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Feuilleton
Bilder
von
meiner Wanderfahrt
Von
Ludwig
Ankenbrand, Kairo-Gizeh
(Fortsetzung)
Wir
überspringen
eine Woche. Ende Mai und Anfangs Juni waren wir
in Locarno und Ascona. Die Besitzer der
Sanatorien waren äusserst gastfreundlich. Fast
tagtäglich hatte ich einen .Vortrag zu halten.
Dazu verlebten wir herrliche Stunden im Kreise
lieber Gesinnungsfreunde. Wir freuen uns, hier
für die frohen, in Locarno-Ascona-Monte Verità
verlebten Tage unseren herzlichsten
Dank ausdrücken zu können den Herren Bek,
Rathgen, Engelmann, Cardinal, Trings, Straskraba,
Dr. Rascher, Carl Gräser,
Oedenkofen, Reichstagsabgeordneten Otto Rühle,
Dr. Albert, sowie Frau Dr. Fischer-Dückelmann.
Überall hat es. uns ganz ausgezeichnet gemundet.
Die Rohkostspeisen, die Herr Bek
erfunden, sind äusserst
bekömmlich - ich freue mich,
hier konstatieren zu können, dass unser
Photograph, Freund Graser, Herrn Bek
wegen seiner Kochkunst so lieb gewann,
dass er nur ungern mit uns weiter zog. Wie oft
mussten wir, wenn wir in Italien späterhin
nichts besonderes zu essen bekamen, aus seinem
Munde hören: „Habt’r a Getu. Wärt'r beim Bek
geblieben!“ Nicht minder konnte Freund Beckmann
die Küche des Herrn Engelmann rühmen, bei dem er
einquartiert war. Herr Engelmann bot uns sonst
noch mancherlei, was wir nicht alle Tage haben
können: einen Wagnerabend und vieles aus seiner
geistigen
Schatzkammer. Wertvoll waren uns die Stunden,
die wir mit, seinem
Schwiegersohn, Herrn Rathgen und Frau
verbrachten. Rathgen ist ein Pflanzenfreund, und
Ägyptologe, seine Frau eine
echte, tief angelegte Theosophin; ihre kräftigen
Vegetariernachkommen erquickten unser Auge.
Unter Palmen und Musa wandelten wir in
feinem duftigen Garten, in dem ein kleines
Krokodil unter Papyruspflanzen in einem
ziemlichen Weiher lebt. Herr, und Frau Kardinal
würzten unsere Anwesenheit mit frohem Humor und
mit - duftigen
Erdbeeren. -
In
Ascona konnten wir besonders die prächtigen
weiten Sonnenbäder des Herrn Trings, der auch
ein trefflich eingerichtetes Sanatorium besitzt,
bewundern. Die „Heidelbeere“ mit ihrem
weitgereisten Besitzer, Herrn Straskraba, zeigt
ein echtes, frohes Vegetarierheim und bietet für
wenig Geld eine kräftige Hausmannskost.
Aus
Leipzig
wurde kürzlich ein Mann ausgewiesen, der durch seine:
kräftigen
Verse in Reformmerkreisen und weit über
sie hinaus nicht minder bekannt ist, als durch seine
Kleidung, sein Eigenkleid und
seine eignen Sitten
und Gewohnheiten - Gusto Gräser. Er führt
draussen keinen leichten Kampf für seine
Überzeugung,
mit Weib und Kind. Hier oben aber, auf dem Monte
Verità , hat sein Bruder, sich
niedergelassen, nachdem er den. Soldatenrock -
er war, höherer österreichischer, Offizier -
ausgezogen, und führt nun ein Leben als
Eigenmensch. Ein regnerischer Tag führte uns
zu ihm. Wir fanden ihn grabend in seinem
Garten.
Als wir uns näherten, blickte er auf und wir
schauten in ein Gesicht voll sonniger Tiefe, von
einem schwarzen Bart harmonisch umrahmt. Um
Wangen, Ohren und Hals fielen schwarze Locken. Er
nahm den Hut ab, den er zum Schutz gegen den
Regen getragen, reichte uns die. Hand und ging
mit uns ins Haus, wo er uns freundlich zum
Niedersetzen einlud. Es
war ein eigenartiger Raum, in dem wir uns
befanden - ebenso eigenartig, wie das Äussere
des Hauses, der Garten, wie alles, was damit
zusammenhing, genau so eigenartig, wie der
Mensch, der da vor uns stand und uns mit feinen
tiefen, aber herzlichen Blicken durchdringend
betrachtete.
Und
dann
sahen wir etwas,
was wir vorher noch nie gesehen: Alles in diesem
Haus und um dies Haus war von Gräsers Hand selbst
gefertigt, ohne jegliche fremde Beihilfe.
Die
Möbel
des Zimmers, in dem wir uns niedergesetzt
hatten, waren aus knorrigen Baumästen gefertigt,
die Gräser selbst ausgegraben hatte, selbst
zugehauen, geleimt und genagelt. Da waren Tische
und Stühle und allerlei anderes Gerät. Im oberen
Zimmer waren Bettstellen alle auf die gleiche
Art angefertigt. Der Ofen und der Backofen waren
selbst gemauert. Der Stoff, aus dem Gräsers
Kleider bestehen, war ehedem Samen in seiner
Hand.
Geschliffene Aprikosenkerne oder Dattelkerne
bildeten die Knöpfe.
(Fortsetzung
folgt.)
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