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Friedensbotschafter der Jugendbewegung





Jakob Feldner (1896 - ?)






Der linkspazifistische Flügel in der deutschen Jugendbewegung zwischen 1914 und 1919 ist in der Literatur seit dem Zweiten Weltkrieg besonders beachtet und mehrfach in gründlichen Arbeiten (Linse, Fiedler, Preuß) dargestellt worden. Dabei wurde eine Person übergangen oder vielmehr gar nicht wahrgenommen, die wohl den spektakulärsten Beitrag zum Thema „Jugendbewegung als Friedensbewegung“ geleistet hat: Jakob Feldner.

Jakob Feldners Schrift "Die deutsche Jugend und der Weltkrieg", die zunächst Ende 1917 in der Neuen Schweizer Rundschau erschien, wurde 1918 ins Deutsche Reich geschmuggelt aber von der Abwehr des Heeres beschlagnahmt und vernichtet. Es scheint, dass nur ein einziges Exemplar sich im Archiv des Kriegsministeriums erhalten hat.  Durch die Digitalisierung der Kriegsausgaben der Neuen Schweizer Rundschau ist es möglich geworden, diesen in Deutschland nie angekommenen Text der Öffentlichkeit  zugänglich zu machen.
Er wird hier, mit Kommentaren - auch zu Gusto Gräsers Einfluss auf Feldner - wiedergegeben.

Er kam aus dem „Aufbruch“-Kreis um Ernst Joël, war eng befreundet mit Max Hodann und ging 1916 im Auftrag des Berliner Internationalen Studentenvereins in die Schweiz, um Verbindung mit französischen Friedensfreunden aufzunehmen. Im Kreise von Romain Rolland und der internationalen pazifistischen Emigration, vor der ausländischen Presse und dem Schweizer Publikum hat er auf die Existenz einer friedens- und umsturzwilligen Strömung in der deutschen Jugend aufmerksam gemacht. Er hat in einer Broschüre einen Gesamtüberblick über die deutsche Friedensbewegung gegeben und seine Freunde im Inland mit Informationen und Literatur versorgt.

Zu seinen Mentoren gehörte Gusto Gräser, der Geistgründer des Monte Verità von Ascona, und auf diese Insel einer keimenden Alternativkultur scheint Feldner seine pazifistischen Freunde geführt zu haben. In ihm wird die unterirdische Linie sichtbar, die von Anfang an den Hohen Meißner mit dem Monte Verità verbunden hat.

Dass Feldner bisher unentdeckt geblieben ist, kann nicht einer Absicht oder einem schuldhaften Versäumnis zugeschrieben werden. Der Grund ist in der Quellenlage zu suchen: Es lag nichts vor. Der Abwehr der deutschen Heeresleitung ist es gelungen, nahezu alle Spuren zu tilgen, die von jenem Friedensbotschafter im Ausland in das innere Deutschland hätten zurückführen können. Der im Ausland bekannteste Vertreter der deutschen Friedensjugend blieb im fortbestehenden Nationalismus des Inlands ein Unbekannter.

Der französische Schriftsteller Romain Rolland hatte seit 1914 durch seine mutigen Aufrufe gegen Hass und Krieg weithin Aufsehen erregt. Friedenswilllige aus vielen Ländern und solche, die den Sturz der herrschenden Mächte erstrebten, wandten sich an ihn, sammelten sich um ihn. Die Professoren Albert Schweizer, Albert Einstein, Friedrich Nicolai, Friedrich Wilhelm Foerster ebenso wie die Schriftsteller Stefan Zweig und Hermann Hesse oder die Exilrussen Trotzki, Rubakin, Lunatscharski. Verzweifelte Soldaten schrieben ihm aus den Schützengräben oder Gefangenenlagern. Rolland war zu einem Symbol des Widerstandes und der Geistesfreiheit über den verfeindeten Nationen geworden, von den Kriegsparteien gehasst, von den wenigen Klarsehenden verehrt als ein Leuchtfeuer der Hoffnung und der Humanität. Seit Kriegsbeginn lebte der ehemalige Professor an der Sorbonne, der 1915 den Nobelpreis der Literatur erhalten hatte, in der neutralen Schweiz. In Frankreich war er mit dem Tode bedroht.
Am 30. August 1916 schreibt er in sein Tagebuch:

Besuch eines jungen Studenten (der Politökonomie) von der Universität Berlin. Jakob Feldner, der mir durch Professor Ragaz empfohlen worden ist. Er ist ein junger Bursche von knapp 21 Jahren, dem es mit allerlei Vorwänden geglückt ist, aus Deutschland herauszukommen, obwohl man ihm einen Pass verweigert hat. Er erzählt mir vom internationalen Studenten-Verein an der Universität Berlin und von seinem Wunsch, auf eine Verständigung mit französischen Studenten hinzuarbeiten. Ich lasse ihm wenig Hoffnung, dass er sie erreicht
Feldner ist aufrichtig und, glaube ich, ohne Falsch, ohne Hintergedanken. Ich bin (wieder einmal) überrascht von der – zumindest äußerlichen – Gleichgültigkeit dieser jungen Deutschen gegenüber den tragischen Ereignissen, die sie eng umgeben. Nicht an den grauenvollsten Krieg von heute denken die meisten, sondern an den Frieden von morgen und an das, was dann kommen wird.[1]


Wer ist dieser junge Mann, der im Auftrag einer Gruppe der deutschen Friedensbewegung über die Grenze ging, um Verbindung mit dem „Feind“ aufzunehmen? Wer schickte ihn und wer stand hinter ihm? Was waren seine Motive und Überzeugungen? Es lohnt sich, so zu fragen. Denn dieser Unbekannte, bis heute selbst in der Jugendbewegung völlig Vergessene, stand alsbald innerhalb der pazifistischen Emigranten in der Schweiz, einer internationalen geistigen und künstlerischen Elite, gleichgeachtet als ein Botschafter der Friedenswilligkeit eines Teils der deutschen Jugend, genauer: eines Teils der Jugendbewegung.
Sein Einsatz für den Frieden kam nicht von ungefähr. Der Vater des 1896 im bayrischen Pfarrkirchen Geborenen war ein Anhänger des Malers, Natur- und Friedensapostels Karl Wilhelm Diefenbach, der einst vor seinem Haus in Höllriegelskreuth bei München die weiße Fahne der Humanität gehisst hatte. Diefenbach war beim ersten Internationalen Friedenskongress in Wien, auf dem Bertha von Suttner Österreich und Mark Twain die Vereinigten Staaten vertraten, der einzige Vertreter Deutschlands gewesen.

„Du sollst nicht töten!“ lautet der Titel eines bekannten Gemäldes von  Diefenbach. Und von den Eltern Feldners, die ihres aufmüpfigen Sohnes wegen bespitzelt wurden, sagt ein Polizeibericht, sie seien – wie Diefenbach – „Naturheilkundliche“ und „Anhänger des Verfahrens der Vegetarianer“.[2]
Feldner der Ältere wurde dann ein enger Freund und Förderer des Jugendstilmalers Fidus; Feldner der Jüngere setzte sich 1915 zusammen mit Freunden aus dem Berliner Wandervogel für einen anderen ehemaligen Diefenbach-Schüler ein: den Mitbegründer der Landkommune Monte Verità bei Ascona und mehrfachen Kriegsdienstverweigerer Gusto Gräser.[3] Es sollte sich bald zeigen, dass eben jener Monte Verità das heimliche Ziel von Feldners Grenzüberschreitung war.

Zu der Gruppe, die gegen Gräsers Anweisung aus Deutschland protestierte, gehörten neben anderen der Arzt Max Hodann und der Schriftsteller Walter Trojan. Es handelte sich hier offenbar um eine Fraktion innerhalb des „Aufbruch“-Kreises um Ernst Joël, die, unter dem Einfluss einerseits des Philosophen Leonard Nelson, andererseits des Naturdenkers Gusto Gräser stehend, für entschiedene politische und soziale Aktion stand. Hodann und Feldner waren Mitbegründer der „Centralarbeitsstätte für Jugendbewegung“ (C.A.S.) gewesen, die Kontakte zur Arbeiterbewegung suchte, jedoch von den Behörden alsbald ebenso verboten wurde wie ihre Schriften gegen das geplante „Reichsjugendwehrgesetz“. Diese aktivistische Gruppe innerhalb des „Aufbruch“-Kreises könnte mit einigem Recht die Nelson- oder auch die Gräser-Fraktion genannt werden. Ihre akademischen Mitglieder sammelten sich im Berliner „Internationalen Studenten-Verein“, ab 1917 in dem von Hodann mitgegründeten „Internationalen Studenten-Bund“.
[4]

Ziel dieser Gruppe war die Gewinnung des Friedens auf dem Wege der Verständigung zwischen den Jugendlichen aller Länder. In diesem Sinne und Auftrag, der offenbar auch von Joël unterstützt wurde, kam Feldner in die Schweiz.
Seiner Reise waren erste Kontakte vorausgegangen. Schon 1915 hatte Joël an Rolland geschrieben und ihn um einen Beitrag für den entstehenden „Aufbruch“ gebeten.[5] Ende Mai 1916 kam ein anderes Mitglied des „Aufbruch“-Kreises, der Dichter Alfred Wolfenstein, zu Rolland.

Er spricht zu mir vom Geist der liberalen Studenten in Berlin, von ihrer von Joël geleiteten Zeitschrift “Aufbruch“ (...) Eine andere Gruppierung, die viel umfassender ist und einen mehr durch soziales Handeln geprägten Charakter hat, ist im Begriff unter den Studenten und im Volk zu entstehen. Wolfenstein kam, um in Erfahrung zu bringen, ob es nicht möglich wäre, schon jetzt Verbindungen zwischen den deutschen und französischen Studenten herzustellen.[6]

Rolland redet ihm das aus; Feldner kommt einige Monate später trotzdem. Mit einem Trick hatte er sich den Reisepass verschaffen können, der ihm zunächst verweigert worden war.
Er geht zuerst zu dem Züricher Theologen und Pazifisten Leonard Ragaz, der sich ebenfalls für Gräser eingesetzt hatte und der ihn an Rolland weiterempfiehlt. Dieser wiederum fasst Vertauen zu dem jungen Mann und verschafft ihm Zugang zu seinem Freundes- und Mitarbeiterkreis.
Der junge Student Feldner, der mich in den letzten Tagen besucht hat, schreibt mir aus Lausanne (3. September), nachdem er Forel, Rubakin, Seippel und Guilbeaux besucht hat. Er hat mit Jouve im Briefwechsel gestanden. Er ist „hocherfreut, Franzosen getroffen zu haben, die über dem Hass und der Verachtung des Ausländers stehen.
Ich und meine Freunde in Deutschland freuen uns herzlich, ihnen auf einem höheren Niveau zu begegnen als dem des einseitigen Nationalismus von heute. Die Welt muss sich ändern. Aber die Menschen, die sich begnügen und sagen (wie ich es oft gehört habe), nach dem Kriege kann man wieder Beziehungen anknüpfen, nach dem Kriege wird der Internationalismus ein Sport sein: diese Art von Menschen hat für uns Kämpfer kein Interesse. Wir brauchen Menschen mit Rückgrat. Bis jetzt gibt es nur wenige. Aber der Anfang ist gemacht. Und unsere kleine Gruppe bildet eine Einheit, wie sie fester und treuer nicht sein kann. ... „[7]
Innerhalb weniger Tage hat sich Feldner mit den Schweizern Forel und Seippel, dem Russen Rubakin und den Franzosen Henri Guilbeaux und  Pierre Jean Jouve bekannt gemacht.

Der ehemalige Direktor des Zürcher Burghölzli, Auguste Forel (1848–1931), als Hirnanatom, Ameisenforscher und Psychiatrieprofessor ein Gelehrter von internationalem Rang, Pazifist und Sozialist, Vorkämpfer der Abstinenzbewegung, war zugleich ein früher Förderer der Gebrüder Gräser. Von seinem Mitarbeiter A. Grohmann war 1904 die erste Monographie über den Monte Verità erschienen. Forel selbst hatte 1914 mit seiner Schrift ‚Die Vereinigten Staaten der Erde’ sein politisches Endziel klargelegt.
Paul Seippel, Professor für französische Literatur an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, war 1914 Direktor des ‚Journal de Genève’ geworden. In diesem Blatt erschien wenige Wochen nach Ausbruch des Krieges Rollands berühmter „Offener Brief an Gerhart Hauptmann“ und sein ebenso berühmter Artikel ‚Über dem Getümmel’, nach Rollands eigenen Worten „eine Huldigung an die heldenhafte Jugend Europas und gleichzeitig eine Anklage gegen die verbrecherischen Urheber dieses Krieges und ein Aufruf zur Einigung der europäischen Geister.“[8] Es war dieser Artikel, der Ernst Joël veranlasste, Rolland zu schreiben, dass er „einen großen Teil der deutschen Jugend bewegt und begeistert“ habe.[9][10]

Der Schriftsteller Henri Guilbeaux, Freund und Mitstreiter von Romain Rolland, gab seit 1916 die linkspazifistische Zeitschrift ‚demain’ heraus. Er wurde in Frankreich zum Tode verurteilt und folgte Lenin nach Russland. Feldner war einer seiner Mitarbeiter, und vermutlich in seinem Gefolge kam auch Guilbeaux auf den Monte Verità.

Der russische Gelehrte Nikolai Rubakin, berühmter Philologe und Bücher-sammler, hatte nach der Revolution von 1905 seine Heimat verlassen müssen. Er trägt Geheimdokumente über Russland zusammen und ist zugleich in Unter-suchungen über biologische Psychologie vertieft. Als Rolland ihn fragt, ob es seinen Schriften gelänge, nach Russland hineinzukommen, antwortet er: „Siebenundvierzig von meinen Büchern sind in Russland verboten und verbrannt worden, aber hundertdreiundfünfzig sind im Umlauf. Das genügt.“ [11]

Pierre Jean Jouve (1887–1976), bedeutender französischer Lyriker, Romanschriftsteller und Essayist, Übersetzer Hölderlins und Shakespeares, war der engste Freund und ständige Gesprächspartner von Rolland. Seine Texte gegen den Krieg und für ein vereintes Europa (‚Gedicht gegen das große Verbrechen’, 1916; ‚Totentanz’, 1917; ‚Ihr seid Menschen!’) werden von Claire Studer-Goll, die sich ebenfalls in die Schweiz geflüchtet hat, ins Deutsche übertragen. Was Jouve bei seiner ersten Begegnung mit Rolland empfindet, steht für eine Vielzahl ähnlicher Bekenntnisse:

Diese Jugend „möchte mich wissen lassen, dass sie sich meinen Gedanken verwandt fühlt.“

Ich hatte das Gefühl, einem Gefängnis entronnen zu sein, ich hatte das Gefühl, eine Welt von Hass und Blut hinter mir gelassen zu haben, in der ich einsamer war als ein Kind unter Kannibalen. ... in der ich nichts hatte als ihn, seine Briefe, seine Schriften, sein seltsames und tiefes Leuchten, eine Serie von Blitzen, in diesem Lichte sah ich ihn.[12]

Feldner, der Jouve zunächst nur brieflich erreicht, wird ihm auf Monte Verità erstmals begegnen.
Aus den Akten des bayrischen Generalkommandos erfahren wir außerdem, dass der „extreme Sozialist“ Jakob Feldner in Bern mit dem Pazifisten Alfred H. Fried verkehrt, dem Herausgeber der „Friedenswarte“ und Friedensnobelpreisträger von 1911, in Lausanne mit der Tänzerin Clotilde van Derp und dem deutsch-schweizerischen Schriftsteller Otto Volkart. Feldner sei in Begleitung einer gewissen Elisabeth Borchardt und beide gehörten dem Internationalen Studentenverein Berlin an. (So das deutsche Konsulat in Lausanne schon am 7. September 1916!) [13]

In kürzester Zeit hat Feldner die führenden Köpfe der internationalen Friedensbewegung kennen gelernt, hat offensichtlich ihr Vertrauen und ihre Sympathie erworben, wird alsbald Beiträge schreiben für die Genfer Zeitung ‚La Feuille’, für den ‚demain’, für die ‚Friedenswarte’, später auch für die ‚Freie Zeitung’ von Bloch und Ball. Er spricht in diesem Kreis, neben Hesse, Bloch, Zweig, Frank und all den anderen Emigranten, als die Stimme der deutschen Jugend, selbstbewusst und kämpferisch, obwohl er nur eine winzige Minderheit in Deutschland hinter sich hat. „Eure Welt liegt zerschlagen“, hält er der Blutschuld der älteren Generation entgegen, „unsere Welt will geboren sein“. „Uns aber lud die Zeit, die die Katastrophe eurer Hypokrisie ist, atlasschwere Schulterlasten auf.“[14]

Töne des „Klassenkampfes der Jugend“ werden hörbar, wie sie aus dem „Aufbruch“-Kreis bekannt sind, und auch der pathetische Idealismus dieser Jugend: „Die Zukunft muss ein Haus haben, in dem sich leben lasse. ... Darum will die Jugend von heute nicht nur nach außen, sondern auch nach dem Innen des Menschen wirken, und ihn zu dem entwickeln ... was ihn von der Bestie unterscheidet. Neue Menschheit in neuem Weltbau ...“[15]
Es geht ihm um den Umsturz „eines austilgenswerten Staatssystems“.[16]
 



Einleitung zu ‚Deutsche Jugend und Weltkrieg’

Mit diesen Zitaten sind wir vorausgeeilt. Noch ist er nicht an dem Ort, wo eine „neue Menschlichkeit“ einen „neuen Weltenbau“ zu errichten sich anschickt. Endlich – oder schon – am 16. September 1916, keine drei Wochen nach seiner Ausreise, befindet er sich auf dem Monte Verità, dem „Berg der Wahrheit“ bei Ascona. Sein Brief von dort an den väterlichen Freund Rolland ist ein einziger Jubelruf, überschäumend von Begeisterung und neuem Kraftgefühl.

...Und wie könnte man es nur laut, meilenweit schreien? Dass die Jugend stark ist in Deutschland, und das Deutschland, das von dieser Jugend und diesen Gedanken getragen wird, ist nicht tot. Es lebt! Es lebt gesund! Wenn auch heute mit allen Ruten unterdrückt. Aber es ist falsch, wenn man glaubt, uns einen Dienst zu tun, wenn man gegen die Träger dieser Ruten, die in allen Ländern sind, Krieg führt, um uns zu „befreien“. Befreiung kommt nur von innen heraus. Das kommende Deutschland wird durch uns, durch die deutsche Jugend, durch den trotzig übriggebliebenen Rest nicht Totgeschossener frei werden. Das mag sich die Welt merken: diese Jugend ist stark genug! Noch gibt es Leute, die für ihre Freiheit, ihre Unabhängigkeit, ihre freie Erziehung zu kämpfen wissen.[17]

Auch wenn kein Name und kein Grund genannt wird, so dürfte doch klar sein, was diesen Ausbruch ausgelöst hat: Er hat den Freund wiedergefunden, hat die legendäre Siedlung der Naturmenschen gesehen, ist aufgenommen worden in eine Gemeinschaft außerhalb aller Konventionen, in der Kriegsgegner aller Länder sich versammeln, in eine Zitadelle des Friedens mitten im Krieg.

All dies müssen wir freilich hinzudenken, denn der Brief – in der Wiedergabe von Rolland – gibt keinen einzigen konkreten Umstand seines Besuches wieder. Dass es aber solche Äußerungen gegeben hat, steht außer Zweifel – Rolland hat sie getilgt: fünffache Auslassungszeichen sprechen für sich.

Undenkbar, dass Feldner bei seinem ersten Besuch auf Monte Verità nicht berichtet hätte von dem, was ihm dort begegnete, unerklärbar sein Begeisterungsausbruch, wenn man ihn allein auf das ferne Deutschland bezöge: als ob er diese Jugend zum ersten Mal entdeckte, als ob er noch  nie zu Rolland von ihr gesprochen hätte!

Wir glauben zu wissen, wer ihm dort begegnet ist. Gusto Gräser war erst wenige Tage früher aus österreichischer Gefangenschaft nach Ascona zurückgekehrt, nachdem er den Kriegsdienst verweigert hatte und mehrfach vor seine Erschießung gestellt worden war. Nach Monaten der Todesdrohung in Militärkerkern und Irrenhäusern war er zurückgekehrt, ungebeugt und stärker als je, lebendige Verkörperung des Widerstandes und der aufrechten Menschlichkeit.

Noch gibt es Leute, die für ihre Freiheit, ihre Unabhängigkeit, ihre freie Erziehung zu kämpfen wissen. Kämpfen ohne eisernes Kreuz, ohne Ehrenlegion, aber kämpfen im Lichte einer besseren, kommenden Zeit. Kampf gegen den Krieg: das ist es, was wir wollen und predigen....[18]

So Feldner. Er muss Gräser und seine Freunde – auch Hesse besuchte ihn zu dieser Zeit – als die beste Verkörperung der deutschen Jugend empfunden haben. Im Kulturkampf dieser Jugend gegen das Alte und Morschgewordene zählte Gräser zweifellos zur Jugend, und dies sogar in vorderster Linie.
Nicht Friede  (im Sinne von Hinnahme des Unerträglichen) sondern Kampf war die Losung von Gusto Gräser:

Kampf allein löst den Krieg!
Freunde – Kampf ist schon der Sieg!

Auf dem Monte Verità fand Feldner aber auch die besten Freunde Rollands:

Ich traf eben Jouve und Desprès ... Sie ahnen ja nicht, was es für uns, die wir dem tiefsten und schönsten Deutschtum zu dienen glauben, was es für uns Verspottete, Verfolgte bedeutet, „Feinde“ zu finden, die die besten „Freunde“ sind ... Was trennte uns, die wir zusammen das gleiche wollen? Die wir dieselben Menschheitsziele verfolgen? Bei Gott, wir sind uns näher, wir „Feinde“, als die Mehrzahl meiner Landsleute es sein können ... Heil jenen französischen Lehrern, die in allerletzter Zeit gegen die Erziehung zum Hass protestiert haben. Wüsste ich nur Namen von ihnen, der Dank des besten Teils der deutschen Jugend wäre ihnen sicher. Es tut mir leid, wenn es ihnen unbekannt bleiben soll. Jener deutschen Jugend, die sich heute mehr denn je hingezogen, hingebender fühlt an die Gleichdenkenden in den anderen Ländern, die den Krieg hasst und den Frieden, den gerechten Frieden sieht und ersehnt. Die streng mit sich selbst ist und fordernd nach außen und Kritik am eigenen und fremden Volk übt. Jener Jugend, die aufbauen will und nicht zerstören, die der Menschheit dienen will ... [19]

Fernand Desprès, ehemals Chefredakteur der Gewerkschaftszeitung ‚La Bataille Syndicaliste’, hatte durch sein Eintreten für Rolland seine Stellung verloren. Er lebte zeitweise mit Jouve zusammen in der Schweiz, war ihm auf den Monte Verità gefolgt. Mit Desprès, Feldner, Jouve, später auch Guilbeaux, Alfred H. Fried und Claire Studer mit ihrem Freund Ivan Goll, hat sich der engste Freundeskreis um Rolland in Ascona eingefunden.
Seit September 1916, seit Gräsers Rückkehr auf den Berg, wurde der Monte Verità recht eigentlich zum „Hort der pazifistischen Bewegung“.[20]
Nicht dass die hier Versammelten über die künftigen Wege und Ziele sich durchweg einig gewesen wären. So mag die Begegnung mit Gräser zwar für Feldner eine große moralische Stärkung bedeutet haben, in politischen Dingen kann er mit ihm nicht einig gewesen sein. Gräser stand für gewaltlose Reform, die „Revolver-Revolution“ lehnte er ebenso ab wie ihr „mammonistisches Konifest“

Namentlich nachdem ein Bild des in einem Einbaum über den See rudernden „Naturmenschen“ durch die illustrierte Presse gegangen war, fanden immer mehr Künstler und Intellektuelle, auf der Suche nach Halt und Harmonie im Wirbelsturm der Zeit, in Ascona ihre Zuflucht. Ihre Liste ist lang: Hans Arp, Hugo Ball, Ernst Bloch, Fritz Glauser, Reinhard Goering, Emmy Hennings, Hermann Hesse, Marcel Janco, Magnus Hirschfeld, Alexej von Jawlensky, Klabund, Else Lasker-Schüler, Bruno Goetz, Sophie Täuber, Marianne von Werefkin, Mary Wigman und andere. Erst die Not des Krieges, die moralische und geistige mehr noch als die äußere, hatte diesen Zuwanderern zum Bewusstsein gebracht, dass hier, auf diesem verlachten „Berg der Narren“, eine geistige Gegenwelt existierte zu dem verhassten, mörderischen, sich selbst zerfleischenden Staaten- und Kultursystem.


Vom Mammonistischen Konifest
zur Menschgesinnung jenseits der Pest!

Zwar begrüßte er rückhaltlos den lange ersehnten Umsturz der alten Mächte, aber die Wandlung der Seelen stand ihm höher als jeder Wechsel der Macht. Wo neue Macht die alte ersetzt, „werden nur Besitzer getauscht“,[21] lässt Hesse seinen Demian sagen, der ein dichterisches Abbild von Gusto Gräser ist. „Durch die Lohn-Revolution führt er uns in sein Urgewohn“, sagt Gräser von seinem „Erdsternmenschen“,

wo er mit uns im Wandel weilt, uns vom Wahne des Habens heilt ...
wo wir zusammen so groß-gering alle leben im einigen Ring ...

Das ist eine andere, eine religiöse Sprache, die Hesse in ‚Zarathustras Wiederkehr’ auf seine Weise aufnahm und weitertrug, die aber Feldner vermutlich unzugänglich blieb. Der geriet in der Schweiz, wohl unter dem Einfluss des Lenin-Vertrauten Guilbeaux, immer stärker in radikalsozialistisches Fahrwasser. Scheute sich nicht, darin auch von Rolland sich entfernend, bramarbasierend zu drohen: „Man halte uns nicht für Theoretiker: die Schuldigen der heutigen Katastrophe werden an den greifbarsten Galgen baumeln ... nicht vor Thronen, nicht Altären soll des Stäupens Halt gemacht werden.“[22]  So 1918, als er an der Seite von Bloch in der ‚Freien Zeitung’ und der ‚Friedenswarte’ schrieb.
Er folgte damit einem Zug nach links, zum organisierten Kommunismus, der auch seine in Deutschland gebliebenen Freunde, die Kurella, Bittel und Hodann erfasste.

Als die Februarrevolution in Russland bekannt wird, finden wir Feldner in einer Versammlung russischer Revolutionäre in Lausanne. Er wird als Vertreter Deutschlands mit minutenlangem Beifall begrüßt.[23]

Ebenfalls in Lausanne hält er einen Vortrag über die deutsche Friedensbewegung, die unter dem harmlosen Titel ‚Deutsche Jugend und Weltkrieg’ im Frühjahr 1918 im Druck erscheint. Sie gibt ein so gründliches Bild der pazifistischen Aktivitäten, namentlich der Jugendbewegung, dass auch die deutsche Abwehr „wertvolle Aufschlüsse“ daraus entnehmen konnte.[24] Selbstverständlich wird die Broschüre sofort verboten und beschlagnahmt. Die militärischen Dienste waren darin so erfolgreich, dass die Schrift bis heute in Deutschland unbekannt geblieben ist. Die möglicherweise einzigen erhaltenen Exemplare fanden sich in den Akten des Bayrischen Generalkommandos im Münchner Kriegsarchiv.

Ende Juni 1918 erhält Rolland eine Nachricht, dass der wegen seiner pazifistischen Haltung zum gemeinen Soldaten degradierte und gefangen gesetzte Professor Nicolai „gemeinsam mit drei deutschen Offizieren aus einer Festung  ... entkommen und mit einem Flugzeug in Dänemark gelandet sei. Der Kommandant des Flughafens selbst sei mit ihm entflohen ... Zweig und Feldner jubeln“.[25]

Sie jubeln noch mehr, als in Deutschland die Revolution ausbricht. Am 10. November 1918 schreibt Rolland in sein Tagebuch: „Besuch von H. Fernau und Jakob Feldner. Sie jubeln über die Nachrichten aus Deutschland ... Was den kleinen Feldner angeht, so zappelt er vor Freude und schickt sich an, in das neue Deutschland zurückzukehren.“[26]

Wir lesen dann noch, Mitte März 1919, dass der junge Feldner nach Deutschland gefahren sei, „um an der Revolution teilzunehmen.“[27] Und finden seinen Namen auf einem Zettel des Kommandanten der Münchner „Roten Armee“, Gustav Klingelhöfer, wieder, wo er als Zensor der bürgerlichen Presse verzeichnet steht.

Dann verliert sich seine Spur. Scheinbar. In keinem der Berichte über die Revolution in Bayern und deren Niederschlagung wird, abgesehen von dem obigen Notat, der Name Feldner erwähnt. Nicht in der Liste der Inhaftierten, nicht in der Liste der Erschossenen oder Ausgewiesenen. Wo war er geblieben?
Eine Spur finden wir erst wieder in den Erinnerungen von Alfred Kurella. Der erzählt von einem Mitkämpfer namens Ludwig, der mit ihm im Frühjahr 1919 von München nach Moskau gegangen sei. Ludwig war der zweite Vorname von Jakob Feldner. Während der Revolutionszeit wird er ihn als Tarnname benutzt haben. So jedenfalls wäre zu erklären, warum der kommunistische Pressezensor Jakob Feldner aus der Münchner Revolutionszeit plötzlich und spurlos verschwindet. Auch in Moskau verliert sich seine Spur. Er könnte Opfer einer körperlichen oder aber einer politischen Krankheit geworden sein: Abweichung. In der Sowjetunion eine Krankheit mit meist tödlichem Ausgang.

Alfred Kurella (1895-1975), der wie Feldner aus dem Kreis um Wyneken und Blüher kam, wurde nach dem Krieg ein führender Kulturfunktionär der DDR.  Auf einem Photo vom Freideutschen Jugendtag auf dem Hohen Meißner 1913 sieht man ihn in Samtanzug und mit Kränzchen im Haar als Bewunderer Gusto Gräsers.




***
Dokumentation: Protesterklärung Berliner Wandervögel

Gegen die Ausweisung Gusto Gräsers aus Stuttgart und Deutschland im August 1915, gerichtet an die Polizeidirektion Stuttgart
Abschrift einer in der Münchner Stadtbibliothek befindlichen (und nur noch schwer lesbaren) Abschrift


Wir bedauern aufs Tiefste, dass in Zeiten, wo sich das deutsche Volk wirklich auf sich selbst besinnen sollte, noch die Möglichkeit gegeben ist, den Ruf Deutschlands im In- und Auslande durch Meisterstücke der Bürokratie, wie die Behelligung Gräsers eins ist, zu schädigen. Wenn nicht durch die Presszensur der Fall Gräser nach Möglichkeit der Öffentlichkeit vorenthalten würde, wäre eine weitergehende Stellungsnahme in diesem Sinne sicher zu verzeichnen.
Wenn wir auch mit Gräsers Anschauungen nicht im allgemeinen übereinstimmen, uns nicht als Gesamtheit mit ihm identifizieren wollen, so müssen wir doch die Ausweisung als symptomatisch dafür betrachten, dass deutschen Behörden gegenüber ehrliche Überzeugungen rechtlos sein können, wenn sie obrigkeitlich nicht als genehm empfunden werden. Dagegen müssen wir im Interesse der Wahrhaftigkeit aufs schärfste Einspruch erheben, zumal uns Gusto Gräsers ursprünglich-naturhafte Lebensauffassung als etwas durchaus Achtbares erscheint.
Max Hodann. Unterarzt, WV Friedenau.
Dr. E.W.Trojan, Bln-Zehlendorf, Schriftsteller
Ilsemargot Beneke, Bln-Dahlem
Jakob Feldner, stud.phil., Charlottenburg
Lucia Schmidt, Lehrerin, Charlottenburg
Walter Martin, Kaufmann, Berlin
Gustel Widder, Berlin
Edmund Metz, Kaufmann, Berlin
Lore Tappert, Berlin
Toni Sonnental, Berlin
*



Ein Brief von Jakob Feldner an Alfred Kurella
(Quelle: Staatsarchiv München, Abteilung Kriegsarchiv. -
Akten des Stv. Gen. Kdo. I. b. A. K., Nr. 1929)
 
Jakob Feldner (stud. phil., geb. 27. 3. 1896 in Pfarrkirchen) an Alfred Kurella, Hellerau b. Dresden, Heideweg 10
 ________________________________________
 Genève 17. 2. 18
Lieber Kurella. -
Post ist heute wahrhaft keine Kultureinrichtung mehr[28]; heute kommt mir Ihre Karte vom 2. zu.
"Politisch" meinte ich anders; tagespolitisch, insofern man hier alles nur in einem tatenlos beschreibenden Tone geben kann[29].
Ist die Schrift übrigens angekommen[30]? Wenn nicht, was leicht möglich, dann wenden Sie sich an Max H.[odann][31], meinen Freund, um einige Zeilen darüber. Er hat meines Wissens das einzige Exemplar.
An die von Ihnen angegebene Adresse[32] wende ich mich sofort; lassen Sie mir aber doch wenigstens jeweils die Rundbriefe[33] zukommen, von denen ich den ersten vor etlichen Wochen von anderer Seite bekam.
Wissen Sie den Namen des Heid.[elberger] Studenten[34], der wegen seiner Arbeit gegen die Vaterlandspartei plötzlich ......[35]
Herzliche Grüße, glückliche Arbeit!
                                                          Jakob Feldner
_____________________________________
Nachbemerkung:
Der Brief bezeichnet den kritischen Moment zu Anfang des Jahres 1918, in dem drei pazifistisch und regimekritisch gesinnte junge Männer Verbindung zueinander suchen: Jakob Feldner, Alfred Kurella, Ernst Toller. Ein Jahr später werden sie an der Münchner Revolution und Räterepublik nicht unmaßgeblich beteiligt sein: Toller als Vorsitzender der USP und des Revolutionären Zentralrats, Kurella und Feldner als Zensoren der bürgerlichen Presse.
*
Auszüge aus Alfred Kurella:
Unterwegs zu Lenin. Erinnerungen. Berlin, Verlag Neues Leben, 1967:

 
S.32 In die Tätigkeit des Zensors teilte ich mich mit einem anderen jungen Genossen, der der persönliche Sekretär der Münchner Kommunistischen Partei war. ...
33 "Ich suche jemanden, der für uns wichtige Nachrichten nach Moskau zu Lenin bringt. Hast du Lust?" ...
34   Ich bat um Erlaubnis, meinen Münchner Genossen Ludwig [Jakob Ludwig Feldner], der in ähnlicher Lage war wie ich, mitnehmen zu dürfen. ...
84  Da wohnte ich nun also im Kreml, dieser grossen, von hohen, mit vielen Türmen geschmückten Mauern umgebenen Burganlage im Herzen der  Hauptstadt des alten Zarenreiches, die nun die Hauptstadt der russischen Revolution, wie wir damals noch sagten, geworden war. Ich hauste sogar im Herzen des Herzens, im Zarenschloss. ...
Ich hatte keine Vorstellung, wie es weitergehen sollte. George war schon nicht mit uns in den Kreml gezogen. Ein paar Tage später
85 trennte sich auch Ludwig von mir. Eine andere Parteistelle hatte inzwischen Kontakt mit ihm aufgenommen.
            


Max Hodann zu Jakob Feldner

Erst nach dem verlorenen Krieg war es möglich, auf Feldner hinzuweisen. Sein Freund und Mitkämpfer Max Hodann (1894-1946) brachte in der Zeitschrift ‚Freideutsche Jugend’ vom Februar 1919 auf Seite 93 eine Anzeige seiner Flugschrift. Die Schrift sowohl wie die Person und die friedenspolitischen Aktivitäten von Feldner blieben freilich in der Geschichtsschreibung bis zum heutigen Tag unberücksichtigt.


 
Quellen und Literatur:
 
Akten des Stellvertretenden Generalkommandos I.b.A.K. im Bayrischen Staatsarchiv, Abteilung Kriegsarchiv, Nr.1929: Feldner u.a.
  • Feldner, Jakob
Deutsche Jugend und Weltkrieg. Zürich 1918.
  • Fiedler, Gudrun
Jugend im Krieg. Köln 1989.
  • Fried, Alfred.H.: (Hg)
Die Friedenswarte. Blätter für zwischenstaatliche Organisation.  20. Jg., 1918.
  • Gräser, Gustav Arthur
Nachlass in der Münchner Stadtbibliothek und im Gräser Archiv Freudenstein.
  • Hesse, Hermann
Demian. In: Gesammelte Werke. Frankfurt am Main 1970, Band 5.
  • Hodann, Max
Anzeige zu Max Feldners Flugschrift "Deutsche Jugend und Weltkrieg" , in der Zeitschrift "Freideutsche Jugend", Feb. 1919, S. 93
  • Jouve, Jean Pierre
Romain Rolland vivant. 1920.
  • Kurella, Alfred
Unterwegs zu Lenin. Erinnerungen. Berlin, Verlag Neues Leben, 1967.
  • Lamberty, Friedrich
Aufruf an die Jugend! Typoskript im Archiv der deutschen Jugendbewegung.
  • Linse, Ulrich
Hochschulrevolution. Zur Ideologie und Praxis sozialistischer Studentengruppen während der deutschen Revolutionszeit 1918/19. In: Archiv für Sozialgeschichte, Bd. XIV/1974, S. 1 – 114
  • Linse, Ulrich
Die Kommune der deutschen Jugendbewegung. München 1973.
  • Müller, Hermann
Der Dichter und sein Guru. Hermann Hesse – Gusto Gräser, eine Freundschaft. Wetzlar 1978
  • Müller, Hermann (Hg.)
Gusto Gräser. Aus Leben und Werk. Knittlingen 1987.
  • Preuß, Reinhard
Verlorene Söhne des Bürgertums. Linke Strömungen in der deutschen Jugendbewegung 1913 – 1919. Köln 1991
  • Rolland, Romain
Das Gewissen Europas. Tagebuch der Kriegsjahre 1914 – 1919. Drei Bände. Berlin o.J.
  • Szittya, Emil
Das Kuriositäten-Kabinett Berlin-West 1979.
  • Zweig, Stefan
Romain Rolland. Der Mann und das Werk. Frankfurt am Main 1923.
  • Zweig, Stefan
Die Welt von gesstern. Erinnerungen eines Europäers. Stuttgart 1981.
 


Fussnoten
[1] Rolland: Gewissen, Band II, S.369
[2] Akten des Generalkommandos, Nr.1929
[3] Nachlass Gusto Gräser
[4] Fiedler, S.148
[5] Rolland: Gewissen, Band I, S.532
[6] ebd., Band II, S.257
[7] Rolland: Gewissen, Band II, S.375
[8] Rolland: Gewissen, Band I, S.64
[9] Ebd., S532
[10] Ebd.
[11] Rolland: Gewissen, Band II, S.138
[12] Jouve: Romain Rolland vivant, S.27
[13] Akten des Generalkommandos, Nr.1929
[14] Die Friedenswarte, 20.Jg., Nr.1, Jan.1918, S.181
[15] Ebd., S.182
[16] Ebd.
[17] Rolland: Gewissen, Band II, S.379f.
[18] Rolland: Gewissen, Band II, S.380
[19] Rolland: Gewissen, Band II, S.379
[20] Szittya: Kuriositäten-Kabinett, S.104
[21] Hesse: Demian. Ges.Werke, Band V, S.134
[22] Die Friedenswarte, 20Jg., 1918, S.182
[23] Brief von Feldner an Max Hodann vom 23.03.1917 in: Akten des Generalkommandos, Nr.1929
[24] Ebd., Akte vom 14.03.1918
[25] Rolland: Gewissen, Band III, S.45f.
[26] Ebd., S.598f.
[27] Ebd., S.738
[28]  Weil durch die Zensur die Sendungen sich stark verzögern - wenn sie überhaupt ankommen.
[29]  Der Passus zeigt, daß Feldner an Kurella geschrieben hatte. Er scheint sich dahingehend geäußert zu haben, daß er sich politisch nicht äußern könne oder daß seine entstehende Schrift ('Deutsche Jugend und Weltkrieg') nicht als politisch auftrete. In der Tat fällt auf, daß dieser Text sich ausgesprochen sachlich und wissenschaftlich und im Titel betont harmlos gibt., was bei dem Temperament und Engagement des Verfassers zunächst doppelt überrascht. Wenn ich recht weiß, so waren den Emigranten (Immigranten/Ausländern) in der Schweiz (tages-)politische Äußerungen untersagt, manchen, z. B. Hermann Hesse, auch von der deutschen Seite her. Daher vermutlich der "tatenlos beschreibende Ton" in Feldners Flugschrift.
[30]  Man möchte zunächst annehmen, daß hier die eben genannte Broschüre gemeint sei. Aus einem Brief Feldners an seine Eltern vom gleichen Tag geht jedoch hervor, daß diese Arbeit zu der Zeit noch nicht abgeschlossen war. Er schreibt am 17. 2. 18 nach Regensburg: "Meine Arbeit ist ziemlich fortgeschritten, ich werde sie in etlichen 10 Tagen beendigen." Am Ende des Briefes bringt er übrigens seine politische Einstellung in verschlüsselter Form zum Ausdruck: "Im Augenblicke wäre die Situation reifer als je zu einem bedeutenden Ereignis in Deutschland, das allein den Frieden schnell und sicher bringen könnte." Mit dem "bedeutenden Ereignis" kann nur die Revolution gemeint sein.
Möglicherweise handelt es sich bei der nicht näher benannten Schrift um die deutsche Übersetzung der Antikriegsschrift 'Le Feu' von Henri Barbusse, denn am 10. 3. 18 schreibt Feldner an seinen Freund Max Bronner: "Le Feu ist deutsch erschienen bei Rascher in Zürich. Gut."
[31]  Die Abkürzung zeigt an, daß Kurella mit Max Hodann bereits bekannt war. Der Arzt und Psychoanalytiker  Max Hodann (1894-1946), später zusammen mit Wilhelm Reich und Magnus Hirschfeld am Berliner Institut für Sexualforschung tätig, hatte die Solidaritätserklärung für Gusto Gräser an erster Stelle mit unterschrieben. Zusammen mit Walter Koch, dem Bruder von Hans Koch, hatte er 1917 eine Flugschrift 'Die Urburschenschaft als Jugendbewegung' herausgebracht, in der durch das Beispiel des "Tyrannenmörders" Ludwig Sand indirekt zum Umsturz aufgerufen wurde. Hodann spielt eine Hauptrolle in den 'Notizbüchern' und der 'Ästhetik des Widerstands' von Peter Weiss.
[32]  Vermutlich die Kontaktadresse des "Berliner Kreises".
[33]  Hier dürften die 'Rundbriefe' des Ende 1917 offiziell gegründeten 'Berliner Kreises' um Afred Kurella gemeint sein, der den "bestehende(n) Staat als die sichtbarste und zugleich verwundbarste Erscheinungsform der von uns abgelehnten Gesellschaftsordnung" bekämpfte. Vgl. dazu: Gudrun Fiedler, Jugend im Krieg, Köln 1989, S. 112.
[34]  Hier kann nur Ernst Toller gemeint sein, der in seinem Aufruf vom November 1917 den Zusammenschluß aller, die "Kriege, Machtpolitik, Militarismus" bekämpfen, gefordert und sich "gegen die Anmaßung der deutschen Vaterlandspartei" gewandt hatte, "Sonderinteressen mit dem Wort 'vaterländisch' zu decken und zu schützen".
[35]  Die sechs Pünktchen stammen von Feldner. Soll wohl heißen: "... zum Militär einberufen wurde". Toller,  1916 als "kriegsuntauglich" aus der Armee entlassen, war Anfang Februar 1918 wegen seiner Beteiligung am Januarstreik und anderen Aktionen erneut durch die Militärbehörden eingezogen worden. Er "verweigerte die Einkleidung, wurde interniert und schließlich - nach psychiatrischer Behandlung - im September 1918 vom Militärdienst wieder entlassen, endgültig kriegsuntauglich". (Edith Hanke: Prophet des Unmodernen. Tübingen 1993, S. 159)


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