Karikaturen zu Gusto Klick hier und freu dich dran! |
Mit Windrad sorgenfrei!
Links sehen wir der Siedler drei - das Windrad macht sie sorgenfrei! 1907 lässt der Fabrikant und Lebensreformer Ernst Ulrich Buff (1873 - 1931) in Herisau die „Villa Sorgenfrei“ bauen, die von einem 8 m hohen Windrad bekrönt wird. Mit ihm erzeugte er Strom für Beleuchtung und Heizung. Der Maler
und Gräserfreund Adolf
Stocksmayer (1879 - 1964) entwarf ein Auto, das
mit Windkraft bewegt werden sollte, siehe rechts. Lebensreformer
waren Pioniere der Wind- und Sonnenenergie. |
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Vor
100 Jahren boomten in Europa alle möglichen
Lebens-Reform-Experimente. Der "Tessiner Zauberberg" Monte
Verità wurde zum Inbegriff diverser kulturreformerischer
Sehnsüchte des heraufziehenden 20. Jahrhunderts. Aber auch
Heinrich Vogelers
Gründung der Worpsweder Barkenhoff-Kommune nach
dem Ersten Weltkrieg stand noch in dieser Tradition, wenn
auch als radikal-politische Variante. Den Verbindungen
zwischen Ascona und Worpswede geht das Stück "Berge der
Utopie" nach, mit dem die Theatertruppe "Cosmos
Factory" in den Theatersommer 2010 auf dem Barkenhoff
gestartet ist. |
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Maler im 19.
Jahrhundert anderswo
und auch auf dem Monte Verità
Lebensreform, Freiheit und
bäuerliche Idylle: Nicht nur Paula Modersohn-Becker
lebte in einer der ländlichen Künstlerkolonien, die im 19.
Jahrhundert in ganz Europa entstanden. |
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Max Daetwyler (1886 - 1976) rückt 1914 in die Schweizer Armee ein und erklärte: «Ich demonstriere gegen den Krieg; ich werde den Eid nicht leisten.» Als einer der ersten Kriegsdienstverweigerer wird er sofort in die Irrenanstalt abtransportiert. Wer findet: «Keine Soldaten – kein Krieg!» kann nicht normal sein. Als einsamer Bote kämpft er zeitlebens für den Frieden, auch in Moskau und Washington. Bericht in der NZZ vom 13.2.2023 | |||||||||||||
Lebensreform
in Ungarn: Gusto Gräser verbrachte prägende Jugendjahre in Budapest. Die gesellschaftlichen und geistigen Entwicklungen in der Stadt können auf ihn nicht ohne Einfluss geblieben sein. Mit einem Vordenker, dem Philosophen Eugen Heinrich Schmitt, kam er später durch Freunde in Verbindung. Mehr über die ungarische Lebensreformbewegung in den Auszügen aus dem Aufsatz von András Németh in der Reihe NOVALIS Verlag Gondolat Kiadó, Budapest, 2014, ISBN 978 963 693 545 0 Lebensreform,
Reformpädagogik und Lehrerberuf
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Gusto Gräsers Jesusbuch EndeFebruar 1951 schreibt Gusto Gräser aus Freimann an seine Tochter Heidi in der Schweiz: Kennt man in Eurem Kreis das Büchlein von A.Nachtigal: „Wenn das Leben erwacht“? Von den Büchern, die sich mit Jesus befassen und ich kenne, scheint mir das die trefflichste Einstellung gefunden zu haben. Hab‘s früher oft verschenkt, hat‘s Heidi nicht? Trudel hatte es! Auszüge aus dem Buch von Albert Nachtigal: Das Christentum ist nicht Lehre, sondern Leben. Was für eine befreiende Wahrheit .... |
Was sind die Wurzeln von DADA?Hauptstränge führen auf den Monte
Verità von Ascona.
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Geistige Strömungen um die Jahrhundertwende
vom 19. zum 20. Jahrhundert - eine recht umfassende
Darstellung
Zeigt das Umfeld auch des Monte Verità |
Wilder denken, freier lieben, grüner wohnen - Jugendbewegung und Lebensreform in Deutschland um 1900 |
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„Zivilisation" führt zur Erdumwälzung. Stehen wir vor einer Naturkatstrophe?“ So schrieb Ernst Ostweg 1932 in seiner Zeitschrift ‚Utopia‘. |
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Aufsatz von Hermann Müller:
Herausgegeben vom Mindener Kreis, in "Kiefern im Wind - Zum Naturverhältnis in der Jugendbewegung", S. 27-36, herausgegeben von Pit Stibane, 2010 |
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LEBENSREFORM IN DER SCHWEIZ --> eine systematische Dokumentation von Edi Goetschel LEBENSREFORM IN DER SCHWEIZ --> und: eine Fülle von Informationen bei Societyofcontrol Mit den Kapiteln: Utopie - Vorläufer - Lebensreform - Monte Verità - Barfüssige Propheten - Bohemia - Münchener Räterepublik - Weimarer Republik - Publikationen - Today |
Der russische Philosoph Afrikan
Spir soll auf die Gründer des Monte Verità Einfluss
gehabt haben. Zuvor aber wirkte er schon auf den
deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche. |
Wir
brauchen einander. Dies einzusehen ist die Grundlage für
eine friedliche Weltordnung unter uns Menschen und mit
unseren Mitlebewesen im Mineralien-, Pflanzen- und
Tierreich. Frieden kann es nur dann geben, wenn wir in
Frieden mit der Natur leben. Der Mensch der Zukunft wird im
Einklang mit der Schöpfung leben müssen, wenn er überleben
will. Klick dich zu den Elementarkreisen - zum Schamanismus unserer Zeit. |
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Der russische Neukantianismus: Marburg in Rußland. Historisch-philosophische Skizzen von Nina A. Dmitrieva Deutsch русский язык |
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Gelebte Spiritualität ist der Motor einer stillen Revolution, die ihre Vorläufer in Menschen wie Victor Schauberger, Nicolas Tesla, Wilhelm Reich, Karl Landauer, Gusto Gräser, Charles Fourier, Joseph Beuys, Hans Christian Ströbele u.v.m. die in ihrer Zeit auf große Widerstände stießen. |
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Ausschnitt im Nachlass Gusto
Gräser Eine
prophetische Dichtung von Alfred Döblin »1001 Zukunftsprognosen und Gegenwartsromane
sehn neben Berge Meere und Giganten a priori
weniggleisig, hausbacken, halt vordöblinisch aus.« Aus einer Besprechung: „Enzyklopädisch
und visionär erzählt Berge Meere und
Giganten die von Krieg und
Naturzerstörung geprägte Geschichte der menschlichen
Zivilisation bis zum 27. Jahrhundert. Die politische
Welt der Zukunft, die Döblin dabei entwirft, ist
aufgeteilt in zwei große, totalitäre Machtblöcke,
die sich im »Uralischen Krieg« bekämpfen. Gusto Gräser hat
diese Anzeige von Döblins Giganten (eine
Kurzfassung von Berge, Meere und Giganten) offenbar
gleich nach Erscheinen (1932) ausgeschnitten und rot
angestrichen. Die antiindustrielle Tendenz musste ihn
anziehen. Offen bleibt, ob er das Buch je gelesen hat.
Da Döblin auch
Chinesisch-Taoistisches von sich gegeben hat und wegen anderer Anzeichen
frage ich mich, ob er Gusto gekannt haben könnte.
Döblin lebte und schrieb vor dem Ersten Weltkrieg in
Berlin. Sein in China spielender
Wanglun-Roman wurde im Juli 1912
begonnen - da war Gusto seit einem Jahr in Berlin.
Zitate: Sie predigten nicht,
suchten niemanden zu bekehren. Vergeblich bemühten
sich Literaten, die sich unter sie zu mischen, ein
religiöses Dogma von ihnen zu hören. Viele aßen kein
Fleisch, brachen keine Blumen, schienen Freundschaft
mit den Pflanzen, Tieren und Steinen zu halten. Ein
Seufzen preßte das Land aus. Man hatte so
glückverschleierte Augen nie gesehen. Ein Zittern
ging durch die Familien. (Döblin: Die 3 Sprünge des
Wang-lun, 1912) Die Strolche, mit
denen er tagelang zusammenhockte, schwankten in
ihrer Auffassung über ihn (Wang-lun). Ein paar
Jüngere nahmen ihn nicht für voll, sie hielten ihn
für einen Halbnarren mit entsetzlicher Gewandtheit,
eine Art Affenmenschen. Die älteren scheuten ihn.
Sie nörgelten nicht an seiner kindischen
Verspieltheit; ihnen fielen die nicht seltenen
Minuten seiner unheimlichen Entrücktheit auf.
(Alfred Döblin, ebendort über Wang-lun, 1912) Ein Zittern
ging durch die Menschen, wenn Gräser auftrat. Manche, die ihn
bewunderten, hatten glückverschleierte Augen. Andere
nannten ihn einen Narren und gingen ihm aus dem Weg.
Den Klarsehenden entging nicht die unheimliche
Entrücktheit dieses Menschen. Die Reaktionen auf Wang-lun entsprechen denen
auf Gusto Gräser - bis heute. Döblin hat in den beiden Büchern zwei
Zukunftsszenarien entworfen. Im ersten Buch ist der
Ausgang noch pessimistisch, im zweiten Buch hofft er
auf ein kommendes naturfreundliches Zeitalter – nach
der Selbstzerstörung der technokratischen Giganten. Aus einer
Besprechung von Die drei Sprünge des
Wang-lun: Wang-lun ist
eine historische Figur; der Aufstand, den dieser
Fischersohn anführt, hat tatsächlich 1774
stattgefunden. Er ist nur eine in einer Reihe vieler
ketzerischer Unruhen im Norden Chinas, die von der
kaiserlichen Regierung verfolgt werden. Wang-lun
beruft sich zunächst auf die Lehre vom Wu Wei, vom
Nichthandeln, die auf Laotse zurückgeht. Die
Anhänger der Sekte verehren als Tempel das Weltall,
ihre Götter sind die Berge und Flüsse. Sie sind
Vegetarier und nennen sich Brüder und Schwestern. Taoistische und buddhistische
Elemente verbinden sie in ihrem Glauben mit alten
Vorstellungen volkstümlicher Mythologie. Doch ihr
passiver Widerstand scheitert an der Realität
politischer Machtverhältnisse und die Menschen
greifen zu den Waffen; ein Konflikt, der in
verschlüsselter Form auch die Probleme des deutschen
Kaiserreichs zu Anfang des 20. Jahrhunderts
widerspiegelt. Döblin widmet
sich in dem Roman, den er 1912 und 1913 schreibt,
nicht dem technokratischen Fortschrittsdenken seiner
Zeit, sondern ihren revolutionären Umbrüchen. Thema
ist der Widerstand des Einzelnen gegen den
totalitären Staatsapparat … Döblin geht es
nicht um ein Heldendrama, sondern um die Wirkung
charismatischer Führer auf die Masse. Wang-lun
verschwindet über weite Strecken des Romans hinter
den revolutionären Ereignissen, die er auslöst. Ihn
interessiert die
kollektive Katastrophe, das Scheitern einer
religiösen und sozialen Bewegung und das allgemein
menschliche Schwanken zwischen Hoffnung und
Resignation, Kampf und Verzweiflung, Sieg und
Niederlage. Dabei beschönigt er nichts; Wang-lun und
die anderen Protagonisten werden in ihren guten und
schlechten Charaktereigenschaften gezeigt. Die drei Sprünge des Wang-lun gilt als erstes Meisterwerk
expressionistischer Erzählkunst. Für viele markiert
dieser Roman den Beginn der literarischen Moderne in
Deutschland, wegen seiner explosiven Sprache und der
faszinierenden Flut an Bildern und Motiven. Der
Roman macht seinen Autor berühmt, obwohl er gängigen
Lesegewohnheiten widerspricht. Die Sprache hat ein
hohes Tempo, Szene reiht sich an Szene, Bild an
Bild, Ereignis folgt auf Ereignis. Einzelne
Sequenzen stehen lose im Ganzen und folgen Döblins
Schreibtechnik, die nicht auf Linearität des
Erzählens angelegt ist, sondern einzelne Sequenzen
für sich stehen lässt, die erst der Leser zu einem
Ganzen zusammenfügt. Günter
Grass schreibt über dieses bemerkenswerte Buch: „Wang-lun, der Führer der Schwachen und
Wehrlosen, wird, indem er das
Schwachsein zur Ideologie erheben will,
schuldig. Die Greuel der Schwachen und Gammler
der Mandschu-Zeit messen sich an den Greueln der
Herrschenden; Wang-lun, der sanfte Berserker,
scheitert und löscht sich aus."
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Nach Gusto: | |||||||||||||
Gusto schrieb, wohl nach dem 2. Weltkrieg: | Mensch, dein Herrentum gedeiht
- Trumpf ist Mischmaschinenzet! Ihre Eisensaurier rasen, dich als Material zu grasen – ungeheure Saurierein! Eins nur kann dem Unfug wehren, eins: trautahmendes Verehren, herzgottvoll Besonnensein! Erst wo wir hinter dem
Grauen,
zum grünen Walde gesellt, die Gärten, die Hütten bauen. Bildung und Wildung trauen - da erst tritt der Mensch in die Welt! |
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Und das sagte 1990 Peter Cornelius Mayer-Tasch: |
Das Drama Mobilität – Überlegungen
zu einer Transit-Philosophie. Transit VON PETER CORNELIUS MAYER-TASCH Transit: Er, sie, es geht hindurch.
Transire - das Hindurchgehen. Wo-durch? Wo-her? Wo-hin?
Hindurchgehen heisst zunächst und zuvörderst, sich zu
be-wegen, sich auf den Weg machen, Weg- Strecken zu
durchmessen. Durchmessen aber werden materielle und
spirituelle Räume - geographische Räume, Zeiträume,
metaphysische Räume. Wege durch Raum. Zeit und Ewigkeit.
Wege und Scheide-Wege. (...) Ging es in der Vergangenheit bei der
Bewertung des Weges und der Wege, bei der Entdeckung von
Irrwegen wie bei der Suche nach Auswegen in erster Linie
um Richtung und Ziel dieser Wege, so ist heute nicht
zuletzt auch der Weg selbst und die Art und Weise der
Zurücklegung dieser Wege – die Art und Weise der
Bewegung also – zum Problem geworden. Zumindest im räumlichen Sinne des Wortes
waren wohl noch nicht einmal in den Zeiten der grossen
Völkerwanderungen so viele Menschen gleichzeitig
«unterwegs» wie heute. Kaum mehr absehbare
Verkehrsströme bewegen sich un-entwegt zu Lande, zu
Wasser und in der Luft. Der Fort-Schritt, der diese zum
Charakteristikum der Moderne gewordene zivile
Generalmobilmachung ermöglicht hat, war und ist
natürlich längst kein Fort-Schreiten mehr, sondern
allenfalls ein Fort-Rollen. Neben der Zähmung des Feuers
war die Erfindung des Rads der zweite prometheische
Anstoss für die Entwicklung des neuzeitlichen Homo
faber. Der Erfinder des Rads hat alle
nachgeborenen Generationen Opfer ihres eigenen
Bewegungsrausches auf ebendieses Rad geflochten. Wenn es
zunächst noch gemächlich rollte, so sollte es sich – von
der menschlichen Beschleunigungsgier angetrieben – im
Laufe der Zeit immer schneller drehen, bis es samt
seiner Herren und Sklaven vom Boden abzuheben und sich
in die Lüfte zu schwingen begann. Wenn der Weg stets zugleich auch Wagnis
war, so ist die Bereitschaft, sich diesem Wagnis
auszusetzen, im Zeichen des immer geschwinder rollenden
Rades mehr und mehr zur Waghalsigkeit und Verwegenheit
geworden. Und dies in mehrfacher Hinsicht. Wer sich
diesem Wagnis aussetzt, riskiert – je häufiger und je
länger, desto mehr – Kopf und Kragen. Die Zahlen
jedenfalls sprechen für sich. Weltweit sind es im Jahr
etwa 250 000 Menschen, die unter die Räder kommen –
mehr, als beim Atombombenangriff auf Hiroshima und
Nagasaki ums Leben kamen. Seit der Erfindung des
Automobils starben nahezu 30 Millionen Menschen auf den
Strassen, von Hunderten von Millionen Verkrüppelter und
Verletzter ganz abgesehen. Und auch diese Zahlen
markieren nur die Spitze des Eisbergs. Tod, Verderben
und namenloses Leid verbreiteten auch die indirekten
Auswirkungen der Auto-Mobilisation – all die
Verhässlichungs-, Verlärmungs- und Vergiftungsorgien,
die bei dem verschwenderischen Tanz um das Goldene Rad
gefeiert wurden. Das Rad als Lebenssymbol Die Frage, wem diese fast unabsehbaren
Transit-Opfer eigentlich gebracht wurden und noch immer
gebracht werden, liegt nahe. Beantworten lässt sie sich
auf verschiedenen Ebenen. Geht man auf philosophische
Distance, so wird man erkennen, dass der dem Goldenen
Rad geweihte Opferaltar aus zahllosen
technisch-ökonomischen Fortschrittshoffnungen errichtet
wurde. In der orientalischen wie in der
keltisch-germanischen Kulturtradition war das (goldene)
Rad Sonnen- und somit Lebens- und Ganzheitssymbol. Der – europäisch geprägten – Neuzeit blieb
es vorbehalten, das Rad mehr und mehr auf ein blosses
Fortbewegungs- und Beschleunigungssymbol zu reduzieren.
Und gerade diese Reduktion des Rades auf ein blosses
Fortbewegungs- und Beschleunigungssymbol entsprach nicht
zuletzt auch der Reduktion der – in der christlichen und
zum Teil auch noch in der frühaufklärerischen
Vorstellungswelt als Erlösungs- und
Vervollkommnungsprogrammatik verstandenen –
Fortschrittsidee auf eine mehr oder minder
materialistisch geprägte (und zudem Züge einer
neurotisch anmutenden Triebhaftigkeit aufweisende)
Expansionsmentalität. (...) Die vom Homo faber seit Beginn der
Renaissance systematisch herangezüchtete Symbiose von
Geldwirtschaft, Technik und Konkurrenz-Denken hat zu
jener Generalmobilmachung geführt, in deren Bann
unsere ganze Zivilisation heute steht. Mobilität wurde –
wenn auch mit gewissen zeitlichen und räumlichen
Phasenverschiebungen – zum Signum der Moderne. Mobilität
und Normalität fallen zusammen. Normal ist der gehende,
fahrende, hastende – nicht aber der innehaltende,
stehenbleibende Mensch. Er wird nicht selten mit
Verwunderung, wenn nicht gar ausgesprochen scheel
angesehen, bei ihm scheint etwas nicht zu stimmen. Und
ist er eine Sie, so werden ihr häufig genug zweideutige
Absichten unterstellt, muss sie damit rechnen, belästigt
zu werden. Zumindest im Ansatz entspricht der Norm
auch ein menschliches Grundbedürfnis. Sich ungehindert
bewegen zu können vermittelt ein wohl von allen Menschen
als wohltuend empfundenes Gefühl der Freiheit, das sich,
durch zahllose technische Künste gefördert, bis zur
Schwerelosigkeit des Dahinsausens und Dahinfliegens
steigem kann. Die Erdenschwere abzuschütteln, ist ein
alter Menschheitstraum, von dem ungezählte Märchen,
Sagen und Geschichten künden. Verkehrsvolumen nimmt weiter zu Inwieweit dieser Traum in Erfüllung gehen
konnte, hing nicht nur von der Kunstfertigkeit, sondern
stets auch von der sozialen Stellung derer ab, die
diesen Traum träumten. Je höher ihr sozialer Rang war,
desto leichter liess sich das Bedürfnis nach Mobilität
befriedigen. Im Gegensatz zum Sklaven, Hörigen und
Knecht war der Hochgestellte oder jedenfalls Freie nicht
(oder doch nicht im selben Masse) an die Scholle
gebunden; er hatte mithin die sozialen
Grundvoraussetzungen für eine - mehr oder minder
weitgespannte Mobilität. Uberdies standen ihm auch
vergleichsweise schnelle und bequeme Mittel zur
Überwindung räumlicher Entfernungen zur Verfügung – Reittiere oder von Zugtieren gezogene
Wagen. Uber die unmittelbare Erfahrung und den
unmittelbaren Genuss der Beweglichkeit hinaus dürfte ein
guter Teil der Faszination, die heute vom Automobil
ausgeht, in der mehr oder minder vagen Erinnerung des
«kollektiven Unbewussten» (C. G. Jung) an solche – auch
in manchen Mythen aufscheinenden - sozialhistorischen
Zusammenhänge wurzeln. An die Stelle des «hoch zu Ross»
Sitzenden oder sich ins weiche Pfühl der Karosse
Lehnenden ist heute der Motorrad-, Auto-, Flug- oder
auch Zugreisende getreten. Dem «blossen» Fussgänger aber
gehört «eigentlich» der Hut in die Hand; zumindest hat
er (und seine Lebensinteressen) demütig zurückzutreten
oder sich in Unterführungen zu verkriechen, wenn Ihre
Hoheit, die im Transit befindliche Mobilität, sich – und
sei es auch krachend und stinkend – nähert. (...) Dass den Verkehrspolitikern nichts Klügeres
einfällt, als der tatsächlichen Entwicklung des
Verkehrsaufkommens durch eilfertige Eröffnung neuer
Land-, Luft- und Wasserwege – sozusagen mit
hängender Zunge – nachzuhasten, statt den Bedarf endlich
als normative Grösse zu begreifen, ist nur die eine
Seite der Transit-Medaille. Die andere, noch schärfer
profilierte, ist der Trend zur Schaffung politischer
Voraussetzungen, die das Verkehrsvolumen ins nahezu
Unermessliche zu steigen drohen. So wird insbesondere
die Eröffnung des Gemeinsamen Europäischen Marktes
innerhalb des nächsten Jahrzehnts – d. h. also bis zum
Jahr 2000 – aller Voraussicht nach zu einer Verdoppelung
des Güterverkehrs im Alpentransit und zu ener 40- bis
60prozentigen Steigerung im übrigen europäischen
Verkehrsverbund führen. Mit dieser Verdoppelung allein
wird es allerdings noch lange nicht getan sein. Zur
Vorbereitung und in Begleitung dieses verdoppelten
Güterverkehrs wird es überdies auch zu einer Ausweitung
des Personenverkehrs kommen. Und dies um so mehr, als
die mutmasslichen sozio-ökonomischen Zusatzbelastungen,
die der Gemeinsame Markt gerade auch auf dem
Verkehrssektor mit sich bringen wird, den heute schon
beinahe an sich selbst erstickenden Fluchtverkehr wohl
noch weiter verstärken werden. Grund zur Flucht aber glauben die
Mitglieder der fortgeschrittenen Industriegesellschaften
unseres Fin de siècle mehr denn je zu haben. Zu den
zeitlosen Fluchtmotiven der inneren Leere oder
«verkehrten» Fülle kommt heute nicht zuletzt das
Bedürfnis nach (Urlaubs-)Flucht vor klimatischen
Unbilden und nach (Urlaubs- und Wohn-)Flucht aus
ökologisch besonders belasteten Gebieten und
Verhältnissen. Dass sich als Folge dieses Fluchtverkehrs
die Teufelsspirale der Umweltzerstörung um eine weitere
Runde höher schraubt, ist unübersehbar. Wie die Wege der
unablässigen Güterverschiebung werden auch diese Wege
des unablässigen Menschenaustausches zu Irrwegen.
«Reisen beleidigt den Horizont» betitelte der Berliner
Künstler Gunter Bruno Fuchs einen Mitte der sechziger
Jahre entstandenen Kalenderholzschnitt. Und dies tut es
wohl auch tatsächlich in ständig wachsendem Masse. Verursacherprinzip durchsetzen Die Einsicht freilich in die Fragwürdigkeit
der bisherigen Verkehrspolitik wächst und wächst. Auch
werden die kritischen Fragen immer bohrender. Der Weg,
an dem kritisches Fragen baut, strebt daher auch weg von
der Wand transitpolitischer Selbstzerstörung in die
offenen Gestaltungsräume einer lebensgerechten
Verkehrspolitik. Schon heute zeichnen sich für diesen Weg
zwei Etappen ab. Die erste Etappe – die Etappe der
unmittelbaren Not-Wende – ist die Etappe einer um- und
mitweltfreundlich(er)en Verkehrspolitik. Fairness
gegenüber Um- und Mitwelt im Verkehr bedeutet aus dieser
Sicht, wenn nicht den völligen Ausstieg aus der
Autogesellschaft, so doch ihre entschiedene Zähmung
durch verkehrs-, energie-, finanz- und rechtspolitische
Massnahmen, die zur Vermeidung, zumindest aber zur
Drosselung aller umweltschädlichen Verkehrsformen
führen. Es bedeutet die Umleitung des Güterfernverkehrs
von der Strasse auf die Schiene wie auch die
Verlagerung des nationalen (und möglichst auch des
innereuropäischen) Flugverkehrs auf das IC- und EC-Netz
der Eisenbahnen mit Ausnahme der energieintensiven
Hochgeschwindigkeitsbahnen. Vor allem aber bedeutete es
die Förderung der um- und mitweltfreundlichen
Verkehrsformen durch den Ausbau bzw. die Wiederbelebung
flächendeckender kommunaler, regionaler und nationaler
Geh-, Rad- und Schienenwegnetze sowie die
Entwicklung innovativer Verbundsysteme, die dem Benutzer
dieser Wegnetze bei Bedarf eine Kombination der
erwähnten Verkehrsformen nahelegen. Politischer
Schlussstein einer solchen – als Politik der Mässigung
verstandenen – «Fair-kehrspolitik» wäre die gezielte
Ermöglichung und Erleichterung des Überganges von
sozioökologisch problematischen zu sozioökologisch
unproblematischen Verkehrsformen durch nachdrückliche
und nachhaltige steuer- und tarifpolitische Massnahmen,
die der so viel beschworene und so wenig ernstgenommenen
Durchsetzung des Verursacherprinzips eine echte Chance
geben. Dass eine Verkehrspolitik, die mehr als die
blosse Minderung von Transit-Schäden im Auge hat, nur in
den Gesamtzusammenhang eines zivilisatorischen Transits
gestellt werden kann, ist unverkennbar. Die zweite
Etappe des Reformweges mündet daher auch in den
Königsweg der Verkehrspolitik – in den Weg der
Neuordnung des Verhältnisses von Produktion und
Konsumation. Es ist dies der Weg der Wiederannäherung
von Produzent und Konsument zu Lasten der
Transitprobleme schaffenden räumlichen Arbeitsteilung
und der aus ihr resultierenden Distribution. Gefördert werden kann diese
Wiederannäherung von Produzent und Konsument sowohl im
Verantwortungsbereich eines jeden einzelnen Bürgers wie
auch im Verantwortungsbereich der öffentlichen
Hand. Für ein Europa der Regionen (...) Verdeutlichen liesse sich dies an einer
ganzen Reihe von Beispielen aus verschiedenen Bereichen
der europäischen Politik. Gerade das Beispiel der
Verkehrspolitik zeigt jedoch besonders deutlich, wohin
die Reise geht: Wie schon erwähnt, gehen die
europäischen Verkehrsprognosen für das knappe Jahrzehnt
nach der Eröffnung des Gemeinsamen Marktes bis zur
Jahrtausendwende von einer 50- bis 100prozentigen
Steigerung des innereuropäischen Flug- und
Lastkraftwagenverkehrs aus. Wenn man bedenkt, dass
dieser Verkehr schon heute aus allen sozioökologischen
Akzeptanz- und Toleranzgrenzen zu sprengen droht, reihen
sich solche Prognosen wie von selbst ins Horrorkabinett
denkbarer zivilisatorischer Zukünfte ein. Verkehrs- und Bewusstseinschaos Im Hinblick auf die Belastung einer
sozioökologisch besonders empfindlichen Transit-Region –
des Alpenraumes nämlich – ist diese denkbare Zukunft
schon weithin Gegenwart geworden. Da die Alpenangrenzer
Deutschland, Italien und Frankreich Mitglieder der
Europäischen Gemeinschaft sind und das Alpenland
Osterreich den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft
anstrebt, ist das Gros der «geborenen» Hüter der
sozioökologischen Integrität des Alpenraumes
verkehrspolitisch domestiziert. Ob die – um eine
sukzessive Okologisierung ihrer Verkehrspolitik bemühte
– Schweiz den Widerstand gegen die Zernutzung ihres
Alpenraumes auf lange Frist aufrechterhalten kann, wird
nicht zuletzt von ihrer eigenen ökonomischen
Begehrlichkeit und vom ökonomischen Verführungs- bzw.
Erpressungspotential der Europäischen Gemeinschaft
abhängen. Sehr hoffnungsfroh kann ein wacher
Beobachter der Transit-Szene des Alpenraumes jedenfalls
nicht gestimmt werden, solange der europäische
Integrationspfad heutigen Zuschnitts weiter beschritten
wird. Würde hingegen der skizzierte Pfad der
Regionalisierung bzw. Interregionalisierung beschritten,
so hiesse dies zunächst einmal, sich auf die
ursprünglichen sozialen und ökonomischen Möglichkeiten
der jeweiligen Region zu besinnen. Und diese Interessen
und Möglichkeiten liegen zumindest nicht zuvorderst in
der Förderung von Export und Import, sondern in der
Förderung der Lebensbedingungen, die für die jeweilige
Region typisch sind. Für eine Region typisch ist ihre
natürliche geologische und klimatische Beschaffenheit,
ihre geographische Lage, ihre ethnischen Eigenheiten,
Zahl und (Aus-)Bildung ihrer Bewohner sowie auch ihre
kulturellen Besonderheiten. Und hieraus ergeben sich
dann die spezifischen Produktions- und
Reproduktionsmöglichkeiten der jeweiligen Region. Am Schluss dieser Uberlegungen zu einer
Transit-Philosophie bleibt anzumerken, dass die hier
skizzierten Auswege zwar nur Auswege aus einer
ver-fahrenen Verkehrspolitik, nicht aber Auswege aus
einer verfehlten individuellen und kollektiven
Bewusstseinsverfassung zu bieten scheinen. Das äussere
(Verkehrs-)Chaos, in das sich die fortgeschrittenen
Industriegesellschaften manövriert haben, ist jedoch
nicht zuletzt Ausdruck ihres inneren
(Bewusstseins-)Chaos. Auswege aus dem äusseren Chaos
weisen daher – zumindest im Ansatz – auch Auswege aus
einem inneren Chaos, wen ihre Signalwirkung vielleicht
auch zunächst nur bescheiden erscheinen mag. ===== Wir veröffentlichen hier Auszüge aus dem
Einleitungskapitel dieses Buches. P. C. Mayer-Tasch/W. Mol/H. Tiefenthaler:
Transit - Das Drama Mobilität, Schweizer Verlagshaus,
207 Seiten, 28 Fr. Tagesanzeiger, Samstag, 12. Mai 1990 -
Seite 2 |
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