meiner Frau, daß sie im September nach Ascona ziehen will. Damit sinken jene mir seit 15 Jahren so lieben Gegenden wohl vollends für mich unter.
HH um den 8. 9. 1919 in einer undatierten Aktennotiz, nachdem Frau Mia an diesem Tag einen erneuten psychischen Zusammenbruch erlitten hatte: Meine Frau war bis vor wenigen Tagen noch in Bern, hat nun aber die Wohnung dort geräumt und war im Begriff nach Ascona zu ziehen, wo sie sich ein Häuschen gekauft hat. Nun scheint sie in Gersau, wo sie mit den Kindern während ihres Umzugs Station machte, von neuem krank geworden zu sein, so daß vermutlich ihre Internierung notwendig wird. Die
Briefe 1916-1923, S. 257
HH an Schwarzenbach, 15. 9. 1919:
Briefwechsel mit J. B. Lang, S. 105
Richard
Woltereck am 3. 10. 1919 an
Helene und Walter Schädelin:
In:
Die Briefe 1916-1923, S. 257f.
HH an Any Bodmer, 11. 12. 1919: Hat die Frau Gräser Sie um Geld angehen wollen? Das würde mich nicht wundern, aber ignorieren Sie das ruhig, sie ist gewohnt, von nichts und gelegentlichen Gaben einiger Freunde zu leben, und kommt irgendwie immer durch. Auch meine Frau hat ihr ja geholfen, sie sitzt, soweit ich weiß, vorerst als Gast im Haus, für das meine Frau zinsen muß. Die
Briefe 1916-1923, S. 290
Niemand beruhigt Mia mit der Nachricht, daß
Elisabeth Gräser, mit der sie sich vor Jahren [1916] in Ascona anfreundete, den Möbelwagen erwartet hat und das Haus einrichten will. Bärbel Reetz: Hesses Frauen, S. 154
Vater (Hermann Hesse) war im Frühjahr 1919 allein ins Tessin gezogen. Im Sommer 1919 zogen Mutter, Heiner und ich auch fort. Mutter (Mia Hesse) hatte in Ascona ein Haus gekauft und wollte mit uns dorthin. … In Baden machten wir einen Aufenthalt bei Onkel Hans und Tante Frieda, dann reisten wir nach Ascona, wo wir von Frau Gräser und ihrer Kinderschar empfangen und ins Haus begleitet wurden. Mutters Haus, auf der Collina [Monte Verità], ist sehr schön gelegen, mit großem Garten und Blick auf den See hinab. Es heißt ‚La Cascina’. Bruno
Hesse: Erinnerungen an meine Eltern. Ochenschwand o. J., S.5f.
Er [Hesse] verspürt kein Verlangen, nach Ascona zu gehen, will Mia nicht sehen, nur die Kinder. Aber dazu kommt es nicht mehr. Am 12. April [1919] telegrafiert ihm Anny Bodmer aus Locarno, daß Mia einen Nervenzusammenbruch erlitten hat und ihr Mann [der Arzt Dr. Hermann Bodmer], nach telefonischer Rücksprache mit [Josef Bernhard] Lang, Mia und Heiner in die kantonale Irrenanstalt Mendrisio hat einliefern lassen. Bruno befindet sich in der Obhut von Elisabeth Gräser. Bärbel Reetz: Hesses Frauen, S. 167
HH an J. B. Lang, 23. 10. 1919: Briefwechsel mit J. B. Lang,
S. 117
Dadurch dass Bernoulli mit der Frau Gräser in Ascona wegen der Wohnungsmiete verhandelt, so hat er gezeigt, dass er die
geschäftliche Seite des Hauskaufs etc übernimmt. (Ebd., S. 118) Es kamen mir ein paar Notizen über den Sommer 1918 wieder in die Hand, wo die Sache bei meiner Frau begann. Ich sah erst wieder, wie schauerlich jene Zeit war! Nein, das darf nie mehr wieder kommen. Ich war kurze Zeit gestern so böse auf meine Frau, dass ich ihren Tod wünschte. (Ebd., S. 138)
HH an Anny und Hermann Bodmer, 21. 4. 1920: Wie ich annehmen muß … hat meine Frau bei ihrer Rückkehr aus Deutschland es versäumt, sich und die 2 Buben als zurückgekehrt bei der Fremdenpolizei in Locarno anzumelden. Frau Gräser, die ich darum bat, tat nichts und ist ja in solchen Sachen ganz unfähig. Wenigstens bekam ich durch sie die Pässen von allen dreien … Falls Frau Gräser Ihnen erreichbar ist, bitte ich Sie, alle Sachen Buzis bereit zu legen, damit wir sie dann bei unsrem Kommen mitnehmen können. Ich bringe dann Bruno gleich zu Amiets, denn auf unbestimmte Zeit ihn bei Frau Gräser zu lassen, scheint mir doch nicht gut. Die
Briefe 1916-1923, S. 341
HH an seine Frau Maria, 5. 8. 1920: Daß du mit Frau Gräser die Enttäuschung erlebt hast, die wir alle dir gleich anfangs prophezeien konnten, ist vielleicht ganz gut. Vor einem Jahr, in der Zeit deines Hauskaufs, dachte ich bei jeder Geldsendung an dich, wieviel davon wohl die Frau Gr. verzehren würde! Ich riet dir ja damals auch, außer ihr andre, würdigere und klügere Leute in Ascona aufzusuchen, da es mir weh tat, dich von dieser Frau ausgenützt zu sehen, und da deine Schwärmerei für sie mir zu meiner Beschämung zeigte, wie kleine Ansprüche an Geist du stelltest. Nun ist hoffentlich dies Verhältnis zu Ende. Die
Briefe 1916-1923, S. 363
Anmerkung
vom Herausgeber Volker Michels, S. 365:
In ihrem Haus in Ascona hatte sich Elisabeth Gräser (1876-1955), die Lebensgefährtin des Wanderpredigers Gusto Gräser (1879-1958), mit ihren fünf Kindern einquartiert.
Ihre [Elisabeth Rupps] ängstliche Frage: „Wann wirst du nach Ascona
gehen?“ Wenige Tage später [im September 1921] erhält sie in einem schnell hingeworfenen, undatierten Brief seine Antwort. Er ist in Ascona, „der schönsten Gegend der Welt (…) und es war lang mein Traum, mich einmal hierher zurückzuziehen. Aber als mein Familienleben aufhörte, war mir die Gegend durch allerlei Geschichten mit meiner Frau ganz verdorben worden. Statt meiner sitzt sie nun hier und alles schmeckt dumm und traurig.“ Ihn drückten die Erinnerungen … Bärbel Reetz: Hesses Frauen, S. 175
Dass
Hesse gegenüber seinem Therapeuten Lang von „einer Frau Gräser“ spricht,
ist reine Camouflage. Natürlich kannte Hesse Gräsers Lebensgefährtin, schon
seit seinen Besuchen im Gräserhaus im September 1916. Aus der bekannten Postkarte
vom 26. September geht hervor, dass Hesse vor seiner Abreise im Hause Gräser einen
Abschiedsbesuch machte, sich Gustos Zeichnungen ansah und sich das Bild mit dem
Sperber wünschte. Nicht erst bei diesem Besuch muss er Frau Elisabeth kennen
gelernt haben sondern schon in den ersten Tagen seiner Anwesenheit im Tessin. Nach
den entsprechenden Szenen im ‚Demian’ zu
urteilen, traf er Elisabeth erstmals am Morgen des 8. September. Wie sehr ihn
diese Begegnung erregt und ergriffen hat, ist noch in der romanhaften
Gestaltung unmittelbar zu spüren. „Es
kam die Stunde, da ich den Vorstadtgarten wiederfand … in der geöffneten Tür
stand eine große Frau in dunklem Kleid. Sie war es. Ich vermochte kein Wort zu
sagen … Ihre Stimme war tief und warm, ich trank sie wie süßen Wein. …“ (GW V.
137f.) Auch
Frau Mia muss bei ihrem Aufenthalt in Locarno schnell zu den Gräsers gefunden
haben. Die Gräsertöchter erzählen, dass ihre Mutter mehr noch als mit Hesse mit Frau Mia befreundet gewesen sei. Diese
Freundschaft war offenbar der Anlass für Mia, überhaupt nach Ascona zu ziehen.
Dass sie ihm damit zuvorkam – denn er selbst wäre gern in der Nähe von Frau
Elisabeth gewesen -, hat Hesse mit
Erbitterung hinnehmen müssen. Denn damit war ihm diese „Heimat“ – eine
emotionale und menschliche viel mehr als eine landschaftliche – verschlossen
worden. Frau
Mia also zieht auf den Monte Verità, um in der Nähe ihrer Freundin zu sein. Die
beiden Häuser waren nur wenige Minuten voneinander entfernt. Als mir Heiner
Hesse im Jahre 1971 das Gräserhaus zeigte, umarmte er den damaligen Besitzer
als alten Bekannten. Er kannte das Haus, er kannte den Garten, weil er dort als
Kind mit den Gräserkindern gespielt hatte, er erzählte Geschichten, saftige
Details. Auch sein Bruder Bruno berichtet, dass er bei Besuchen in Ascona von
Frau Gräser und ihren Kindern abgeholt wurde, die inzwischen im Haus von Mia
wohnten. Und Hesse tut so, als ob er diese Frau nicht kenne! Letztlich haben
wir darin einen weiteren Beleg dafür, wie peinlich er darauf bedacht war, seine
Beziehung zu Gräser zu verheimlichen. Wäre das Haus von Mia nicht abgebrannt, hätten wir sicher eine Fülle von Dokumemten, die ihre und seine Freundschaft mit jener „gewissen“ Frau Gräser belegen. Es sind aber doch einige Spuren geblieben. Nämlich die Fotos, die vermutlich Frau Mia von Elisabeth und ihren Töchtern gemacht hat. Bezeichnenderweise gibt es kein einziges Foto von den Gräsers aus der Zeit von 1915 bis 1918. Für solche Dinge hatte die Familie kein Geld. Erst aus der Zeit von 1919/20 (also nachdem Mia Hesse zugezogen war) gibt es welche, sogar eine ganze Reihe. Und da die Familie damals, von ihem Ernährer getrennt, erst recht kein Geld hatte, vielmehr wegen Mittellosigkeit von Ausweisung bedroht war, muss eine befreundete Person diese Aufnahmen gemacht haben. Und niemand anders kommt dafür so sehr in Frage wie die Berufsfotografin Maria Hesse, geb. Bernoulli. Schon die
Intimität dieser Fotos macht deutlich, dass sie von einer befreundeten Person
aufgenommen wurden, am wahrscheinlichsten von jener Frau und Fotografin, bei
der Elisabeth mit ihren Kindern zeitweise wohnte. Dass die beiden Frauen zusanmenfanden, war kein Zufall, hatte
naheliegende psychologische Gründe. Beide hatten es mit einem Mann zu tun
gehabt, der ganz seinem Werk lebte, Hesse seinem künstlerischen, Gräser seinem
prophetischen Werk. Beiden wurde die Belastung auf die Dauer zuviel, sie zogen
sich zurück, sie trennten sich von ihrem Partner. Ein gemeinsames Schicksal
führte sie zusammen. Elisabeth konnte für Maria eine aufbauende Trösterin sein,
Maria konnte ihr materielle Hilfe bieten. In diesem
Bund der beiden „Witwen“ war Elisabeth die Stärkere: aktiv, optimistisch,
schlagfertig, sendungsbewusst. Sie heiratete später ein drittes Mal, emigrierte
vor der aufziehenden Hitler-Diktatur nach Südamerika, kam nach dem Krieg nach
Europa zurück und starb neunundsiebzigjährig in den Armen ihrer Tochter Heidi
in der Schweiz. Quellen:
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