Gusto Gräser im Internet:
Französisch und deutsch:
http://www.fileane.com/laurie/laurie01/monte_verita.htm#utopistes
Erich Mühsam auf Reisen:
http://www.jungewelt.de/2003/05-10/026.php
Eine weitere Dokumentation zu Gusto Gräser:
www.gusto-graeser.de
Rudolf von Laban, Mary Wigman: Escuela de arte en Monte Verità (spanisch), von Marcela Sánchez
http://www.jornada.unam.mx/2000/oct00/001022/sem-danza.htm
Dokumentation zu Gusto Gräser beim Umbruch-Verlag:
http://www.umbruch-verlag.de/gusto
The development of modern dance in Germany (english):
http://www.stanford.edu/group/berlin/data2/CLEAN/pathways/modern_dance/1origins.html
NAGA, Nachtessen am Gartenweg: Monte Verità:
http://www.kat.ch/alilum/35.htm
 Marcela Sánchez: El cielo en la tierra (spanisch):
www.jornada.unam.mx/2001/mar01/010325/sem-monte.html
Hermann Hesse-Portal
http://www.hhesse.de
Kurztext französisch:
http://home.nordnet.fr/%7ejgrosse/int/reves.htm
International Otto Gross Society (english):
http://www.ottogross.org
Hans Arp (english):
http://www.peak.org/~dadaist/English/Graphics/arp.html
Mon cousin Otto Gross (französisch)
http://home.nordnet.fr/%7ejgrosse/obs/ottogros.htm
 Oskar Maria Graf und Georg Schrimpf:
 http://www.oskarmariagraf.de
Erinnerungsorte der Lebensreform
www.lebensreform-zeitgeschichte.ch/aktuell/erinnerungsorte/


Sachbücher und Bücher von Gusto Gräser:
Übersetzungen des Tao Te King gibt es zu Dutzenden. Meist sind sie nebulös und kaum verständlich, weil sie sich von der Denkwelt des Chinesischen nicht lösen können. Gusto Gräser, selbst Einsiedler und Erdenwanderer in härenem Gewand, konnte aus eigener Erfahrung schöpfen und so eine Nachdichtung schaffen, die nicht an Worten klebt sondern aus dem Geist des TAO lebt. Durch ihn und in ihm ist der Chinese Laotse ein Deutscher geworden.
Gräsers Nachdichtung überzeugt durch die Klarheit und Einfachheit der Sprache, durch ihren würdevollen Gang und ihr kraftvolles Pathos. Der Sinn wird sinnlich, wird hörbar, plastische Poesie. Die Weisheit des Chinesen bleibt nicht länger eine ferne Sage, sie wird Forderung des Tages, Anruf und Mahnung zur Wandlung. Wir sind gemeint, Menschen des 21. Jahrhunderts. Die Gelehrsamkeit fällt weg, das Wort des großen Alten wird wieder jung.
Gräser war ein Wanderer, lebte auf und von der Straße, schlief in Wäldern, wohnte in Felshöhlen. Der frische Wind seines sturmbewegten Lebens fegt den Staub vom vergilbten Pergament.
Mit einem Nachwort von Hermann Müller

Broschur, 143 Seiten mit zahlreichen Abbildungen - 5. verbesserte Auflage - ISBN: 9783937726007  - EUR 14,00  Umbruch Verlag Recklinghausen

Gusto Gräser
Gedichte des Wanderers

Herausgegeben von Frank Milautzcki, Klingenberg

Limitierte und numerierte Ausgabe


Rezension


Verlag im Proberaum 3

Der Monte Verità bei Ascona, von Gusto Gräser mitbegründet, wurde zu Beginn des Jahrhunderts ein geistiges Zentrum, das schöpferische Kräfte aus ganz Europa an sich zog. Jahrzehntelang hat der "Stromer", der "Vagabund", der "lachende Siebenbürger" in deutschsprachigen Großstädten "öffentliche Gespräche" abgehalten, hat auf Spruchkarten und Flugblättern, vor allem aber im Gespräch seine Mitmenschen aufzurütteln versucht. Seine Gedichte wollten nicht "Kunst" sein, sind immer Ansprache und Mahnung.
Sein Lebenswerk ist ungedruckt geblieben. Seine Zeitgenossen kannten nur Bruchstücke, Vorläufiges, Zufälliges. Heute erst, mit dieser Auswahl, hat der Leser die Möglichkeit, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Besser aber: teilzuhaben an einem Vermögen, teilzunehmen an einer Befreiung. Es handelt sich um eine Auswahl, eine Zusammenstellung von Gedichten und Sprüchen, wie sie der Dichter selber nie gegeben hat und wohl nie gegeben hätte. Gräser hat seine Goldkörner zwischen Sand und Kiesgeröll vergraben. Sie auszusieben und blankzureiben wäre ihm als Verzerrung der Wirklichkeit erschienen, der Wirklichkeit, die immer auch banal, unrein, gemischt und schlicht alltäglich ist. Mit wunderlicher Fremdheit schauen uns diese Texte an, lassen uns zurückschaudern vor so viel brausender Bejahungskraft. Herausgegeben von Hermann Müller


Broschur, 160 Seiten EUR 15,- - ISBN: 978-3-937726-02-1 - Umbruch Verlag Recklinghausen


 
Die Gräser-Biografie

von Hermann Müller

Diese erste und einzige Lebensbeschreibung des Dichterpropheten bietet auf 145 Seiten die wichtigsten Originaltexte und Fotos, die zu seinen Lebzeiten entstanden sind.  Mit einem Kapitel über seine Jugend bei Diefenbach und mit Bildern aus der Alternativ-Siedlung „Grünhorst“ bei Berlin. Mit ausführlichen Literaturangaben und zahlreichen Fotos und Faksimiles.

Umbruch Verlag Recklinghausen, € 15.00.
ISBN 978-3-937726-07-6



Weiterführende Literatur in Auswahl zu Arthur Gustav Gräser

Grundlegende Schriften fett geschrieben


Weiterführende Literatur ist auch in den jeweiligen Kapiteln zu finden
(siehe auch Karl Wilhelm Diefenbach)

Andratschke, Thomas (Hg.) Mythos Heimat. Worpswede und die europäischen Künstler-kolonien. Sandstein Verlag, Dresden 2016.
Zitat:
Hermann Hesse … zog es zu Gusto Gräser, den er in seiner Höhle in Arcegno besuchte, um etwas von ihm zu lernen, was in seinen Büchern immer wieder eine Rolle spielt: den Rückzug in die Einsamkeit, das Ausgesetztsein in der Natur, die Askese, die radikale Außenseiterrrolle. 

Appignanesi, Lisa

Dreams of Innocence. London: HarperCollins, 1994.


Aschenbeck, Nils

Reformarchitektur. Die Konstituierung der Ästhetik der Moderne. Verlag Birkhäuser, Basel 2016.
Aschenbeck führt die Entstehung der modernen Architektur auf die Licht-Luft-Hütten der Lebensreformer und ihre Sanatoriumsbauten zurück. Ihr Ideal der Einfachheit und Ursprünglichkeit habe zu einer Reduktion des Hauses auf seine Urform geführt: die Hütte. Damit hätten sie einen neuen Beginn gesetzt.

Zitat: „Das um 1900 auf dem Monte Veritá und an anderen Orten etablierte neue Architekturverständnis, das das Architekturverständnis des 19. Jahrhunderts auf den Kopf gestellt hatte, war unmittelbare Ursache für einen weitreichenden architektonischen Wandel weltweit. Das moderne Appartementgebäude, das auf den ersten Blick sowohl einem Sanatorium als auch einem Schnell-dampfer glich, gründete auf der Reformbewegung. Es ist – bis heute – der Standardtyp der Wohnarchitektur geblieben, wird kaum verändert von Trondheim bis Sydney gebaut.

Wir sehen, dass die moderne Architektur, das Neue Bauen, die Neue Sachlichkeit, die Moderne oder auch die Zweite Moderne Weiterungen und Fortentwicklungen der Reform sind. Erst die Reform hat das Denken etabliert, das dieser Architektur zugrunde liegt.“ (S. 283)

Below, Jürgen (Hg.) 

Hermann Hesse
„Der Vogel kämpft sich aus dem Ei“
Eine dokumentarische Recherche der Krisenjahre 1916-1920
 
Igel Verlag, Hamburg 2017

Bermbach, Udo

Richard Wagners Weg zur Lebensreform
     Wagner in der Diskussion, Bd. 17
     Königshausen und Neumann Verlag, Würzburg 2018
     ISBN 9783826064708
     Gebunden, 256 Seiten

Udo Bermbach, von Haus aus Politologe und Wagnerforscher, hat ein Buch zur Geschichte der Lebensreform geschrieben, das manches Kompendium zum Thema in den verdienten Schatten stellt. Anschaulich und plastisch, weil er sich konzentriert auf ... Weiterlesen

Bernard, Danielle
Aspects gandhiens et non gandhiens de Gusto Gräser, un chercheur de vérité, éclectique, artiste itinérant, solitaire, anarchiste et rebelle.
Dans: Esprit gandhien avant la lettre de 1890 à 1918 et réception de Gandhi de 1918 à 1945 en Allemagne.
Par Danielle Bernard, professeure agrégée d'allemand, Edition de novembre 2000 corrigée et complétée en mars 2022.
(Gandhianische und nicht-gandhianische Aspekte von Gusto Gräser, einem Wahrheitssucher, Eklektiker, reisenden Künstler, Einzelgänger, Anarchisten und Rebellen.
In: Esprit gandhien avant la lettre de 1890 à 1918 et réception de Gandhi de 1918 à 1945 en Allemagne.
Von Danielle Bernard, Professorin für Deutsch, Ausgabe vom November 2000, korrigiert und ergänzt im März 2022.)


Berlinische Galerie (Hg.) Visionäre der Moderne. Paul Scheerbart, Bruno Taut, Paul Goesch. Scheidegger & Spiess, Zürich 2016.
Zitat:
„Das ist letzten Endes, das was wir wollen: die Utopie!“ formulierte Walter Gropius begeistert. 

Bodmer, Hans-Caspar (Hg.)

Monte Verità. Landschaft, Kunst, Geschichte. Frauenfeld Stuttgart Wien 2000, Verlag Huber.


Bollmann, Stefan

Monte Verità 1900
Der Traum vom alternativen Leben beginnt

 
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2017

Blankenstein, Christian

Gusto Gräser – der europäische "Gandhi"


Unter dieser Überschrift zeichnet Christian Blankenstein, ein altkatholischer Theologe in Wien, ein kurzes Lebensbild von Gusto Gräser. Es ist enthalten in seinem Buch: Die Merk-würdigen von Gestern und ihre Spuren im Heute. 15 Portraits aus Österreich, erschienen im Verlag Traugott Butz, Nordhausen 2011; dort auf den Seiten 146-160.

Blankenstein bietet ein gründlich recherchiertes (wenn auch nicht fehlerfreies) Portrait, das sich vor allem, nach seiner eigenen Aussage, auf die Gräser-Webseite stützt. Er kann also dem hier bewanderten Leser, außer in seinen Akzentuierungen, wenig Neues bieten. Darum dürfte es genügen, jene Abschnitte hier anzuzeigen, die relativ eigenständig sind oder einen Aspekt besonders hervorheben.
Blankenstein geht einigermaßen ausführlich auf die familiäre Herkunft Gräsers ein:
Anhand der von Daniel Gräser 1885 zusammengestellten „Graeser-Biederfeldschen Familienchronik“ gelingt es leicht, sich ein Bild jenes geistigen Umfeldes zu machen, das Gräser hervorgebracht hat. Am Anfang steht die Legende von der dickköpfigen Aufrichtigkeit jenes Ahnen, der im Chorgestühl der Schäßburger Bergkirche Beleidigungen gegen den Magistrat verfasst hatte.
Vor die Alternative gestellt, zu widerrufen oder auszuwandern, wählte er letzteres und geht in die Gegend des Dorfes Mediasch. Gesichert jedoch ist das Faktum, dass bereits vor dem Jahre 1664 dort Angehörige der Familie Graeser sesshaft waren und Stephan Graeser 1664-1686 das Amt des Bürgermeisters bekleidete. Übte man in der Graeser’schen Familie zunächst das Schneidergewerbe aus, so wird Daniel (1752-1833), der in Jena Theologie studiert, Pfarrer und als Siebzigjähriger zum Bischof der Evangelischen Kirche in Siebenbürgen bestellt. Die Familie Graeser weist schließlich ein weites Spektrum von Berufen auf, das vom Berufssoldaten, Kommunal-Politiker, Kirchenmann, Historiker und Juristen bis hin zum Dichter und Maler reichen wird. Eine geistige Elite in Siebenbürgen also! Im Geburtsjahr Gusto Gräsers 1879 weist die „Allgemeine Deutsche Biographie“ gleich drei Vertreter der Familie auf. Schule und Kirche sind die beiden Grundfesten der Siebenbürger Sachsen, die sie zwecks Aufrechterhaltung ihrer Identität stets hochhielten. Waren sie doch ethnisch wie religiös eine Minderheit. So werden diese beiden Anker des Volkstums auch in der Familie Graeser von Generation zu Generation weitergegeben. (S.147)
Über Gräsers Rebellion gegen die Schule berichtet Blankenstein:
Noch schlimmer wird es für ihn, als er am 30. August 1890 an das Brukenthal-Gymnasium nach Schäßburg [Hermannstadt!] wechselt und er der Enfernung wegen zu Fremden – noch dazu Lehrern – in Kost und Logis muss! Glücklich erweist sich der Umstand letztlich dennoch, als Gusto am 1. November 1891 in das Haus des Malers Carl Dörschlag (1832-1917) zieht. Dieser, ein bedeutender Portrait- und Landschaftsmaler, fungiert gleichzeitig als Zeichenlehrer am Gymnasium. Er war es, der als erster die künstlerische Ader des Jungen fördert. Dies bringt Gusto einerseits Erfüllung, ändert aber nichts an seinem Desinteresse an der Mathematik. So kommt, was kommen muss: der Spross einer bekannten Akademiker-Familie fällt durch und verlässt das Gymnasium. (148)
Über „die Kolonie auf dem Monte Verità“ von Ascona, von den Brüdern Gräser im Herbst 1900 zusammen mit andern begründet, räsonniert der Theologe:
Ein Berg begegnet uns immer wieder in den Religionen der Welt, denken wir beispielsweise an den Berg der Gesetzestafeln des Moses oder die Bergpredigt des Jesus von Nazareth. Von oben sieht die Welt nicht nur anders aus – die veränderte Perspektive vermag auch das eigene Denken zu verändern, neue Maßstäbe werden bedeutsam. Gräser und seine Gefährten glaubten den richtigen Platz für einen Neuanfang gefunden zu haben: eine Kontrastgesellschaft soll aufgebaut werden, Gräser sieht in ihr eine Art Liebeskommune, die Aussteiger aller Art mit offenen Armen aufnehmen soll. Nachdem Gräser inzwischen jede Art von Reglement und äußerer Ordnung ablehnt, soll es ein Ort werden, wo sich der Mensch entfalten kann.
Vordergründig irritiert die Bezeichnung „Monte Verità“, denn es geht dort weniger um die „Wahrheit“, sondern um die Möglichkeit „wahrhaftig“ zu leben und den Zwängen der Geschäftswelt und den Regeln der Gesellschaft zu entfliehen. (151)
Blankenstein zitiert auch aus dem Bericht von Carlo Arnaldo, dem ersten Chronisten des Monte Verità:
In seinem Artikel „Die Naturmenschen“, der am 20. August 1903 in San Francisco erscheint, heisst es: „Ich fuhr über den Lago Maggiore und bestieg den Heiligen Berg der Göttin Natur, den seine seltsamen Bewohner Monte della Verita – Berg der Wahrheit - nennen … Weiter oben trafen wir den ersten Naturmenschen (Anm. Karl bzw. Gusto Gräser). Er war gerade beim Bau eines kleinen Steinhauses … Noch nie habe ich einen so schönen Mann gesehen, nicht nur im ästhetischen Sinn, sondern auch nach den charakteristischen Zeichen wahrer Gesundheit. Er trägt die Haare lang und einen kurzen Bart; eine leichte Tunika, an der linken Seite aufgehängt, lässt die Arme für die Arbeit frei und entblößt bis zur Mitte einen hageren muskulösen Körper praxitelesker Volkommenheit. Ich sagte mir, so müssten die Bewohner der Erde ausgesehen haben, als unsere Zivilisation die Rasse noch nicht verdorben hatte…“ (152)
Blankenstein befasst sich ausführlich mit Hermann Hesse und dessen „lebenslanger Bewunderung und Freundschaft zu Gräser“. Er zitiert eine wenig bekannte Stelle aus dem ‚Glasperlenspiel’:
Hermann Hesse schildert … seine Eindrücke auf dem Monte Verità folgendermaßen: „Bei der Ankunft gegen Abend blickte eine kleine grüne Oasenlandschaft ihn freundlich an, er sah Bäume ragen und hörte eine Ziege meckern, glaubte im grünen Schatten die Umrisse von Hüttendächern zu entdecken und Menschennähe zu wittern … Mit Einbruch der Dämmerung kam er in die kleine Siedlung. Es wohnten hier, ähnlich wie in einem Kloster, sogenannte Zurückgezogene … aus verschiedenen Städten und Ortschaften, die sich hier in der Abgeschiedenheit eine Unterkunft geschaffen hatten, um ungestört sich einem einfachen, reinen Leben der Stille und Kontemplation zu ergeben.“ (152f.)
Aus einem Flugblatt des Wanderpropheten teilt Blankenstein einen ebenfalls kaum bekannten Auszug mit:
In Berlin, wo die Familie ein Jahr bleibt, verteilt Gräser 1912 Flugschriften mit dem Titel „Heimat“ und „Ein Freund ist da“. In letzterem ist seine heftige Gesellschaftskritik unverkennbar: „O, Ihr blutlosen Anstandspuppen! Hüllt Euch nur weiter in Eure mit tausend hüpschen Phrasen verbrämten Mäntelchen – Ihr über alle Äusserlichkeiten Erhabenen! Macht nur weiter, Ihr Macher! … Geht, Ihr Memmen! … Oder wollt Ihr hüpsch sittsam beim Alten bleiben, beim guten alten, doch so christlichen Mietmenschentum? … Trottet also nicht mehr nach der sittsamen Lüge, öffentliche Meinung genannt, sonst verdient Ihr Trottel, nicht aber Menschen zu heissen…“ (153f.)
Blankenstein bewertet den Einfluss, den Laotse auf Gräser gehabt hat, hoch und widmet dieser Frage eine ausführliche Betrachtung, die den gelernten Theologen verrät – der sich allerdings hier auf ein Neugebiet wagt:
Nachdem Gräser bereits 1912 in Stuttgart über Laotse und das Tao spricht, ist davon auszugehen, dass er wahrscheinlich schon in seiner Höhlenzeit begonnen hat, sich mit diesem Thema intensiv zu beschäftigen. Nach der Lektüre von Gräsers Nachdichtung schreibt Hesse im einem Brief im Sommer 1919: „Die Weisheit, die uns nottut, steht bei Laotse, und sie ins Europäische zu übersetzen, ist die einzige geistige Aufgabe, die wir zur Zeit haben.“
Um Gräsers Werk und Absicht verstehen zu können, muss man zunächst einen Blick in die Religionsgeschichte werfen, was das alte China angeht. […] Laotse hat im 6. Jahrhundert v. Chr. mit seinem Buch „Tao-te-king“, einer Zusammenfassung von 81 Rätselworten, etwas geschaffen, das heute zu den Perlen der Weltliteratur gehört. … Die Botschaft des Tao-te-king, die Besinnung auf das Eine, Unendliche, Wesentliche, das allem Werden und Wandel zugrundeliegt, das Loslösen vom Kampf der menschlichen Leidenschaften, von Krieg, Herrschsucht, Wissen, Scheintugend, also von all den Äußerlichkeiten, fasziniert Gräser.
Der Leser soll seine Gedanken hinlenken auf die Stille, die Himmel, Erde und Menschen trägt. Es ist also letztlich jener Zustand als Ideal anzustreben, der eine abgeklärte Gelassenheit und zugleich eine innige Verbundenheit mit allen Wesen und Dingen bedeutet. Nur wenn der Mensch loslässt (vgl. den Mystiker Meister Eckhart), wird er frei und glücklich. […] Was die Rätselworte angeht, so müht sich Gräser nicht um eine Übersetzung, sondern um eine Neubelebung ihrer Botschaft in moderner Sprache. Er macht sich also an die Arbeit der Nachdichtung und liest den Erfolg seiner Arbeit einem ausgewählten Kreise vor. Laotse steht für die Ernsthaftigkeit und Einsamkeit eines abgehobenen Gelehrten, Gräser, der als „der lachende Siebenbürger“ bezeichnet wird, zeigt sich als dem Leben zugewandter Philosoph, den Hermann Hesse im Steppenwolf folgende Devise prägen lässt: „Du sollst leben und das Lachen lernen.“ (156)
Blankenstein findet treffende Worte für das Verhältnis der beiden Philosophen, bringt auch einige Beispiele aus Gräsers Tao-Buch. Indem er allerdings viel über den alten Chinesen und über das eigene dichterische Werk des Siebenbürgers fast gar nichts sagt, verschiebt er die Gewichte gewaltig. Denn dieses Werk ist keine Nachahmung sondern aus eigener Erfahrung geschöpft, aus der Not und dem Kampf eines freiwillig Armen, der in der Katastrophenzeit des zwanzigsten Jahrhunderts seine einsame Stimme erhebt. Seine Worte sind ebensowenig „Rätselworte“ wie die des Meisters Lao, sondern klare, verständliche, ja erleuchtende Botschaften, Schlüsselworte zu den Geheimnissen des Daseins. Gräser hat zwar Anregungen von vielen Seiten dankbar aufgenommen, aber er ist ein „Schüler“ nur des eigenen Selbst.
Die Arbeit von Blankenstein ist sachlich im Ton, klar und verständlich geschrieben, durch passende Zitate anschaulich gemacht und trotz einiger Missverständnisse und Ungenauigkeiten im großen und ganzen zuverlässig. (Einen „Bruder Otto“ von Gräser hat es nie gegeben, und ein „KZ Großöhmig“ wird man in den Geschichtsbüchern vergeblich suchen!) Da der Verfasser auf Gräsers eigenständiges dichterisches Werk nicht eingeht, kann dessen bleibende Bedeutung nicht sichtbar werden. Trotz solcher Einschränkungen bietet Blankenstein auf kaum fünfzehn Seiten eine informative, angenehm zu lesende Einführung in den Lebensgang des großen Siebenbürgers.
Blum, Iris «Monte Verità am Säntis – Lebensreform in der Ostschweiz 1900–1950»
VGS Verlagsgenossenschaft St.Gallen, St.Gallen 2022; 352 Seiten, Hardcover mit zahlreichen SW-Abbildungen
Rezension

Buckley, Joshua und Moynihan, Michael (Hg.)
TYR. Myth-Culture-Tradition. ULTRA, Atlanta, Georgia 2007-2008.
 
Ein Sammelband zum Gedankengut der "radical traditionalists". Der amerikanische Kulturhistoriker Gordon Kennedy kommt in seinem Beitrag zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass die Wurzeln der amerikanischen Hippie-Bewegung weniger in Indien liegen als in der deutschen Lebensreform, die schon seit 1900 durch Auswanderer in die Staaten gebracht wurde:
 
"What a devastating blow to find out that it wasn't the Hopis, Hindus, Tibetans, or some universal 'all-is-one' doctrine that inspired the hippies - it was Germany after all."
 
Gordon würdigt Gusto Gräser als Hauptfigur dieser Bewegung und bietet Bilder von Gräser, Hesse, Fidus und Diefenbach.

Canottiere, Lorena

Verdad
Banoe Books. Wien 2017
Ein Comic

„Sie versuchten, den neuen Menschen zu erschaffen. Dieser sonnige Hügel, der Monte Verità von Ascona,
bleibt für viele der Abglanz eines Traumes.“

(Lorena Canottiere)

Carminati, Massimo
L'arte come ultima ratio. Hermann Hesse e la „Lebensreform".
Verlag Il Cerchio, Rimini 2012, S. 16-19. Mit zahlreichen, auch farbigen Abbildungen. In italienischer Sprache.
Übersetzung ins Deutsche von Hermann Müller.

"... Hesse, ergriffen von dem Wunsch nach einer Lebensweise, die der Wirklichkeit neue Farben verleihen würde, bewies seine geistige Verwandtschaft mit Gräser, indem er dessen Einladung annahm, ihm auf den Monte Verita oberhalb von Ascona zu folgen. ..."


Carnelli, Silvia  Die Heimkehr des Ikarus. In: Gusto Gräser, TAO. Das heilende Geheimnis. Recklinghausen 2016, S.103-106.
Zitat:
Als Gegenstück zur radikalen „Dekonstruktion“ der Gegenwart entwirft Gusto Gräser die Konstruktion einer neuen Menschheit … Gusto Gräser bietet auch sein ureigenes Menschenideal an. Jener Mensch, der dem Weg seines Taos folgt – im Sichfreimachen von sozialen Vorschriften, so wie der Dichter selbst sich freimachte -, wird „helfend heilend“ … Er wird ein Tänzer und ein Tor, ein weiser Narr

Carstensen, T. u. Schmid, M. (Hg.) Die Literatur der Lebensreform. Kulturkritik und Aufbruchstimmung um 1900. Transcript Verlag, Bielefeld 2016.
Zitate:
Der Monte Verità … ist ein Ort der Gegenbewegung, ein Ort der Verlangsamung, welcher der Beschleunigungserfahrung um 1900 etwas entgegenzusetzen versucht. Man sehnt sich nach Befreiung von etablierten Normen … (195). 
Niemand verkörperte das Aussteigertum in dem um 1902 eröffneten Sanatorium besser als Gusto Gräser. (18)

Cepl - Kaufmann, Gertrude "Die Boheme zwischen Lebensreform und Lebensflucht", Aufsatz in "Nomadische Existenzen", Tagungsband des Fritz-Hüser-Instituts 11. Mai 2007, S. 55-73, Herausgegeben von Walter Fähnders, Klartext Verlag, Essen 2007, ISBN 978-3-89861-814-4
Auszüge

Coccia, Emanuele
Die Wurzeln der Welt - Eine Philosophie der Pflanzen
 
Ein italienischer Denker, von der Biologie herkommend, lehrt uns die Welt mit anderen Augen sehen.
Eine Schwäche hat allerdings sein bahnbrechendes Werk: Begriffe wie „Mischung“ und „Atmosphäre“, die er in den Mittelpunkt stellt, sind viel zu farblos und zu alltäglich, um seine Weltsicht attraktiv und einsichtig zu machen.
Auszüge und Kommentar
Gibt es einen Dichter, der ihm auf die Sprünge hilft? Ist dies Gusto Gräser?
 
Emanuele Coccia: Die Wurzeln der Welt. Eine Philosophie der Pflanzen, München, Carl Hanser Verlag, 5. Auflage 2018

Doering, Friederike

Monte Verità - „Hippies der Jahrhundertwende“?

Facharbeit der 14-jährigen Schülerin aus Gusto Gräsers Nachkommenschaft, 2020

Engert, Rolf

Silvio Gesell in München 1919. Erinnerungen und Dokumente aus der Zeit vor, während und nach der ersten bayerischen Räterepublik. Hann. Münden 1986.


Erl, Veronika Monte Verità - Sanatorium der Utopien
Auszug aus Gelebte Utopien - Siedlungsprojekte der Lebensreform - 2021, Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Ferentschik, Klaus

Gustav Arthur Gräser. In: Harald Szeemann, Wunderkammer Österreich,Wien/New York 1996, S. 245.


Gajek, Bernhard

Der Prophet und der Dichter. Gusto Gräser, Hermann Hesse und der Monte Verità. In: Schweizer Monatshefte, Zürich. 59. Jg., 1979, Heft 7, S. 639-643.


Green, Martin

Mountain of Truth. The Counterculture begins. Ascona, 1900-1920. Hanover and London: University Press of New England, 1986.


Green, Martin

Prophets of a New Age. The Politics of Hope from the eighteenth through the twenty-first Centuries. New York: Scribner's, 1992.

Ascona ist für Green der zentrale Leuchtturm, die "Stadt auf dem Berge", die das NEUE ZEITALTER ( NEW AGE) keimhaft und symbolhaft verkörpert. Wer immer auch in seiner umfassenden Zusammenschau der alternativ-grünen Bewegungen auftaucht – ob Gandhi oder Tolstoi, ob Gary Snyder, Kerouac, Lawrence oder Max Weber, ob Tagore oder Bernard Shaw, ob Rushdie, Shelley oder Rikli, ob Hesse oder Hildegard von Bingen - wird als „Asconan“ bezeichnet oder in kontrastierende Beziehung zu „Ascona“ gesetzt. „Asconan“ oder „asconesisch“ ist eine Idee, eine Weltsicht, eine Gesinnung. Und es ist die Weltsicht von Gusto Gräser. Die arbeitet er heraus.


Greiner, Steffen Die Diktatur der Wahrheit. Eine Zeitreise zu den ersten Querdenkern.
Klett Cotta, Stuttgart 2022, 272 Seiten
Besprechungen dazu >>>>> Hier!

Grohmann, Adolf

Die Vegetarier-Ansiedelung in Ascona und die sogenannten Naturmenschen im Tessin. Halle a. S.: Carl Marhold, 1904. - Nachdruck: Edizioni della Rondine, Ascona 1997.


Guerra, Gabriele (Herausgeber) Tra ribellione e conservazione. Monte Verità e la cultura tedesca.
A cura die Gabriele Guerra, Roma, 2019
(Zwischen Rebellion und Bewahrung. Der Monte Verità und die deutsche Kultur.
Herausgegeben von Gabriele Guerra, Rom, 2019)
Mit Beiträgen in deutscher Sprache und in italienischer Sprache.

Heelas, Paul

The New Age Movement. The Celebration of the Self and the Sacralization of Modernity. Blackwell Publishers, Oxford and Cambridge (USA) 1966.





Hermand, Jost

Grüne Utopien in Deutschland. Zur Geschichte des ökologischen Bewußtseins. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 1991.


Heuer, Gottfried M. Freud’s outstanding Colleague / Jung’s ‚Twin Brother‘. The suppressed psychoanalytic and political significance of Otto Gross. Routledge, London and New York 2016.
Zitat:
Ascona was then the countercultural capital of Europe, a nodal point where advocates of radical innovative ideas – from nutrition, vegetarianism, nudism, and modern dance, to alternative spiritualities, including theosophy and the occult, as well as communism and anarchism - congregated. It was the centre forLebensreform, reform of life in every aspect … „It is easy to link it with Berkeley, the Paris May, the Berlin communes, the peace movement, women’s emancipation, the gay movement, and the greens … Half a century later, Ascona is everywhere“ (George Devereux). 
Considering Ascona’s impact from the today’s post-modern perspective, we might rather speak of an espace culturel positiviste … thus considering a geographical place simultaneously as a psycho-topos – a place in the soul: there is an Ascona within each of us‘. (121-123)


Heydt, von der, Erich
etc.
-Ascona und sein Berg Monte Verità
Gebundene Ausgabe, 1979, Verlag Arche 176 Seiten
von Eduard von der Heydt (Autor), Erich Mühsam (Autor), Jakob Flach (Autor), Richard Seewald (Autor), Eduard von Erdberg (Autor), Rudolf Jakob Humm (Autor), Friedrich Glauser (Autor), Peter Schifferli (Herausgeber), Andreas Schifferli (Fotograf), Lis Boehner (Illustrator)

Hlade, Josef L.
 

Auf Kur und Diät mit Wagner, Kapp und Nietzsche
Wasserdoktoren, Vegetarier und das kulturelle Leben im 19. Jahrhundert: Von der Naturheilkunde zur Lebensreform

Taschenbuch, ibidem Verlag, 2015, 348 Seiten

Es war Mitte September 1851, als Wagner die erste von seinen zahlreichen ‚Kaltwasser-Kuren' antrat. Von da an war er begeisterter ‚Wasserfreund', der täglich verschiedene Wasseranwendungen praktizierte und auch auf eine strenge Diät achtete. Wasserfreund blieb er sein Leben lang. Als Wagner seine Ideen für eine mögliche Regeneration präsentierte, zeigte er sich schließlich auch als Anhänger des Vegetarismus, der sich in Deutschland aus der Wasserkur heraus entwickelte. Es ist anzunehmen, dass Wagner sich bei dieser Idee zur Erneuerung an Konzepten der Lebensreform orientierte, in deren Zentrum Wasserheilkunde und Vegetarismus standen. Es kann sogar behauptet werden, dass Wagners sogenannte ‚Kunstreligion' in ungeahnter Weise von naturheilkundlichen bzw. vegetarischen Ideen beeinflusst wurde. In diesem Sinne verglich bereits Friedrich Nietzsche das Erlösungskonzept der Lebensreformer mit dem von Wagner. Josef Hlade lädt den Leser dazu ein, ihm in die faszinierende Welt des 19. Jahrhunderts und seiner immer noch aktuellen Themen zu folgen. Begleiten wir Wagner beim Versuch, ein ‚Naturmensch' zu werden, und gehen wir mit Nietzsche auf ‚Gesundheitsjagd' - und lernen Ernst Kapps amerikanische Kolonie Sisterdale kennen, die zeigt, dass Ideale der Wasserheilkunde mit Ideen des utopischen Sozialismus Hand in Hand gingen.


Hofmann, Ida -

Hofmann, Ida Vegetabilismus! Vegetarismus! Blätter zur Verbreitung vegetarischer Lebensweise
Büchlein von Ida Hofmann, 1905
Ein Gründungsdokument des MV, muss 1901 geschrieben worden sein, zu einer Zeit also, als noch Gemeinsamkeit im Denken und Handeln unter den Gründern vorhanden war, vor der Spaltung, vor dem Auszug der Sezessionisten, als die Hoffnung noch grün war und die hohen Ideale noch nicht von der Praxis beschädigt. Ein feurig flammender Aufruf zweifellos. und eine Darlegung der Grundgedanken der Siedler in der Ausrichtung und aus der Perspektive von Ida: FEMINISMUS + LEBENSREFORM + patriarchaler Sozialismus + eine Prise Freireligion. der letzte Punkt wurde bisher meist übersehen. hier ist jetzt zu beobachten, wie aus ursprünglich urchristlichen Vorstellungen – bei Tolstoi, bei Guttzeit, bei Baltzer und anderen – eine neue art von SPIRITUALISMUS/IDEALISMUS/RELIGIONSPHILOSOPHIE herauswächst. Stichwort: WAHRHEIT oder SUCHE NACH DER WAHRHEIT. Der krönende Unterschied, der den Monte Verità aus den profanen Naturheilanstalten heraushebt.

Hofmann, Ida Monte Verità. Wahrheit ohne Dichtung.
Aus dem Leben erzählt, 1906
Beschreibung der Gründung und der ersten Jahre der Naturheilanstalt Monte Verità und der damit verbundenen Personen, insbesondere auch Karl und Gusto Gräser.

Holbein, Ulrich Fünf ziemlich radikale Naturpropheten. Christian Wagner aus Warmbronn, Karl Wilhelm Diefenbach, Gustaf Nagel, Arthur Gustav Gräser, Willy Sophus Ackermann. Synergia, Basel, Zürich, Roßdorf 2016.
Zitat:
Laotse befreite sich erst nach lebenslanger Beamtenlaufbahn, als Pensionär, aus seinen beruflichen Banden. Henry David Thoreau lebte bloß zwei Jahre in den Wäldern, statt zwanzig oder mehr. Rousseau folgte seinem eigenen „Zurück zur Natur“ nur sehr in Maßen. 
Gusto Gräser lebte viel rousseauhafter und taogemäßer als Rousseau und Laotse. (94)

Korol, Martin

Dada, Präexil und Die Freie Zeitung – Der deutsche "Steppenwolf" Hugo Ball, der Tänzer Ernst Bloch und ihre Frauen, Weggefährten und Gegner in der Schweiz 1916-1919. Bremen-Tartu-Sofia-Freudenstein 2002.


Kuschel, Karl-Josef

 
Thematisiert u.a. Hesses Aufenthalt im Wald von Arcegno („Wüste Thebais“)
Format 14x22 cm, ca 712 Seiten

Teil A. »Näher bei Laotse als bei Buddha« Hermann Hesses Suche nach einem eigenen Weg zwischen Christentum, Buddhismus und Taoismus
Prolog I: Erinnerungen an ein Leben mit Indien, China und Japan
I. Im Bücherreich des »Zauberers«
II. »Sehnsüchtige Blicke nach Osten«: »Asien« in Europa um 1900
III. Selbstversuche im Geiste Buddhas und der »Wüstenväter«
IV. Buddha und die Suche nach dem eigenen Weg
V. Die Asien-Reise: Karambolage mit der Wirklichkeit
VI. Die große Krise: der Krieg und die Folgen
VII. Eine Buddha-Dichtung zur Befreiung vom Buddhismus
VIII. Die Entdeckung des Taoismus
IX. Überleben in chaotischer Zeit: Laotse und das »Taoteking«
X. Späte Liebe: Zen – eine Verbindung von Indien und China
 
Teil B: Kunst als Beitrag zur Lebenskunst Laotse und Buddha – Modellfiguren des Verhaltens: Bertolt Brecht
Prolog II: Chinas und Japans Spuren deuten: Ein Gang durch Brechts letzte Wohnung
I. Brecht und die Wende zum Marxismus
II. Was man von Asiens Kunst und Künstlern lernen kann
III. Schreiben in rastloser Bewegung: Die Svendborger Polyphonie
IV. Brecht und der Buddhismus
V. Ein »Gleichnis vom brennenden Haus«: Das große Buddha-Gedicht
VI. Brecht und der Taoismus
VII. »Das Harte unterliegt«: Das große Laotse-Gedicht
VIII. »Laotse«, Benjamin und die deutsche Emigration
IX. »Buddha« und »Laotse« in den »Kalendergeschichten« (1949)
Epilog: »Was ist das mit dem Wasser?« Hesse und Brecht im Vergleich
Im Fluss der Dinge
Hermann Hesse und Bertolt Brecht im Dialog mit Buddha, Laotse und Zen

Patmos Verlag, Ostfildern 2018

 
Kommentar:

Der Tübinger Theologieprofessor Karl-Jofef Kuschel behandelt in seinem Buch auf den Seiten 114 bis 168 sehr ausführlich Hesses Noviziat bei Gusto Gräser im Frühjahr 1907. Es ist die erste umfassende Darstellung der lange unbekannt gebliebenen religiösen Grunderfahrung des Dichters. Sie ereignete sich im Wald und in den Felsen von Arcegno, in der von Hesse so genannten „Wüste Thebais“. In der oberägyptischen Wüste bei Theben hatten die frühen Christen die einsame Gewissensentscheidung von Jesus nachzuvollziehen versucht. So hoffte nun auch Hesse in der kargen Einöde des Gebirges im Südtessin auf Erlösung aus tiefer Depression: „Ruhe, Befreiung und Einswerden mit der Natur“. Allerdings erhoffte er sie nicht vom alttestamentarischen Jahwe sondern von der Natur, und sein Prophet hieß nicht Johannes sondern Gusto Gräser. Diesen Wanderer und Dichter aus Siebenbürgen haben viele mit dem Täufer verglichen. Auch Kuschel weiß ihn gegen Missverständnis und Vorurteil zu verteidigen:

Gräser, angetan mit einer lang hängenden Tunika, die Haare mit einem ledernen Stirnband zurückgebunden, barfuß oder höchstens Sandalen an den Füßen, seinen gesamten Besitz in eine Tasche gestopft, verkörpert nicht einfach den Typus des „Landstreichers oder Bohemien“, sondern eher den eines „Mönchs und Propheten“. Als solchen hat Hesse ihn wahrgenommen. (Kuschel 120)

Als solchen, als Propheten, hat Hesse ihn wahrgenommen! Für Kuschel ist es kein Zufall, „dass der Monte Verità gerade auch solche Menschen magnetisch anzieht, die einen besonderen religiösen Weg gehen wollen … Der Berg hat in vielen Religionen einen sinnstiftenden Symbolcharakter“ (117). Die Berge stellten die Nähe zu den göttlichen Mächten dar. Diese Nähe suchte dort auch der schon erfolgreiche aber seelisch unbefriedigte Schriftsteller aus Calw.

Von Anfang April bis Anfang Mai 1907 hat Hesse gut vier Wochen auf dem „Wahrheitsberg“ verbracht … Einzelheiten lassen sich den „Notizen eines 'Naturmenschen'“ entnehmen, die Hesse ein Jahr später, am 1. April 1908, im „März“ unter dem Titel „In den Felsen. Notizen eines 'Naturmenschen'“ erscheinen lässt. (121)

Als „Naturmenschen“ wurden die Brüder Karl und Gusto Gräser bezeichnet, unter diesem Namen waren sie damals bis nach Californien und Batavia bekannt. So nannte sich nun auch der Schriftsteller in seinem intimen Bekentnisbericht.

Hesse präsentiert sich seinen Lesern in einer verschlüsselten Buddha- und Wüstenväter-Rolle. Sie hatte er auf dem Berg ausprobiert. „Das dreißigste Jahr, in dem ich stehe“, schreibt er nach der Rückkehr vom „Berg“ Ende Juli 1907, „hat mir eine heftige Krise gebracht, zunächst körperlich mit Kranksein, Kur und langsamer Heilung, dann aber auch innerlich. Wenn ein bis dahin sinnenfroher Mensch auf Tafel und Becher, Zigaretten und Kaffee verzichtet, will er es nicht gezwungen tun, sondern macht sich eine entsprechend Philosophie dazu“.

Hesse versteht sich freilich nicht als Wüstenvater, eher als Wüstensohn, und schon gar nicht als Buddha, sondern als Lehrling eines solchen, als „Novize“. Er folgt einem näheren Vorbild.

An das Lebensmuster des Buddha erinnert der Rückzug in völlige Einsamkeit und die radikale Entschlossenheit, durch Kontrolle des Körpers den Geist in Zucht zu nehmen … Buddha hatte es nicht anders gemacht. Schon er war in die Wälder zu den Wanderasketen gezogen und hatte sich strengster Askese unterzogen. Diese „Rolle“ probiert jetzt auch Hesse aus.

Der Schriftsteller musste sein Vorbild nicht in Büchern suchen, der „Wanderasket“ stand lebendig vor ihm, hatte ihn in Gaienhofen besucht und nach Ascona gelockt. Hesse bezog zwar eine Wohnhütte in der Kuranstalt von Oedenkoven auf dem Monte Verità, aber sein eigentliches Ziel war ein anderes: der „Felsenberg“ von Arcegno. Diese Landschaft schildert er in den „Notizen“ unter dem Titel „In den Felsen“.

An das Lebensmuster der Wüstenväter erinnert vieles in den „Notizen“. Wie sie lebt Hesse ja bewusst „in den Felsen“. Wie sie hatte er das äußere Leben auf ein Minimum reduziert ... Wie sie unterzieht er sich radikalem Fasten, ernährt sich streng vegetarisch, erträgt Hitze, Kälte und Nässe ... Wie beim Eintritt in ein Kloster legt der „Novize“ auch hier alle Kleider ab. Symbolisch ein Bruch mit dem Gewohnten, ein Rückgang zur Urschöpfung … Und wie ein Wüstenvater lebt man hier in einer felsigen Gegend … Er ist jetzt der Mann im Fels, der Felsenmann! (122ff.).

Noch einmal: Dieses Leben im Fels spielte sich nicht, wie Kuschel irrtümlich annimmt, auf dem „Monte Verità“ genannten Hügel ab (wo es gar keine Felsen gibt), sondern im Wald von Arcegno, oberhalb von Losone, auf dem Monte Barbescio, wo sich Gräsers Grotte befindet. Kuschel fährt fort:

Nach der Rückkehr vom Monte Verità taucht Hesse noch einmal in die Welt frühchristlicher Eremiten ab, in die Welt der Männer mit den härenen Kleidern. „Dieser Tage habe ich wieder eine Legende geschrieben“, teilt er Jakob Schaffner am 30. September 1907 mit, „ … Diese Welt ist mir merkwürdig vertraut und ich wandle in der Wüste Thebais heimischer als am Bodensee“. …

„In der Wüste Thebais heimischer als am Bodensee“? … Deutlicher kann man sich mit eigenen, tiefsitzenden Wünschen kaum „outen“. (126f.)

Es sind nicht nur Wünsche, es handelt sich um eine tiefgehende Erschütterung, die Hesses Leben für immer durchstimmen wird. Sein Urerlebnis von 1907 schlägt z. B. in „Siddharta“ unübersehbar durch, wie der Verfasser zeigt.

Kuschel wendet sich dann der Erzählung „Freunde“ zu, in der sich Hesses Gräser-Erfahrung noch deutlicher spiegelt als in den „Notizen“. Er zitiert ausführlich die Gespräche zwischen dem „bäurischen Denker“ Heinrich Wirth und dem um seine Freundschaft werbenden Besucher Hans Calwer, in dem wir sofort den aus Calw stammenden Verfasser erkennen.

Hans gibt seine Stadtwohnung einschließlich Klavierspielen auf und zieht zu Wirth aufs Land. Wirth hat eine innere Freiheit erreicht, also gibt Hans seine Freiheit auf, um sich ganz bewusst Wirth zu unterwerfen, um „einmal von unten auf zu dienen“. (163)

Hier deutet sich der spätere „Knecht“ schon an. Durch seine Dichtung wollte Hesse seinem Meister dienen. Durch sie hat er die Botschaft des Einsiedlers in den Felsen in der ganzen Welt verbreitet – namenlos, wie es sich für einen taostisch-buddhistisch Denkenden von selbst versteht. Zunächst aber:

Hesse lässt sein alter ego Hans Calwer scheitern, so wie er selber auf dem Monte Verità gescheitert ist. (164)

Warum scheiterte Hesse? Weil er

den „Gleichmut“ vom Erkennen her hatte erzwingen wollen. Denn „Gleichmut“, „wunderbare Seelenstillle“ und die vollkommene innere Ruhe erreicht man gerade nicht durch ein äußeres „Du sollst“, „Du musst“. Im Gegenteil. Diese aufgesetzte moralische Forderung ist der entscheidende Grund, warum Hans Calwer bei der Imitation seines Freundes scheitert, scheitern muss. (164)

Es handelt sich um eine „Imitatio“, die im ersten Anlauf nicht gelingt. Hesse wird neun Jahre später, durch Leiden gereift und politisch bedrängt, einen zweiten Versuch unternehmen und zu einer tieferen Erkenntnis seines “Freundes und Führers“ gelangen.

Im Frühjahr 1907 verlässt er Gusto Gräser nach wenigen Wochen, zieht sich wieder ins bürgerliche Leben zurück. Kuschel hebt in seiner feinsinnigen Analyse zwar heraus, dass „Hesse mit Heinrich Wirth erstmals in seinem Werk eine Figur in deutschem Kontext entwirft, die den Weg des Buddha konsequent gehen will“ (165), aber er weiß auch und betont, dass dieser Wirth nur „beinahe Buddhist“ ist, also kein wirklicher. Dass er andere Wege gelten lässt: „Askese, Jesus, Tolstoi oder sonst etwas“ (166). Eben wie Gusto Gräser, der sich nie als Buddhist oder Taoist verstanden hat sondern als er selbst: als der „Freund“, der „Mann“, der „Erdsternsohn“. Der immer gelehrt hat, wie sein dichterisches Ebenbild, dass „die Imitation eines fremden Wegs Ausdruck ist einer Selbsttäuschung, einer Fremdbestimmung“ (166). Dessen Losung lautete: „Hüt Dich vor Mir – Du komm zu Dir!“

Kuschel arbeitet das Verhältnis Hesses zu Gräser sorgfältig, gründlich und überzeugend heraus. Es ist die typische Beziehung zwischen Lehrer und Schüler oder vielmehr von Meister und Jünger. Eine archetypische Situation. Dies umsomehr, als sie auf einem Berg, in Wald und Felsen sich abspielt. Der „Felsenberg“ von Arcegno, der Monte Barbescio, wird zu Hesses Weltenberg.

Aber nun die Überraschung, die paradoxe Behauptung von Kuschel: dass Gräser der Lehrer von Hermann Hesse war, sei „durch nichts belegt“ (121)!

Das ist sehr wohl belegt!! Wenn denn dieses Offenkundige überhaupt noch „belegt“ werden muss! Kuschel, der sich sonst so gründlich in die Quellenlage eingearbeitet hat, scheint ausgerechnet die einschlägige Hauptquelle nicht zu kennen: die Aussage nämlich von Hesses Sohn Heiner, die abgedruckt ist in dem Buch von Michael Santen: „Auf den Spuren von Hermann Hesse. Notizen einer Tessin-Reise. Meerbusch 1987“. Darin erzählt Heiner Hesse über seines Vaters Zusammenleben mit Gusto Gräser in der Felsgrotte bei Arcegno:

„Sie haben einige Tage zusammen in der Höhle von Arcegno verbracht“ (in Santen, S.46).

Dieser eine Satz genügt. Damit erledigt sich Kuschels Versuch, Hesses Einsiedelei im Wald von Arcegno abzulösen von der Wirklichkeit des Propheten aus Siebenbürgen. Hesse folgte Gräser nach Ascona und begab sich in dessen Höhle. Wer war hier der Lehrer und wer der Schüler? War etwa Hesse ein wandernder Prophet und Einsiedler und unterrichtete nun den geistlich unbedarften, bürgerlich abgesicherten Gusto Gräser in der Kunst der Meditation? Oder verhielt es sich vielleicht doch umgekehrt? Die Erzählung 'Freunde' sagt deutlich genug, wer hier der Gebende war und wer der Empfangende. Und ein ganzer Kranz von Erzählungen, oft in Legendenform, erzählt die selbe Geschichte in vielfältigen Variationen: Den Gang des Hermann Hesse in die Felsgrotte von Gusto Gräser, der ihn das Fasten lehrt und die Versenkung und ihn einführt in die heiligen Bücher der Inder und Chinesen.

Kuschel selbst gibt eine ausführliche Probe. Er analysiert Hesses erste „indische Dichtung“: die Königslegende von 1907 (S. 142-145). Gemeint ist die Erzählung „Vom indischen König“. Der Dichter habe damit „erstmals in seinem Werk eine 'Buddha'-Figur beschrieben, einen Buddha avant la lettre!“ (144). Hesse lässt seinen meditierenden König „das erreichen, was ihm versagt blieb. Nach der Erleuchtung nackt in die Wälder zu gehen und namenlos darin zu verschwinden, motivisch ein Vorgriff auf die Vasudeva-Fgur in Hesses „Siddharta'“ (145).

Wer war dieser meditierende König? Wer ging nackt in die Wälder von Arcegno und Losone? Wer ist darin so namenlos verschwunden, dass ein Jahrhundert nach jenem Geschehen gewisse Gelehrte immer noch behaupten wollen, es habe ihn – als Lehrer von Hesse – gar nicht gegeben? Das sei „nicht belegt“, meint Kuschel. Nur weil die beiden Freunde dummerweise versäumt haben, nach Locarno zum Notar zu gehen und sich, samt Amtsstempel und Unterschrift, einen Beleg ausstellen zu lassen, dass sie nun Freunde geworden seien.

Schlimmes Versäumnis! Zum Glück gibt es das Zeugnis von Heiner Hesse, der sich auf einen Brief seines Vaters beruft. Als ob das noch nötig wäre! Als ob nicht jeder Schuljunge erkennen könnte, dass zwischen jenem Einsiedler in der Felsgrotte von Arcegno und dem runden Dutzend Erzählungen und Legenden Hesses aus dieser Zeit ein unverkennbarer Zusammenhang besteht. Dass Hesse in diesen Werken, ja in seinem ganzen künftigen Lebenswerk, immer wieder die Geschichte seiner Freundschaft mit Gusto Gräser erzählt! Als ob es nicht die Notiz im Archiv von Harald Szeemann gäbe, dass Hesse im April 1907 mit Gräser in Locarno zusammen war! Nicht zu reden von der Fortsetzung dieses Noviziats in den Lehrjahren von 1916 bis 18. Als ob Hesse seine „Buddha“-Figuren hätte erfinden oder aus alten Scharteken hätte herausdestillieren müssen, wo doch ein erleuchteter Wanderer und Einsiedler ihm lebendig und leibhaftig vor Augen stand!

Genug des Unsinns. Es bleibt das Rätsel, welcher Dämon den gelehrten Herrn Professor in die Wüste der Verirrung geführt hat. Es bleibt zum Glück aber auch, und sicherlich etwas länger, sein Verdienst, die Geschichte von Hesses Jüngerschaft ein Stück weit erhellt zu haben. Dafür sei dem Verfasser Dank!

Hermann Müller


Nachsatz: Die Behauptungen von Kuschel sind widerlegt durch das Buch von

Peter Michalzik: 1900. Vegetarier, Künstler und Visionäre suchen nach dem neuen Paradies. DuMont Buchverlag, Köln 2018.

183 Hesse sucht mehr als einen angenehmen Sanatoriumsaufenthalt. Er sucht etwas Extremes, Erneuerndes, er sucht nach einer tiefgreifenden Erfahrung. Deswegen zieht er sich in Gusto Gräsers Höhle in Arcegno zurück und lebt allein wie ein Einsiedler im Wald.

195 Hesse beschäftigt dieser Gräser sehr, er versucht ihn zu fassen, ihn zu bannen.

233 Hermann Hesse arbeitet sich in seinen Erzählungen auch nach Jahren an einer Erfahrung ab, die er auf dem Monte Verità gemacht hat und die für sein Leben grundlegend geworden ist. Er kann diese Gemeinschaft nicht vergessen ...

369 Hesse träumt in seinem Buch 'Demian' von der neuen Gemeinschaft und sein Vorbild ist der Monte Verità.

Michalzik weiss auch sonst über Gusto manch Gutes zu sagen:

60 Gräser hat keine Schüler, aber er wird viele Menschen auf seiner Wanderschaft beeinflussen und berühren. Er wird Vorbild, europaweit bekannt, auch wenn er nie für sich die Werbetrommel rührt.

67 Er hat sich vollkommen vom Leben in der Gesellschaft abgewendet, er führt ein Wanderleben, er hat überhaupt keinen Besitz, ein vollkommen armer und freier Mann.

73 Bei Gräser bedeutet das: Entsagung. Nur wenn man sich von der Gesellschaft, den Normen, Vorstellungen und Wünschen, die in ihr gelebt werden, lossagt, kann man eigentliches Dasein finden. Man muss daran arbeiten, sich unabhängig von äußeren Einflüssen zu machen, um zu sich und zu einem menschenwürdigen Leben zu gelangen. Armut und Bedürfnislosigkeit sind dabei selbstverständlich, ohne sie gibt es keine Freiheit.

74 Lehrmeisterin soll allein die Natur sein. Wer sonst?

Das Wichtigste ist ihm ... die Verehrung alles Lebendigen. Es ist nicht nur barbarisch, ein Tier zu töten, es ist genauso mörderisch, Blumen zu pflücken. Jede Form von Aggression ist ihm zutiefst zuwider. Es geht so weit, dass er auch nicht für seine Anschauungen kämpft. Er glaubt, dass sich das neue Paradies von selbst bilden wird, wenn die Menschen mit sich und der Natur im Reinen sind. Nur Einsicht kann die Entstehung des Paradieses bewirken, die aber wird kommen, da sie unausweichlich in der Natur selbst liegt.

So sind für ihn die Natur, die Schöpfung … das Ziel seines Denkens.

Gusto ist ein eigenartiger Mensch. Er redet von solchen Dingen nicht nur, er lässt sie auch gleich Wirklichkeit werden. Er lebt genau so, wie er es für sich formuliert hat, wandert umher, ohne Geld, ohne Besitz, ernährt sich von dem, was ihm begegnet. Wie wenn die Natur schon dafür sorgen würde, dass alles von selbst einen guten Verlauf nimmt. Aus dieser Radikalität wächst seine Kraft.

Selbstverständlich wird er auf seinen Wanderungen ausgelacht und verspottet, aber das spornt ihn eher an und bestärkt ihn in seinen Überzeugungen. Er spürt eigene Kraft und trainiert diese Kraft. Außerdem begegnen ihm viele Menschen nachgerade mit Ehrfurcht. ... Er erinnert an einen Apostel, mit seinem Stab, seiner Kutte, seinen Sandalen, seiner Würde.

78 Er hat es in puncto Bedürfnislosigkeit am weitesten gebracht, er braucht am wenigsten bürgerliches Leben und Sicherheit, und vor allem, er ist der Natur am nächsten.

80 Ich gehe meiner Wege, sagt er.

81 „Es geht darum, sein Leben rein und sich selbst unabhängig zu machen. Man muss vieles einfach lassen, man darf sich nicht an die irdischen Dinge hängen und verlieren. Es geht bei jedem um sein eigenes Leben.“

85 Mit seinem Hirtenstab in der Hand geht Gusto nicht, nein, er gleitet! Kinder knien vor ihm nieder!

Michalzik geht ein Schrittchen weiter in Richtung Wahrheit, aber auch nur ein Schrittchen. Immerhin lüftet er ein wenig den Mantel der Verleugnung.


Linse, Ulrich

Ökopax und Anarchie. Eine Geschichte der ökologischen Bewegungen in Deutschland. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1986.


Linse, Ulrich

Asien als Alternative? Die Alternativkulturen der Weimarer Zeit: Reform des Lebens durch Rückwendung zu asiatischer Religiosität. In: Hans G. Kippenberg und Brigitte Luchesi (Hg.), Religionswissenschaft und Kulturkritik. Marburg: diagonal, 1991. S. 325-364.


Mahlmann-Bauer, Barbara, Lützeler, Paul-Michael (Hg.) Aussteigen um 1900, Imaginationen in der Literatur der Moderne
Wallstein, Göttingen, 2021

Mehr als ein Dutzend bekannter Literaturwissenschaftler hat ein Buch über Aussteiger bei Hermann Broch geschrieben; im Grund ist es ein Buch über Gusto Gräser. Die Entdeckung, dass der Siebenbürger das Urbild für mehrere Aussteigergestalten in der Dichtung von Broch gewesen ist, dürfte der Anlass zu diesen Untersuchungen gewesen sein.

Kennedy, Gordon
Gordon Kennedy lebt auf einer kalifornischen Biofarm.

Children of the Sun. A Pictorial Anthology.
'From Germany to California. 1883-1949’

Das Buch enthält 144 Abbildungen, darunter 13 zu Gusto Gräser; Auszüge in englischer Sprache hier. Seine These, dass die amerikanische Alternativbewegung von deutschen Einwanderern um und nach 1900 angestossen wurde, wird durch andere Quellen bestätigt und ergänzt.

Meng, Guofeng
Begegnung mit dem Eremiten
Zur Thematik des Einsiedlertums im Werk von Hermann Hesse. Bamberger Studien zu Literatur, Kultur und Medien 25, University of Bamberg Press, Bamberg, 2019.

"... Hesse distanzierte sich bewusst von dem Meister Gräser … Aber er transferiert diesen Prototyp – quasi unbewusst verehrend ..."



Michalzik, Peter

1900
Vegetarier, Künstler und Visionäre suchen nach dem neuen Paradies
 
DuMont Buchverlag, Köln 2018
 
„Gräser ist der kreativste Kopf, ein vollkommen armer und freier Mann.“
(Peter Michalzik)

Mohr, Hubert

Ascona / Monte Verità. In: Auffarth, Christoph u. a. (Hg.): Metzler-Lexikon Religion, Stuttgart Weimar 1999, Band 1, S. 95-98.


Mühsam, Erich -Ascona
83 Seiten, gebunden mit Illustrationen, Verlag Klaus Guhl, 1982

Müller, Erich Siegfried

-
-Helden und Harlekins des Höchsten. Gralsburg Verlag, Kaiserslautern, 1928.  Erstauflage. 80 Seiten, Format ca. 14 x 19 cm

Erich Siegfried Müller (1902-31), Pfarrer und Schriftsteller, Stadtvikar in Ludwigshafen und Kaiserslautern, Pfarrer in Winterbach, gehörte der sog. Evangelisch-Kirchlichen Friedensvereinigung an, war Anhänger der Gralsbewegung und mit Max Braun Herausgeber der Zeitschrift "Die Gralsburg - Blätter für geistige Erneuerung".

Er war mit Artur Streiter befreundet. Starb durch Ertrinken. Christ-Revolutionäre / Inflationsheilige, ähnlich dem Uracher Kreis um Karl Raichle / Gregor Gog / Th. Plievier (Weltwende), oder der anarchistischen Boheme-Siedlung im Roten Luch /Brandenburg (1921-1936) um Artur Streiter (Zarathustras Wiederkehr).

Müller, Hermann

Der Dichter und sein Guru. Hermann Hesse - Gusto Gräser, eine Freundschaft.Der Dichter und sein Guru. Hermann Hesse - Gusto Gräser - eine Freundschaft.
Werdorf, Gisela Lotz, 2. Aufl. 1979.

Müller, Hermann

Was ist's mit Gusto Gräser? In: Durchblick, zur Gegenwart der Zukunft. Stuttgart 1980, Nr. 6. S. 64-68.


Müller, Hermann (Hg.)

Monteveritana. Mitteilungen aus dem Monte Verità-Archiv Freudenstein. 1986-1999.


Müller, Hermann

Gusto Gräser. Ein Prophet aus Siebenbürgen. In: Siebenbürgische Semesterblätter, 2. Jg., München 1988, Heft 1, S. 42-58.


Müller, Hermann

Feuertanz und Orgie. Otto Groß, Gusto Gräser, C. G. Jung und der Monte Verità von Ascona. Freudenstein: Deutsches Monte Verità Archiv, 1998 und 1999.


Müller, Hermann

Güte der Seele und Dämonie des Lichts. Ernst Bloch auf Monte Verità. Freudenstein 2000.


Müller, Hermann

Propheten und Dichter auf dem Berg der Wahrheit. Gusto Gräser, Hermann Hesse, Gerhart Hauptmann. In: Kai Buchholz u. a. (Hg.), Die Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst um 1900. Darmstadt 2001. Band 1, S. 321-324.


Müller, Hermann 
(Hg.)

Der Eremit von Ascona. Hermann Hesse in Wald, Fels und Höhle. Freudenstein: Deutsches Monte Verità Archiv, 1998 und 1999.


Münzel, Uli

Erinnerungen an Hermann Hesse. In: Hermann Hesse in Augenzeugenberichten. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1987. S. 280-284.


Phillips, Glenn; Kaiser, Philipp;    Chon, Doris; Rigolo, Pietro  (Hg.)

Harald Szeemann, Museum der Obsessionen


In Zusammenarbeit mit The Getty Research Institute, Los Angeles:
Verlag Scheidegger & Spiess, Zürich 2018

Carolyn Christov-Bkargiev (CCB) zu Gräser in „Museum der Obsessionen“:

Diejenigen, die tanzten

Armand Schulthess ist nur ein Glied in einer Kette von Figuren, die wir bis zu Gustav „Gusto“ Gräser (1879-1958), dem Dichter und Pazifisten, zurückverfolgen können und weiter bis zum Philosophen Friedrich Nietzsche (1844-1900) und noch weiter zurück zu Dionysos, dem alt-griechischen Gott des Weines und der rituellen Ekstase. (201)

Nietzsche war auch ein Bezugspunkt für die Bedeutsamkeit von Tanz (Rudolf von Laban, Mary Wigman, etc.) und Vegetarismus. Abgesehen von Anarchie und Theosophie wurzelt Monte Verità auch in Nietzsches Vorstellungen vom Dionysischen. … Es war Nietzsches revolutionärer Indivi-dualismus, der im frühen 20. Jahrhundert für so viele radikale Aussteiger und Kommunitaristen wie Gräser und Schulthess zum Modell wurde. (209)

Gustav Gräser war visueller Poet und Prophet, ein früher Naturschützer und Ökologe sowie Pazifist, ursprünglich beeinflusst von Karl Wilhelm Diefenbach, einem Sozial-reformer und Kummunitaristen, aber auch von Walt Whitman und Nietzsche. Skeptisch gegenüber dem Gemeinschaftsleben, zog Gräser ab 1904 [1902!] in eine Höhle auf dem Nachbarberg. Um 1911 [1909!] verliess er die Gegend endgültig und zog nach Berlin. Er hatte starken Einfluss auf Hermann Hesse (u. a. bei der Gestaltung von Siddharta), nachdem die beiden zwischen 1906 und 1907 einige Zeit gemeinsam in der entlegenen Höhle über dem Monte Verità verbracht hatten. (208)

Szeemann hielt für den Rest seines Lebens an seiner Liebe zum Monte Verità fest. (143)

Auszüge aus einem Interview von Kia Vahland mit der Kuratorin der documenta 13, Carolyn Christov-Bakargiev, genannt CCB, in der Süddeutschen Zeitung (2012):

Sie vertritt eine nachhumanistische Weltsicht und fordert das Wahlrecht für Bienen und Erdbeeren. Schließlich ist Carolyn Christov-Bakargiev davon überzeugt, dass sich in einer wahren Demokratie alle äußern dürfen. Ein Gespräch mit der künstlerischen Leiterin der Documenta. Interview: Kia Vahland.

Sie lässt es grünen und blühen. Es gibt einen Kräutergarten, es gibt ein Wasserbecken mit Gerste-Umrandung, es gibt eigens gepflanzte Apfelbäume, künstliche Hügel, auf denen Johannisbeeren wachsen. Außerdem gibt es Hunde, nicht nur Darsi, die gerade mal wieder entfleucht ist. Es gibt Esel, Ameisen, Schmetterlinge, dazu viele Felsen und Steine. Es gibt vieles, was keine Kunst ist, sondern Natur. »Aber das ist ja gerade der Unsinn«, sagt CCB. »Viele meinen, es gebe da einen Unterschied zwischen Kultur und Natur. Aber den gibt es nicht.«

Warum sollten nicht auch Tiere wählen dürfen? Und können nicht auch Steine etwas fühlen? Welches Bild hat Darsi von der Welt? Solche Fragen sind es, die CCB umtreiben. Natürlich zucken da viele zurück, rufen Esoterik! Magisches Denken! Animismus! »Das hat mit Esoterik nichts zu tun«, sagt CCB, und ihre Stimme wird mit einem Mal sehr klein. »Ich weiß, man wird mir vorwerfen, den intellektuellen Diskurs zu verraten, ausgerechnet mir, die so lange für den Feminismus, für eine aufgeklärte Gesellschaft gestritten hat.« Doch unerschrocken wagt sie sich auch in dieses Minenfeld vor: Sie will das kritische Bewusstsein, um das doch sonst alles kreist, zurückstellen. Denn wenn diese Documenta eine Botschaft hat, dann diese: Der Mensch ist nicht der Mittelpunkt.

SZ: Kann alles auf der Welt Kunst sein?

Christov-Bakargiev: Alles kann Material für Kunst sein. Die Definition von Kunst, so wie ein Künstler über Kunst denkt, ist nicht in den Grenzen der Disziplinen zu denken. Ich denke nicht, dass die Werke der Menschen besser sind als andere Werke. Auch Ihr Körper steckt voller Bakterien, ist besetzt von anderen Lebewesen, Sie sind von anderen Realitäten durchdrungen. Ich teile nicht die Weltsicht der Moderne seit der Aufklärung, immer Kategorien bilden zu müssen. Den Impuls, Unterschiede zu definieren, teile ich nicht.

SZ: Ich bin ich und damit anders als meine Umwelt, ist dieser Impuls nicht Grundlage der Subjektivität und damit auch des kreativen Schaffens?

Christov-Bakargiev: Nein! Ich bin Feministin, ich glaube, das Subjekt ist ein kontinuierliches Sich-Durchdringen mit anderen, die sogenannten Subjekte sind auch Objekte. Nicht der Fußballer ist das Subjekt, der Ball entscheidet die Richtung, in die er fliegt. Sie sprechen vom Standpunkt der westlichen Philosophie aus, die interessiert mich aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Ich weiß nicht, ob ich ein Subjekt bin.


Poley, Stefanie Bericht über die Veranstaltung des “Freundeskreis Paul Goesch e. V.“ im Jahr 2016. Sonderdruck, Köln 2016.
Polster, Bernd
Das wahre Bauhaus
Wie eine kleine deutsche Hochschule, die es nur wenige Jahre gab, weltweit zur Legende wurde. Mit Zeichnungen von Bernd Polster. Kempen 2019



Rinser, Luise

Hermann Hesse und die fernöstliche Philosophie. In: Hermann Hesse und die Religion. Hg. von Friedrich Bran und Martin Pfeifer. Bad Liebenzell 1990, S. 17-31.


Sánchez, Marcela


Sánchez, Marcela


Schmid, M., Carstensen, T. (Hg.) Die Literatur der Lebensreform. Kulturkritik und Aufbruchstimmung um 1900.
>>> Siehe oben unter Carstensen.

Schroeck, Otfried Die Siedlung Grünhorst im Roten Luch – das „grüne Herz Deutschlands“ (1930 bis 1936). In: 
Landkreis Märkisch-Oderland - Jahrbuch 2016, Paperback, 216 Seiten
Zitat:
In der Siedlung Grünhorst fanden sich die verschiedensten Strömungen der Reformbewegung (Siedler, Wandervögel, völkische Sozialisten, Jugendbewegung, Vegetarier, Kommunisten) zu-sammen. Prominenteste Vertreter dieses für Grünhorst typischen Spektrums waren neben Gusto Gräser der Biosoph und Philosoph Ernst Fuhrmann, der Historiker der Naturheilbewegung Hugo Hertwig, der anarcho-sozialistische Schriftsteller Franz Jung, der Wandervogel und politische Schriftsteller Karl-Otto Paetel, der Maler und Christsozialist Max Schulze-Sölde, der Wandervogel und Unternehmer Friedrich Muck-Lamberty, Otto Großöhmig, der 1979 in der BRD die Partei „Die Grünen“ mitbegründete, Harro Schulze-Boysen, später ein führender Widerstandskämpfer innerhalb der „Roten Kapelle“, und andere. Mit der Machtergreifung der National-sozialisten wurde der lose Bund um Grünhorst zerschlagen und 1936 die Siedlung angezündet.

Schupke, Kai
u. Schreiber, Daniel (Hg.)
BRÜCKE und die Lebensreform. Buchheim Stiftung, Feldafing 2016.
Zitat:
Anders als Diefenbach sammelt Gräser keine Anhänger und fordert auch keine Unterwerfung, sondern will durch sein Beispiel wirken. Was damit gemeint ist, drückt der Frühromantiker Schleiermacher am besten aus: 
„ […] an einer heiligen Person ist alles bedeutend. So mögen sie denn das Wesen derselben darstellen in allen ihren Bewegungen […] die heilige Innigkeit, mit der sie alles behandeln, zeige das auch bei Kleinigkeiten. Die majestätische Ruhe, mit der sie das Große und das Kleine gleichsetzen, beweise, dass sie alles auf das Unwandelbare beziehen, und in allem auf die gleiche Weise die Gottheit erblicken […] der immer rege und offene Sinn, dem das Seltenste und das Gemeinste nicht entgeht, zeige, wie unermüdet sie das Universum suchen und seine Äußerungen belauschen. Wenn so ihr ganzes Leben und jede Bewegung ihrer inneren und äußeren Gestalt ein priesterliches Kunstwerk ist, so wird vielleicht durch diese stumme Sprache manchen der Sinn aufgehen für das, was in ihnen wohnt.“ ( 22f.)

Schwab, Andreas


Schwab, Andreas und Lafranchi, Claudia (Hg.)


Steinke, Klaus



„Ein wunderbarer Mann, der jeder Aufmerksamkeit wert ist“. (Klaus Steinke)

Teehaus, Tanz und Berg der Wahrheit
Zeitreisen rund um die Stuttgarter Weissenburg
Silberburg-Verlag, Tübingen 2018

Auszug:

Hermann Hesse und der Monte Verità

Es ist der Dichter und Schriftsteller Hermann Hesse, der schon Jahre zuvor nachhaltig von Gusto Gräser beeinflusst ist, als er sich im Frühling 1907 von Gaienhofen aus auf den Weg zu seiner persönlichen „Morgenlandfahrt“ macht. Er pilgert auf Einladung seines Freundes Gusto Gräser, den er seit mehreren Jahren kennt, auf den Monte Verità, den Berg der Wahrheit, der sein Zauberberg bei Ascona im Tessin werden wird. Schon sein erster Roman, 'Peter Camenzind' (1904), der ihm den „Durchbruch“ brachte, war von Gräser inspiriert gewesen.

 Einige Wochen lebt Hesse auf dem Monte Verità ein Eremitenleben abseits des Hüttendorfes und Sanatoriumsbetriebs in Gräsers eigener Felshöhle und Laubhütte. Hesse trinkt Quellwasser, fastet, meditiert, klettert in den Felsen, gräbt sich bis zum Hals in die Erde ein, führt Gespräche, und versucht in der Wildnis eine Visionssuche und Bewusstseinserweiterung in Gang zu setzen. Die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Lebensvorbild Gusto Gräser steht – von Hesse unausgesprochen – hinter vielen wesentlichen Büchern Hesses, die Kultbücher für die rund siebzig Jahre jüngeren „Enkel“ der Reform-Kolonisten von Ascona werden: Siddharta, Demian, Steppenwolf und das Glasperlenspiel. Sie werden in millionenfacher Auflage, weltweit übersetzt, zur Offenbarung für die Generation der Aussteiger aus der modernen Konsumgesellschaft, und Gräser tritt als literarisches Vorbild darin auf: „Dieser einfache, kindliche Mann machte Eindruck auf Reichardt. Er predigte nicht Haß und Kampf, sondern war in stolzer Demut überzeugt, daß auf dem Grunde seiner Lehre ganz von selbst ein neues paradiesisches Menschen-dasein erblühen werde, dessen er selbst sich schon teilhaftig fühlte. Sein oberstes Gebot war: „Du sollst nicht töten!“, was er nicht nur auf Mitmenschen und Tiere bezog, sondern als eine grenzenlose Verehrung alles Lebendigen auffaßte“ (Hermann Hesse: Der Weltverbesserer, 1910).

„Er war weder alt noch jung, er sah nicht wie ein Lehrer noch wie ein Soldat aus, er sah aus wie ein Mensch – der Mensch, als wäre er soeben aus der Dunkelheit des Werdens gestiegen, der erste von seiner Art“ (Hermann Hesse: Zarathustras Wiederkehr, 1919).

„Kinder knien vor ihm nieder“

Es ist ein einfacher Grashalm, den Gusto Gräser gerne in seiner bedürfnislosen Lebensweise als Visitenkarte benutzt. Seine lebensreformerische Grundeinstellung basiert auf einem lebens-frohen, zugleich genügsamen Lebenswandel: Verzicht auf Fleisch und überflüssigen Besitz, ein praktizierter Liebeskommunismus, der Mut, der eigenen Natur gemäß zu leben und Tiere und Pflanzen als gleichberechtigte Lebewesen anzuerkennen. Er lebt von Vorträgen, Einladungen und dem Verkauf von Gedichten und Spruchkarten. „Bloßfüssig oder mit Sandalen an den Füssen schreitet er dahin, ein Täschchen mit dichterischen Ergüssen umgegürtet, einen Hirten-stab in der Hand. Kinder knien vor ihm nieder, denn sie meinen, der Heiland erschiene ihnen“ (Ida Hofmann-Oedenkoven, 1906). Seine nächsten literarischen Verwandten sind wohl Henry David Thoreau und Walt Whitman.

„Gusto Gräser verkörperte die radikale Alternative des Ausbruchs aus der technisierten und militarisierten europäischen Zivilisation. Er lebte auf der Straße oder in einer Höhle, lehnte regelmäßige Arbeit und jeglichen Zwang ab, predigte Gewaltlosigkeit und Vegetarismus aus Verehrung vor allen Formen des Lebens, befasste sich mit den kontemplativen Lehren des Laotse und verkündete als simples Lebensmotto, das Edle und Gute neben dem Bösen aufbauen zu wollen. Sein moralischer Anspruch und sein außer-gewöhnlicher Lebensstil trugen ihm heftige Gegenreaktionen weniger radikaler Reformer ein. ... Gräser, der 1958 als einsamer Poet in München starb, nachdem er die Zeit des Nationalsozialismus als marginalisierter Vagabund überstanden hatte, kann mit seinen pazifistischen und ökologischen Ideen von einer Erneuerung des Lebens fernab von Militarisierung und Industrialisierung als ein – wenn auch vergessener – Vorläufer der Alternativbewegung … angesehen werden, deren Ziele er in seiner Lebensweise verkörperte, lange bevor sie formuliert wurden“ (Elisabeth Ries in „Pioniere, Propheten, Professoren“, 2004, S. 25).


Hermann Müller's Rede zum Buch
 
„Teehaus, Tanz und Berg der Wahrheit“, so hat Klaus Steinke sein Buch benannt. „Berg der Wahrheit!“ Ist etwa die Weissenburg ein neuer Berg Sinai, ein Berg Tabor? Das wäre wirklich eine Neuigkeit! Nein.

Gemeint ist ein Hügel über Ascona, der 1900 Monte Verità getauft wurde, Berg der Wahrheit. Und gemeint ist zweitens eine legendenhafte, Erzählung von Hermann Hesse. Sie berichtet dichterisch vom Zug einer Schar von Wanderern und Tänzern, die auf dem Weg ins Morgenland sind, auf dem uralten Menschenweg in die Heimat des Lichts. Diese Wanderer kommen vom Monte Verità, sie bewegen sich auf Stuttgart zu, und ihr Anführer, der „Oberste ihres Bundes“, ist Gusto Gräser.

Wer ist dieser Gusto Gräser? Und was hat er mit Stuttgart zu tun?

Der Dichter und Denker aus Siebenbürgen hat im Herbst 1900 die Aussteigersiedlung auf dem Monte Verità von Ascona begründet. Er lebte dort zeitweise in einer Felsgrotte in den Bergen. Dort hat ihn 1907 der junge Schriftsteller Hermann Hesse besucht. Er hat einige Wochen mit ihm zusammengelebt, als Einsiedler im Wald, fastend, nackt gehend und meditierend, als Schüler des Eremiten Gusto Gräser. Der hat ihn die Meditation gelehrt und den Tanz. Hesse, der pietistische Schwabe, war zwar offen für die Meditation, nicht aber für den Tanz, schon gar nicht für den ekstatischen Nackttanz, den Gräser mit Freunden in Mondschein-nächten im Wald von Arcegno vollführte. In einer Erzählung erschlägt er den Waldheiligen mit dem dritten Auge, der seine Schüler zum Tanzen antreibt, und flieht aus dem Wald. Hesse kehrte ins bürgerliche Leben zurück.

Für den Eremiten Gusto Gräser gab dies den Anstoss, ebenfalls den Wald zu verlassen und zu den Menschen in die Städte zu gehen. So kam er 1907 nach Stuttgart. Hier hat er seine ersten Freunde gefunden: einen Dichter, einen Maler und einen Kaufmann. Sie sammelten um sich eine „heilige Schar“. Und nach dem Krieg zogen sie mit Gräser singend und tanzend durch Thüringen. „Ganz Thüringen tanzt!“, schrieb damals der Verleger Eugen Diederichs, Zehntausende tanzten. Tanz war die Botschaft, freier, spontaner Ausdruckstanz war die Botschaft des Monte Verità.

Gräser hatte ihn 1900 in Paris bei Raymond und Isadora Duncan kennen gelernt. Er brachte ihn nach Ascona und entwickelte daraus eine neue, noch freiere, wildere Form: Ein ekstatischer, regelloser, expressiver Ausdruckstanz, in dem die Menschen ihr eigenes Selbst entdecken sollten. Eine körperliche Selbstbefreiung mit Toben, Stampfen, Stöhnen und Schreien, eine frühe Urschreitherapie. Sein Landsmann Rudolf von Laban hat diesen frühen Ausdruckstanz professionalisiert und 1917, im sogenannten „Sonnenfest“, vor Gräsers Höhle zelebriert. Wenige Jahre später hat Laban seine Schule nach Stuttgart verlegt. Ob Ida Herion bei ihm gelernt hat, wissen wir nicht. Aber sie konnte ihn sicher nicht übersehen, und ihr eigener Stil war dem von Laban so nahe verwandt, dass heute einige ihrer Nackttanzszenen dem Monte Verità zugeschrieben werden.

Gusto Gräser also war der Vortänzer, sozusagen der Urtänzer des freien Ausdruckstanzes.

Um es kurz zu machen: Gräser hat 1913 bis 1915 in Stuttgart nicht nur seine Taodichtung vorgetragen, er hat allsonntäglich Waldandachten bei der Schillereiche auf dem Bopser gehalten. Er wurde ausgewiesen, wie so oft, Stuttgart konnte ihn nicht ertragen. Er kam zu früh. Aber er kam wieder, 1919, 1929, 1931 und öfter. Er kam vor allem zurück in den Dichtungen von Hermann Hesse. Hesse hat ihn zu seinem Meister erwählt und ihn als solchen dichterisch gefeiert.

Als er nämlich von dem triumphalen Tänzerzug der Neuen Schar von 1920 erfuhr, schämte er sich. Er bereute seine Flucht und fuhr nach Stuttgart, um sich zu informieren. Aus den Berichten eines hiesigen Zeugen entstand dann seine mythische Erzählung 'Die Morgenlandfahrt'. Hesses Morgenlandfahrer sind besitzlose Wanderer, sie singen, sie spielen und tanzen, sie ziehen durch Schwaben, sie lagern sich bei Urach. Es ist ein Tänzerzug. Es war ein Tänzerzug. Auf der Lichthöh über Leonberg haben sie im Wald getanzt. Schülerinnen der Herionschule waren sicher dabei. Sie zogen weiter nach Indien.

Und noch einmal kam der Wahrheitsberg nach Stuttgart, als nach dem zweiten Krieg Hesses 'Glasperlenspiel' erschien. Dieses Werk gipfelt in dem zeremoniellen Nackttanz eines Jünglings, eines Wanderers, Läufers und Naturburschen, in dem ohne weiteres das Vorbild Gusto Gräser zu erkennen ist. Für diesen Tänzer, der die aufgehende Sonne festlich begrüsst, opfert sich Knecht, opfert sich Hermann Hesse. Der Dichter aus Calw feiert den ekstatischen Ausduckstanz, er erhöht ihn zum religiösen Ritual.

Mit Gusto Gräser, mit seinen Wanderfreunden, mit Rudolf von Laban, mit der 'Morgenlandfahrt' und dem 'Glasperlenspiel' kam der Berg der Wahrheit nach Stuttgart. Er hat Spuren hinterlassen. Das Buch von Klaus Steinke deckt einige davon auf.

Ich danke Ihnen.

Grußrede von Hermann Müller zur Buchpräsentation im
Marmorsaal der Villa Weißenburg am 18. März 2018

Szeemann, Harald


Museum der Obsessionen von/über/zu/mit Harald Szeemann

Berlin, Merve Verlag, 1981

Darin schreibt Szeemann:

„Ich bin ein sogenannter 'wilder' Denker, der sich am mythischen und utopischen Gehalt der Hervorbringungen menschlichen Geistes und menschlicher Tätigkeit labt“ (20).

Diese Neigung führte ihn zum Monte Verità. Ihm schwebte vor, nicht mehr in einem Museum „sondern direkt in der Landschaft und wenn immer möglich auf einem Heiligen Berg auszustellen. MONTE VERITA. Der Berg der Wahrheit als Summe von Ideologien in einer mütterlichen Landschaft“ (177).

Harald Szeemann im sogenannten 'Elisarion' auf dem Monte Verità von Ascona


Vinzenz, Alexandra
 

Vision 'Gesamtkunstwerk'
Performative Interaktion als künstlerische Form
Verlag: transcript, 1. Auflage 2018, ISBN: 978-3-8376-4138-7
 
Seit Richard Wagner meint der Begriff 'Gesamtkunstwerk' die Einheit aller künstlerischen Disziplinen. Im Zuge ganzheitlicher Bestrebungen in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts nimmt das Konzept, dem die Möglichkeit der Transformation der Gesellschaft zugeschrieben wird, eine zentrale Position ein.
Anhand zahlreicher Beispiele, die vom Umkreis der Anthroposophischen Gesellschaft bis zum Bauhaus, von Hermann Nitsch bis Joseph Beuys reichen, zeigt Alexandra Vinzenz, dass die Verbindung von Ästhetik und Politik trotz ihrer visionären Anlage nicht an Reiz verloren hat.
 
Dr. phil. Alexandra Vinzenz, geb. 1983, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Kunstgeschichte der Universität Heidelberg. Vorher war sie u.a. am Kunstgeschichtlichen Institut der Philipps-Universität Marburg beschäftigt. Sie promovierte am Institut für Kunstgeschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und erhielt dafür ein Promotionsstipendium des Landes Rheinland-Pfalz.

Wagner, Christoph Lichtwärts!
Lebensreform, Jugendbewegung und Wandervogel – die ersten Ökos im Südwesten (1880–1940)
Verlag regionalkultur, Bahnhofstraße 2, 76698 Ubstadt-Weiher, 2026, www.verlag-regionalkultur.de

Um  1900  entstand  in  Deutschland  ein  erstes Bewusstsein für die Schattenseiten des industriellen Fortschritts: Die Jugend- und Wandervogelbewegung begehrten gegen „Naturfrevel“ und krankmachende Lebensbedingungen auf. Vegetarier,  Naturfreunde,  idealistische  Siedler,  Reformpädagogen,  Alkoholgegner,  Licht-, Luft- und Sonnenanbeter sowie Anhänger von Kleiderreform  und  Naturheilkunde  machten sich für eine umfassende Lebensreform stark, die  alternativ-utopische  Lebensmodelle,  ein anderes Naturverständnis und ein neues Körperbewusstsein  umfasste.  Im  Südwesten  war die  Lebensreformbewegung  besonders  rührig.  In  zahlreichen  Vereinen,  Bünden,  Verlagen, Zeitschriften, Reformhäusern, Naturheilsanatorien, alkoholfreien Cafés, vegetarischen Speisehäusern, Versuchsschulen und Aussteigersiedlungen wurden neue Ideen erprobt, die auf ganz Deutschland ausstrahlten.
Christoph Wagner zeichnet die Geschichte dieser ersten Ökos im Südwesten in ihrer ganzen Vielfalt nach, wobei auch die düsteren Seiten (Irrationalismus,  Rassenlehre,  Antisemitismus) nicht ausgespart bleiben.

Watson, Peter Das Zeitalter des Nichts. Eine Ideen- und Kulturgeschichte von Friedrich Nietzsche bis Richard Dawkins. C. Bertelsmann, München 2016.
Zitat:
Der Nietzscheanismus war dort [auf dem Monte Verità] allgegenwärtig, allerdings weniger in seiner „Wille zur Macht“-Ausprägung als durch das Dionysische und das Ziel einer ekstatischen Dynamik. … Die Kolonie verfügte tatsächlich über all die Elemente der Gegenkultur, die sich später vor allem in Amerika entwickeln sollte. … Das entscheidendste … Element der Monte-Verità-Idee war der Rückzug aus dem urbanen Leben, um einen „neuen Menschenschlag“ zu erschaffen, einen nachchristlich-säkularen, der das Menschsein in all seiner Fülle und Gestalt einer gelebten „Vagabondage“ sowie durch Tanz zum Ausdruck bringen sollte. (61 f.)

Weidermann, Volker



„Gusto Gräser ist dabei, eine Art Weltstar zu werden. Es ist der Name 'Demian', unter dem er berühmt werden wird.“ (Volker Weidermann)



Träumer - Als die Dichter die Macht übernahmen
1919, Revolution in München – und alle sind vor Ort: Ernst Toller, Thomas Mann, Erich Mühsam, Rainer Maria Rilke, Gustav Landauer, Oskar Maria Graf, Viktor Klemperer, Klaus Mann ...
Kiepenheuer & Witsch, 2017, 288 Seiten, gebunden
Auszug:

Gusto Gräser als Demian

Aus „Träumer“ von Volker Weidermann

Am nächsten Abend gehen sie [Oskar Maria Graf und der Maler Georg Schrimpf] zu einer Versammlung, auf der Gusto Gräser reden soll.

Und er redet.

Der Saal war ziemlich voll. Geraucht sollte nicht werden. Wir rauchten. Es ging auch bereits laut zu. Vorne saßen schwärmerische Mädchen mit Gretchenfrisur, alte Jungfern, Wandervögel, idealistische Sonderlinge und dergleichen.“ Und Spartakisten. Und Volk.

Es wird grauenvoll. Gräser predigt vom Geist der Gewaltlosigkeit. „Ach was, Geist! Schnaps brauchen wir!“ kräht Graf. Einer schreit: „Ziegenbock!“. Gräser macht segnende Handbewegungen. Er preist die Natur. „Grasfressen und faulenzen ist sinnwidrig!“ ruft Graf. Ein anderer „Nieder mit der Natur! Es lebe die Technik!“

Gräser predigt weiter. Die Menge höhnt und lacht und tobt. „Wir sind keine Menschen mehr!“ ruft Gräser. „Nein, Viecher!“ brüllt Graf. Ein Spartakist erobert die Bühne. Hält die übliche Propagandarede. Die Zuhörer amüsieren sich prächtig.

Nach der Veranstaltung kehrte Gräser zum Schorsch zurück. Schorschs Freunde verspotteten ihn, grob, gemein und verletzend. Er sei doch nur für die Natur. Also: „Morgen bitte Lager nehmen im Englischen Garten“, befahl Graf ihm.

Zwei Tage später ging er dann wirklich. Man sah ihn weiterhin tagsüber durch die Straßen Münchens ziehen, meist verfolgt von einer Horde grölender Kinder. Es hieß, er habe Unterkunft in einem Ziegenstall gefunden.

Doch Gusto Gräser ist gerade dabei, eine Art Weltstar zu werden. Er weiß es nur noch nicht. Und auch nicht unter seinem eigenen Namen Gusto Gräser, sondern in literarischer Verkleidung, als einer, der Menschen auf dem Weg nach innen führt, zu einem neuen Gott, zu sich selbst. Es ist der Name „Demian“, unter dem er berühmt werden wird. Eine Erzählung unter diesem Namen ist soeben in der Zeitschrft „Neue Rundschau“ des S. Fischer Verlages als Vorabdruck erschienen. Im Februar der erste Teil, in der April-Nummer der zweite. Geschrieben hatte die Erzählung ein gewisser Emil Sinclair, niemand kannte ihn, weder der Verleger Samuel Fischer noch der Lektor Oskar Loerke wussten, wer der junge Debütant war. Dieser Emil Sinclar schreibt die Geschichte seiner Wandlung, aus der Orientierungslosigkeit der alten Vorkriegszeit in ein neues Leben, ein neues Licht. Er folgt einem sonderbaren Freund und Führer, zusammen mit dessen Mutter schließen sie einen Bund. Der sonderbare Freund Max Demian ist ein weiser, unschuldiger Prediger. „Hundert und mehr Jahre lang“, erklärt er seinem staunenden Freund Sinclair, „hat Europa bloß noch studiert und Fabriken gebaut! Sie wissen genau, wieviel Gramm Pulver man braucht, um einen Menschen zu töten, aber sie wissen nicht, wie man zu Gott betet, sie wissen nicht einmal, wie man eine Stunde lang vergnügt sein kann.“

So und so ähnlich sind Max Demians Ansprachen an den sehnsüchtig Lauschenden. „Was die Natur mit dem Menschen will, steht in den Einzelnen geschrieben, in dir und mir. Es stand in Jesus, es stand in Nietzsche. Für diese allein wichtigen Strömungen – die natürlich jeden Tag anders aussehen können, wird Raum sein, wenn die heutigen Gemeinschaften zusammenbrechen.“

Max Demian sieht den kommenden Krieg voraus, den Rausch, der die Menschen zusammenschweißen wird. „Es wird vielleicht ein großer Krieg werden, ein sehr großer Krieg. Aber auch das ist bloß der Anfang. Das Neue beginnt, und das Neue wird für die, die am Alten hängen, entsetzlich sein.“

Etwas Neues, etwas nie Dagewesenes kämpft sich frei, in den Schlachten Europas, so sieht es dieser wunderliche Prophet. „Es kämpfte sich ein Riesenvogel aus dem Ei, und das Ei war die Welt, und die Welt mußte in Trümmer gehen.“ Um neu zu werden, ganz und gar neu. „In der Tiefe war etwas im Werden. Etwas wie eine neue Menschlichlichkeit.“

Das Buch wird in Deutschland und Europa ein fantastischer Erfolg werden, der Autor wird als Führer der Jugend gefeiert. Als Thomas Mann die Erzählung einige Wochen später liest, ist er begeistert, fragt sich, wie sich alle fragen, wer nur dieser Emil Sinclair sein könne, und stellt erstaunt fest, dass es geradezu ein geschwisterliches Buch zu dem von ihm wieder begonnenen „Zauberberg“ sei. Auch hier bricht der Weltkrieg „als Lösung“ am Ende in das Romangeschehen ein.

Dieser Emil Sinclair wird für den Text noch im selben Jahr den Fontane-Preis für das beste deutsche Erstlingswerk erhalten. Und erst im nächsten Jahr muss der Autor ihn wieder zurückgeben. Denn er ist kein Debütant. Und er heißt auch nicht Sinclair. Der Autor ist Hermann Hesse, damals 41 Jahre alt, und er war mit Büchern wie „Unterm Rad“ und „Peter Camenzind“ längst eine Berühmtheit in der Welt der Literatur.

Früh schon war er Gusto Gräser begegnet. 1907 war er dem Wandernden auf den Monte Verità im Tessin gefolgt. In einer Holzhütte wohnend, verbrachte er mehrere Wochen in der Nähe des Freundes, lebte selbst für einige Zeit in den Felsen bei der Höhle von Arcegno, nackt, fastend und meditierend.

Doch Hesse kehrte in sein bürgerliches Leben zurück, verspottete Gräser bald schon in seiner höhnischen Erzählung „Doktor Knölges Ende“ als einen in den Bäumen hängenden Gorilla.

Im Krieg kam es zu einer neuen Annäherung. Hesse wurde zu Gräsers „dichterischem Verkünder“. Seine Reformsiedlung auf dem Monte Verità wurde für Hermann Hesse zu einer „Trauminsel der Erfüllung“, Beispiel und Vorbild „einer anderen Art zu leben“.

Doch als der Krieg zu Ende war, das Ei also in Trümmern lag und allen voran München sich bereit zu machen schien für eine neue Menschlichkeit, gingen die beiden Männer unterschiedliche Wege. Anfang 1919 schrieb Gusto Gräser an Hermann Hesse in Bern: „Der BAUM des Lebens keimt und kommt ja doch nur von Selber. - Er gründet ein und grünet auf, wenn die Eisblöcke der Verstandes- und Gegenstandswirtschft Ihm nicht mehr beklemmend im Wege stehn. - Drum Tauwind ins Winterland, TAO-wind in die hirnfrostig verfrorene Welt.“ Er war unterwegs in die neue Wärme, zur neuen Menschlichkeit und schönen Gemeinschaft, die er in München für sich und die Seinen erhoffte.

Und er hoffte wohl, vielleicht war er auch sicher, dass auch der Freund ihm nach Deutschland, nach München folgen würde. Viele in Deutschland dachten so. Hermann Hesse, der schwäbische Kriegsgegner in der Schweiz – wohin sollte er denn, wenn nicht nach München?

Doch da täuschten sich alle. Hesse hat seinen Demian nach München geschickt. Er selbst flieht in die andere Richtung. ...

Der sonderbare langhaarige Freund mit den Sandalen und den Texten im Ledersäckchen, der Hesse so vieles vorgelebt und vorgeredet hatte, hat einen anderen Plan. Er redet, sammelt Menschen um sich, lässt sich verhöhnen in der Stadt der Träumer und Weltverbesserer. Die Liebe wollen beide auf ihre Weise in die Welt tragen.


Aus Volker Weidermann: Träumer. Als die Dichter die Macht übernahmen
Köln 2017, S. 186-191

Weise, Otto

Hermann Müller: Der Dichter und sein Guru. In: Jahrbuch des Archivs der deutschen Jugendbewegung. Burg Ludwigstein: Stiftung Burg Ludwigstein, 1978, S. 196-199.


Szittya, Emil

Das Kuriositäten-Kabinett. Konstanz 1923. Neudruck Berlin 1979.


Wyrwoll, Karl

Ernst Moritz Engert. Monographie Dokumentation Katalog. Ernst-Moritz-Engert Museum der Stadt Hadamar, 1988.


Literaturnachweis in:
OCLC Online Computer Library Center, Inc., 6565 Kilgour Place, Dublin, Ohio 43017-3395 USA, © Copyright 2011


Robert Landmann (eigentlich Werner Ackermann) 1892 in Antwerpen geboren, Verfasser mehrerer Romane, Stücke und Hörspiele, Journalist in Genf, Ascona, Berlin, Saint Tropez, Istanbul und Antwerpen. 1923 hat Landmann in Ascona zusammen mit seinen FreundenHugo Wilkens und William Werner die von Henri Oedenkoven gegründete Siedlung Monte Verità erworben und 1925 an BaronEduard von der Heydt verkauft.

Robert Landmann, Ascona - Monte Verità: Auf der Suche nach dem Paradies, Neuauflage 2009
Titel: Ascona - Monte Verità, 2. Auflage, Juli 2009
Autor: Robert Landmann
ISBN: 978-3-7193-1219-0
Details: gebunden, 21.0 x 13.0 cm, 304 Seiten
Preis: CHF 49.00, € 29.90: Bestellen

Inhalt:
  • Einleitung
  • Verwandte Seelen:
  • Henri Oedenkoven und Ida Hofmann
  • Gebetene und ungebetene Gäste 2
  • Der Hort des «Vegetabilismus»
  • Anarchisten, Theosophen und Spiritisten
  • Das Dorf und die «Nackten»
  • Edeldichtkunst um den Monte Verità
  • Okkulte Spezialitäten
  • Überfluss und Geldkalamität
  • Künstlerkolonie oder Zufluchtsort für Strafgefangene
  • August 1914
  • Der Auszug der Gründer
  • Rummelplatz ohne Weltanschauung
  • Der verlassene Berg
  • Die zweite Gründung
  • Ein modernes Märchen will Regie
  • Die Auflösung des Triumvirates
  • Der neue Herr des Monte Verità
  • Erlesene Kunst und hohe Gäste
  • Die Inseln der Seligen
  • Mondänes Dorf
  • Eranos, eine Gemeinschaft der Suchenden
  • und Erkennenden
  • Emigranten
  • Das Weltdorf Ascona
  • Monte Verità – Der andere Zauberberg
  • Personenregister
  • Weiterführende Literatur (Auswahl) und
  • Quellenverzeichnis
  • Fotonachweis
Auszug aus Erich Mühsams Besprechung des Buches "Ascona - Monte Verità" von Robert Landmann

Achtbändiges Werk von Eberhard Mros

Ein Kompendium des Wissens um den Wahrheitsberg, ein Lexikon zum Nachschlagen. Alles ist da: das Spirituelle, das zeit- und kulturgeschichtliche, das Alternative und Ökologische. Und zugleich das Faktisch-Reale mit einer Genauigkeit und Vollständigkeit, wie sie noch nicht da gewesen ist, bis auf die Grundstücksnummern im Kataster.

Die Bändchen im Format A5 (je etwa 100-120 Seiten, viele Abbildungen, je CHF 15.-) im Selbstverlag des Verfassers werden in der Rezeption des Hotels Monte Verità und in der Casa Anatta angeboten.

Fondazione Monte Verità - Via Collina 84 - CH-6612 Ascona - Tel 0041 91 785 40 40
www.monteverita.org  - info@monteverita.org

Martin Green, Mountain of Truth
Martin Green
Mountain of Truth
1986




Eine gut informierte Darstellung des Monte Verità
in italienischer 
Sprache


In französischer Sprache
Monte Verità, Ascona et le génie du lieu
de Kaj Noschis
Monte Verità, Ascona et le génie du lieu

Edité aux PPUR (Presses polytechniques et universitaires romandes),
collection "Le savoir suisse". 142 p., 2011, 10,90 € (17,50 francs suisses).

Das Buch von Kaj Noschis bietet die bisher beste Einführung in die Geschichte des Monte Verità. Ich kenne kein anderes Werk zum Thema, das auf so wenigen Seiten eine solche Fülle von - zum Teil neuen - Informationen böte: von den ersten Anfängen bis zur Gegenwart, von den Pionieren bis zu den Gelehrten von Eranos. Es wäre sehr zu wünschen, dass dieses Buch ins Deutsche übersetzt würde.

Unglücklicherweise steht seinen großen Vorzügen ein großes Manko gegenüber: Noschis verkennt die Hauptperson, den eigentlichen Geistgründer des Wahrheitsbergs: den Dichter-propheten Gusto Gräser. Er scheint dessen Lebenswerk nicht zu kennen und ihn auch nicht sonderlich zu schätzen. Dazuhin ist seine Darstellung in diesem Abschnitt voller faktischer Fehler. Weil nun aber der eigentliche Inspirator dieser Siedlung nicht erkannt wird, muss Noschis trügerischen Ersatz suchen, um die Kreativität und Attraktivität des Ortes zu erklären. In seiner Not verfällt er auf die Idee, in einem fiktiven „genius loci“ den Grund für die außerordentliche Ausstrahlungskraft von Ascona zu suchen. Ein absurder Einfall! Nicht Landschaften schaffen Ideen sondern Menschen.

In einer zweiten Auflage müsste das Kapitel „Gusto Gräser“ völlig neu bearbeitet werden. Dann könnte dieses sonst so verdienstvolle Buch zu einem wirklichen Standardwerk werden.

Zu der Beziehung Gräser-Hesse sagt Noschis u. a.:
„Gusto, der Pilger, der seine Friedensbotschaft verkündet, beeindruckt den Schriftsteller und führt ihn auf den Monte Verità (62). – Die Gestalt des Gusto Gräser hat sich in die Vorstellungswelt von Hesse eingeschrieben (64). – Gewisse Hauptgestalten seiner Bücher sind geprägt von jenen Menschen, die er in Ascona beobachtete: wie sie sich abmühten in  ihrem Suchen, in ihrem Hören auf die Natur, wie sie ihre Weltschau mitteilen wollten und zugleich litten an ihrem unaufhebbaren Anderssein (68f.).“
Hermann Müller

Bereits vor 100 Jahren (und vorher) wanderten, statt Hundertausende, einige abzählbare, markante Frühhippies durch die Welt, barfüssige Weltverbesserer, Wanderprediger, verspottet als Kohlrabi-Apostel und Kartoffel-Christusse, die mit dem ‚Zurück zur Natur’ ernst machten und das ganze Programm von 1967 bis 1976 bereits draufhatten: Pazifismus, freie Liebe, Technikkritik, Spiesserverachtung, lange Haare, Nudismus, Vegetarismus. Einerseits gerieten selbst die wichtigsten Gestalten von damals sehr in Vergessenheit, andererseits erhielten sich viele Text- und Bilddokumente, von denen sich einiges in diesem Buch wiederfindet.
Der Webmaster meint:
Schon oberflächliche Lektüre des G. Gräser gewidmeten Teils dieses Buches zeigt allerdings, dass so manches aus der Luft gegriffen oder masslos übertrieben ist und damit ein verzerrtes, negativ gefärbtes Bild entsteht.
Quellenangaben fehlen.
Verlag "Der Grüne Zweig"  - ISBN 9783922708056

Suhrkamp

DER WELTVERBESSERER

Erzählungen von Hermann Hesse über seine Lehrzeit bei Gusto Gräser im Jahre 1907

Suhrkamp

Diese autobiographische Erzählung kommt den  Erfahrungen Hesses im Jahre 1907 näher als 'Der Weltverbesserer'. In der Gestalt des Heinrich Wirth ist Gusto Gräser zweifelsfrei zu erkennen.

DIE DUNKLE UND WILDE SEITE DER SEELE


Hermann Hesse. Briefwechsel mit seinem Psychoanalytiker Josef Bernhard Lang. Darin eine weitere Bestätigung für die enge Verbundenheit der Familien Gräser und Hesse. Gräsers Familie wohnte 1919 im Haus von Mia Hesse in Ascona.

“Mit Hermann Hesse durchs Tessin – Ein Reisebegleiter von Regina Bucher”

Was mit einem Kuraufenthalt 1907 auf dem legendären Monte Verità begann, entwickelte sich für Hermann Hesse zu einer lebenslangen Faszination: 1919 siedelte er nach Montagnola im Tessin über und lebte dort bis zu seinem Tod 1962. Seiner Begeisterung für diese abwechslungsreiche Seen- und Berglandschaft mit ihren pittoresken Dörfern hat er in zahlreichen Erzählungen, Briefen und nicht zuletzt in seinen Aquarellen Ausdruck verliehen.

Zehn Spaziergänge führen den Leser auf die Spuren Hesses.
insel taschenbuch 3609
ISBN: 978-3-458-35309-6 - Preis: 21,70 CHF , 293 Seiten
José Morella, in spanischer Sprache, in LUKE nº 169 Febrero 2016
Como caminos en la niebla (Wie Wege im Nebel)

José Morella wurde 1972 in Ibiza geboren. Er hat einen Abschluss in Literaturtheorie und vergleichender Literaturwissenschaft. Er lebt derzeit in Barcelona, wo er Spanisch unterrichtet. Er veröffentlichte die Romane La fatiga del vampiro (2004) und Asuntos propios, Finalist des Herralde-Preises für Romane im Jahr 2009. Er ist auch der Autor der Gedichte Tambor de luz (2001). Er hat auch die Dichter Ferreira Gullar und Douglas Dunn ins Spanische übersetzt.
... und LUKE-Mitarbeiter
Morella schreibt über Gusto (Original in spanisch hier):
Gusto Gräser, der berühmte „Naturmensch“ des Monte Verita, schrieb ein halbes Leben lang an einer neuen Version des Tao te King von Lao Tse. Gusto konnte kein Chinesisch, er übertrug das Buch nur nach der Übersetzung von Richard Wilhelm. Der Grundgedanke dieses Buches besteht darin, die Wirklichkeit nicht zu zwingen, nicht mit zu viel Anstrengung darauf zu bestehen, dass das geschieht, was wir uns wünschen, und dass nicht geschehe, was wir nicht wollen. Eine traditionelle chinesische Erzählung erklärt das so:
Ein Pilger sieht aus der Entfernung, wie ein heftiger Gewittersturm eine Holzbrücke mit sich nimmt. Deshalb fallen ein Alter und ein junger Mann ins Meer. Das Wasser ist sehr bewegt. Einige Sekunden später sieht der Pilger, wie der Alte ganz nah am Strand auftaucht und ans Festland schwimmt. Der junge Mann taucht niemals auf und ertrinkt. Der Pilger geht zu dem Alten und fragt ihn: Wie ist es möglich, dass der Junge es nicht geschafft hat herauszukommen und Sie hier so ruhig stehen und ihre Kleider auswinden, als sei nichts geschehen? Der Alte antwortet ihm: Dieser Junge hat zu viel Widerstand geleistet, er hat zu viel Kraft darauf verwendet herauszukommen. Er hat gestrampelt und mit den Armen gegen die Strömung gerudert, die unendlich mächtiger war als er und ist dann ertrunken. Ich habe das Gegenteil getan. Ich habe mich ergeben, habe alle Muskeln entspannt wie ein Säugling, der von seiner Mutter gestillt worden ist. Ohne Anstrengung. Die inneren Strömungen haben mich an die Oberfläche getragen, so wie eine Katze eine Spinne auf ihrem Rücken trägt. Ich habe nichts getan um zu überleben. Deshalb lebe ich auch noch.
Gusto flüchtete sich in die Natur und versuchte nur mit dem Allernotwendigsten zu überleben, weil er fühlte, dass die Zeit, in der er leben musste, dem, was Lao Tse vorschlug, diametral entgegengesetzt war. Eine Welt, in der es die Norm war, die Wirklichkeit zu zwingen: Die Produktion auf dem Land und in den Fabriken wurde mechanisiert, der Gebrauch von Chemikalien in der Landwirtschaft eingeführt; die Eisenbahn verkürzte die Entfernungen in einem für die damalige Zeit unvorstellbaren Maße. Henry Ford war dabei, das erste Fließband einzurichten. Gusto misstraute dem, was für andere unbezweifelbare Verbesserungen waren. Er sagte den Ersten Weltkrieg voraus, in dem auch die Fähigkeit zu töten mechanisiert wurde und Tausende an einem einzigen Tag starben. Als sie ihn rekrutieren wollten, erklärte er sich als Pazifist und Wehrdienstverweigerer. Sie verurteilten ihn zum Tode. Nach drei Tagen, in denen er jeden Augenblick damit rechnete erschossen zu werden, erreichte er die Einlieferung in eine Irrenanstalt, indem er vorgab verrückt zu sein. Dann kehrte er mit seiner Familie zurück zum Monte Verita und lebte dort weiter wie zuvor: nackt, barfuß, ohne zu heiraten und zog seine Kinder selbstständig groß, ohne sie in die Schule zu geben. Auf Geld verzichtete er ganz und gar und ernährte sich von dem, was er anbaute. Ein einfaches Leben, wie es einfacher nicht sein konnte. Oft besprach er seine Version des Tao, an der er unablässig arbeitete, mit dem Schriftsteller Hermann Hesse. Hesse, ein Vielgelesener, intelligenter und talentierter als Gusto, scheute sich in keiner Weise, ihn als seinen Meister anzuerkennen. Er hätte es ihm gerne nachgetan, hatte aber nicht den nötigen Mut, den Wunsch nach Aufstieg und Erfolg aus seinem Leben zu verbannen. Gusto nahm nie Rücksicht darauf, was andere von ihm dachten. Keiner der Intellektuellen oder Bohemiens des Monte Verita hatte im Entferntesten seine Bescheidenheit, noch seinen Mut.
Er wollte die Welt ebenso verändern wie Otto [Gross], aber auf andere Art und Weise. Seine Veränderung war innerlich und ruhig, die Ottos dagegen voller Unrast, Eifer und Angst. Einen Text von Lao Tse gab er folgendermaßen wieder: „Tao, du, Heimat aller! Die Behäbigen und Satten finden dich nie. Aber denen, die es vorziehen, durstig und hungrig umherzuziehen, denen öffnest du die Türen voll und ganz: ihnen blühen die Bäume, ihnen lächeln glänzende Früchte, die von übervollen Zweigen hängen. Den Schnellen, die ohne Verzögerung alles öffnen und wissen wollen, denen schließt du dich zu“.

Grundlegende Biografie über die Puppenmacherin Käthe Kruse, auch über ihre Zeit auf dem Monte Verità. Es wird klar, dass die Aussteiger um die Brüder Gräser ihr  Anstoss und  Möglichkeit zu Selbstfindung und Entfaltung ihrer kreativen Fähigkeiten gaben.







Sachbuch, 464 Seiten, zahlr. Abb., gebunden, Preis: € 26,90[D], € 27,70 [A], CHF 45,50

Osburg Verlag, Berlin
Frank Milautzcki
Reinhard Goering - ein Unbekannter auf dem Berg der Wahrheit
54 Seiten, 10 Abb., € 7.80, Verlag Proberaum 3, Trennfurter Straße 14, 63911 Klingenberg. E-mail: wuestenschiff@t-online.de
Rezension
PIONIERE, POETEN, PROFESSOREN
Eranos und der Monte Verità in der Zivilisationsgeschichte des 20. Jahrhunderts

Ulrike Voswinckel

Freie Liebe und Anarchie

Schwabing - Monte Verità Entwürfe gegen das etablierte Leben











184 S., Paperback

Verlag
Allitera 2009



Ulrike Vosswinkel

Die Autorin Ulrike Voswinkel

Leseprobe (PDF)

Die Bremer Sonderausstellung "1001 Nacht - Wege ins Paradies"Die Bremer Sonderausstellung

"1001 Nacht - Wege ins Paradies"

von 2006/7
über paradiesische Gärten, Schöpfungsmythen und Sozialutopien enthält auch eine Darstellung des Monte Verità mit Bildern von Gusto Gräser.

Im Katalog  sind viele seltene Bilder in hervorragender Qualität . Mit Kapiteln über den Monte Verità und dessen Ableger auf Kabakon in der Südsee . 211 Seiten


Näheres in www.uebersee-museum.de

Philipp Blom
Der taumelnde Kontinent / The Vertigo Years
Europa / Europe 1900 - 1914
  • Konsumismus, Angst vor Überfremdung, Kampf der Frau um ihre Rechte, Burn-out des Mittelstandes, Genetik: Die großen Fragen des Jahres 2009 versetzten schon 1909 die Europäer in einen Taumel.
  • Cultural, economic and political life before the First World War. This was a time in which old certainties broke down and many people lost their bearings. At the heart of this vibrant Europe, was a contradiction that would cause its collapse: the new, modern world of mass production, urban life, technological warfare and a rapidly growing working class that was still ruled by men who preferred the image of dashing cavalry officers to the prosaic slaughter of the machine gun, and national mythology to political cohesion and democracy.
Hanser, 536 Seiten, 86 Schwarz-Weiß-Bilder, acht Seiten farbiger Bildteil
Erschienen 2009, ISBN 978-3-446-23292-1

English: Blom, Philipp: The Vertigo Years. Change and Culture in the West, 1900-1914. Weidenfeld & Nicolson, London 2008. p. 202f.

Editions de l'Université de Bruxelles

Wolfgang Wackernagel
MYSTIQUE, AVANTGARDE ET MARGINALITÉ DANS LE SILLAGE DU MONTE VERITÀ


In: Mystique: la passion de l’Un, de l’Antiquité à nos jours
Edité par Alain Dierkens et Bénoit Beyer de Ryke. Éditions de l'Université de Bruxelles. Problèmes de l'histoire des religions, tome XV. Bruxelles 2005, S. 175-186. Sieben Fotos von Gräser und Monte Verità nach S. 160

Hans Bergel

Wegkreuzungen. Dreizehn Lebensbilder
 
Hans Bergel hat große Bücher geschrieben, und er hat liebenswerte Bücher geschrieben. Neben das Riesenepos „Die Wiederkehr der Wölfe“ von 2006, das ich in der Nachbarschaft von Tolstois „Krieg und Frieden“ sehe, stellte er jetzt die „Wegkreuzungen. Dreizehn Lebensbilder“. Das Buch nahm mich durch das angenehme Format und die Eleganz der Aufmachung sofort nach Erhalt schon vom Äußeren her gefangen.

 ... Die Charakterstudie über Deutschlands „lachenden Apostel“, den 1879 in Siebenbürgen geborenen Gustav Arthur Gräser, gerät ihm zum geistvollen Exkurs in die Kulturgeschichte Europas der vorletzten Jahrhundertwende. ...

Hans Bergel:   Wegkreuzungen:   Johannis Reeg Verlag, 176 Seiten
EUR 16,50 (+ Versandkosten), Buch bestellen »



 
Rythme et civilisation dans la pensée allemande autour de 1900

Thèse de Doctorat
Discipline : Etudes germaniques
Présentée par Olivier HANSE
UNIVERSITÉ RENNES 2 – HAUTE BRETAGNE
Unité de Recherche GRAAL JE 2314
Ecole Doctorale : Humanités et Sciences de l’Homme
Année de soutenance : 2007



Français


English


Deutsch



Autour de 1900 en Allemagne, l’ « arythmie » des individus est présentée par un certain nombre d’auteurs comme le symptôme d’une civilisation malade, qu’il faut à tout prix sauver du déclin. La disparition du rythme, constatée dans un grand nombre de disciplines, semble par ailleurs accuser le triomphe d’une vision matérialiste et « microscopique » du monde, qui rend l’homme aveugle aux miracles du vivant, tandis que dans les écoles et dans les universités s’impose un modèle de formation utilitariste, qui privilégie les savoirs techniques au détriment de l’intuition, de l’esprit de synthèse et de la créativité. Parallèlement à ce diagnostic, le même concept de rythme, que l’on suppose avoir joué, à l’origine, un grand rôle dans la socialisation de l’être humain et dans le développement de la culture, se retrouve au centre de projets utopiques fondés sur la gymnastique et la danse, qui visent à retransformer un corps social « mécanisé » et « disloqué » en une communauté saine et fraternelle. Par-delà les conflits de terminologie et de méthode qui opposent les différents représentants du « mouvement du rythme », cette étude tente d’éclairer les motivations individuelles et collectives de ce discours, de faire ressortir les mécanismes psychosociaux qui le traversent, ainsi que les causes de son succès, tout en le replaçant dans le contexte historique, social et culturel qui lui a donné naissance.
Around 1900 in Germany, people’s “arrhythmia” was presented by a certain number of authors as the symptom of a sick civilisation that absolutely needed to be saved from decline. The disappearance of rhythm observed in a large number of fields seemed moreover to affirm the triumph of a materialistic and “microscopic” vision of the world which blinded man to the miracles of life, while in schools and universities a model of utilitarian tuition was being asserted that favoured technical knowledge to the prejudice of intuition, sense of synthesis and creativity. Concurrently to this diagnosis, the same conception of rhythm that is supposed to have initially played a great role in the socialization of mankind and in the development of culture, is to be found at the heart of utopian undertakings based on gymnastics and dance aimed at retransforming a “mechanised” and “dislocated” social body into a healthy and fraternal community. Beyond conflicts of terminology and method opposing different representatives of the “rhythm movement”, this study endeavours to enlighten individual and collective motivations of this discourse, to bring out the psychosocial mechanisms that traverse it, as well as the reasons for its success, while repositioning it in the historical, social and cultural context that engendered it.


"Hauptziel dieser Arbeit ist es, die Grundlagen des Rhythmus-Diskurses in den Jahren 1880-1925 aufzudecken und im Sinne einer 'Sozialgeschichte der Ideen' herauszuarbeiten, inwiefern er gesellschaftliche Sachverhalte widerspiegelt bzw. durch den kulturellen und sozialgeschichtlichen Zusammenhang seiner Entstehung und Verbreitung beleuchtet werden kann. Der 'Rhythmus' soll dabei nicht auf eine bestimmte Definition reduziert werden, sondern es soll vielmehr begriffsgeschichtlich gezeigt werden, inwiefern er über seine primäre Bezeichnungsfunktion hinaus 'kommunikatives Eigengewicht' gewinnt und seine konkrete Verwendung, so vielfältig sie auch sein mag, die Ängste und Hoffnungen einer bestimmten sozialen Schicht artikuliert."


Claudio Rossetti - Raggi die Cultura - A Spectrum of Culture

Claudio Rossetti, von 2002 bis 2011 Direktor der Fondazione Monte Verità setzte während dieser Zeit viele Ideen und Visionen um, die er im Buch “Raggi di cultura – A Spectrum of Culture” festhält: 120 Seiten und viele Fotografien ermöglichen einen Einblick in die kulturellen Ereignisse. Erhältlich ist das zweisprachige Buch (Italienisch und Englisch) für CHF 20.- beim Centro Monte Verità (Tel .   091  785  40  40,   E-Mail info@monteverita.org). Der Erlös geht an das “Forum Diritti Umani”.

    


Luschner in "Raggi di Cultura - A Spectrum of Culture":




‚Die deutsche Seele’

von Thea Dorn und Richard Wagner. Albrecht Knaus Verlag, München 2011. 560 Seiten, viele Abbildungen. € 26.99

 Aus dem Vorwort:

„Wir machen uns keine Sorgen, dass Deutschland sich abschafft. Wir sehen nur, dass es sich herunterwirtschaftet. Sein Gedächtnis verliert. Die einen haben die deutsche Scham, die keiner ablegen kann, der diesem Land entstammt, zum Schuldpanzer verhärtet, hinter dem sie sich verschanzen. Die Verbrechen des Nationalsozialismus sind ihnen weniger Schmach und Schmerz als der Beweis, dass alles Deutsche mit der Wurzel ausgerissen gehört. Die anderen tummeln sich in dem Kahlschlag, den die wohl-meinenden Nashörner angerichtet haben. Ihnen fehlt nichts, solange der Fernseher läuft und im Kühlschrank genügend Bier steht. Und dennoch spüren wir ein wachsendes Deutschlandsehnen.“

Ein wichtiges Buch! Hier folgen einige Auszüge, die Diefenbach und Gräser betreffen. Die Verfasser sind allerdings sehr im Irrtum, wenn sie glauben, der Monte Verità habe nicht mehr als Hüllenlosigkeit zu bieten gehabt. In Wirklichkeit erlebten hier die Emigranten aus Alteuropa – Reformer,  Dichter und Künstler –  eine „Revolution der Seele“, eine Ausweitung und Befreiung nicht der deutschen Seele allein, aber gerade auch der deutschen, hin zu einem weltumgreifenden, menschheitumfassenden, anationalen, kosmopolitischen „Reich der Seele“, das Indien und China, Russland und Amerika genauso in sich schloss wie die besten deutschen Traditionen. „Es gab hier einfach alles, was im übrigen Europa nicht existieren konnte, verboten wurde, die Menschen nicht zu leben wagen konnten. Hier wurde es versucht; vorgelebt, existierend, nicht bloß theoretisch angeschaut“, schrieb damals der Dramatiker Reinhard Goering. „Entschieden, man war ja jenseits von Europa.“ Und ein anderer Gast und Gräserfreund, Hermann Hesse: „Hier war Liebe und Seele, hier lebte das Märchen und der Traum“.

„Schick“ war das Leben dieser Aussteiger-Siedler nicht im geringsten, vielmehr härteste Realität: Arbeit und Hunger, Kampf und Gefahr. Nicht Wenige sind daran zerbrochen, starben durch Selbstmord oder im Irrenhaus. Erst im ahnungslosen Nachschmecken des Feuilletons wurde daraus ein „schicker Mythos“.

   

Aufrufe von Gusto Gräser, um 1914

Raus! Raus aus den verpesteten Städten! Raus aus den engen Gassen! Raus aus dem „stahlharten Gehäuse“ von Bürokratie und Industrie, von Technik und Geldwirtschaft! …

Rousseau ist seit über hundert Jahren tot – doch nie und nirgends fíndet sein Ruf „Zurück zur Natur!“ ein kräftigeres Echo als im deutschsprachigen Raum an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert.

Am wörtlichsten nehmen das große anti-zivilisatorische „Raus!“ jene, die glauben, die Kluft zwischen Leib und Seele, zwischen Kosmos und Mensch, zwischen Reich und Arm schließen zu können, indem sie die Hüllen fallen lassen.

Der erste Nudist aus Überzeugung ist der Maler Karl Wilhelm Diefenbach. Seine Konversion zum Lebensreform-Glauben geschieht in den 1870er Jahren: Nach einer Typhus-Erkrankung muss er operiert werden, sein rechter Arm bleibt verkrüppelt. Diefenbach ist überzeugt, Naturheilkunde und fleischlose Kost hätten ihn kuriert, weshalb er zum Verkünder einer vegetarisch-naturnahen Lebensweise wird. Barfuß, mit wildem Haarwuchs und in eine Kutte gekleidet wandelt er durch München und predigt gegen den „Verzehr von Tierfetzen“. Obwohl man im Schwabing jener Jahre esoterische Exzentriker gewohnt ist, kommt es zu regelmäßigen Zusammenstößen zwischen dem „Kohlrabiapostel“ und der Obrigkeit. 1887 zieht sich Diefenbach nach Höllriegelskreuth ins Isartal zurück – und gründet dort in einem stillgelegten Steinbruch die erste Kommune, in der nach seinen Vorstellungen gelebt werden darf bzw. muss. Der Aussteiger entpuppt sich – wie manch einer nach ihm - als autoritärer Guru: Fleisch, Tabak, Alkohol, Privatbesitz und bürgerliche Ehe sind tabu, der Meister bestimmt, wer wann mit wem in welcher Weise verkehren darf oder auch nicht. Gemeinsam wird ein Körperkult zelebriert, der auf „Licht, Luft, Sonne, Nacktheit und Beschwingtheit“ fußt.

Weltanschaulich nicht weniger aufgeladen, aber deutlich mondäner gibt sich die Künstler-Kolonie „Monte Verità“, die 1900 auf einem Hügel oberhalb des schweizerischen Ascona u. a. von Gusto Gräser gegründet wird. Seine ersten Erfahrungen mit alternativem Leben hat der siebenbürgische Dichter bei Diefenbach gesammelt. Der Friede zwischen Pazifisten und Anarchisten, Nudisten und Ausdruckstänzerinnen, Anthroposophen und Psychoanalytikern, Veganern und Vegetariern ist zwar stets ein wackliger, dennoch existiert die Kolonie in ihrer ursprünglichen Form bis 1920. (Und kann heute noch als Hotel/Museum/Konferenzcenter besucht werden.) Prominente Gäste wie der dadaistische Künstler Hans Arp, der Philosoph Ernst Bloch oder die Schriftsteller Gerhart Hauptmann und Hermann  Hesse machen den „Wahrheits-Berg“ zum radikal schicken Mythos.

Aus Thea Dorn, Richard Wagner: Die deutsche Seele, S. 153-155

Siedlung in der Schweiz

Kapitel:

Monte Verità, Freidorf BL, Wasserhaus, Werkbundsiedlung Neubühl, Pantli, Cité du Lignon, Gurten-Gartenstadt.




Künstlermuseum

Kapitel:

Monte Verità, Städtische Galerie im Lenbachhaus, Kügelgenhaus - Museum der Dresdner Romantik, Altes Rathaus - Städtische Galerie für moderne Kunst, Kunstmuseum Pablo Picasso Münster, Liebermann-Villa, Albrecht-Dürer-Haus, Magritte Museum, René Magritte Museum, Liste von Künstlermuseen, Künstlerkolonie Worpswede, Sir John Soane's Museum, Museum Het Rembrandthuis, Käthe-Kollwitz-Museum, Villa Stuck, Rubenshaus, Josef-Hegenbarth-Archiv, Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst, Künstlermuseum Beckers Böll, Otto Dill, James-Ensor-Haus, Horst-Janssen-Museum, Max-Ernst-Museum, Münter-Haus, Leonhardi-Museum, August-Macke-Haus, Georg-Kolbe-Museum, Franz Marc Museum, Marfa, Ernst Barlach Museum Ratzeburg, Fundació Joan Miró, Overbeck-Museum, Musée Rodin, Frans-Hals-Museum, Purrmann-Haus, Ernst-Barlach-Haus, Antoine-Wiertz-Museum, Braith-Mali-Museum, Ernst-Barlach-Museum Wedel, Paula Modersohn-Becker Museum, Feuerbachhaus, Haus und Garten Claude Monet, Museum Stangenberg Merck, Musée Picasso Antibes, Künstlermuseum Heikendorf, Haus Paula Becker, Museum Lothar Fischer, Constantin Meunier Museum, Museum Künstlerkolonie Darmstadt, Walchensee-Museum, Museu Picasso, Wilhelm-Morgner-Haus, Lettl-Atrium, Teatre-Museu Dalí, Schilling-Museum, Günter-Grass-Haus, Jan-Matejko-Haus, Mucha-Museum, Rungehaus, Otto-Pankok-Museum, Ernst-Barlach-Stiftung.

Auszug (aus beiden Büchern):

Der Monte Verità (dt. Wahrheitsberg) ist ein Hügel über Ascona, im Kanton Tessin, Schweiz, der in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts der Sitz einer lebensreformerischen Künstlerkolonie war, die heute als eine der Wiegen der Alternativbewegung gilt. In ihr sammelte sich der Widerstand gegen die patriarchale militaristische Kultur und Gesellschaft der Zeit. Monte Verità wurde ein Zentrum neuer Bewegungen: Lebensreform, Pazifismus, Anarchismus, Theosophie, Anthroposophie, OTO, Psychoanalyse, östliche Weisheit, Ausdruckstanz. Zugleich war der Monte Verità eine Zitadelle des politischen Widerstands gegen die autoritären und chauvinistischen Regime des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. So war der Kanton Tessin im 19. Jahrhundert unter anderem Anlaufpunkt verschiedener russischer Intellektueller, speziell bedeutender Anarchisten. Neben Graf Pjotr Alexejewitsch Kropotkin (1842-1921) hielt sich in den Jahren 1873/'74 Michail Bakunin (1814-1876) in Locarno-Minusio und Lugano, also in direkter Nähe zu Ascona, auf. Auch nach der Gründung des Sanatoriums Monte Verità 1900 blieben Anarchisten und Pazifisten Gäste auf dem Berg. Als Beispiel sei hier nur auf Erich Mühsam verwiesen. Der politische Aktivist und Antimilitarist befreundete sich während seiner Aufenthalte zwischen 1904 und 1908 mit dem Siedler Gusto Gräser. Vor und während des Ersten Weltkriegs sammelten sich dort die Pazifisten, Verweigerer, Emigranten und Flüchtlinge aus den kriegführenden Staaten: so Hans Arp, Hugo Ball, Ernst Bloch, Hermann Hesse, Ernst Toller und viele andere. Durch Hermann Hesse, der seinen Freund, den Mitgründer Gusto Gräser, in den Meistergestalten seiner Dichtungen verewigte, durch Gerhart Hauptmann, Bruno Goetz, Reinhard Goering, Emil Szittya und andere, vor allem aber durch die Person und das Werk von Gusto Gräser selbst, wurde der Berg zu einem Mythos. Casa AnattaGründer dieser Kolonie waren die Brüder Karl (1875-1920) und Gustav Arthur Gräser (1879-1958) --> weiterlesen (Wikipedia)
Verlag: General Books, 2011
36 Seiten, 228 mm x 154 mm x 2 mm,
ISBN-13: 9781159328368, ISBN-10: 1159328366, Best.Nr.: 31622083

60 Seiten, 246mm x 189mm x 3mm,
ISBN-13: 9781159099428, ISBN-10: 1159099421, Best.Nr.: 31611337

Belletristik:


Felix Kucher

Vegetarianer

RomanCover: Vegetarianer
Picus Verlag, Wien 2022
ISBN 9783711721204
Gebunden, 232 Seiten













Er ist einer der schillerndsten Vertreter der Lebensreformbewegung imspäten 19.?Jahrhundert: Der Maler Karl Wilhelm Diefenbach predigt seine Heilslehre von Rohkosternährung, Nacktkörperkultur und freierLiebe als viel geschmähter »Kohlrabiapostel« auf Münchens Straßen. Dass er selbst von wiederkehrenden heftigen Magen- undGliederschmerzen geplagt wird, schwächt weder seine Überzeugung noch seine Ablehnung der konventionellen Medizin. Zu gesundheitlichengesellen sich regelmäßig finanzielle Nöte, die der begabte Maler durch Auftragsarbeiten immer wieder knapp abwenden kann. In einemverlassenen Steinbruch in der Nähe von München gründet er in den 1880er Jahren eine Kommune, doch damit beginnen seine Probleme erstrichtig …Felix Kucher erzählt von einem, der die Welt radikal verändern will und an seinen eigenen hehren Ansprüchen immer wiederscheitert.
»Der Mann hat eine Mission: Nichts weniger als der neue Mensch soll essein: sich fleischlos ernährend, auf die Naturmedizin vertrauend, der Ehe und anderen Zwangssystemen entsagend. Felix Kucher erzähltmit Verve und kritischer Empathie von den Aufschwüngen und Niederschlägen des Karl Wilhelm Diefenbach.«Günther Steinke,Schaefer Bücher

Felix Kucher, geboren 1965 in Klagenfurt, studierte Klassische Philologie,Theologie und Philosophie in Graz, Bologna und Klagenfurt. Er lebt und arbeitet in Klagenfurt und Wien. Im Picus Verlag erschienen seineRomane »Malcontenta«, »Kamnik« und »Sie haben mich nicht gekriegt« (2021).     
felix.kucher.at

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.04.2022

Karl Wilhelm Diefenbach war Maler, Lebensreformer, Vegetarier, Pazifist und Impfgegner, erinnert Rezensent Martin Lhotzky. Eine Weile geriet er in Vergessenheit, der Schriftsteller Felix Kucher hat ihm jetzt einen Roman gewidmet, der für Lhotzky auch eine mit Anekdoten angereicherte Biografie ist. Allerdings blickt Kucher nur auf die Lebensjahre zwischen 1880 und 1892, fährt der Kritiker fort, der hier von allerhand Verführungen des verheirateten Verfechters der "freien Liebe" oder seinem eigenwilligen Auftreten in München liest. Dass Kucher meist in altmodischem Ton erzählt - und seinen Helden offenbar nicht immer ganz ernst nimmt - stört den Rezensenten nicht allzu sehr. Vergnüglich findet er den Roman trotzdem.


Feb 20, 2022 Hannah rated it liked it

Interessant, mitreißend, aber etwas merkwürdig. Das hatte ich mir schon bei der Leseprobe gedacht und doch hat die Geschichte mich in seinen Bann gezogen. Manchmal las sich das Buch wie ein verlängerter Wikipediaartikel - in jedem Fall spricht das dafür, wie extrem gut das Buch recherchiert zu sein scheint. Ich habe viel gelernt und man stellt fest, wie gewisse Trends - Vegetarismus, eine Abneigung gegen das Impfen - in bestimmten Gruppen immer wieder auftaucht. Diefenbach war wohl eine faszinierende Persönlichkeit, keinesfalls aber eine sympathische, was manchmal etwas anstrengend war. Und trotzdem habe ich "Vegetarianer" an einem Tag gelesen.


Mar 11, 2022 Manuela rated it really liked it

Mir war leider bis zu diesem Buch der Autor Felix Kucher unbekannt, aber das hat sich nun durch diesen für mich ungewöhnlichen, biografischen Roman über einen Mann, namens Diefenbach, der seinen Weg bis zum Ende geht, geändert. Von dem Buch habe ich anhand des Titels, Cover und Leseprobe etwas ganz anderes erwartet. Nämlich einen Roman über Vegetarier und ihr Leben. Erhalten habe ich aber definitiv etwas Besseres.


Januar 2023, Hermann Müller schrieb:

Ja, das Buch liest sich leicht, ist geschickt komponiert, der Verfasser hat gründlich recherchiert und hält sich dicht an die biografischen Fakten. Er enthält sich eigener Werturteile, gibt sich sachlich und neutral. Bei genauerem Hinsehen aber gibt er ein Bild von Diefenbach, das einer Karikatur ziemlich nahekommt. Nach seiner Darstellung ist der Maler und Reformer ein unaufhörlicher Schwätzer und hauptsächlich mit Geldfragen und Sex beschäftigt. Der Verfasser weiß ganz genau, dass sich Frau Diefenbach im Bett wie ein „reitender Inkubus“, wie ein „ungestümer Nachtmahr“ benimmt und dass der Meister sich tagtäglich mit Maja vergnügt. Woher weiß er das? War er dabei? Nein, das sind die Fantasien des Autors. Solche Szenen und die ewigen Geldprobleme stehen aber bei ihm im Vordergrund. Völlig unterbelichtet bleibt dagegen das religiöse Ringen von Diefenbach, seine scharfe Kritik an der katholischen Kirche und ihren Dogmen. Geradezu skandalös ist, dass er Diefenbachs Durchbruchserlebnis auf dem Hohenpeissenberg kläglich banalisiert, sein visionäres Sonnenaufgangs-Gedicht nicht einmal erwähnt!! Nach Kucher hat er – gegen alle Wahrscheinlichkeit und mir bekannte Befunde - in dieser qualvollen  Entscheidungsnacht Listen seiner Vortragsthemen zusammengestellt! Sein erschütterndes, vergeistigtes, tiefernstes Kruzifixusbild von Höllriegelskreuth soll er mit Blick auf den Geldgewinn gemalt haben. Das sind bösartige Unterstellungen! Seine schweren Leiden werden ebenso banalisiert. Da ist immer nur von „Gliederweh“ die Rede. Das wort „Syphilis“ kommt dem Autor nicht über die Lippen, von Darmvorfall und anderen Unaussprechlichkeiten ist ohnehin nicht die Rede.

Kurz: Kuchers Bild von Diefenbach ist eine recht konservative Flachzeichnung, ohne Einfühlung und Sympathie für den schweren Kampf, den dieser mutige  Pionier gegen Macht und Vorurteil seiner Zeit auszufechten hatte. Dass der Verfasser im ganzen anschaulich, unterhaltsam und einigermaßen zuverlässig über seinen Lebensweg informiert, ist anzuerkennen. Dennoch: Diefenbach hat eine bessere Würdigung verdient, eine, die ihn wirklich ernst nimmt.



La otra piel - Marcela Sánchez Mota - Cifra editorial



La otra piel (Die andere Haut)
Roman in spanisch von Marcela Sanchez Mota

"Deine Mutter ist Sophie Lenz. Sie lebte in Ascona". Dies ist das letzte Geständnis von Mirellas Vater, einem Kunsthistoriker, für den die Wahrheit über ihre Herkunft der Beginn einer Suche ist, die sie dazu bringt, den Aufstieg und Fall der anarchistischen Kommune von Ascona in der Schweiz zu entdecken. Auf ihrer halluzinatorischen Reise findet sie die Spuren derer, die sich entschlossen haben, am Rande der Gesellschaft zu leben, vor der Entfremdung von Körper und Geist zu fliehen, die sanften Barrieren zu überwinden, die uns von unseren Albträumen und unseren wildesten Sehnsüchten nach Freiheit trennen, selbst wenn dies zu Verlust, Gewalt und Wahnsinn führt. Ein historischer und zugleich intimer Reise- und Introspektionsroman, in dem die Geheimnisse einer mexikanischen Familie der Schlüssel zur Entschlüsselung der Geschichte der anarchistischen Kommunen zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind."

Erschienen 2011, 292 Seiten, Softcover, 14x20cm, ISBN: 9786079209162


Gammeln verboten; Gusto Gräser wird in der Vegetabilistenkommune auf dem Monte Verità zur Eile angehalten - und wirbelt im Wald, Fotos: Edition Mode

Basler Zeitung

Montag, 4. November 2019

Die Spinner vom Monte Verità

Comic In «Der Berg der nackten Wahrheiten» vermischt der Basler Zeichner Jan Bachmann reale Geschichten mit absurden - und lässt diese von einer Ziege kommentieren.

Hans Jürg Zinsli

Was für ein Tempo: Erst vor Jahresfrist veröffentlichte der Basler Zeichner Jan Bachmann sein Comicdebüt über Erich Mühsam, jenen deutschen Anarchisten und Querdenker, der um 1910 in der Westschweiz zur Kur weilte. Und der sich in seinem Tagehuch da-rüber ausliess, wie ihm die Berge die Sicht nähmen und wie es um seinen Stuhlgang bestellt sei. während er sich zwischen sexuellen Abenteuern als Dichter zu profilieren versuchte, Bachmann gewann der Reise dieses Bohemien ein Hochstmass an Skurrilität ab, indem er dessen Tagebuchtexte mit knalligen Farben, kühnen Perspektiven und feinironischen Dialogen unterlegte.
Bachmanns zweiter Streich fusst auf ähnlich kuriosen Tatsachen: «Der Berg der nackten Wahrheiten» spielt 1900, also zehn Jahre vor dem Mühsam-Comic, und es kommt hier ebenfalls zu einem Kultur-Konflikt: Oben auf dem Monte Verità gründen Vega-ner (beziehungsweise vegetabi-listen, wie sie damals hiessen) eine Kommune, in der man sich gerne nackt bewegt - was auswärtige Spanner anzieht. Unten in Ascona kommen sich währenddessen junge deutsche Anarchisten und die ärmliche Dorfbevölkerung in die Quere. Und dann torkelt auch noch ein baltischer Schnapsbaron durch die Gassen, der, um nicht enterbt zu werden, heiraten sollte: jedenfalls schwärmt er von der örtlichen Wäscherin, möchte aber dem Alkohol keinesfalls entsagen.

Nusswerfende Anarchisten

Sonderlinge also, wohin man blickt - das scheint sich als Bachmanns Spezialität zu entpuppen, und trotzdem wundert man sich, wenn der Autor als Mittelsfigur ausgerechnet eine sprechende Ziege wählt, die von Ascona aus den Hügel erklimmt, «Ich wollte mir nur einmal ansehen was ihr Spinner hier oben so treibt», sagt das Tier und bleibt bei Gustav «Gusto» Gräser, einem Kommunenmitbegründer, dessen Handlungen (wenig) und Meinungen (viel) sie fortan kommentiert. Mit gutem Grund: Im Tal unten würde die Ziege bloss verwurstet werden.
Aber oben herrscht Aufruhr: zum einen, weil der Kommunengründer Henri Oedenkoven eine verdächtige Käserinde gefunden har und den Sünder ausfindig zu machen sucht. Zum anderen, weil lauernde Anarchisten plötzlich mit Walnüssen werfen, als die Vegetabilisten-Vordenkerin Ida Hoffmann einräumt, dass man hier ja bloss vom Geld der reichen Industrielleneltem lebe, «um einem Haufen Drückeberger ein paar gemütliche Jahre zu finanzieren». Gusto (der später in einer Höhle zu Losone hausen und dort mit Hermann Hesse Laotse lesen wird) entgegnet cool: «Was bringt mir eine tragfähige Wirtschaft, ln der ich nicht gammeln darf?»
Bei aller Komik und Absurdität: Hier wird der Comic insofern spannend, als er von einer Zeit erzählt, in der es durchaus denkbar schien, dass sich neben dem Kapitalismus und dem Kommunismus eine dritte Weltanschauung herausbilden könnte, die von solchen Alternativbewegungen ausging, Bachmann hält sich da abermals eng an die Quellen, mehrmals wird zum Beispiel auf Harald Szeemanns Ausstellungskatalog zu dessen berühmter Monte-Verità-Ausstellung von 1978 verwiesen,

«Kein Jesus im Predigen»

Und die Ziege? Die arme Dorfbevölkerung fordert natürlich Bezahlung für das Tier, worauf Gust:o munter ln die Dorfkirche reinstolziert, um kundzutun, dass die Ziege ja freiwillig zu ihm gekommen sei. Er bietet dann allerdings einen Handel an, der sogar den Pfarrer verblüfft: Statt Geld, das Gusto nicht hat, offeriert er einen selbst choreografierten Sonnentanz auf dem Marktplatz - woraufhin es in der Kirche zu Prügeln kommt. und die Ziege merkt nachdenklich an: «Also ein Jesus im Predigen ist er nicht gerade!»
Spätestens hier wird deutlich, wie sich Bachmann nicht nur zeichnerisch, sondern auch erzählerisch stark an Joann Sfars Comic-Klassiker «Die Katze des Rabbiners» orientiert. Dort, bei Sfar, debattiert die titelgebende Katze gerne über religiöseThemen im Allgemeinen und übers Judentum im Speziellen.
Bei Jan Bachmann bleibt die erzählende Ziege wortkarger; dafür formt und färbt Bachmann die Körper von Mensch und Tier auf so abenteuerliche Art, dass man sich in einer expressionistischen Märchenwelt wähnt. Zugleich sind wir Teil einer Gesellschaft, die ebenso ernst wie lachhaft erscheint in ihren Bemühungen, vom vorgespurten Lebensweg abzuweichen. In dieser Hinsicht ist «Der Berg der nackten Wahrheiten» eine einzigartige Erfahrung.
Bedauerlich bloss, dass einige orthografische Fehler das Lesevergnügen schmälern. Und schade auch, dass die Erzählung nach 80 Seiten bereits abbricht und ein längerer Epilog folgt, wie der deutsche Bankier (und spätere Nazi) Eduard von der Heydt 1926 den Monte Verità erwarb. Lieber hätte man den Ansichten der Ziege («Ich würde mein Verhältnis zu dieser Gemeinschaft als kritisch-solidarisch bezeichnen») noch etwas länger gelauscht.

Jan Bachmann; Der Berg dar nackten Wahrheiten.
Edition Moderne, Zürich 2019. 112 Seiten, ca. 30 Franken.


Berkel, Christian,  Der Apfelbaum. Roman. Berlin 2018

Die Familie des Schauspielers Christian Berkel bietet tollen Stoff, das ist für Felix Stephan keine Frage: Der Großvater war anarchischer Nudist auf dem Monte Verità und Liebhaber von Erich Mühsam, die Großmutter kämpfte mit den Internationalen Brigaden in Spanien, die Tante arbeitete für Hermes in Paris und die Eltern verloren sich in der Nazizeit, um sich erst in den Fünfziger Jahren wieder in Berlin zu begegnen.    (Perlentaucher)

Zitat S. 92:

In die längst zur Neige gehende Romantik hineingeboren, in die aufstrebende Industriewelt, in die sie sich nicht fügen konnten und wollten, waren sie aus allen Himmelsrichtungen hierher gekommen, mit ihrer Sehnsucht, ihrer Hoffnung, ihrem Willen, etwas Neues zu wagen. Eine Lebensreform sollte es werden. Ein Paradies. Eine Gegenwelt für all jene, die nicht geschaffen waren, das auszuhalten, was war, was noch kommen sollte, was keiner vorhersah. Ein Utopieraum für Künstler und Parias, eine neue Kultur, die dem Patriarchat den nackten Hintern ins Gesicht streckte, die alle Autoritäten, die bürgerlichen Institutionen, den rapide wachsenden Kapitalismus verachtete.


de  Cazotte, Marie-Laure
Mon nom est Otto Gross
Roman. Albin Michel, Paris 2018
 
In französisch

Das Buch von Marie-Laure de Cazotte behandelt das Leben des Psychoanalytikers Otto Gross (1877-1920). Als Nebenfigur, wie es zunächst scheint, tritt auch Gusto Gräser auf. Als meditierender Druide, der Laotse rezitiert und vor allem als Tänzer bildet er im Hintergrund ein Leitthema des Romans und zugleich ein Leitbild für Otto Gross. Der Psychiater wird zum Tänzer gemacht. Der biographischen Wirklichkeit entspricht das nicht. Der Kopfmensch Gross war eher leibfeindlich, schämte sich seines Körpers, vernachlässigte ihn, er tanzte nicht. Cazotte gibt in ihrer Erzählung ein ergreifendes Bild der Leiden des Psychoanalytikers. Zugleich idealisiert sie ihn. Der radikale Revolutionär wird mit Gusto Gräser amalgamiert, gewinnt Mäßigung und Milde. Es entsteht ein monteveritanischer Zwitter: Otto-Gusto, der tanzende Theoretiker der sexuellen Revolution.
Von Eleusius nach Denderah, die unterdrückte Evolution
Auszüge aus dem Roman im Internet (2003) von Pierre (?) Arnim (?)
Der Roman handelt vom Weg zur Erleuchtung und geistigen Entwicklung der Menschheit. Eine Station auf diesem Weg ist der Monte Verità. Die - vermutlich biografisch fundierte - Lebensgeschichte eines Arnim genannten Deutschen, der mit den
Wandervogel-Idealen  aufwächst, sich für Gusto Gräser, Rudolf von Laban und den Monte Verità begeistert.

Hültner, Robert (2004):
Inspektor Kajetan und die Betrüger

Girgis, Samir (2005):
Jakob und der Berg der Wahrheit

Meschendörfer, Adolf, Die Stadt im Osten, Roman, 1931
 
Gusto Gräsers Goldmedaille an der Weltausstellung in Budapest 1896 und als Maler Möckel.


Lang, Thomas, Immer nach Hause. Roman. Berlin Verlag, Berlin 2016.
Zitat: "Der gute Hirte geht vorbei.Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. … Der närrische Jesus ruft den Kindern in sehr deutsch klingendem Italienisch etwas zu, worauf diese noch lauter johlen. Plötzlich wirkt das Ganze wie ein eingeübtes Spiel. Jesus wandelt ungerührt die Promenade hinab …" (85) 
"… der Gedanke, nicht länger Staat und Geld untertan zu sein, sondern innere Freiheit zu gewinnen durch den Verzicht auf weltliche Güter. Gelegentlich bei den Leuten zu arbeiten, um etwas zu essen zu haben. Spott und Feindschaft friedfertig zu begegnen, sind weitere Parallelen. Aber Franziskus folgte einem göttlichen Gesetz, Gräser folgte eher seinen eigenen Regeln." (159)

Szittya, Emil (1925), Klaps oder Wie sich Ahasver als Saint Germain entpuppt. Roman. Gustav Kiepenheuer Verlag, Potsdam.
Prange, Oliver, Das Sonnenfest, Roman, Edition D, Zürich 2016.
Zitat: "Er hatte alles vorausgesagt, vorausgemalt, vorausgesungen mit seiner prophetischen Kraft … Gusto hatte mich aufgerichtet, mein Bewusstsein geschärft, war mir aber nie ein Meister geworden, kein Führer, aber – ein Freund. 
Er hatte nach Wahrheit gesucht und Wahrheit nicht nur gefunden, sondern auch geschaffen." (310)
>>>>> Weitere Auszüge und Kommentar, hier!

Szittya, Emil, Die Internationale der Außenseiter. Roman. Ts. im DLA Marbach.


Drei Frauen um Gusto
Drei Frauen haben sich in Gusto verliebt:
Marie-Laure de Cazotte, die Französin; Marcela Sánchez, die Mexikanerin; Véronique Rizzo, die Französin sizilianischer Herkunft.




Film:
Gusto Gräser:
Der Eremit vom Monte Verità (1879-1958) / L'eremita del Monte Verità (1879-1958)

>>>> Online ansehen <<<<

Ein Film von / Un film da Christoph Kühn. Titanicfilm 2006, ca. 48 Minuten / minute

Kann bei titanicfilm "at" bluewin.ch bestellt werden. E-Mail-Adresse bitte abtippen.

Si può ordinare da titanicfilm "at" bluewin.ch. Scriva l'indirizzo.


Film documentario sulla figura di Gusto Gräser "L'eremita del Monte Verità" girato nel 2006 dal regista svizzero Christoph Kühn. Il documentario ripercorre la vita di questo eremita, visionario, pacifista e fondatore della comunità di Monte Verità. Per l'occasione la Televisione Svizzera TSI ha prodotto il doppiaggio in lingua italiana.

Nach einer göttlichen Eingebung verbrannte der noch junge, bereits erfolgreiche Maler Gustav Arthur Gräser aus Siebenbürgen seine Werke und wurde zu dem glühenden Naturverehrer Gusto Gräser. Fernab der Städte mit ihren zivilisatorischen Auswüchsen gründete er mit anderen Aussteigern um die Jahrhundertwende in der Südschweiz die Landkommune Monte Verità oberhalb Asconas, deren legendärer Ruf weit über die Landesgrenze drang und Neugierige aus allen Ländern anlockte.

Damit beginnt die bewegte Geschichte des Wanderdichters und „barfüssigen Propheten“ Gusto Gräser (1879), in dessen Leben sich alle wichtigen sozialen, kulturellen und politischen Strömungen des 20. Jahrhunderts treffen: Gräser war Vegetarier und Kriegsgegner, Vordenker einer neuen Menschheit ohne Herr und Knecht und Zerstörung der Natur, Ikone mehrerer Jugendbewegungen und Leitfigur neugegründeter Parteien, die von heute aus gesehen als Vorläufer der Grünen gelten.

Einer von Gräsers Verehrern war Hermann Hesse, der seinen Freund und Meister in dem Bestseller DEMIAN als Verheisser eines kommenden irdischen Paradieses porträtierte und ihn damit für die Nachwelt unsterblich machte.

1958 starb Gräser vereinsamt in seiner Dachkammer in München, ohne eine einzige Zeile seines grossen Werkes gedruckt zu sehen.

Im Film von Christoph Kühn zeichnen Freunde und Familienmitglieder den Weg dieses unbeugsamen Aussenseiters nach, der zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. Gräsers Spruchbilder, reiches Fotomaterial und Ausschnitte aus seinem poetischen Werk runden dieses berührende Portrait eines „Lao-tse des Westens“ ab.


Film:
Wo sind wir mit dem Sozialstaat gelandet ?
Leben am Rand der Gesellschaft


Ein Film von Laura und Ingo Wilkenshoff. Aufruf zum kulturellen Neuanfang.

Der Film zeigt die gesellschaftliche Entwicklung in den letzten 150 Jahren an Hand der Entstehung der Wohnungslosenhilfe und der Gründung des Sozialstaates. Er gibt Einblicke in die Vagabundenkultur der letzten 150 Jahre, von Peter Hille bis zu Charlie Chaplin, den  Anarchisten und der Entstehung der Arbeiterbewegug. Er zeigt die Gandhi-Bewegung im Deutschland der 20er Jahre und den Vagabundenkongress mit Gusto Gräser, dem Guru Herman Hesses. Es ist auch eine Diskussion über soziale Ausgrenzung, Vermögensumverteilung und den Bruch durch die Gesellschaft, Finanzkrise, Harz4, vererbte Chancenlosigkeit und Bildungsdefizite. Die sozialen Organisationen beklagen den Rückzug des Staates aus dem Sozialen und die Abkehr vom Grundgesetz.

Die Premiere fand am 17.12.2010 im Big Buttinsky, Osnabrück statt.



DVD hier erhältlich: 10 Euro + Porto. Einfach eine Email mit Lieferadresse an freie_kuenstler@hotmail.com schicken. Per Nachnahme bezahlen.


  Jawohl, jawohl, wir Stromer, wir strömen, dass es braust,
durch Winter und durch Sommer, nur frischer, freiher, frommer,
weil Euer Sumpf uns graust,
weil sonst, Ihr Kummerhöcker, Euch nichts zur Sonne lockt
und Ihr wie Haubenstöcker, wie krumme Sündenböcker
noch ganz in Staat verstockt!
Wohlauf, Ihr Praven, Guten, mit uns zur Flamme fluten,
so wohnen wir mit Euch, so blüht
Urheimatreich!








Wohin des Wegs? – Wohin? O mein –

 hinein, Geselle, nur hinein!
In meinem Auge hab ich nichts als in dem Glanz des jungen Lichts
treu meines Wegs zu schreiten –
mit all dem Grünen, all dem Blühn, so zieh ich Tritt um Tritt dahin
und frag nach keinen Weiten.
Komm mit auch Du statt immerzu nach Zielen auszuschauen.
Wohin hinaus? Im Erdenhaus blühn wonnigliche Auen.
Die Ziele hab ich all durchschaut –
erst hinter ihnen blüht und blaut
das Leben aller Weiten.
Komm, Du! Das Glücke hat nicht Stand,
wohlauf, und lass uns unverwandt
und treuer, guter Dingen
mit ihm ins Leben
springen!

 


Hei, so ein Stromer, alleweltdurchreisend,

durchwanderwohnend, wie die Sterne kreisend,
voll seelgen Schwungs, mit Welle, Wolk und Thau
fallwallend durch und durch ins ewge Blau –
mit dem Urstromer unser, der die Welt
in ihrer Schwerwucht Wunderschwebe hält,
wildstill durchblitzend sie von Pol zu Pol,
 durchströmend sie mit urgewaltgem Wohl,
Allvatermutter - hah –
Allsternenwohl !

*


Wandern, wohin? Wohinaus, wohinein?

Wandeln Allhier!
Das, Gesell, wird das Heitre sein!
*


  Weitere Filme:

Der größte Vogel kann nicht fliegen, Ascona

Film von Wilfried Schöller und Peter de Leuw.
(Hessischer Rundfunk, Wiesbaden?)
Gesendet am Mittwoch, 16.August 1978 in der ARD,
23.15 bis 0.15  


Monte Verità

Film von Harald Szeemann und Ludy Kessler.
45', TV Svizzera italiana, Lugano 1978


Jugend und Natur

Südwestfunk  Baden-Baden. Sprecherin Karin Howard,
Sendung des ARD am Sonntag, den 13.August 1978,
11.15 bis 12 Uhr


Zwischen Bakunin und Birchermüsli

RIAS Berlin, Blende 1, 1978


Laban's Dance Festival

Von Renzo Bottinelli. 1988 in RTSI
(Radiotelevisione Svizzera)  


Monte Verità

Von Henry Colomer. Fernsehfilm des Senders Arte.
Sendung am 10. 12. 1997, 20.45-21.50

Monte Verità“ heißt ein Dokumentarfilm von Henry Colomer über eine Aussteigerkolonie der radikalökologischen Art: Auch zu Beginn dieses Jahrhunderts schon wollten die Freunde der Natur dem Lärm und dem Dreck der Großstadt entfliehen, den Wäldern und Wiesen Tag und Nacht verbunden sein, den Körper der Sonne darbieten, ohne die Öffentlichkeit zu erregen, barfuß über die Moose gehen und zwischen den Bäumen tanzen. Um ein mehr oder weniger phantastisches Paradies auf Erden aufbauen zu können, ließ sich eine Gruppe der in Deutschland entstandenen Bewegung, die sich den neuen Lebensformen verschrieben hatte, auf einem Hügel oberhalb von Ascona in der italienischsprachigen Schweiz nieder. In nur wenigen Jahren wurde der „Berg der Wahrheit“ im Tessin zu einem Zentrum für europäische Schriftsteller, Tänzer und Musiker. Redéfinir les conditions du bonheur sur terre, fuir les grandes villes, la misère, la pollution et tout reprendre à partir de zéro, tel est le programme d'une poignée de colons qui s'installent au début du siècle sur une petite colline de la Suisse italienne, Monte Verità, où ils fondent une colonie utopique. Anarchistes, nudistes, végétariens, ils sont l`'avantgarde d'un réseau qui s'est développé en Allemagne sous le nom de "mouvement de réforme de la vie". En quelques ans Monte Verità devient un modèle de vie alternative, qui attire les plus grands noms de l'intelligentsia européenne: peintres, hommes politiques, écrivains, danseurs et musiciens passent un jour ou l'autre à Monte Verità. Parmi eux: Erich Mühsam, anarchiste en première ligne au moment de la révolte spartakiste de 1918, Rudolph von Laban, choréographe et rénovateur de la danse moderne, Otto Gross, psychanalyste et pionier de la libération sexuelle et enfin Gusto Gräser, "poète aux pieds nus", écrivain inspirateur et modèle de tous les vagabonds de Hermann Hesse. Violentes, contrastées, les destinées de ces quatre révoltés font apparaître Monte Verità comme un laboratoire où se sont articulés les thèmes de la révolte et du retour aux sources. Ils ont en commun d'avoir séjourné à Monte Verità en même temps que les fondateurs et surtout d'avoir assumé une dimension prophétique représentative de la colonie.


Monte Verità

Kulturfilme von Werner Weick
RSI, Schweiz, gezeigt im Centro Culturale Monte Verità,
Dezember 2000


Monte Verità

Spielfilm
Regie: Stefan Jäger
Drehbuch: Kornelija Naraks
Besetzung: Maresi Riegner, Max Hubacher, Julia Jentsch
2021, 1 Stunde 56 Minuten

Anfang des 20. Jahrhunderts machten sich einige Aussteiger auf die Suche nach dem Paradies und fanden es schließlich auf dem Schweizer Berg Monte Verità. Dort gründete Ida Hofman (Julia Jentsch) ein Sanatorium. Die zweifache Mutter Hanna Leitner (Maresi Riegner) macht sich bereits kurz nach der Eröffnung des Sanatoriums auf den Weg von Wien in die Schweiz, um endlich aus ihrer bürgerlichen Rolle auszubrechen und Abstand von ihrem Ehemann zu gewinnen, der sie sexuell belästigt. Doch was ihre Angstzustände ausgelöst hat, erfährt sie erst bei ihrer Therapie mit dem Psychoanalytiker Otto Gross (Max Hubacher). Was sie nicht weiß: Ihr Arzt hat ein großes Drogenproblem und ist auf dem Berg, um von den Substanzen wegzukommen. Hermann Hesse (Joel Basman), die Tänzerin Isadora Duncan, die Berliner Bürgermeistertochter Lotte Hattemer (Hannah Herzsprung), die sich ebenfalls im Sanatorium aufhalten, und Ida fordern von Hanna immer wieder, sich endlich ihrer eigenen Stimme bewusst zu werden. Hanna ist in der Zwickmühle: Eigentlich ist sie in die Schweiz gegangen, um wieder geheilt zu ihrer Familie zurückzukehren, doch seit sie hier ist, verstärkt sich ihr Wunsch, sich als Künstlerin zu verwirklichen ...

DIE WELT

 Ein Berg voller Nackttänzer

Veröffentlicht am 26.12.2021 - DIE WELT

Von Matthias Heine

Hanna wünscht sich nichts sehnlicher, als aus ihrer bürgerlichen Rolle auszubrechen. Sie hinterlässt ihre Familie und flieht ins Sanatorium Monte Verità. Sie wird vor eine Entscheidung gestellt: Kann sie zu ihrer Familie zurückkehren, ohne sich selbst aufzugeben?

Der Monte Veritá war ein mythischer Ort, an dem vor 120 Jahren begann, was heute noch die Alternativszene prägt. Ein neuer Film erzählt die Geschichte einer Frau, die sich dort mithilfe eines drogensüchtigen Arzts aus der Enge ihrer bürgerlichen Ehe befreien will

Es war paradoxerweise der technische Fortschritt, der den Aufstand der „Naturmenschen“ gegen den technischen Fortschritt ermöglichte. Durch den Bau des Gotthardtunnels 1880 war Ascona im Tessin näher an die Zentren der deutschsprachigen Länder herangerückt. Erst dieser Anschluss ans europäische Eisenbahnnetz machte den Ort in der italienischen Schweiz zum Sehnsuchtsziel von Aussteigern aller Art.

Die Pioniere waren noch zu Fuß aus München gekommen, wo sie in der Schwabinger Intellektuellenszene die Idee eines vegetarischen Gemeinschaftsprojekts entwickelt hatten und dann, nach einer langen Wanderung, in der italienischsprachigen Schweiz auf einem Hang oberhalb des Lago Maggiore den idealen Ort dafür entdeckten und ihn Monte Verità – Berg der Wahrheit – nannten. Dagegen kommt Hannah Leitner (Maresi Riegner) schon per Zug aus Wien. Sie sucht auf dem Berg Erlösung von ihren bürgerlichen Neurosen und wird in Ascona gleich von einem einheimischen Knaben in Empfang genommen, der sich offenbar darauf spezialisiert hat, solche touristischen Sinnsucher zu führen und dafür ein kleines Geld zu kassieren.

Selbstverwirklichung

 Hannah ist eine der wenigen fiktiven Gestalten in dem Film „Monte Verità. Der Rausch der Freiheit“, den der Regisseur Stefan Jäger nach einem Drehbuch von Kornelija Naraks gedreht hat. Die anderen sind reale prominente Figuren der vor dem 1. Weltkrieg vor allem in Deutschland, aber auch der Schweiz und Österreich blühenden Alternativszene: Der Psychiater Otto Gross (Max Hubacher), der die Lehren Freuds als Anleitung zum Drogenmissbrauch und freiem Sex missversteht. Die Pianistin und Frauenrechtlerin Ida Hoffmann (Julia Jentsch), die zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dem belgischen Industriellensohn Henri Oedenkoven (Michael Finger), das Grundstück für die Utopie entdeckt, gekauft und ausgebaut hat. Die Aktivistin – wie man sie heute nennen würde – Lotte Hattemer (Hannah Herzsprung), eine Mitbegründerin des Monte Veritá, die aber nicht recht in den im Grunde kommerziellen Sanatoriumsbetrieb, den Hoffmann und Oedenkoven eingerichtet haben, passt. Und der gerade berühmt werdende Schriftsteller Hermann Hesse (Joel Basman). Auch die legendäre Ausdruckstänzerin Isadora Duncan schaut mal vorbei.

Sie alle sind Teil dessen, was Historiker heute unter dem Begriff Lebensreform zusammenfassen. Das war eine große kulturelle und quasireligiöse Aufbruchsbewegung, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann und an Bedeutung mit Reformation und Romantik zu vergleichen ist. Der Monte Veritá und andere Projekte, die sich rundherum in Ascona ansiedelten, sind Symbolorte für die Lebensreform – ein bisschen so wie Woodstock und San Francisco für die Hippies der 1960er Jahre.

Die Lebensreform und wir

Die Lebensreform ist heute weitgehend unbekannt, obwohl sie massiv bis in die Gegenwart nachwirkt. Der ganze esoterische und alternative Teil des aktuellen Geisteslebens – von Müsli bis Impfskepsis, von fleischfreier Ernährung bis zu befreiter Sexualität, von Freikörperkultur bis hin zu allen möglichen neoreligiösen Weisheitslehren – hat hier seine Wurzeln.

Dies ist der geistesgeschichtliche Hintergrund für Hannah Leitners Flucht aus den Bedrängnissen ihrer Ehe, in der ihr Ehemann, ein erfolgreicher konventioneller Porträtfotograf, sie an der beruflichen Entfaltung hindert und sie sexuell ausbeutet – er will nach zwei Töchtern unbedingt einen Sohn, sie will gar nicht mehr mit ihm. Auf dem Monte Verità findet sie zu sich selbst und wird zur fotografischen Dokumentaristin der „Balabiott“, der Nackttänzer, wie die skeptischen Einheimischen die Aussteiger nennen.

Das alles ist ungemein schön anzuschauen. Die Kamerafrau Daniela Knapp lässt den Berg und seine Natur lockend leuchten, die Schauspieler glänzen und die Moral von der Geschichte ist einwandfrei. Dennoch verzwergt hier eine Sternstunde der frühen Moderne zum Dekor einer recht banalen aus gegenwärtig feministischer Perspektive erzählten Selbstverwirklichungsgeschichte.

Inflationsheilige

Die ganze hochinteressante Widersprüchlichkeit der Proto-Hippies von Ascona wird weitgehend ausgeblendet: Diejenigen, die aus dem Monte Veritá eine utopische Kommune machen wollten – wie der faszinierende bärtige Wanderguru Gusto Gräser – waren zu der Zeit, in der Film spielt, längst vertrieben. Ida und Henri führten ein wirtschaftlich betriebenes Sanatorium, auf dem eine betuchte Kundschaft, mal eine Zeit lang den Zwängen ihrer Existenz entkommen konnte, um anschließend umso besser zu funktionieren. Hermann Hesse kam, weil seine Familiengründung zu einer Schreibhemmung geführt hatte. Max Weber (nicht im Film) wollte mit vegetarischer Kost einfach abnehmen.

Nur angedeutet wird auch, welche Kosten die freie nicht-eheliche Sexualität vor allem Frauen auferlegte. Lotte Hattemers Tod –wahrscheinlich durch Einnahme eines Gemischs aus Kokain, Opium und Alkohol herbeigeführt – war nicht der einzige Selbstmord einer, die es nicht mehr recht aushielt. Und Gross wurde schließlich von seinem Vater in eine Irrenanstalt gesteckt.

Den meisten Kinogängern dürfte das vermutlich egal sein. „Monte Veritá. Der Rausch der Freiheit“ erhebt ja nicht den Anspruch einer Dokumentation. Und als psychologisches Kammerspiel, als eine Art Ibsen light mit Happy End, funktioniert der Film ja. Wer mehr wissen will, sollte das Monte-Veritá-Kapitel in Andreas Schwabs gerade erschienenem Buch „Zeit der Aussteiger“ lesen. Er mag sich dann fragen, ob die Geschichte im Kino nicht noch interessanter geworden wäre, wenn sie ein paar mehr Härten und Lügen aus der Wirklichkeit übernommen hätte.

Eine weitere kritische Beschreibung, Analyse und Kommentar von Petra Brixel: hier klicken!


Il Monte di Hetty

Dokumentarfilm von Theo Buvoli und Alfio De Paoli
über den Monte Verità und Gusto Gräser
Radiotelevisione svizzera RSI, Schweiz, 2. Nov. 2009, 21:00
, 43'

Regie: Teo Buvoli und Alfio di Paoli: von der Lebensreform zu den beiden Weltkriegen, von den Sechzigerjahren bis zum neuen Jahrtausend, war und ist Hetty Rogantini Hüterin einiger sensationeller Kapitel der Ereignisse im Zusammenhang mit dem Hügel von Ascona. Im Elternhaus hat Hetty diese berauschende und überwältigende Atmosphäre voller Utopien und gelebter Ideologien der Rückkehr zur Natur eingeatmet.


Freak Out! (Ausflippen!)

En dokumentärfilm (schwedisch)
Vilda Bomben Film AB
Carl Javér, Schweden, 89 Minuten,

Im Jahr 1900 kauften fünf junge Leute einen Hügel in der Südschweiz, den sie den Monte Verità (Berg der Wahrheit) nannten. Hier gründeten sie ihre eigene Gesellschaft und forderten die aktuellen Werte ihrer Zeit heraus. Sie nahmen Abstand von der Verbrauchergemeinschaft, waren Vegetarier, erstellte eigene Standards für Kleidung, Frisuren und Zusammenleben und versammelten die wichtigsten Künstler und Humanisten der Zeit. Ein Dokumentarfilm über die alternative Bewegung im frühen 20. Jahrhundert sie für uns heute bedeutet.

Mit Hilfe von alten Fotografien entstehen stilisierte Inszenierungen, Animationen, Stimmen und Klänge. Regisseur Carl Javér schuf eine kreative Geste einer spirituellen Revolution, die auffallend ist und viel mit unserer eigenen Zeit gemeinsam hat. Viele der Hauptkünstler des frühen 20. Jahrhunderts, Schriftsteller und Philosophen verbrachten Zeit auf dem Monte Verità - darunter Otto Gross, Martin Buber, Rudolf von Laban, Mary Wigman, Hermann Hesse, Carl Jung, Erich Maria Remarque und Paul Klee.

 


http://www.vildabomben.com/freakout/


Mary Wigman. Die Seele des Tanzes Von Christof Debler und Norbert Buse
Arte, Sonntag, 24.07.11, 11:10 - 12:00
Früher am 23., 26. und 29. Juni 2008

In der Tanzkunst ist ihr Stil bis heute lebendig: Mary Wigman - Tänzerin und Choreographin. Das Porträt zeigt ihre berühmtesten Tänzen sucht Stationen ihres Lebens von Hellerau bis zum Monte Verità auf und lässt Choreographen zu Wort kommen.
Es war Anfang der 30er Jahre, als der Stern der Mary Wigman auch in Amerika aufging. Ihre ersten Auftritte in der neuen Welt waren durch eine glänzende PR vorbereitet und die Säle ausverkauft. Denn auch in Amerika wollte man wissen, was es auf sich hatte mit der neuen Bühnensensation aus Deutschland. In jedem Fall war sie für das Publikum gewöhnungsbedürftig, denn Mary Wigman tanzte alleine, mit nackten Füßen und nur von ein paar Trommelrhythmen begleitet. Ihr Gastspiel war dennoch ein sensationeller Erfolg. Die amerikanische Presse nennt sie die "Hohepriesterin" des "German Dance". Mit 44 Jahren hat es "die Wigman" endlich geschafft: Sie ist die erste deutsche Choreographin und Tänzerin mit Weltgeltung.
Das verdankte sie neben ihrer ungewohnten Art zu tanzen auch ihrem unwiderstehlichen Charisma und ihrer bezwingenden Bühnenpräsenz. "Ich lebte wie in einem Taumel. Es schien, als ob alle Journalisten des Landes auf mich einstürmen würden. Es gab Tage, an denen ich aufwachte und fürchtete, einen Fotografen unter meinem Bett zu finden", schrieb sie in ihr Tagebuch. Und dabei war es noch gar nicht lange her, dass sie in Deutschland noch in leeren Theatern vor nur zwei Familienangehörigen auftreten musste.
Der Einfluss der Mary Wigman auf die Entwicklung des modernen Tanzes sollte gewaltig werden. Überall beruft man sich auf sie, wenn man die Wege des etablierten klassischen Tanzes verlassen will. Hanya Holm bringt den Ausdruckstanz endgültig nach Amerika, indem sie die erste Wigman-Schule in New York eröffnet. In Asien wird ihr Schüler Takaya Eguchi zum Lehrer von Kazuo Ohno. Und in Deutschland entsteht das "Tanztheater", das ohne den Einfluss der Wigman nicht vorstellbar ist. Dabei war ihre Erfolgszeit nur kurz. Die Nazis ließen sie bei der Eröffnung der olympischen Spiele die Massen choreografieren, später galt aber auch sie als Vertreterin der "entarteten Kunst". Dies bedeutete das Ende ihrer Karriere. Nach dem Krieg wirkte ihre expressive Tanzform schon nicht mehr zeitgemäß.
Aber wie konnte Mary Wigman werden, was sie wurde? Der Film zeigt den Weg der Tochter eines Fahrradhändlers aus Hannover, die sich auf die Suche nach einer eigenen körperlichen Ausdrucksform macht und dabei den Tanz revolutioniert. Er zeigt die prägenden Stationen ihres Lebens, von Hellerau bis zum Monte Verità. Die Dokumentation bietet Ausschnitte aus ihren berühmtesten Tänzen, unter anderem dem "Hexentanz" und dem Zyklus "Schwingende Landschaft" sowie aus einer zeitgenössischen Hommage von Susanne Linke an Mary Wigman mit dem Titel "Wandlung". Auch wenn Wigman-Tänze heute nicht mehr zum Repertoire der Tanzkompagnien gehören, so sieht man doch, wie sich die unterschiedlichsten Choreografen, von Murray Lewis über Susanne Linke bis zu Sasha Waltz, auf sie berufen.


Aus dem Film ‚Heil‘, Bayerischer Rundfunk 2016

Drehbuch: Eva-Maria Naburtowitz
Hauptdarsteller: Tom Sommerlatte

  

Film über die Wege der Lebensreform in der NS-Zeit. In einer Aussenanlage des KZ Dachau wurden Heilpflanzen gezüchtet.


Sanatorium Europa

Psyche und Gesellschaft Europa in der Burn-out-Klinik, 60 Minuten

Kontinent vor dem Kollaps: Der
Arte-Film vom 28.06.2017/25.10.2017 im Hessischen Rundfunk beleuchtet, wie Thomas Mann und Hermann Hesse vor 100 Jahren gegen die große Depression kämpften - mit spannenden Parallelen ins Heute.

Von Christian Buß, Foto Getty Images

Europa ist bekanntlich nichts für schwache Nerven. Geht die eine Krise, kommt die nächste. Scheint man endlich auf dem Weg, nationale Egoismen überwinden zu können, ergreift irgendwo auf dem Kontinent ein besonders chauvinistischer Quälgeist das Wort. Und ewig droht der Kollaps. Das ist heute so, das war vor über 100 Jahren so.

Damals, in den Nullerjahren des letzten Jahrhunderts, traf sich eine Gruppe europa-begeisterter und zugleich europamüder Intellektueller in Riva am Gardasee, um sich im Reform-Sanatorium des berühmten Dr. Hartungen kurieren zu lassen. Kafka und Freud waren hier ebenso Stammgäste wie Rudolf Steiner und Karl May. Der Kontinent drohte auseinanderzubrechen, bei Dr. Hartungen wurde die erhöhte Reizbarkeit der sensiblen Europäer und darbenden Geistesgrößen behandelt.

Neurasthenie, Nervenschwäche, Überforderung mit den schnellen Veränderungen der Zeit, so lautetet der Befund des Homöopathen. Er verordnete Wasserbäder und Trennkost, bei Tisch wurde Esperanto gesprochen. Alternativmedizin gegen die große europäische Depression, Kunstsprache gegen die europäische Kakophonie.

Der europäische Patient

Unter den Gästen im Sanatorium befand sich auch Thomas Mann, der neben seinem Unbehagen mit der Zeit auch sein Unbehagen mit den schlechten Kritiken zu seinem ersten Roman "Die Buddenbrooks" auszukurieren gedachte. Er hatte damit sogar Erfolg; in Riva fasste er die Idee zu seinem "Zauberberg", jenes dann erst 1924 erschienenen Opus Magnum über den europäischen Patienten, der fernab allen ideologischen Getöses feinnervig das eigene Selbst auslotet.

"Sanatorium Europa" heißt treffend eine Dokumentation auf Arte, die die gegenwärtige Krise des Kontinents zum Anlass nimmt, um aufzuzeigen, wie Künstler und Intellektuelle vor über 100 Jahren auf die Krise am Vorabend des Ersten Weltkrieges reagierten. Desorientierung, Überreizung und der Verlust von Verbindlichkeiten, der Mensch im Allgemeinen und der Geistesmensch im Besonderen kamen einfach nicht mehr zurecht mit den Beschleunigungs- und Verfallsprozessen der Zeit.

Im Film sagt die Politologin Ulrike Guérot: "Man kann es rückkoppeln zu heute, wo wir mit dem Burn-out-Begriff eine ähnliche Zeitkrankheit versuchen zu erfassen von Leuten, die offensichtlich in ihrer Arbeitssituation in Überforderung geraten und sich in der heutigen Zeit nicht mehr verorten können."

Doch die Doku von Julia Benkert beschreibt nicht nur einen verzagten Rückzug aus einer Welt, die sich selbst aus den Fugen hebt, sie beschreibt auch soziale Gegenentwürfe. Etwa die der beherzten Lebensreformer auf dem Monte Verità. Der Erste Weltkrieg war schon ausgebrochen, da suchten die Anthroposophen und Anarchisten, die Nudisten und Okkultisten auf dem Hügel im Schweizer Kanton Tessin nach neuen, heute würde man sagen: nachhaltigen Gesellschaftsmodellen.

Nackt jäten, Fallobst sammeln

Unter ihnen war auch der Schriftsteller Hermann Hesse, der anfänglich noch Spaß am nackt jäten und Fallobst einsammeln hatte, dem bald aber die alternativen Lebensentwürfe nur noch wie ein dümmlicher romantischer Atavismus vorkamen. Oder wie er selbst es formulierte: "Vegetarier, Vegetarianer, Vegetabalisten, Rohkostler, Frugivoren und Gemischtkostler - der Versuch des Menschen, sich zum Affen zurückzubilden."

Gleichwohl fühlte sich Hesse stark von dem Guru Gusto Gräser angezogen, der nackt in einer Höhle lebte. Radikale Selbsthinterfragung, Naturmystik und biblische Heils-lehren gingen bei der Aussteiger-Avantgarde à la Gräser Hand in Hand. Bei Hesse heißt es später, inspiriert von Gräser und dessen Grotten-Individualismus: "Es gab keine, keine, keine Pflicht für erwachte Menschen als die eine: sich selber zu suchen."

Ein Satz mit ambivalenter Botschaft: Einklang mit sich und der Welt, Ego auf Crashkurs, den Satz kann man als Aufforderung zu dem einen wie dem anderen lesen. Er würde auch ganz gut ins Therapieprogramm stressgeplagter Selbstoptimierer und Supermanager von heute passen. Aber natürlich, so legt die Doku nahe, ist das Ich-Ich-Ich bei Hesse eines, das einer größeren Idee untergeordnet ist, das sich unter dem europäischen Sternenkranz zu entfalten hat.

Filmautorin Benkert verweist auf die Offenbarung Johannes, die auch auf Hesse großen Eindruck gemacht hat. Es geht darin um die Erscheinung einer Gebärenden, über ihrem Haupt strahlt ein Kranz von zwölf fünfzackigen Sternen. Hier wird ein biblischer Urmythos zum Symbol eines neuen, eines mütterlichen Europas.

Hat aber nichts mit der mächtigsten Politikerin des Kontinents zu tun, die gerne "Mutti" genannt wird, sondern mit einer Idee, die größer ist als jede einzelne Person. Und die allen Burn-outs zum Trotz die letzten 100 Jahre überstanden hat.



Gusto Gräser – Diogenes aus Schwabing


Dokumentation
(43 min, in Bearbeitung)

Regie, Buch, Schnitt:
Frank Fiedler (*1945), Absolvent der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin.

Der Schwede Viking Eggeling entwickelte 1917 in Ascona,
zusammen mit dem französischen Lyriker Yvan Goll, später mit dem Dadaisten Hans Richter,
die ersten abstrakten Filme...
SYMPHONIE DIAGONALE
PAR VIKING EGGELING

Capri-Revolution
von Mario Martone
Eine Verbindung zum Monte Verità


Nach den Filmfestspielen von Venedig 2018 kam der Film Capri-Revolution in die Kinos. Hier versuchen wir, den Kontext zu rekonstruieren, in dem der Regisseur die Erfahrung des Monte Verità neu erfand, eine grundlegende historische Tatsache für die Entwicklung des modernen Tanzes. (Italienisch)





Videos:
Videodokumentation
Monte Verità:
L'utopie d'un nouvel age / Utopien einer neuen Zeit
Ausdruckstanz, Frankreich 1996
Dauer / duration: 53',  Band / tape: 880

Choreographie / choreography: Rudolf Laban, Mary Wigman
Regie / direction: Henry Colomer
Tanz / dancers: Rudolf Laban, Mary Wigman
Musik / music: Cécile LePrado
Produktion / production: AMIP; La Sept/Arte; Pathé Télévision; Periplus Ltd.; TSI Televizione Svizzera Italiana
 
From dream to degradation in less than a century
Youtube
Gräsertänze 2007 Danza delle erbe
( Kräutertanz )
Ysengarda
( Hexentanz)
Gräsertanz 2013 Dorothea Beleites lässt Bälle und Feuer kreisen
um Gustos Gedicht:


So freuet Euch,

hah, feuert, feuert Euch –
aufs neue wird gegründet, entzündet neu
Menschsein im Erdsternreich
herzgottentfacht –
aus dem nahfern urtraulich schimmerlacht die:
ERDSTERNZEIT –
Weltheimkehrzeit,
wo müheseelig allbereit der Mensch
sein winzig Lebenslicht
einflicht mit Herzenswonnepflicht
zum Himmel aller Himmel:
„Selbstheimatsein“
des – Schlüssel – der – Verzicht!

*

Youtube 2015 Kunsthalle Schirn, Frankfurt
KÜNSTLER UND PROPHETEN.
EINE GEHEIME GESCHICHTE DER MODERNE 1872-1972

art-tv-ch / Youtube 2016 Monte Verità - Träume eines anderen Lebens
Zuerst ein Spaziergang im Park mit szenischen Überraschungen, dann ein Theaterstück mit viel Musik und Tanz und als Abschluss ein vegetarisch-anarchistisches Buffet. Der verzaubernde Freilichstspiel-Abend auf dem Monte Verità geht den Spuren der Geschichte dieses magischen Ortes nach.

Youtube 2017 The Symbolist Art of Karl Wilhelm Diefenbach
Andere Videos (nachfragen):



Ton:


   Radiosendung vom 20.12.2017 im Deutschlandfunk

  Lebensreformer, Prediger und Jesus-Imitatoren
  Warten auf den Messias

   (oder besser: Lebensreform, einst und heute [Hermann Müller])

   Von Thilo Schmidt
 
Audio CD von Eveline Hasler

Die Felshöhle des jungen Hermann Hesse, 1 Audio-CD
Der unbekannte Hesse - "Der Dichter und sein Guru" / 19. Januar 2003



Eveline Hasler, die im Tessin lebende Schriftstellerin, kennt die Höhle in ihrer Nähe. Sie ist keine Fiktion. Genau wie auch Hesses Erlebnisse dort als Einsiedler keine Fiktion sind. Es ist das Kapitel aus seinem Leben, das bis heute das unbekannteste geblieben ist. Und dabei ist es eines der wichtigsten, die Hermann Hesse besser verstehen lassen. Die Erfahrungen in der Höhle in der Nähe des Monte Verità, in die er mehrere Male in seinem Leben zurückgekehrt war, sie erzählen die Begegnung und Freundschaft Hesses zum Naturmenschen Gusto Gräser. Hermann Müller beschreibt in seiner genialen Arbeit von 1972 "Der Dichter und sein Guru" wie Gräser das Motiv der Führergestalt in sämtlichen folgenden Werken Hesses wird - und mitunter so stark wie kaum die Figur des Demian begründet. Hesse selbst hatte diese "peinliche" Freundschaft mit dem Rohkostler und Tao Te King-Übersetzer oft geleugnet; zu bösartig waren die Reaktionen von Freunden darauf. Diese Arbeit Hermann Müllers nimmt Hasler für ihre Erzählung zur Grundlage. Sie entwirft verwoben mit Originaltexten Hesses ein feinsinnig psychologisches Portrait einer entscheidenden Existenzerfahrung. Wir hungern mit Hesse in der Felshöhle und erwachen mit ihm.
Radiosendung vom 16.11.1985
Bayerischer Rundfunk
Gusto Gräser
"Beruf Naturmensch"
Ein Porträt von Michael Skasa
Kann beim BR-Mitschnitt-Service bestellt werden
The Field - Monte Verita
from 101 Underworld
Am 03.04.2016 veröffentlicht
"High Tech German Electro Music?"
- Discover Sounds From Deepest Part of Underworld
- Come down to us 
Radioserie in französisch: épisode 2/4 :

Monte Verità, une réforme de la vie sur la montagne

France Culture (55 Min.), Erstsendung : 2.1.2018



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Kabakon

Auf der Insel Kabakon wirkte der Naturschwärmer August Engelhardt, der dort einen „Sonnenorden“ gründete und für Naturkost und Nudismus eintrat. Die Plantagenbesitzerin Emma Forsayth, Tochter einer Samoanerin und eines amerikanischen Pflanzers, war offenbar von dem langhaarigen Deutschen angetan und stellte ihm das Land zur Verfügung. Dreißig Mitglieder soll Engelhardts „äquatoriale Siedlungsgemeinschaft“ in ihren besten Zeiten gehabt haben.

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